Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sozialausschuss hat ausgesprochen vernünftige Regelungen für das Zusammenleben von Rauchern und Nichtrauchern entwickelt. Auf einen kurzen Nenner gebracht haben die Fraktionen versucht, überall dort, wo man als Bürger nicht ausweichen kann, für Rauchfreiheit zu sorgen. Ansonsten setzt man mehr auf Freiwilligkeit und Vernunft. Wer also seinen Pass verlängern möchte oder Fragen zu Hartz IV hat, soll in Zukunft darauf vertrauen können, dass er oder sie auf dem Amt oder der Behörde nicht gesundheitsgefährdenden Rauch einatmen muss. Entsprechende Empfehlungen für Kreise, Städte, Ämter und Gemeinden soll die Landesregierung in unmittelbarer Zukunft entwickeln.
Rauchfreie öffentliche Räume haben ganz gewiss auch eine Vorbildfunktion für andere Gebäude wie Versicherungen, Einkaufszentren, Gastronomie und so weiter. Letztlich soll das Rauchen auf den privaten Bereich beschränkt bleiben. Der SSW ist aber der Ansicht, dass gerade im Nichtraucherschutz der Bogen nicht überspannt werden sollte. Wer zu rigide mit Strafen und Verboten umgeht, wird bei vielen Rauchern eine Trotzreaktion hervorrufen. Die Schraube darf nicht zu eng angezogen werden, denn sonst erreicht man das völlige Gegenteil. Gerade für Jugendliche übt der Reiz des Verbotenen eine große Anziehung aus.
Repräsentativerhebungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigen bei den 12- bis 25-Jährigen einen Raucheranteil von immerhin 35 %, wenn auch mit leicht sinkender Tendenz. Am Stärksten hat sich der Tabakkonsum in den letzten Jahren bei den 12- bis 17-Jährigen vermindert. Der Höchststand wurde 2001 mit 28 % erreicht und liegt nach den Untersuchungen aus dem Jahr 2005 bei 20 %. Diese Entwicklung sollten wir weiter fördern.
Den Einstieg in eine Raucherkarriere verhindern, sollte also das oberste Ziel bleiben. Also darum das Rauchen in Gaststätten verbieten? Ein generelles Rauchverbot in Gaststätten und Restaurants ist keineswegs ein großes Unglück, wie uns die Tabakindustrie weismachen möchte. Trotzdem bin ich hier ein wenig nachdenklich. Wie viel Privatsphäre darf man den Menschen nehmen? Was ist noch privat und was ist schon öffentlich? Ich glaube, die Sicht
weise des Sozialausschusses - öffentlicher Raum ist immer da, wo man nicht ausweichen kann - ist in Ordnung. Niemand wird gezwungen, eine Kneipe oder eine Gaststätte zu besuchen. Wenn man sich also in seiner Privatsphäre befindet, hat sich der Staat herauszuhalten und keine Vorschriften zu machen, wie man sein Leben gestaltet. Deshalb tue ich mich schwer damit, ein Rauchverbot in Gaststätten strikt vorzuschreiben.
Wie geht die Entwicklung dann weiter? Darf man irgendwann auch nicht mehr in der Öffentlichkeit rauchen? Darf man im Auto nicht rauchen, um die Kinder auf dem Rücksitz zu schützen? Müssen Kinder oder Mitmenschen vor dem Rauch anderer geschützt werden, indem man das Rauchen in den eigenen vier Wänden verbietet? Wer überwacht das eigentlich alles? Wollen wir überhaupt eine solche Kontrolle? Ich bin da mehr für eine klare Trennung von Privatsphäre und Räumlichkeiten von öffentlichen Institutionen.
Eine freiwillige Regelung in Bezug auf die Gaststätten erscheint mir daher nachhaltiger. Denn Verbote von außen müssen kontrolliert und ein Verstoß dagegen geahndet werden. Wenn sich dagegen die Restaurants und Gaststätten zu einer freiwilligen Regelung selbst verpflichten, erscheinen Verstöße sehr viel unwahrscheinlicher. Der Deutsche Hotelund Gaststättenverband hat eine entsprechende Internetseite eingerichtet, einen sogenannten Nichtraucherführer, auf der sich alle Nichtraucher-Gaststätten registrieren lassen können. Nun gibt der Kunde nur noch den gewünschten Ort ein und erkennt mit einem Mausklick, wo es Restaurants in seiner Nähe gibt, die Nichtraucherplätze anbieten. Die Schnellrestaurantketten haben übrigens die Zeichen der Zeit erkannt. Viele von ihnen sind ganz oder teilweise rauchfrei, ohne dass sich ein Kunde daran stört.
In einer freiwilligen Verpflichtung des DEHOGA gegenüber dem Gesundheitsministerium sollen bis zum 1. März 2008 in 90 % aller deutschen Lokale die Hälfte der Plätze für Nichtraucher reserviert sein. Derzeit geht der Verband davon aus, dass bislang 30 % der geforderten Betriebe mitziehen. Das ist nicht viel, aber immerhin. So ganz freiwillig ist die ganze Aktion natürlich nicht. Aber wenn wir in den Restaurants und Gaststätten davon wegkommen, dass Rauchen normal ist und Nichtrauchen die Ausnahme, dann haben wir einen riesigen Schritt voran gemacht. Genau das will der Sozialausschuss mit seinem Beschlussvorschlag erreichen. Aus kleinen Nichtraucherecken sollen in den Gaststätten in Zukunft Raucherecken werden.
Ich glaube, der DEHOGA und das Gesundheitsministerium können es schaffen, ohne dass Raucher stigmatisiert werden
und ohne dass dies zu besonders großen Schwierigkeiten führt. Deshalb glauben wir, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der richtige Weg ist, um die gastronomischen Betriebe rauchfreier und am besten rauchfrei zu bekommen.
Der SSW ist sich bewusst, dass Rauchen kein Kavaliersdelikt ist. Schließlich sind etwa 20 Millionen Deutsche dieser Sucht erlegen. Schätzungsweise 110.000 bis 140.000 Todesfälle gehen jährlich auf das Konto der Glimmstängel. Dennoch wird eine Politik mit dem erhobenen Zeigefinger nicht den gewünschten Erfolg bringen. Schließlich wissen die meisten Raucher auch heute schon durchaus um die Gesundheitsgefährdung des Rauchens.
Wir müssen mit den Menschen reden, anstatt sie mit gut gemeinten Verboten von oben herab zu einer Änderung ihres Verhaltens zwingen zu wollen. Wir sollten ein Werbeverbot für Tabakwaren aussprechen und endlich nicht mehr den Tabakanbau in der EU subventionieren. Das sind die eigentlichen Maßnahmen, die wirklich durchschlagenden Erfolg haben könnten.
Ansonsten plädieren wir weiterhin für eine Trennung zwischen Privatsphäre und öffentlichem Raum. Da muss man sehr scharf trennen. Wir sind nur bereit, beim öffentlichen Raum einem strikten Verbot des Rauchens zuzustimmen. Der private Bereich hat weiterhin frei von staatlichen Restriktionen zu sein.
Für die Landesregierung erteile ich der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Denken wir an Frankreich, so denken wir an Männer mit Baskenmützen -
Wir sehen diese Menschen mit einem Baguette unter dem Arm und einer Gauloises lässig zwischen den Lippen. Frankreich und Rauchen erscheinen uns geradezu synonym. Dieses Frankreich will im nächsten Jahr eines der rigidesten Gesetze zum Nichtraucherschutz in Kraft setzen. Verkehrte Welt? Nein, in ganz Europa ist inzwischen klar: Es ist höchste Zeit für klare Luft. Es ist höchste Zeit, für den Nichtraucherschutz zu handeln!
Die gewachsenen Kenntnisse über die gesundheitlichen Auswirkungen des Passivrauchens haben der Diskussion über das Thema Rauchen und Nichtraucherschutz eine völlig neue Dimension verliehen. Sie haben im letzten Jahr auch hier in SchleswigHolstein eine rasante Dimension in die Diskussion gebracht. Es geht eben nicht mehr um die individuelle Selbstbeschädigung einzelner Raucherinnen und Raucher. Es geht nicht mehr nur um Geruchsbelästigungen und Missempfindungen bei Nichtrauchern. Nein, das Thema ist deutlich weiter geworden. Nichtraucher rauchen unwillkürlich passiv mit und sind Gesundheitsschäden ausgesetzt. Genau das hat diese neue Dynamik gebracht.
Es ist gut so: Wir wissen mittlerweile auch, dass die Bereitschaft in der Bevölkerung, zu wirkungsvollen Maßnahmen zum Nichtraucherschutz zu kommen, spürbar gewachsen ist. Das belegen Umfragen. Diese Umfragen machen diesen Trend selbst unter Rauchern ganz deutlich. Das verblüfft auch nicht, denn drei Viertel der bundesdeutschen Bevölkerung über 15 Jahren sind Nichtraucherinnen und Nichtraucher. Nichtrauchen ist also der Normalfall. Ich bin dem Sozialausschuss deshalb ausgesprochen dankbar dafür, dass er diese präzise und zielführende Beschlussempfehlung abgegeben hat. Das ist ein enormer Fortschritt. Ich weiß, es wurde gerungen und gekämpft. Herzlichen Glückwunsch, es hat sich wirklich gelohnt! Das ist auch für eine Gesundheitsministerin, die diese Position allemal vertritt, eine gute Stunde: Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und mehr, aber dafür muss die Zeit kommen.
Wir haben als Landesregierung beschlossen, eine Bestandsaufnahme zum Thema Nichtraucherschutz in öffentlichen Gebäuden zu machen. Das Ergebnis ist bemerkenswert. Von insgesamt 141 Behörden sind danach zurzeit gerade einmal 16 % rauchfrei. Man kann es aber auch positiv for
mulieren: Es gibt 22 Behörden, die völlig rauchfrei sind. Ich würde sie gern alle nennen, beispielhaft nenne ich aber fünf: Vorweg ist die Staatskanzlei zu nennen. Herr Kollege Maurus, wunderbar, die Staatskanzlei ist rauchfrei!
Ebenso rauchfrei sind das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein, die Staatsanwaltschaft Kiel, die Schleswig-Holsteinische Seemannsschule und das Verwaltungsgebäude des Nationalparkamtes; das verblüfft natürlich nicht. Diese Ämter habe ich aus der Liste ausgesucht. Ich habe mit dem Innenminister zusammen Gespräche mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Personalräte aufgenommen, um in Ministerien und nachgeordneten Behörden unseres Bundeslandes eine einheitliche Regelung zum Schutz vor Passivrauchen zu erreichen.
Das ist auch für die Personalräte eine Herausforderung; wir sollten uns dies vergegenwärtigen. Eine solche Vereinbarung nach § 59 Mitbestimmungsgesetz ist nämlich wünschenswert, um Insellösungen zu vermeiden und um hier im Land insgesamt eine klare Umsetzung zu haben. Die Spitzenorganisationen haben zugesagt, ihre Haltung dazu bis Mitte Oktober zu erklären. Gleichzeitig müssen wir - und auch das ist in der Debatte bereits deutlich geworden - die Kreise und kreisfreie Städte ansprechen und sie einbinden, denn es muss natürlich selbstverständlich sein, dass Kindertagesstätten rauchfrei sind. Wir müssen auch Verbände ansprechen, denn es ist schon bemerkenswert, dass bislang gerade mal ein Drittel der Krankenhäuser unseres Landes rauchfrei sind.
Auch das ist deutlich geworden: Bei all dem geht es nicht um einen Kreuzzug gegen Raucher und Raucherinnen. Es geht um ein berechtigtes Anliegen der Allgemeinheit und um den Schutz vor Passivrauchen. Deshalb empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation auch vor dem Hintergrund reichhaltiger Erfahrungen, dass wir das Ziel rauchfreier Arbeitsplätze mit einem gleichzeitigen Angebot von Maßnahmen der Gesundheitsförderung koppeln. Deshalb werden wir auch sorgfältig darauf achten, dass Raucherinnen und Raucher konkrete Hilfen für die Reduzierung ihres Konsums und auch für die Erreichung des Ziels des gänzlichen Tabakverzichts angeboten bekommen. Dies gilt
Meine Damen und Herren, Sie kennen vielfältige Maßnahmen. Ich empfehle, sich tatsächlich der Initiative „NICHTRAUCHEN. TIEF DURCHATMEN“ zuzuwenden. Das ist eine Initiative des Landes Schleswig-Holstein, die schon jetzt deutlich macht: Rauchfrei in zehn Schritten, Rauchentwöhnungskurse für Raucher und Raucherinnen.
In unserer Landeskampagne „NICHTRAUCHEN. TIEF DURCHATMEN“ werden wir auch den Schutz vor Passivrauchen zuspitzen. Wir werden wie vom Sozialausschuss gewünscht - zügig eine Broschüre herausbringen. Wir werden vielfältige Informationen zum Schutz vor Passivrauchen weitergeben und auch konkrete Tipps für den Arbeitsplatz und zum Aufhören mit dem Rauchen geben. Wir planen noch etwas anderes, nämlich eine Zertifizierung von Betrieben, die den Nichtraucherschutz in vorbildlicher Weise umsetzen.
Handlungsleitend bei all dem wird sein, dass Rauchen das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko ist. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Inzwischen ist zum Glück das Nichtrauchen der Normalfall. Wir unterstützen deshalb den interfraktionellen Bundestagsantrag. Er heißt: Effektiven Schutz vor Passivrauchen zügig gesetzlich verankern. Wir haben dem Bund dabei unsere aktive Mitarbeit angeboten. Die Zeit ist nämlich reif für eine verbindliche bundesweite Regelung. Wir wissen, auch hier wird gerungen, gestritten und gekämpft. Das Ziel ist immer noch so formuliert, dass bis zum Jahresende ein Gesetz auf den Weg gebracht werden soll. Wie das Gesetz im Einzelnen aber aussehen wird, ist von den Vereinbarungen und Ergebnissen dieses Ringens abhängig.
Es ist auch hier einmal mehr deutlich geworden, dass es umstritten ist, wie es mit dem Rauchverbot in Gaststätten weitergehen soll. Wir haben inzwischen eine einhellige Meinung zum Thema Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden. Zum Thema Rauchverbot in Gaststätten wird noch gestritten und
gerungen, aber auch hier steigt der Erkenntniszuwachs stetig. Wir müssen uns nicht mehr mit Positionen auseinandersetzen, die da lauten, dass die Bevölkerung dies grundsätzlich nicht will. Das widerlegen Umfragen. Wir müssen uns nicht mehr mit der Behauptung auseinandersetzen, dass das dem Gaststättengewerbe grundsätzlich schaden wird. Hier haben wir Erkenntnisse aus anderen Ländern, aber auch hier gilt, dass wir uns noch auseinandersetzen müssen, damit es zu einer einvernehmlichen Lösung kommen kann. Es gibt zwischen der Wirtschaftsseite und der Gesundheitsseite - um die Pole zu nennen - nach wie vor deutlich unterschiedliche Positionen. Zur rauchfreien Gaststätte ist der Weg offensichtlich noch nicht frei.
Ich habe deshalb mit meinem Kollegen Herrn Austermann vereinbart, dass wir unter dem Marketingaspekt des Gesundheitsstandorts Schleswig-Holstein die Gespräche mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband aufnehmen, um durch besondere Aktionen eine beschleunigte Umsetzung der freiwilligen Vereinbarung zwischen diesem Verband und dem Bundesministerium für Gesundheit über Nichtraucherschutz in Hotellerie und Gastronomie zu vereinbaren. Ich finde, das ist ein guter Weg. Hier können wir neue Wege aufzeigen und Beispielangebote verdeutlichen. Hier können wir uns möglicherweise auch an die Spitze der Bewegung setzen. Es wäre sehr gut, wenn wir im Tourismusland Schleswig-Holstein die Gaststätten- und Hotelleriegewerbe mitnehmen könnten.
Die Beschlussempfehlung des Sozialausschusses wird - davon bin ich überzeugt - dem Nichtraucherschutz in Schleswig-Holstein einen spürbaren Schub geben. Gleichwohl bleibt es - wie die Debatte gezeigt hat - eine fraktionsübergreifende gesundheitspolitische Daueraufgabe, um deren Unterstützung ich Sie auch weiterhin sehr herzlich bitte. Der Vorschlag des Kollegen Garg, die 14,3 Milliarden € Einnahmen aus der Tabaksteuer in die Gesundheitsreform fließen zu lassen, findet meine absolute Zustimmung. Hier sind wir uns dann doch einig.