Dass dies funktionieren wird, belegt die aktuelle Studie von Greenpeace. Hiernach könnte das letzte deutsche Atomkraftwerk schon 2015 vom Netz gehen und der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020, bezogen auf das Basisjahr 1990, um 40 % gesenkt werden.
Kurz möchte ich noch auf die Renaissance bei der Planung von neuen Kohlekraftwerken eingehen. Ich kann mir vorstellen, dass es vereinzelt Sinn machen kann, alte Kohlekraftwerke durch neue, effizientere zu ersetzen.
Wenn die aktuellen Planungen der Stromkonzerne, 45 statt 29 neue Kohlekraftwerke zu bauen, Wirklichkeit werden sollten, können wir uns allerdings vom Ziel einer Senkung des CO2-Ausstoßes verabschieden. Dies ist nicht zu akzeptieren.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] und Anette Langner [SPD])
Herr Austermann hat am 12. März in Hamburg beim Kongress „Globaler Klimawandel“ darauf hingewiesen, dass er und der Ministerpräsident schon vor 15 Jahren die Windenergie in Schleswig-Holstein gefördert haben, obwohl damals der Klimawandel nicht im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion stand. Deshalb mein Appell an Sie: Gehen Sie den jugendlichen und richtigen Weg von damals weiter, verabschieden Sie sich von dem Dinosaurier Atomkraft und stellen Sie sich an unsere Seite! Wir haben als SPD schon vor gut 20 Jahren vom Klimawandel und dem damit verbundenen Handlungsbedarf gesprochen und auch danach gehandelt. Deshalb freuen wir uns, wenn immer mehr Politiker zur Einsicht auf die Realität einschwenken, auch Sie, Herr Ritzek.
Ich bin mir sicher, dass diese Einsicht als Mahnung von Tschernobyl alle Verantwortlichen erreicht und in ihrem Handeln für eine atomkraftfreie Energiepolitik bestärken wird.
Wir als Parlamentarier sind für die Zukunft verantwortlich. Die Entscheidungen, die wir heute treffen, werden in 20 Jahren zu spüren sein. Der Klimawandel, den wir heute spüren, ist von den Generationen vor uns zu verantworten. Auch Tschernobyl wird mit seinen Strahlungen noch auf Jahrhunderte nachwirken. Lassen Sie uns deshalb verantwortungsvoll handeln und nicht nur an kurzfristiger Gewinnmaximierung orientiert oder ideologisch nach weiteren Verlängerungen der Laufzeiten rufen!
Ich bitte um abschließende Überweisung an den Wirtschaftsausschuss, mitberatend an den Umweltund Agrarausschuss.
Auf der Tribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Katharineums zu Lübeck mit ihren Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schüler der Realschule Krempe mit ihren Lehrkräften. - Seien Sie uns alle herzlich willkommen!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von den Grünen, wir hatten durchaus Sympathien für die beiden ersten Punkte Ihres Antrages. Allerdings machen Sie es, uns jedenfalls, nach dem, was Sie vorhin vorgeführt haben, ein bisschen schwer. Das erinnert mich, offen gestanden, mehr an das Theater, das wir am Mittwoch bei der Verfassungsänderungsdebatte erleben durften. Ich finde, dieses Thema ist einfach zu wichtig, als dass man auf diese Art und Weise davon ablenkt.
Insofern bin ich über den Antrag auf Ausschussüberweisung sehr froh. Vielleicht können wir uns dann noch einmal in Ruhe darüber unterhalten, was Sie tatsächlich möchten.
Die FDP Schleswig-Holstein und die FDP-Landtagsfraktion sehen unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen überhaupt keinen Anlass, vom
Atomkonsens abzuweichen. Wir könnten uns dabei auf rein formale Gründe zurückziehen und sagen: Pacta sunt servanda. Wollten die Vertragsparteien des Atomkonsenses etwas ändern, müssten sie sich nur einigen und eine Mehrheit im Deutschen Bundestag finden. Ich habe eher den Eindruck, dass vor allem der Bundesminister für Reaktorsicherheit unsere Ansicht zu 100 % teilt und über die Einhaltung des Atomkonsenses so scharf wacht, wie die sprichwörtlichen Hüter angeblich den Heiligen Gral bewacht haben.
Deshalb ist auch die Forderung der Grünen, die Landesregierung möge an den gesetzlich normierten Restlaufzeiten festhalten, rein deklaratorisch. Die Landesregierung hat gar keine Wahl, denn sie ist überhaupt nicht zuständig.
Deshalb schlage ich jetzt schon vor - ich werde es im Ausschuss nochmals tun -, den Antrag in diesem Punkt zu ändern und an die zuständige Adressatin zu richten, nämlich an die Bundesregierung. Denn jenen, die den Atomkonsens aufweichen oder aufheben wollen, ist es völlig gleich, was da steht; sie lehnen den Antrag einfach ab. Aber wir, die wir am Atomkonsens festhalten wollen, können auch gleich an die richtige Ansprechpartnerin appellieren.
Mein nächstes Argument dafür hat einen formalen und einen inhaltlichen Bezug. Wir halten es für verlässliche Politik, am Atomkonsens festzuhalten. Verlässlichkeit ist kein Selbstzweck, aber wir meinen, eine wichtige Eigenschaft guter Politik. Wir halten das Festhalten am Atomkonsens für ein gutes Beispiel verlässlicher Politik; denn wir sind überzeugt, dass der Staat stärker auf mittel- und längerfristig beständige Rahmenbedingungen setzen sollte.
Der Atomkonsens ist eine solche Rahmenbedingung für die Entwicklung des Energiesektors in Deutschland und er ist ein Paradebeispiel für einfache, verständliche und transparente Politik, bei der die Betroffenen - die Betreiberinnen von Kernkraftwerken - angemessen beteiligt wurden.
Die beiden größten gesellschaftlichen Probleme der kommenden Jahrzehnte sind die gesellschaftlichen Folgen der alternden Bevölkerung und die Folgen der Erderwärmung. Beide Prozesse sind real und fordern uns heraus. Sie haben sich über Jahrzehnte aufgebaut und werden uns Jahrzehnte begleiten. Wir werden ihre Folgen nur dann bewältigen können, wenn die meisten Menschen ihr Verhalten dauerhaft ändern.
Politische Maßnahmen werden diese Verhaltensänderung nur dann bewirken, wenn diese selbst über längere Zeit wirken. Beispielsweise hülfe es nur wenig, lediglich ein Jahr lang für die Riesterrente zu sparen. So würde die gesetzliche Rente kaum aufgebessert werden können. Die Riesterrente kann nur dann wirken, wenn die Menschen lange sparen. Das aber setzt voraus, dass der gesetzliche Rahmen dafür lange besteht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich muss es möglich sein, solche Regeln zu ändern. Aber das darf kein Vorwand für die Politik vom Stile „heute hü und morgen hott“ sein. Denn ein solch hektisches Herumlavieren senkt die Anreize der Menschen, ihr Verhalten langfristig auszurichten. Aber die langfristige Verhaltensänderung ist genau das, was wir brauchen.
Wenn ich von Menschen spreche, so meine ich damit auch Unternehmen; denn unternehmerische Entscheidungen sind immer auch Entscheidungen von Menschen.
Damit bin ich beim Atomkonsens. Hier wurde unter Beteiligung der betroffenen Unternehmen ein Regelwerk geschaffen, das alle Beteiligten für tragbar hielten, ein Kompromiss, der der Energieindustrie, der Politik und allen anderen in Deutschland die Chance bietet, innerhalb von drei Jahrzehnten die emissionsarme, aber risikoreiche Kernenergie durch andere Energiequellen zu ersetzen.
Seitdem hat sich an den sachlichen Voraussetzungen nichts geändert, also gibt es auch keinen sachlichen Grund, den Atomkonsens zu ändern. Umso mehr wundere ich mich jetzt darüber, dass Kraftwerkbetreiberinnen Anträge auf die Übertragung von Restlaufzeiten auf ältere Kernkraftwerke stellen, die offensichtlich den Regeln des Atomkonsenses widersprechen, die im Atomgesetz kodifiziert wurden.
Die Betreiberinnen begründen ihre Anträge auch damit, dass sie die älteren Kernkraftwerke noch über die nächste Bundestagswahl hinaus laufen lassen wollen, nur weil sie hoffen, die nächste Bundesregierung werde mindestens die Restlaufzeiten oder gar den Atomkonsens aufheben. Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Dies sind Provokationen, denen die Bundesregierung nur mit einer einzigen Entscheidung begegnen kann, wenn sie verlässliche Politik betreiben will: Sie muss diese Anträge ablehnen!
Im Übrigen hat ja mein Fraktionsvorsitzender bereits darauf hingewiesen, wie die Bundeskanzlerin dazu steht. Klarer geht es nicht.
Daneben gibt es für mich noch einen weiteren inhaltlichen Grund für den Atomkonsens. Das Problem der dauerhaften Lagerung der radioaktiven Abfälle ist nicht geklärt. Ich mag überhaupt nicht vom Endlager sprechen, denn das wird es in absehbarer Zeit beziehungsweise in der absehbaren Geschichte der Menschheit nicht geben. Wir sprechen von Lagerzeiten von bis zu mehreren hunderttausend Jahren. Bis jetzt gibt es weder Baustoffe noch Lagerplätze noch menschliche Institutionen, die solche Zeiträume unbeschädigt überdauern könnten.
Also kann es nur um länger brauchbare Zwischenlager gehen. Selbst wenn sie wenigstens technisch machbar sein sollten - auch das ist nicht unumstritten -, so sehe ich bis jetzt nicht, dass die politischen Entscheidungen dafür bevorstehen. Im Gegenteil, die Politik schiebt diese Entscheidungen immer wieder auf.
Unter diesen Bedingungen an der Kernkraft und damit an der Produktion von radioaktiven Abfällen festzuhalten oder gar verstärkt in die Plutoniumwirtschaft einsteigen zu wollen, halte ich für falsch.
Der Klimawandel - das will ich ganz deutlich sagen - ist für mich kein Argument für Kernkraft. Zwar entspricht die CO2-Bilanz von Kernkraftwerken ungefähr der von Windkraftanlagen, es sei denn, man kauft seinen gesamten Uranvorrat in Südafrika. Aber das gleicht für mich noch nicht einmal die Risiken wegen der ungeklärten Lagerfrage aus. In die
sem Zusammenhang - das sage ich insbesondere Ihnen, lieber Kollege Nabel, weil Sie da vielleicht ein bisschen mehr Einfluss haben als ich - halte ich es für ungeschickt, mit Behauptungen zu operieren, wie das neulich der SPD-Vorsitzende getan hat. Er hat behauptet, Kernkraftwerke würden über ihre gesamte Lebensdauer genauso viel CO2 ausstoßen wie Braunkohlekraftwerke. Das lässt sich mithilfe von Google innerhalb weniger Minuten widerlegen. Im Übrigen widerlegt diese Aussage auch die Studie des Freiburger Ökoinstituts. Solche ungerechtfertigten Horrorszenarien diskreditieren sachliche Argumente für das Festhalten am Atomkonsens.
Das Gleiche gilt für Behauptungen, die deutschen Kernkraftwerke seien unsicher. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wären deutsche Kernkraftwerke unsicher, müssten sie sofort abgeschaltet werden.