Das Gleiche gilt für Behauptungen, die deutschen Kernkraftwerke seien unsicher. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wären deutsche Kernkraftwerke unsicher, müssten sie sofort abgeschaltet werden.
Wenn schon die Atomaufsichtsbehörden in Schleswig-Holstein die hiesigen Atomkraftwerke nicht abschalten lassen, dann gelten sie wohl als ausreichend sicher. Auch hier helfen Horrorszenarien nicht weiter. Sie entwerten - darum geht es mir nur - überzeugende Argumente für den Atomkonsens.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zurück zum Klimawandel. Er ist für mich kein Argument für das Aufkündigen des Atomkonsenses. Denn dies löste keines der mit der Kernkraft verbundenen Probleme, aber das würde die Anreize senken, treibhausarme Energiegewinnungsmethoden neu oder weiterzuentwickeln, die keine radioaktive Erblast mit sich bringen.
Ich bin davon überzeugt, dass der fortschreitende Klimawandel, verbunden mit sinnvollen politischen Anreizen, den energietechnischen Fortschritt so beschleunigen wird, dass solche Alternativen viel schneller und in viel größerem Umfang verfügbar sein werden, als wir uns das heute vorstellen können. Im Übrigen erleben wir das ja schon bei der Windkraft. Es sind ja nicht nur „irgendwelche schleswig-holsteinischen Bauern“, die auf einem Grundstück hinter ihrem Hof ein Windkraftrad aufbauen, sondern da steigen ganz groß internationale Energiekonzerne ein. Genau durch solche Bewegungen kommen wir auch in Zukunft dazu, dass wir mittelfristig auf die Kernenergie verzichten können. Nur so, und nicht weil man den vier Oligopolisten das sind ja Oligopolisten und nicht Monopolisten, Herr Hentschel - das Feld überlässt.
Bis dahin werden uns die deutschen Kernkraftwerke einen wichtigen Dienst erweisen. Sie werden uns in dieser Übergangsphase relativ CO2-freie Energie liefern, ohne die Anreize zu schmälern, emissionsarme Alternativen zu entwickeln. Genau deswegen, weil wir diese Anreize erhalten wollen, die ja im Atomkonsens festgehalten wurden, halten wir daran fest.
Ich danke Herrn Abgeordneten Garg. - Das Wort für den SSW im Landtag hat nun Herr Abgeordneter Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gehen nun ohne Atomstrom in Deutschland die Lichter aus oder nicht? Ich glaube, es wäre zu einfach, sich auf eine Studie zu berufen und diese dann als Argument zu nutzen. Es gibt eine Vielzahl von Studien zu diesem Thema und damit auch eine Vielzahl von Ergebnissen und Schlussfolgerungen. Das zeigt, dass es hier einen hohen Grad an Unsicherheit gibt.
Allen Studien ist eines gemeinsam: Sie gehen von Szenarien aus. Einerseits wird der Energiebedarf der Zukunft hochgerechnet und andererseits wird in den jeweiligen Szenarien dann die Wirkung eines energiepolitischen Wandels, in welche Richtung auch immer, zugrunde gelegt. Den meisten Studien gemeinsam ist, dass sie zu dem Schluss kommen, dass wir selbst dann, wenn man Einsparpotenziale im großen Umfang verwirklicht, mindestens den heutigen Energiebedarf wohl auch in Zukunft haben werden, weil der Gesamtbedarf auch in unserem Land steigt. Das heißt, wenn ich die Lage betrachte, dann muss ich vom heutigen Energiebedarf als Mindestenergiebedarf der Zukunft ausgehen. Damit gibt es immer noch keine Festlegung auf eine Energieform, sondern dies ist nur eine sachliche Feststellung, welchen Bedarf wir haben.
Will man sich überlegen, welche Energieformen der Zukunft nun angestrebt und umgesetzt werden sollen, ist in erster Linie der Klimaschutz ausschlaggebend. Aber auch Fragen der Verfügbarkeit und der Sicherheit spielen hier natürlich eine Rolle. Sehen wir uns einmal die einzelnen Energieformen an und betrachten einmal deren Klimafolgen. Dabei betrachte ich aber nicht nur den Prozess der Nutzung der Energie, sondern auch die Auswirkungen
der Gewinnung der Rohstoffe für die Energieherstellung. Denn diese Rohstoffe werden teilweise unter sehr umwelt- und klimaschädlichen Bedingungen gewonnen.
Fasst man alle Faktoren zusammen, so ist zum Beispiel die Atomkraft nicht so klimafreundlich wie immer gedacht. Im Schnitt führt die Kernenergie zu einem CO2-Ausstoß von 60 kg pro Megawattstunde. Deutlich niedriger sind die Werte bei biomassebefeuerten Dampfkraftwerken mit 15 kg oder auch bei der Windkraft mit 24 kg pro Megawattstunde. Am günstigsten nach heutigem Stand der Technik sind in diesem Bereich Wasserkraftwerke, die nur rund 10 kg CO2 pro Megawattstunde auslösen.
Vor diesem Hintergrund ist klar, dass Atomkraftwerke technisch nicht unbedingt als der „letzte Schrei“ gelten können und sie auch nur eine Übergangstechnologie sind. Andere Energieformen sind definitiv zukunftsweisender. Und es wird deutlich, dass wir Synergieeffekte auch in der Energiegewinnung anstreben müssen. So ist die thermische Behandelung von Abfall nicht nur unter rein abfallpolitischen Gesichtspunkten zu sehen, sondern eben auch vor dem Hintergrund der Nutzung dieser thermischen Abfallbehandlungsanlagen für die Stromund Wärmegewinnung. Überhaupt ist es wichtig, dass wir die Wärme, die im Prozess der Stromgewinnung entsteht, mit nutzen. In Großkraftwerken wird diese Abwärme immer wieder nicht genutzt, was dazu führt, dass der Wirkungsgrad von solchen großen Anlagen beschämend niedrig ist. Das gilt im Übrigen für alle Großkraftwerke, nicht nur für Atomkraftwerke. Großkraftwerke sind somit die Technik des vergangenen Jahrhunderts und allenfalls für den kurzfristigen Übergang hin zu neuen Energieträgern noch sinnvoll.
Sehen wir uns nun einmal die Energieträger unter dem Aspekt der Verfügbarkeit an. Wind, Wasser und Sonne sind unbegrenzt verfügbar. Biomasse ist ebenfalls reichlich verfügbar und kann jederzeit nachgepflanzt werden. Das sind also die Energieträger der Zukunft, die nicht nur unbegrenzt zur Verfügung stehen, sondern auch bei uns hier vom Land vorkommen. Anders ist dies mit den anderen Energieträgern. Kohle mag es noch 50 oder 100 Jahre geben und Erdgas und Öl wird es sicherlich auch noch für einen ähnlich langen Zeitraum geben, für eine Übergangstechnologie also durchaus lange genug. Bei Uran sieht dies schon schlechter aus. Die Vorkommen sollen in 20 bis 30 Jahren so weit abgebaut sein, dass dann die Gewinnung nur noch unter erschwerten und damit klimaschädlicheren Umständen möglich ist. Das
Außerdem müssen wir, wenn wir die Verfügbarkeit betrachten, sehen, dass 100 % unseres Urans aus dem Ausland stammt und viele Herkunftsstaaten politisch instabil sind. Damit begibt man sich in eine energiepolitische Abhängigkeit, wenn man auf diesen Energieträger setzt. Gleiches gilt für Erdgas. Wir beziehen unser Erdgas aus Norwegen und - das ist viel wichtiger - zu einem großen Teil aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, und hier vornehmlich aus Russland.
Weil Gas ja nun einmal nur in Leitungen transportiert werden kann, begibt man sich hier ebenfalls in eine starke Abhängigkeit von Herrn Putin. Man kann nicht einmal so eben seinen Lieferanten wechseln. Wenn es zu politischen Krisen oder zu unangemessenen Preisabsprachen kommt, hat man kaum eine Chance, seinem Lieferanten bei Gas zu entgehen. Deshalb ist es für einen Staat wichtig, den Übergang zu sauberen Energieformen mithilfe eines Energieträgers zu bewältigen, der sicher verfügbar ist. Das ist die Kohle, wenn ich auch zugeben muss, dass diese nun wirklich nicht die sauberste Energieform ist. Aber wir haben Kohle in heute sicheren Ländern und wir haben sogar Kohle im eigenen Land. Für den Übergang aus der Atomwirtschaft stünde somit ein sicherer Energieträger zur Verfügung.
Betrachtet man nun noch den Sicherheitsaspekt, so ist völlig klar, dass Atomstrom nicht im Entferntesten eine Alternative für die Zukunft ist. Dort wo, Menschen arbeiten, passieren Fehler. Wenn in Atomanlagen Fehler passieren, kann es zur Katastrophe kommen. Deshalb müssen wir am Atomkonsens festhalten und alle Atomanlagen so schnell wie möglich abschalten.
Wenn wir Forschung betreiben wollen, müssen wir die erneuerbaren Energien erforschen und die Finanzmittel dorthin lenken. Nur wenn wir es schaffen, dezentrale Energieformen zu entwickeln, die unseren Energiebedarf decken können, werden wir eine energiepolitisch sichere Zukunft haben.
Es darf aber nach meiner Meinung auch der wirtschaftliche Aspekt nicht zu kurz kommen. Nicht nur wir zahlen Steuern, damit die Atomindustrie subventioniert wird und konkurrenzlos billigen Strom gegenüber anderen sauberen Formen liefern kann, nein, auch zukünftige Generationen werden riesige Steuersummen aufwenden müssen und damit noch in hundert Jahren die Gewinne der Strom
bosse von heute subventionieren. Versicherungsrisiken werden den Atomkonzernen heute schon genommen und auch die Entsorgung ihres strahlenden Mülls wird von der Gesamtgesellschaft und damit vom Steuerbürger der Zukunft getragen werden müssen. Wer 100 Milliarden € Subventionen erhält und dann sagt, das EEG würde zu Wettbewerbsverzerrung führen, der hat Wirtschaft definitiv nicht verstanden.
Wir müssen sofort aufhören, diese Subventionen zu leisten, und auf dem Markt der Stromerzeuger für gleiche Bedingungen sorgen. Dann würde schon heute jedes Atomkraftwerk umgehend abgeschaltet werden, weil der Strom zu teuer wäre.
Wer am Atomstrom festhält, sichert nur das Oligopol der Stromriesen in Deutschland. Nur diese haben die Technik in ihren Händen und nur diese können dann diese Technik in ihrem Sinne einsetzen. Wer diese Marktmacht brechen will, muss andere Energieformen stützen und auch für den Übergang andere Großkraftwerke zulassen. In meinen Augen ist es energiepolitisch durchaus sinnvoll, in begrenztem Umfang kurzfristig auf saubere Kohlekraftwerke neuester Technik zu setzen und dann mittel- und langfristig auf dezentrale Energieversorgungssysteme umzustellen. Wir könnten so die Marktmacht der Stromriesen brechen und für mehr Wettbewerb sorgen und gleichzeitig für Versorgungssicherheit auf dem Energiemarkt und für Sicherheit vor Atomunfällen sorgen.
Was muss in Zukunft getan werden? Nach Auffassung des SSW sind folgende Schritte notwendig: Erstens. Wir müssen am Atomausstieg festhalten und die Subventionen in diesem Bereich massiv abbauen. Zweitens. Wir müssen in die Erforschung der erneuerbaren Energien investieren, damit wir hier schnell weitere Energiealternativen erhalten und unsere Marktposition ausbauen. Drittens. Wir müssen auf europäischer Ebene dafür sorgen, dass subventionierter Atomstrom aus dem Ausland nicht unsere Bemühungen um eine umweltgerechte und klimafreundliche Energiegewinnung zunichtemacht.
Viertens. Wir müssen auf Bundesebene dafür sorgen, dass endlich eine konkrete Planung erstellt wird, die verbindliche Aussagen darüber trifft, wie der Energiemix in 20 und in 50 Jahren aussehen soll.
Fünftens. Wir müssen auf Bundesebene dafür sorgen, dass der dezentrale Ausbau des Stromnetzes vorangetrieben wird. Der ist Voraussetzung dafür, dass wir die erneuerbaren Energien überhaupt richtig nutzen können. Voraussetzung hierfür bleibt aber auch die Trennung von Netz und Betrieb bei den Stromerzeugern.
Sechstens. Wir müssen in Schleswig-Holstein eine Strategie entwickeln, wie der Wegfall des Atomstroms kurzfristig durch andere Kraftwerke kompensiert werden kann. Hierbei ist insbesondere daran zu denken, dass Großkraftwerke nur dann Sinn machen, wenn man ihre Abwärme nutzt. Dabei bieten sich zum Beispiel Standorte in der Nähe der chemischen Industrie an, die oft große Mengen an Prozesswärme benötigt. Dies sollte auch bei einem Konzept für die Unternehmensansiedlungspolitik des Landes eine Rolle spielen. Nur dann macht ein Kohlekraftwerk Sinn.
Siebtens. Zu guter Letzt brauchen wir auch auf Landesebene schon jetzt eine konkrete Planung, welche Energieformen in Schleswig-Holstein in 20 und in 50 Jahren genutzt werden sollen. Hierauf aufbauend muss dann ein Förderinstrumentarium auf Landesebene entwickelt werden, das es ermöglicht, die gesteckten Ziele zu erreichen. Denn hier geht es um die Arbeitsplätze der Zukunft in unserem Land. Bei den erneuerbaren Energien spielt die Musik, nicht in der Atomindustrie.
Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Das Wort für einen Kurzbeitrag hat nun Herr Abgeordneter Manfred Ritzek.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Hentschel, Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen haben ja die Gelegenheit, meinen Redebeitrag noch einmal nachzulesen; ich will ihn nicht wiederholen, sondern nur zu ein, zwei Punkten noch etwas sagen, und zwar zunächst zur Frage der Uranverfügbarkeit. Ich spreche da auch die Kollegen Schulze und Harms an. Ich weiß nicht, ob Sie den Umweltbericht der Bundesregierung vom letzten Jahr gelesen haben - darin steht etwas über die Verfügbarkeit von Uran -, Herr Schulze, von Ihnen hätte ich das erwartet, denn der Bundesumweltminister ist ja Ihr Parteimitglied. In dem Bericht steht, dass Uran eine Verfügbarkeit von 217 Jahren
Wir haben weltweit 3,2 Millionen t wirtschaftlich förderbare Uranvorräte. Bei einem Jahresbedarf von 40.000 t macht das 80 Jahre. Ich war völlig überrascht, im Umweltbericht zu lesen, dass wir Reserven für 217 Jahre haben. Vielleicht sollten Sie das noch einmal nachlesen.
Herr Harms, Sie sprechen - das finde ich auch gut immer von 20 bis 50 Jahren. Was passiert in 20 bis 50 Jahren? Das ist genau die Zeit, die wir überbrücken müssen. Das ist genau die Zeit, in der wir noch die längere Laufzeit der Kernkraftwerke benötigen.
Das sagt ja auch Herr Gabriel. Herr Kollege Schulze, ich habe durchaus Vertrauen in die Windkraftanlagen. Aber wenn Ihr Umweltminister im Umweltbericht sagt, dass bis zum Jahre 2030 - also erst in etwa 25 Jahren - 20.000 bis 25.000 Megawatt Windkraft produziert werden kann, um Kernkraft zu ersetzen -
Herr Kollege, könnten Sie bitte ein bisschen mehr Abstand vom Mikrofon nehmen! Dann bullert das nicht so.
Ich habe mich an Ihren Umweltminister gehalten. Diese 25 Jahre müssen wir überbrücken. Das ist genau der Zeitraum.