Protocol of the Session on March 23, 2007

Wir wollen vor allen Dingen mehr Effizienz. Wir wollen einen höheren Wirkungsgrad. Wir wollen Dreckschleudern ersetzen. Bundesweit gehen wir zurzeit davon aus, dass Kohlekraftwerke einen Wirkungsgrad von etwa 38 % haben; viele liegen deutlich darunter. Unser Ziel ist es, Kohlekraftwerke mit einem Wirkungsgrad von über 45 % zu erreichen.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist völlig normal heutzuta- ge! Das ist der Stand der Technik!)

- Es gibt kein einziges Kraftwerk in Deutschland, das diesen Stand der Technik inzwischen erreicht hat. Erzählen Sie doch keinen Unfug! Es gibt kein einziges Kohlekraftwerk in Deutschland - und in Schleswig-Holstein schon gar nicht -, das einen Wirkungsgrad von 45 % hat.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die 40 Jahre alt sind, Herr Minister!)

Herr Matthiessen, Sie haben nicht das Wort.

Also, unser Ziel ist es, Dreckschleudern durch Kraftwerke mit höherem Wirkungsgrad zu ersetzen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Und das bedeutet, dass wir neue Technologien einsetzen müssen. Gleichzeitig wollen wir eine Kopplung mit Dampf erreichen. Wir wollen die Industrie mit Dampf versorgen und so die Wärme besser nutzen als zurzeit. Dann werden wir einen Wirkungsgrad von 60 bis 65 % haben.

Zu glauben, man könne CO2 vermeiden, indem man sich allein auf die Windenergie beschränkt, ist irre.

Jetzt will ich ein konkretes Beispiel für die Stadt Kiel geben; wir sind aufgefordert worden, uns dazu zu äußern. Die Entscheidung trifft der Rat der Stadt Kiel; sie liegt also nicht im Zuständigkeitsbereich der Landesregierung. Es ist klar, dass auch ein Biomassekraftwerk in Kiel CO2 ausstößt. Den Eindruck zu erwecken, ein lokales Biomassekraftwerk mit Pellets würde dazu führen, dass es hier in Kiel zu keinem CO2-Ausstoß käme - und jeder weiß, dass Pellets möglicherweise schädlichere Auswirkungen haben als Kohle -, ist doch völlig albern. Weltweit hat es natürlich eine Bedeutung, weil es CO2-neutral ist. Aber hier vor Ort werden wir eine solche Betrachtung nicht anstellen können.

Lassen Sie uns deshalb vernünftig über die Dinge reden und einen Weg suchen, der sich von der Ideologie verabschiedet. Sie haben doch erkannt: Die Landesregierung ist dafür, dass wir uns im Rahmen des Atomgesetzes bewegen. Aber das bedeutet, dass wir auch Wege beschreiten müssen, die uns womöglich vorübergehend Ergebnisse bescheren, die wir eigentlich nicht wollen.

Es gibt zurzeit eine große Anzahl an Bewerbern, die in Schleswig-Holstein Kohlekraftwerke errichten wollen.

Natürlich werden wir darauf achten, dass diese Kraftwerke so ausgestattet sind, dass sie einen optimalen Wirkungsgrad haben. Wir würden das gern so kombinieren, dass die Industrie davon profitiert und dadurch ihre Kosten senkt, dass sie den Dampf abnimmt, und dass dadurch der Wirkungsgrad gesteigert wird. Aber das bedeutet zunächst einmal, dass entsprechende Kraftwerke errichtet werden müssen. Die Wirkung ist zumindest vorübergehend da.

Unser nächstes Ziel lautet, dass wir die Windenergie so einsetzen können, dass sie speicherbar wird. Damit kommen wir wieder zu einem Ihrer Themen, das ist das Thema Wasserstoff. Natürlich geht die Speicherung von erneuerbaren Energien nicht ohne Wasserstoff. Also muss ich auch dort versuchen, neue Wege zu beschreiten. Aber ich werde das eine ohne das andere nicht tun können.

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Matthiessen?

(Minister Dietrich Austermann)

Ja, gern.

Herr Minister, könnten Sie sich vorstellen, dass die Investoren von Kohlekraftwerken aus betriebswirtschaftlichen Gründen von sich aus auf das Erreichen des optimalen Wirkungsgrades achten?

- Ich kann mir vorstellen, dass sich ein Kraftwerksbetreiber von einer Investition eine entsprechende Rendite erwartet. Ich kann mir auch vorstellen, dass er sich im Hinblick auf die aktuelle Diskussion, die wir Gott sei Dank bundesweit und weltweit über das Thema der Belastung des Klimas haben, selbstverständlich auch gern das Etikett „umweltfreundlich“ vorn an die Tür hängen wird. Das war leider in der Vergangenheit oft nicht der Fall.

Wir haben zurzeit Anmeldungen für neue fossile Kohlekraftwerke - ich habe Ihre Bemerkung von den 200 Jahren Vorräten für Dieselöl nicht verstanden; ob Sie möglicherweise Dieselkraftwerke bauen wollen - mit 50 bis 60.000 MW in Deutschland. Ich hoffe, dass sie alle auch einen Wirkungsgrad haben werden.

Wir sind mit dem Umweltminister und der zuständigen Ministerin, Frau Trauernicht, darin einig, dass wir darauf achten, dass der größtmögliche Wirkungsgrad erreicht wird. Sonst wird von uns aus an der Stelle, wo wir natürlich zustimmen müssen, eine Barriere da sein. Wir werden darauf achten, dass die Kraftwerke, die hier bei uns errichtet werden, umweltmäßig optimal ausgerichtet sind. Aber wir werden es nicht vermeiden, dass wir dabei zusätzliches CO2 erzeugen.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordne- ten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich sage Ihnen: Wenn Sie heute eine Bilanz für das Jahr 2020 für das Land Schleswig-Holstein aufstellen würden, bedeutete das eine Verdreifachung des CO2-Ausstoßes. Ich sage das so, wie die Situation tatsächlich ist. Deshalb sind wir aufgefordert, im Forschungsbereich beim Thema „Clean Coal“, bei anderen Themen, so entschlossen voranzugehen, das kein Investor - um Ihre Frage noch einmal aufzunehmen - glaubt, er könne mit seiner Investition schnelles Geld machen, sondern dass jeder Investor darauf achtet, dass er optimal in Bezug auf die Umweltwirkung tätig wird. Das ist die Aufgabe der Landesregierung. An der Stelle wollen wir uns tummeln.

Alles andere, was sonst im Antrag steht, richtet sich an die Bundesregierung, fällt nicht in unsere Zuständigkeit. Ich würde empfehlen, das Ganze abzulehnen. Aber da ich das schon einmal gemacht habe und alle sich darüber aufgeregt haben, lasse ich das in diesem Fall sein.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und ver- einzelt bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Minister. Es gibt weitere Kurzbeiträge, wobei ich das Parlament darauf hinweisen möchte, dass Überweisung beantragt worden ist. Aber das war nur ein kleiner Hinweis.

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben völlig recht, wir sollten nicht über Ideologien reden, sondern wir sollten über Technologien reden. Das Kernproblem ist doch: Der kritische Zeitpunkt ist 2020. Denn dann, wenn die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet werden, müssen wir genug regenerative Energien haben, um sie zu ersetzen, zumindest im Strombereich. Es geht hauptsächlich um den Strombereich, in den anderen Bereichen werden wir das nicht schaffen; da wird es länger dauern. Das wissen wir auch. Aber im Strombereich gibt es die Frage: Schaffen wir es bis 2020, bis zum Abschalten der Atomkraftwerke, genügend regenerative Energien zu produzieren, damit wir abschalten können, oder schaffen wir es nicht und welche Technologie setzen wir dafür ein?

Alle Szenarien, die ich kenne - übrigens auch die des Umweltbeirates der Bundesregierung - gehen davon aus, dass das Wachstum der regenerativen Energien, insbesondere der Off-Shore-Anlagen, so schnell geht, dass wir bis 2020 mit Sicherheit so viel regenerative Energien haben werden, um mindestens die Atomkraftwerke zu ersetzen. Wir werden wahrscheinlich doppelt so viel haben. Wir werden wesentlich mehr regenerative Energien haben. Das hängt aber von der Ausbaugeschwindigkeit ab. Aber die Szenarien gehen davon aus. Es wird zurzeit allein im Off-Shore-Bereich von 20 GW geredet, die produziert werden sollen.

Damit gibt es ein Problem, das ist die Frage der Speichermöglichkeit. Deshalb habe ich dafür plädiert, ein HDÜ-Kabel nach Norwegen zu bauen, da

mit wir dann, wenn wir mehr Strom produzieren, die Energie aus dem Wind nach Norwegen schicken können, und wenn wir weniger Windenergie produzieren, die Norweger ihre Wasserkraftwerke aufmachen können. In Norwegen haben wir nämlich riesige Speicherkapazitäten, die für wesentliche Teile des europäischen Netzes bei einer regenerativen Versorgung ausreichen würden. Das ist das Interessante. Sie müssen nur über HDÜ-Kabel verfügbar gemacht werden.

Jetzt komme ich zu Ihrem Vorschlag. Ihr Vorschlag ist die Kohlesequestrierung, „Clean Coal“. Das Problem an dieser Technologie ist, dass ich niemanden kenne, der davon ausgeht, dass diese Technologie in verfügbarer Größenordnung bis 2020 zur Verfügung stehen wird. Das ist das Problem. Es gibt bisher weltweit kein einziges größeres Vorhaben, das das Ganze überhaupt darstellt. Alles, was es gibt, sind sehr kleine Anlagen, die in ihrer Größe nicht einmal ausreichen würden, Kiel zu versorgen. Entsprechend sichere, unterirdische Auffangstellen in der Größenordnung, die wir brauchen, in denen ich CO2 unterbringen kann und sicher bin, dass es dort Tausende von Jahren nicht wieder herauskommt - darauf kommt es ja an -, gibt es zurzeit nicht. Wenn es diese Technologie aber gibt, ist das ein Weg, ohne Zweifel.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Garg, die zulasten Ihrer Zeit geht?

Ich habe keine Zeit mehr.

(Heiterkeit)

Herr Kollege Hentschel, würden Sie mir dennoch recht geben, trotz Ihrer Ausführungen, dass es sich lohnen würde, in diese Technologie zu investieren?

- Ich habe kein Problem damit, wenn Entwicklungen in dieser Richtung stattfinden. Ich sage auch ganz deutlich - das hat auch der umweltpolitische Sprecher im Bundestag gesagt -, wenn eine Firma ein Kohlekraftwerk mit gesicherter Kohlesequestrierung baut, ist das okay. Dann muss er aber auch die Sequestrierung jetzt haben. Es geht nicht, dass wir

auf Verdacht Kraftwerke bauen, aber noch nicht wissen, ob das funktioniert, in der Hoffnung, dass wir vielleicht in 20 Jahren eine Sequestrierung haben. Das können wir nicht machen. Das ist falsch.

Herr Kollege, die Zeit!

Ich bedanke mich fürs Zuhören.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Konrad Nabel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wirtschaftsminister, ich war mit meinem Beitrag ja heute relativ nah an Ihrem dran. Das ist ja nicht immer so. Aber eines haben Sie vergessen. Sie haben vergessen, dass durch eine Kraftwärmekopplung beispielsweise in dezentralen Kraftwerken - die müssen nicht klein sein - auch Hauswärme, Nutzwärme und Prozesswärme substituiert werden. Die wird heute auch irgendwie erzeugt. Diesen Anteil an CO2 muss man immer gegenrechnen, den muss man sozusagen dem Kraftwerk negativ zurechnen,

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

sodass wir eine noch bessere CO2-Bilanz haben als Sie vorgerechnet haben und das war schon mutig.

Noch einmal zur Kraftwärmekopplung: Wir sind in Schleswig-Holstein sehr gut davor, wir haben das bundesweit auch gefördert, aber wir müssen weiter denken, europaweit, und vor allen Dingen müssen wir auch an die Länder denken, die sich noch in der Entwicklung befinden und die einen Anspruch auf den gleichen Lebensstandard haben wie wir. Dort Kraftwärmekopplung voranzutreiben bedeutet, dass wir eine Technologie exportieren - das können wir, weil wir die Technologie haben -, die dafür sorgt, dass sie die Wirkungsgrade und die Substitution von anderen - die sind ja noch viel schlimmer, Heizöl und Hauswärmeerzeugung - mit beinhalten, sodass wir hier eine weltweite Verantwortung einnehmen und ein Plus für unsere Exportindustrie haben können.

Ich stimme mit Herrn Hentschel vollständig überein: Jetzt auf Sequestrierung zu setzen, ist eine tolle Sache. Ich glaube aber nicht daran. Ich glaube genauso wenig daran, wie daran, dass es uns gelingen wird, eine sichere Endlagerung von Kernenergieresten zu bekommen. Denn die Erde ist immer in Bewegung. Die Erde ist ein riesengroßer Organis

(Karl-Martin Hentschel)

mus, um es einmal etwas pathetisch zu sagen. Die Erfahrungen beispielsweise mit der Geothermie in der Schweiz, wo sie Tiefenbohrungen machen, die dann dazu führen, dass kleine Erdbeben passieren das müssen wirklich nur winzige sein -, zeigen, dass schon dadurch eine riesige Höhle, in die man CO2 eingeleitet hat, ganz schnell verschoben werden kann. Dann ist das ganze Zeug wieder da und das wollen wir nicht. Wenn man versucht, CO2 in die tiefen Schichten des Meeres zu bringen, führt das in der Konsequenz zu einer Versauerung der Ozeane und zu Temperaturänderungen, die wir auch nicht wollen. Das ist eine Technik, auf die wir - finde ich - nicht setzten sollten.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])