Protocol of the Session on October 13, 2006

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort. Die vereinbarte

Redezeit von fünf Minuten ist auf zehn Minuten geöffnet worden, muss aber nicht voll ausgenutzt werden.

(Zurufe)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 20 Minuten erscheinen mir doch ein bisschen viel für das Thema. - Während der Kollege Eichstädt geredet hat, habe ich schon befürchtet, dass mein Fraktionsvorsitzender jetzt endgültig anfängt zu rauchen, denn Sie haben ihn ja geradezu ermuntert, entsprechende Gegenpositionen zu vertreten. Ich mache mir jetzt Sorgen, aber ich gehe davon aus, dass er das doch weiterhin sein lässt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Ihr Engagement, einen umfassenden Nichtraucherschutz über Verbotsregelungen herbeizuführen, erkenne ich durchaus an. Ich gehe dann aber davon aus, dass Sie in Zukunft auch gegen solche öffentlichen Anzeigen

(Der Redner hält eine Zeitschrift hoch)

wie hier mit Renate Künast, die eine dicke Zigarre in der Hand hat, vorgehen.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Denn das hat Vorbildcharakter. Wenn sich Spitzenpolitiker mit Zigarren ablichten lassen, passt das nicht ganz dazu, dass sich viele Abgeordnete aller Fraktionen im Deutschen Bundestag für den Nichtraucherschutz starkmachen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gesundheitsgefahren des Rauchens für Raucher und Passivraucher sind unbestritten. Ich glaube nicht, dass man hier die Argumente von Neuem austauschen muss; die sind hinlänglich bekannt. Wir müssen selbstverständlich diejenigen, die sich bewusst gegen das Rauchen entschieden haben, vor dieser Gesundheitsgefahr schützen. Dazu gehört, das Miteinander von Rauchern und Nichtrauchern zu regeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus unserer Sicht gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, das Miteinander zu regeln. An erster Stelle steht für die FDPFraktion nicht immer und überall ein Verbot auszusprechen - um das ganz deutlich zu sagen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Die Frage lautet also: Wo aber kann und wo muss eine solche Regelung und in welcher Form vorgenommen werden? Wie weit darf der Staat mit Vor

(Peter Eichstädt)

schriften, Verboten oder anderen Eingriffen Nichtraucher vor unerwünschtem Tabakqualm schützen?

Bisher galt, dass Verbote im öffentlichen Raum und in öffentlichen Gebäuden gelten dürfen. Doch bereits dort stellt sich die Frage, was eigentlich „öffentlich“ ist. Übereinstimmung bei diesem Begriff herrscht bei allen Gebäuden und Einrichtungen, in denen staatliche Dienstleistungen angeboten werden, zum Beispiel in Finanzämtern, Rathäusern oder Ordnungsämtern. Auch Bahnhöfe, Flughäfen sowie Verkehrsmittel wie Busse, Bahnen oder Flugzeuge lassen sich relativ problemlos unter den Begriff „öffentlich“ subsumieren, da diese jedermann ohne besondere Zulassung zur Benutzung im Rahmen ihrer Zweckbestimmung offenstehen - so jedenfalls der Versuch einer juristischen Definition.

Die Frage lautet: Fallen Gaststätten, Restaurants oder Bars ebenfalls darunter? Sind das öffentliche Dienstleistungen oder handelt es sich nicht vielmehr um private Angebote an die Öffentlichkeit, die der jeweilige Anbieter durch Hausrecht gegenüber jedermann einschränken kann, wie wir das in Zukunft auch in den Räumen der FDP-Fraktion tun werden? Wir werden selber darüber bestimmen, ob wir von unserem Hausrecht Gebrauch machen werden.

(Beifall bei der FDP sowie vereinzelt bei CDU und SSW)

Eine Gaststätte ist keine Institution, in die ich gezwungenermaßen gehen muss oder die Sie gezwungenermaßen aufsuchen müssen, wie beispielsweise das Ordnungsamt, um einen neuen Pass zu beantragen. In ein Restaurant kann ich gehen, ich kann es aber auch bleiben lassen.

(Vereinzelter Beifall)

Deshalb ist dieses private Angebot auch kein öffentlicher Raum.

(Beifall)

Es ist natürlich für einen Nichtraucher mehr als lästig, wenn gerade in dem Moment, in dem ihm das Menu serviert wird, am Nachbartisch eine Zigarette angesteckt wird. Es gibt aber gewisse Formen der Höflichkeit, die selbst Erwachsene lernen können. Hier gleich mit der Verbotskeule zu kommen, halte ich für schlicht überzogen - um das an dieser Stelle ganz deutlich zu sagen.

(Beifall und Zurufe)

- Ich bin froh, dass ich seit über fünf Jahren Nichtraucher bin.

Es kann auch kaum ernsthaft bestritten werden, dass steter Tabakqualm am Arbeitsplatz die Gesundheit der Beschäftigten schädigen kann. Selbstverständlich ist dies so. Wenn aber immer lauter nach rigiden staatlichen Eingriffen zum Schutz der Nichtraucher im öffentlichen Raum gerufen wird, darf und muss doch die Frage gestellt werden, wohin das eigentlich führen soll.

Müsste dann der Staat nicht erst recht - die Frage ist hier angesprochen worden - zum Schutz der besonders vom Tabakqualm gefährdeten Kinder allen Eltern, Großeltern und anderen Kinderbetreuern unter Strafandrohung verbieten, in den eigenen vier Wänden oder im Auto zu rauchen? Diese Frage muss man sich ernsthaft stellen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Lauterbach!)

Erste Forderungen hierzu gibt es bereits. Dann frage ich allerdings: Wo soll dies eigentlich enden? Soll das enden mit dem Entzug des elterlichen Sorgerechts, wenn Eltern rauchen?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Eltern in den Knast?)

Diese Frage muss man dann konsequenterweise auch ordentlich beantworten können.

Wir sollten erst einmal eine Debatte darüber führen, wie eine objektive Abwägung zwischen individueller Freiheit und dem Schutz der Allgemeinheit beim Thema „Rauchen“ vorgenommen werden kann, bevor Verbote ausgesprochen werden. Das gilt insbesondere dann, wenn diese Verbote den privaten Bereich oder private Angebote berühren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich eins auch ganz deutlich sagen: Bei allem Engagement, unabhängig davon, welche Fraktion das Urheberrecht beansprucht - ich sage für die FDP-Fraktion: Wir erheben gar kein Urheberrecht bei diesem Thema; das wollen wir auch gar nicht -, möchte ich, dass Sie sich einmal eines vergegenwärtigen. Ich halte die Diskussion nach wie vor für etwas mit gespaltener Zunge geführt, solange in den Bundeshaushalt 14,3 Milliarden € an Tabaksteuereinnahmen fließen.

(Beifall bei der FDP)

Jeder Finanzpolitiker zumindest weiß, es gilt das Nonaffektationsprinzip, also das Verbot der Zweckbindung von Steuern. Es wäre aber überzeugend, wenn im Deutschen Bundestag diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die sich zu einem Gruppenantrag zusammengefunden haben, von ihrem Königsrecht, dem Haushaltsrecht, Gebrauch machten und verlangten

(Dr. Heiner Garg)

(Wortmeldung)

- jetzt nicht, Herr Präsident; tut mir leid - und beantragten, diese 14,3 Milliarden € für gesundheitspolitische Zwecke auszugeben. Solange das nicht passiert, liebe Kolleginnen und Kollegen, habe ich wirklich ein Problem damit, diese Debatte so zu führen, wie sie auch heute wieder geführt wird.

(Beifall bei der FDP)

Ich will ganz deutlich sagen: Auch die EU subventioniert den Tabakanbau

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

mit dreistelligen Millionenbeträgen auch in Schleswig-Holstein. Nach Deutschland flossen EU-Mittel allein im letzten Jahr 32,3 Millionen € an Subventionen für den Tabakanbau. Ich sage das noch einmal: auch für den Tabakanbau in Schleswig-Holstein. Auch das muss dann bitte in Zukunft konsequent verboten werden.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich habe im Sozialausschuss deutlich gemacht: Etliche Forderungen, die sowohl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch CDU und SPD in ihrem Forderungskatalog erhoben haben, finde ich durchaus richtig. Bei einem verstärkten Schutz von Kindern etwa werden Sie mich fest an Ihrer Seite finden. Das ist überhaupt nicht die Frage. Aber beim Bereich Änderung des Gaststättengesetzes sage ich klipp und klar Nein. Auch nicht so, wie die SPDLandtagsfraktion das ursprünglich vorhatte. Da sage ich Ihnen ganz klipp und klar: Sie werden die FDP-Fraktion niemals dazu bewegen können, vorschnell irgendwelche Verbote auszusprechen.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Ich will deswegen zum Schluss etwas zu unserem Abstimmungsverhalten sagen. Unser Fraktionsvorsitzender hat die Abstimmung freigegeben.

(Zurufe: Oh, oh! - Holger Astrup [SPD]: Großzügiger Mensch!)

Aus diesem Grund wird die FDP-Fraktion geschlossen den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend das Verbot des Rauchens in Gaststätten ablehnen. Zu der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses werden sich der Kollege Hildebrand und ich enthalten, die Kollegen Kubicki und Klug werden dagegen stimmen.

(Beifall bei der FDP)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich dem Herrn Kollegen Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sozialausschuss hat ausgesprochen vernünftige Regelungen für das Zusammenleben von Rauchern und Nichtrauchern entwickelt. Auf einen kurzen Nenner gebracht haben die Fraktionen versucht, überall dort, wo man als Bürger nicht ausweichen kann, für Rauchfreiheit zu sorgen. Ansonsten setzt man mehr auf Freiwilligkeit und Vernunft. Wer also seinen Pass verlängern möchte oder Fragen zu Hartz IV hat, soll in Zukunft darauf vertrauen können, dass er oder sie auf dem Amt oder der Behörde nicht gesundheitsgefährdenden Rauch einatmen muss. Entsprechende Empfehlungen für Kreise, Städte, Ämter und Gemeinden soll die Landesregierung in unmittelbarer Zukunft entwickeln.