Protocol of the Session on March 23, 2007

Ich habe mich an Ihren Umweltminister gehalten. Diese 25 Jahre müssen wir überbrücken. Das ist genau der Zeitraum.

Herr Dr. Garg, ich weiß nicht, was bei Ihnen „mittelfristig“ heißt. Mittelfristig können zum Beispiel fünf Jahre sein. Wenn Sie mir folgen und auch von 20 bis 25 Jahren ausgehen, sind wir einer Meinung.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das steht im Atom- konsens, was mittelfristig ist! Daran können wir uns halten!)

Ich habe bei der Windkraft erläutert, welche Probleme sich ergeben. 15 Windkraftfelder sind ja genehmigt und 25 weitere in Planung, davon 32 in der Nordsee und acht in der Ostsee. Ein Windkraftfeld mit 100 Windkraftanlagen à 5 Megawatt hat eine Ausdehnung von 5 Quadratkilometern.

(Konrad Nabel [SPD]: Sie wiederholen sich!)

40 Windkraftfelder à 5 Quadratkilometern in den Wasserstraßen von Nord- und Ostsee - das können Sie kurzfristig nicht realisieren.

(Lars Harms)

Ich habe durchaus Vertrauen in die Windkraft, aber bitte nicht kurzfristig. Sie wissen sicherlich, dass auch die Windkraftindustrie für eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke plädiert, um die Technik der Windkraftanlagen für den OffshoreEinsatz zu optimieren.

(Beifall bei der CDU - Zurufe)

Mir liegen weitere Wortmeldungen für Kurzbeiträge vor. Als Nächster hat Herr Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich nur deshalb zu Wort gemeldet, weil mich Herr Ritzek nicht richtig verstanden hat oder nicht richtig hat verstehen wollen. 217 Jahre Uranvorkommen, das mag ja sein. Ich habe gerade eben davon gesprochen, dass wir halbwegs verantwortbar noch 20 bis 30 Jahre unter halbwegs akzeptablen Umweltbedingungen Uran gewinnen können. Danach wird es schwieriger und damit die CO2-Bilanz der Urangewinnung noch übler. Das führt dazu, dass unter Klimaschutzgesichtspunkten ein AKW dann keinen Sinn mehr macht.

Wenn ich in 20 bis 30 Jahren neue Energieformen haben will, muss ich mich auf dezentrale Energieformen stürzen, dann muss ich das Netz ändern, dann muss ich diese Energieformen hier unterstützen. Das ist wichtig für unser Land, weil wir in 20 bis 30 Jahren Uran nicht mehr in vernünftiger Art und Weise gewinnen können. Das ist der Kern der Sache.

Wenn ich dann die Wahl zwischen AKWs oder anderen Energieformen habe, sage ich Ihnen ganz klar: Ich als Person lehne AKWs auch deshalb ab, weil ich einfach Angst davor habe, dass uns so ein Ding irgendwann einmal um die Ohren fliegt. Dann ist das Wehklagen groß, wenn wir auf so eine Katastrophe zustürzen,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wenn wir dann noch leben!)

wie die Menschen, die von Tschernobyl direkt betroffen sind. Das ist ein Elend sondergleichen. Es ist unsere Aufgabe als Politiker, so ein Elend zu verhindern. Das ist gerade auch unsere Aufgabe im Land Schleswig-Holstein.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen.

Frau Präsidentin! Herr Kollege Ritzek, zu den Vorräten von Uran auf der Welt will ich folgenden Kommentar abgeben. Ich bin mir sehr sicher, dass wir in 200 oder auch 300 Jahren noch Erdöl haben werden. Die Frage ist nur der Preis.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Nicht nur der geldliche Preis!)

Das ist das eine.

Dann möchte ich noch Folgendes sagen: Die sogenannte Sterbelinie des deutschen Kraftwerksparks und des europäischen Kraftwerksparks können wir doch beobachten. Wir könnten zeitgleich ein HGÜNetz in Europa aufbauen.

Eines möchte ich noch aufgreifen; das hat Kollege Hentschel schon erwähnt. Wir holen 85 % unserer Energie über Importe ins Land. Insofern glaube nicht einmal ich als grüner Verfechter aller erneuerbaren Energien daran, dass wir eine Energieautarkie erreichen könnten. Das heißt, wir müssen uns in einem internationalen Wettbewerb - auch erneuerbare - Energiequellen erschließen.

Ich möchte Ihnen nur einen Akteur in solchen Szenarien nennen: Die Windenergiepotenziale würden sich über die Fläche ausgleichen. Sie produzieren zwar vor Ort stochastisch, aber in der Summe kommt es zu einer steten Verfügbarkeit. Die Anteile lägen bei 50 bis 70 %.

Zurzeit sind die solarthermischen Kraftwerke ganz normale konventionelle Kraftwerke und diese werden von der guten alten deutschen Firma - jede Hausfrau kennt ihre Glasprodukte - Schott entwickelt und sehr erfolgreich gebaut. Es gibt praktische Beispiele.

Das heißt, für diese Szenarien hätten wir die saubere Kohle, die hier immer wieder einmal angesprochen wird. Bei der Kernfusion stecken wir Jahr für Jahr Milliarden in die Forschung, obwohl sie vielleicht erst nach 2050 zur Verfügung steht. Das sind in technischer Hinsicht ungelegte Eier.

Dass wir aber Europa zu günstigen Preisen zu 100 % regenerativ versorgen können, ist mit normaler Technik zu machen. Und das würde mit Kosten geschehen, mit denen der atomfossile Weg, den wir immer noch beschreiten, nie beschritten werden könnte.

(Manfred Ritzek)

Herr Kollege, Ihre drei Minuten sind um.

Meine Damen und Herren, was vom Atom bleiben wird, nachdem drei Generationen den Strom genutzt haben, sind radioaktive Rückstände mit einer Halbwertszeit von 27.000 Jahren. Das ist eine historische Schuld -

Herr Kollege, Ihre drei Minuten sind um. Es ist ein Kurzbeitrag.

Frau Präsidentin, ich komme zum letzten Satz. Das ist eine historische Schuld, die die Generationen, die den Atomweg eingeschlagen haben, auf sich geladen haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort hat nun Herr Wirtschaftsminister Dietrich Austermann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich halte es als Jurist immer so, dass ich mich an dem Thema entlang bewege. Das Thema ist ein Antrag der Fraktion der Grünen, der sich mit der Frage der Restlaufzeiten und dem weiteren Einsatz der Kernenergie befasst. Ferner geht es darum, inwieweit wir Kohlekraftwerke in Schleswig-Holstein oder in Deutschland vertreten können.

Die Grünen gehen von falschen Voraussetzungen aus und ziehen auch die falschen Schlussfolgerungen.

Das Erste ist der Aufsatz von Schirrmacher im Feuilleton. Schirrmacher sagt, es gebe keine Wissenschaftler, die für die Weiterführung der Kernenergie sprächen. Das ist unzutreffend. Es gab vor wenigen Tagen in der „Tagesschau“ einen Wissenschaftler. Es gab auch einen Bericht auf der UNOEbene, in dem von der Kernenergie gesprochen wurde; das hat auch der SPD-Abgeordnete Müller im Bundestag bestätigt.

Zweitens. Sie gehen davon aus, dass es um Restlaufzeiten geht. Das ist falsch. Das Atomgesetz spricht von Reststrommengen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Richtig!)

Das bedeutet, dass Strommengen durchaus getauscht werden können. Und für den Fall, dass Strommengen von dem einen auf das andere Kraftwerk übertragen werden sollen, ist ein Verfahren vorgesehen. Dies entzieht sich der Zuständigkeit der Landesregierung und ist auf Bundesebene zu entscheiden. Umweltminister, Wirtschaftsminister und Kanzleramt haben über dieses Thema zu entscheiden.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur im Fall eines positiven Be- scheids, nicht im Fall des negativen Be- scheids!)

- Das Atomgesetz unterscheidet bei der Übertragung von Strommengen zwischen der Übertragung von älteren auf neuere Kraftwerke und umgekehrt. Es gibt dazu unterschiedliche Verfahren. Das ist festgelegt und die Landesregierung hält sich selbstverständlich an das Atomgesetz. Der Atomkonsens hingegen ist zwischen der Regierung auf der einen Seite und den Energiekonzernen auf der anderen Seite abgeschlossen. - Wir halten uns an die vereinbarten Regelungen.

Jetzt kommt die dritte falsche Schlussfolgerung. Sie sagen, das Ganze ist möglich, ohne dass es zu zusätzlichen CO2-Belastungen kommt, und es solle auch ohne neue Kohlekraftwerke gehen. Ich will es Ihnen ganz deutlich sagen: Wir sind zurzeit dabei, ein Grünbuch über die CO2-Entwicklung zu erarbeiten. Ferner wollen wir CO2-Szenarien für den Fall des Ausstiegs aus der Kernenergie positiv entwickeln. Ich denke, es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, deutlich zu machen, an welcher Stelle sich was verändert, soweit man die Klimaentwicklung lokal begrenzen kann.

Eines ist mit Sicherheit festzustellen: Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um rasch zu einem Ergebnis zu kommen, das möglichst viel CO2 vermeidet. Deswegen verstehe ich nicht, dass Sie sich gegen Clean-Coal-Kraftwerke wenden. Wo soll die Energie denn herkommen?

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil es die Technik überhaupt nicht gibt!)

- Moment, dann muss man doch die Technik weiterentwickeln. Wenn Sie die Perspektive 2020 aufgreifen, bedeutet das doch, dass Sie die Hoffnung und die Erwartung haben, dass Sie bis zum Jahr

2020 so weit sind, dass Sie das Ziel erreichen können. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass Sie es auf jeden Fall erreichen werden.

Ich sehe es so: Wenn man die Kernkraftwerke ersetzen will, dann muss man zunächst auch auf fossile Kraftwerke setzen. Und wir müssen diese fossilen Kraftwerke so weiterentwickeln, dass sie CO2 vermeiden oder dass CO2 durch den Einsatz von Wasserstoff gänzlich vermieden wird.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es ist aber nicht möglich, die Kernkraftwerke bis 2020 allein durch Windmühlen zu ersetzen. Es muss in der Zwischenzeit andere Kraftwerke geben.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen vor allen Dingen mehr Effizienz. Wir wollen einen höheren Wirkungsgrad. Wir wollen Dreckschleudern ersetzen. Bundesweit gehen wir zurzeit davon aus, dass Kohlekraftwerke einen Wirkungsgrad von etwa 38 % haben; viele liegen deutlich darunter. Unser Ziel ist es, Kohlekraftwerke mit einem Wirkungsgrad von über 45 % zu erreichen.