Protocol of the Session on May 9, 2007

(Dr. Johann Wadephul)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was ist das für eine verquere Debatte! Diejenigen, die keine Gebietsreform wollen, nämlich SSW und FDP, stellen sich hier hin und sagen, die Gebietsreform dürfe erst 2013 in Kraft treten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wenn über- haupt!)

Das bedeutet sieben Jahre Stillstand für SchleswigHolstein. Da sagt meine Fraktion ganz klar Nein.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wen interessiert das denn?)

CDU und SPD haben anscheinend Probleme, ihrer kommunalen Basis zu verkünden, dass sie 2010 tatsächlich eine Gebietsreform wollen. Heute wurde sehr viel im Konjunktiv gesprochen, „man wisse noch nicht“. CDU und SPD haben Angst, den Menschen vor Ort zu sagen, 2010 kommt die Gebietsreform. Sie warten also erst einmal die Kommunalwahl ab und lassen alle Leute, die kandidieren wollen, vor Ort im Unklaren, und zwar völlig ohne Not. Das ist nicht in Ordnung, und das wird von uns kritisiert.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nichts anderes sagen wir doch!)

Wir erwarten, dass die Landesregierung zügig entscheidet, dass sie sich erstens zügig für eine Gebiets- und Verwaltungsstrukturreform entscheidet, die diesen Namen verdient hat, dass sie zweitens sagt, wann dies umgesetzt wird, und dass sie drittens sagt, wie lange für diejenigen, die jetzt kandidieren, dann die Legislaturperiode sein wird. Wer sich vor dieser Antwort drückt, weil er Angst hat, die Kommunalwahl zu verlieren, der verspielt tatsächlich das Vertrauen derjenigen, die nicht wissen, ob sie für zwei oder für fünf Jahre kandidieren wollen. Ich sage aber auch an die Adresse von FDP und SSW, wer keine Gebietsreform will, der muss auch nicht darum streiten, ob sie im Jahre 2010 oder 2013 kommt, der muss sich dann ganz klar dagegen positionieren. Da hätte man heute einen Antrag stellen können, statt die Landesregierung berichten zu lassen, wie lange denn die Legislaturperiode ist, wo doch die Landesregierung das selbst nicht weiß, weil sie an der Stelle relativ planlos ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/1373

durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Der Tagesordnungspunkt ist mit der Berichterstattung der Landesregierung erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 32 auf und wäre froh, wenn die Abgeordneten Platz nehmen würden:

Antrag der Volksinitiative gegen die Zusammenlegung von Kreisen ohne deren Zustimmung

Drucksache 16/1147

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 16/1348

Ich erteile dem Berichterstatter des Innen- und Rechtsausschusses, Herrn Abgeordneten Werner Kalinka, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Innen- und Rechtsausschuss hat in seiner Sitzung am 18. April 2007 auf der Grundlage des Berichtes des Innenministers über den Nachweis der Stimmberechtigung und die Vorprüfung des Quorums über die Volksinitiative gegen die Zusammenlegung von Kreisen ohne deren Zustimmung und eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtags die Zulässigkeit der Volksinitiative geprüft.

Er unterbreitet dem Landtag einstimmig folgende Beschlussempfehlung:

Erstens. Der Landtag stellt fest, dass das nach Artikel 41 Abs. 1 Satz 3 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein erforderliche Quorum für die Volksinitiative gegen die Zusammenlegung von Kreisen ohne deren Zustimmung erreicht ist. Zweitens. Er stellt fest, dass sich die Volksinitiative gegen die Zusammenlegung von Kreisen ohne deren Zustimmung auf einen zulässigen Gegenstand bezieht. Drittens. Die Volksinitiative gegen die Zusammenlegung von Kreisen ohne deren Zustimmung ist daher zulässig.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legte zur Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses auch schon einen inhaltlichen Antrag zum Gegenstand der Volksinitiative vor. Die Befassung mit diesem Antrag wurde jedoch von der Mehrheit der Ausschussmitglieder vor dem Hintergrund der durch die Landesverfassung und das Volksabstimmungsgesetz übertragenen Aufgabe, zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens lediglich über die Zulässigkeit der Volksinitiative zu beraten, abgelehnt.

Frau Präsidentin, ich schlage Ihnen für die weitere Befassung des Landtags mit der Volksinitiative vor, den Antrag der Volksinitiative, Drucksache 16/1147, zur weiteren Beratung an den Innen- und Rechtsausschuss und an den Petitionsausschuss zu überweisen.

Ich bedanke mich für den geschäftsleitenden Vorschlag und danke dem Herrn Berichterstatter auch für den Bericht. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Werner Kalinka das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es bereits dargelegt, die Volksinitiative ist zulässig. Es wurden uns 32.000 Unterschriften vorgelegt. 20.000 Unterschriften wären nötig gewesen. Das Quorum ist deutlich erfüllt. Heute geht es aber nicht um die inhaltliche Bewertung. Diese wird erst einige Zeit später Gegenstand unserer Diskussion sein. Die dithmarscher Initiative ist Ausdruck engagierten bürgerschaftlichen Engagements. Ich glaube, dies dürfen wir festhalten. Darüber gibt es keine Diskussionen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP und Beifall des Abgeordneten Klaus-Peter Puls [SPD])

Wenn man sich vor Augen hält, wie dort mit Herz argumentiert wird, dann steht dies auch Kommunalpolitikern gut zu Gesicht. Die vielen Fahnen auf den Autos zeigen, dass man sich mit Selbstbewusstsein mit der Sache auseinandersetzt. Inzwischen hat sich auch einiges getan. Ich habe es vorhin dargelegt. Der Prozess währt seit November. Gleiches gilt für den Gesamtprozess in Schleswig-Holstein. Wir werden uns sorgfältig mit Argumenten und Besorgnissen auseinandersetzen. Man muss es aber auch gegenseitig aushalten können, dass man auch einmal unterschiedlicher Meinung ist und bleibt.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Werner Kalinka. Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich den Ausführungen und den Geschäftsordnungsanträgen des Kollegen Kalinka an.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das spart Zeit. - Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Bei aller Herzlichkeit, ich muss erklären, dass ich die Promotion im Gegensatz zu Herrn Dr. Stegner noch nicht hinter mich gebracht habe, obwohl ich gelegentlich so wirke.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

- Herr Kollege Stritzl, ich habe es nicht einmal versucht, weil ich nichts davon halte, 400 Seiten mit Zitatensammlungen zusammenzustellen.

Im Namen meiner Fraktion möchte ich mich herzlich bei den Organisatoren der Volksinitiative bedanken. Diese Bürgerinnen und Bürger, die es geschafft haben, innerhalb kürzester Zeit über 30.000 Unterschriften für ihre Volksinitiative zu sammeln, verdienen diesen Dank dafür, dass sie bewiesen haben, dass die Demokratie in SchleswigHolstein funktioniert. Wenn die Menschen in Schleswig-Holstein mit der Politik der Regierung unzufrieden sind, dann organisieren sie sich und nutzen die ihnen von der Verfassung zugestandenen Wege, um - jedenfalls Ihrer Auffassung nach - unausgegorene Beschlüsse und Pläne der Regierungsfraktionen aufzuhalten. Es bleibt dabei. Bis heute ist die Landesregierung jeden Beweis schuldig geblieben, dass eine Kreisgebietsreform, die insbesondere von der SPD verfolgt wird, wirklich Einsparungen bringt. Die CDU versucht verzweifelt, das Thema langsam tot zu schweigen. Dabei treibt der Innenminister - vormals Finanzminister - eine Berechnung nach der anderen durch das Dorf, um seine Pläne zu verteidigen. Nicht eine Berechnung konnte bisher standhalten, sondern wurde nach nur kurzer Zeit durch Fachleute zerlegt.

Gipfel der Frechheit, so muss man es wirklich nennen, war die schon legendäre überschlägige Wirtschaftlichkeitsberechnung des Innenministers. So hatte er beim Vergleich der Personalkosten der Kreise beispielsweise im Kreis Rendsburg-Eckernförde vergessen, eine halbe Million € mit einzurechnen, die an anderer Stelle als dem Personal

(Werner Kalinka)

haushalt gebucht worden war. Er hatte Plan- und nicht Ist-Kosten in den Ansatz gebracht. Er hatte bei den Personalkosten des Kreises Pinneberg übersehen, dass ein Teil der Aufgaben des Kreises von den Baubehörden größerer Städte vor Ort wahrgenommen wurde. Er hatte übersehen, dass der Katastrophenschutz in Kreisen mit Atomkraftwerken oder der Gefahr von Sturmfluten mehr Personal als in Kreisen ohne diese Gefahren erfordert.

Er hatte zwar herausgefunden, dass die Personalkosten in Nordfriesland im Baubereich des Kreises höher liegen als in anderen Kreisen, er hatte zugleich aber übersehen, dass aufgrund einer hohen Bautätigkeit in Nordfriesland der Personalbedarf gegeben war und dass die Kosten pro Bauantrag in Nordfriesland im Vergleich mit anderen Kreisen am niedrigsten lagen. Er hatte also schlicht nicht mitbekommen, dass sich die Personal- und Sachkosten an den zu erledigenden Aufgaben orientieren und damit in den Kreisen höchst unterschiedlich anfallen können.

Wer das alles aber nicht erkennt oder erkennen will, der ist entweder komplett inkompetent und damit für das Amt des Innenministers ungeeignet oder er täuscht die Bürgerinnen und Bürger aus politischem Kalkül heraus bewusst. Dass die CDU als ehemalige Kommunalpartei dies immer wieder zulässt, zeigt nur, wie groß auch bei ihr der Abstand zu den Menschen geworden ist.

Wahrhaftigkeit ist nicht nur von Konfirmanden zu verlangen, sondern erst recht von den Trägern staatlicher Verantwortung. Dieses Zitat von Willy Brand sollten sich die Vertreter der Großen Koalition mit ihren Plänen für eine Kreisgebietsreform öfter vor Augen halten. Frau Kollegin Heinold, Sie merken an meinen Worten: Wir sind gegen eine zwangsweise durchgeführte Kreisfusion, denn der Protest der Volksinitiative gegen die Zusammenlegung von Kreisen richtet sich nicht nur in der Sache gegen die Kreisgebietsreform. Er richtet sich auch gegen den immer stärkeren Habitus von Regierenden, ihre vollmundigen Wahlversprechen, mit denen sie gewählt wurden, nach einer Wahl nicht einzuhalten. Ich weise darauf hin, dass es hier nicht nur um Dithmarschen geht. Es gibt entsprechende Initiativen mittlerweile in Nordfriesland, in SchleswigFlensburg, in Plön, in Ostholstein und in Lauenburg. Wie wir vernehmen, sind diese immer auch durch herausragende Vertreter der CDU und übrigens auch - wie wir es in Dithmarschen sehen durch herausragende Vertreter der Sozialdemokratie getragen.

Man kann es gar nicht oft genug sagen: Die Kreisgebietsreform ist ein Kind, das die Grünen erfunden

haben. Weder die SPD noch die CDU haben vor der letzten Landtagswahl die Notwendigkeit einer solchen Reform gesehen. Mit dem Scheitern der Wiederwahl von Frau Simonis zur Ministerpräsidentin und der Bildung der Großen Koalition hätten auch die Pläne einer Gebietsreform durch den Landtag beerdigt werden müssen. Stattdessen lässt der Ministerpräsident einen Kommunalminister durchs Land ziehen, über dessen Inkompetenz sich die kommunalen Vertreter die Haare raufen, der zugleich aber blind seine Visionen umsetzen will, egal ob sie sinnvoll sind oder nicht, und der mit seiner Art gegenüber den Menschen einen Flächenbrand an Abneigung erzeugt. Aus Reihen der CDU kann man das vielleicht momentan mit Wohlwollen im Auge haben, aber ich sage voraus: Das fällt irgendwann auch auf die CDU zurück.

Der Antrag der Volksinitiative ist zulässig. Er wird von uns auch für zulässig befunden. Wir stimmen ihm inhaltlich zu und werden - sollte sich die Große Koalition uneinsichtig zeigen - ein Volksbegehren unterstützen. Wir haben keinen Zweifel daran, dass das notwendige Quorum von 100.000 Stimmen erreicht werden wird.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über die Zulässigkeit der Volksinitiative brauchen wir uns nicht zu streiten, da sind wir uns einig. Interessant ist höchstens die Frage, ob eine Volksinitiative nur dann als haushaltsrelevant einzustufen ist, wenn sie Kosten verursacht und nicht - wie in diesem Fall - wenn sie verhindern möchte, dass der Landeshaushalt von Kosten entlastet wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Quatsch! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Was zu beweisen wäre!)

Genau genommen ist wahrscheinlich fast jede Volksinitiative kostenrelevant. Für meine Partei sind Volksinitiativen ein wichtiges Element demokratischer Mitbestimmung. Wir wollen sie grundsätzlich auch für haushaltsrelevante Entscheidungen öffnen. Deshalb stimmen wir der Zulässigkeit ohne Wenn und Aber zu.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Wolfgang Kubicki)

Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger gerade über diejenigen Dinge mitentscheiden können, die sie vor Ort direkt betreffen. Auf die Gebietsund Verwaltungsreform trifft dies natürlich zu.