Protocol of the Session on May 26, 2005

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank. - Ich erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Abgeordneten Klaus Müller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Man kann den Antrag der FDP eigentlich mit einem Satz zusammenfassen, die Politik, die Sie hier betreiben und durchsetzen wollen, kann man auf einen Nenner bringen: Der Ehrliche ist der Dumme. Denn jede Steuer, die nicht gezahlt wird, indem Sie es ermöglichen, Steuerhinterziehung wieder zu erleichtern, Herr Dr. Garg und Herr Kubicki - wir haben ja einiges hier in der Vergangenheit über Kühlschränke gehört; das, was Sie hier vorgelegt haben, ist ein Eisschrank an politischer Couleur -, wird von allen ande

(Klaus Müller)

ren Menschen gezahlt, von ehrlichen Steuerzahlern. Deshalb erteilen wir Ihrem Anliegen hier eine ganz klare Absage.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf des Abgeordneten Wolf- gang Kubicki [FDP])

Seit einigen Jahren wird in Karlsruhe genauso beklagt und ist von Karlsruhe auch schon mehrmals entschieden worden, dass es eine Ungleichbehandlung zwischen den Menschen gibt, die ganz regulär ihre Steuern mit der Lohnsteuerkarte zahlen - wo es völlig normal ist, dass das Finanzamt das regelmäßig erfährt -, und den Einkommensbeziehern aus Kapitaleinkünften. Was Sie hier erreichen wollen, ist, eine Gleichbehandlung der Menschen zurückzudrehen, die von Kapitaleinkünften und nicht von Lohneinkünften leben. Das ist schlicht ungerecht und hat nichts mit sozial gerechter Politik zu tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Andere Länder in der EU und vor allem die USA sind übrigens wesentlich weiter. Dort gibt es ganz reguläre Kontrollmitteilungen, dort gibt es kein Hinterziehen, keine Möglichkeit zu schummeln. Da wird ganz regulär darüber informiert. Das ist ein richtiges System, das für Auslandskapitaleinkünfte dank der EURegelungen - der übrigens auch viele konservative und liberalen Regierungen in der EU zugestimmt haben - jetzt ab 2005 auch in Deutschland gilt. Das ist ein vernünftiges System.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Der Kollege Sauter hat schon in absolut präziser Form darauf hingewiesen, dass es hier nicht um die Errichtung eines Schnüffelstaates geht. Ganz im Gegenteil, das ist einfach nicht wahr. Liebe Kollegen von der FDP, überschätzen Sie auch nicht Ihren Einfluss in Berlin, es waren andere, die das an dieser Stelle geändert haben.

Richtig ist, es geht um die Kontenstammdaten, es geht darum, den Finanzämtern überhaupt die Möglichkeit zu geben, bei einem Verdacht, dass hinterzogen wird, festzustellen, wo die Konten sind, nachzufragen, den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, sich selber zu äußern und das aufzuklären. Nur für den Fall, dass der Verdacht bestehen bleibt, haben jetzt die Finanzämter die Möglichkeit zu erfahren, wo die Konten liegen. Bisher wussten sie das nicht. Bisher konnten sie das nicht überprüfen. Hier bot das Bankgeheimnis die Möglichkeit, Steuern zu hinterziehen. Das ist - wie gesagt - kein fairer und vernünftiger Vorgang.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Trotzdem, die Welt ist nicht schwarz-weiß und insofern ist es richtig, die Bedenken der Datenschützer aufzugreifen. Ich freue mich, dass es auch von der CDU und SPD ähnliche Tendenzen gibt zu sagen, das, was bisher im Erlass geregelt war, ist in Ordnung, Vertrauen ist gut, aber an so einer Stelle sind gesetzliche Regelungen besser.

Auch ich teile die Auffassung, dass wir die neue Landesregierung, die viel anderes zu tun hat, nicht mit einer Bundesratsinitiative belasten sollten. Ich habe nur den Satz des Ministerpräsidenten gehört: Wir wollen in Berlin kräftig mitmischen - so lautete der, glaube ich. Deshalb schlage ich vor, um den inhaltlichen Konsens, den der Kollege Sauter und die SPD beschrieben haben, abbilden zu können, unseren Antrag wie folgt zu ändern:

„Der Schleswig-Holsteinische Landtag fordert die Landesregierung auf, im Bundesrat eine Änderung der Abgabenordnung und des Finanzverwaltungsgesetzes gemäß folgender Leitlinien zu unterstützen.“

Ich denke, damit ist der inhaltliche Konsens, den es hier gibt, beschrieben, ohne dass wir die Landesregierung verpflichten, dies in einer eigenen Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen.

Ich kann mir nicht vorstellen, Kollege Sauter, dass Sie ein richtiges Anliegen nur, weil es von der falschen Partei kommt, pauschal niederstimmen wollen, obwohl es hier eine Gemeinsamkeit gibt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und der Abgeordneten Anette Langner [SPD])

Herr Garg, noch einen Satz: Sie haben gesagt, dass es hier ein unnötiges Misstrauen, ein übertriebenes Misstrauen gibt. Bei der ersten Anwendung des Gesetzes wurde auch abgeglichen, wie das mit den BAföG-Zahlungen ist. In den ersten Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes konnte man feststellen, dass allein beim BAföG durch die neue Regelung eine Missbrauchsquote von 25 % aufgedeckt worden ist. Ich greife diese Zielgruppe auf, weil sie mir vielleicht etwas näher steht. Das sind Studierende, die hier etwas tun, was nicht legal ist, etwas bekommen, worauf sie keinen Anspruch haben, und was wiederum zulasten der Allgemeinheit und der normalen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler geht.

Darum ist das Anliegen des Gesetzes der Bundesregierung, das mit der Unterstützung der Union im

(Klaus Müller)

Vermittlungsausschuss zustande gekommen ist, richtig. Dass wir die Bedenken der Datenschützer durch die Änderung des Gesetzes aufnehmen sollten: d’accord. Aber es darf nicht einen Rückfall in die 80er-Jahre, einen Rückfall in Kühlschränke und Eisschränke geben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Birgit Herdejürgen [SPD] und Anke Spoorendonk [SSW])

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Müller. - Das Wort für den SSW im Landtag hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegen von der FDP unternehmen mit dem vorliegenden Antrag den Versuch, sich als Beschützer der Bürgerinnen und Bürger vor dem „Big Brother“ zu profilieren. Angeblich versuchen die Finanzbehörden, Lieschen Müller ins Sparbuch zu schauen. Folgerichtig sieht die FDP einen dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel ist laut FDP nicht gewahrt.

Richtig ist dagegen, dass die Kontenabrufmöglichkeit weder flächendeckend noch willkürlich erfolgt, sondern nur im Einzelfall. Ich denke, wir haben das auch schon gehört. Aber, lieber Kollege Kubicki, aus pädagogischen Gründen noch einmal:

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Nur dann, wenn Anzeichen darauf hindeuten, dass die Angaben des Steuerpflichtigen unrichtig sein könnten, schaut das Finanzamt genauer hin.

Richtig ist, dass das Finanzamt dabei nur erfährt, bei welchem Kreditinstitut ein bestimmter Steuerpflichtiger ein Konto oder ein Depot unterhält. Informationen über Kontobewegungen oder Kontostände gehen nicht an das Finanzamt.

Das Finanzamt erhält die Daten auch nicht „frei Haus“, quasi auf Zuruf. Der Steuerpflichtige wird vor dem Kontoabruf vom Finanzamt um Auskunft gebeten. Dabei wird er bereits auf die Kontenabrufmöglichkeit hingewiesen.

Stellt sich nach einem Kontenabruf heraus, dass Konten oder Depots vorhanden sind, die bei der Steuererklärung nicht angegeben waren, wird der Steuerpflichtige um Aufklärung gebeten. Erst wenn diese

Aufklärung unterbleibt, kann sich das Finanzamt an das Kreditinstitut wenden und weitergehende Auskünfte anfordern.

Für die Kontenfrage gilt nichts anderes als für andere vergleichbare Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden. Obwohl eine richterliche Anordnung dafür nicht erforderlich ist, kann die Rechtmäßigkeit einer Kontenabfrage gerichtlich überprüft werden.

In anderen Ländern sind die Eingriffsmöglichkeiten der Finanzbehörden erheblich radikaler, ohne dass diese Länder die Bürgerrechte mit Füßen treten.

(Beifall des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Gegenteil! Diese Transparenz wird als Teil der Steuergerechtigkeit akzeptiert, ohne dass diese Transparenz als Neiddebatte diffamiert wird. Das Verhältnis zum Geld ist nun einmal sehr stark kulturell geprägt. Der SSW lehnt es ab, das Bankgeheimnis einseitig gegen die Steuergerechtigkeit auszuspielen.

Ich denke, dass die Verhältnismäßigkeit zwischen der Privatsphäre der Bürger und dem ebenfalls verfassungsrechtlichen Grundrecht auf Steuergleichheit gewahrt ist. Wir lehnen daher den Antrag der FDP ab und werden dem Antrag der Grünen zustimmen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem man die Reden hier gehört hat, fragt man sich, ob diejenigen, die außer dem Kollegen Sauter geredet haben, wirklich wissen, worüber sie geredet haben.

Die aufgeblasene Unwissenheit des Kollegen Müller und auch Ihre, Frau Kollegin Spoorendonk, macht mich betroffen, weil es genau um die Fragen, die Sie angesprochen haben, gar nicht geht.

Erstens geht es nicht um einen Verdacht, den Finanzbehörden haben müssen, um Kontenabfragen zu tätigen. Der Verdacht ist überhaupt nicht erforderlich. Wenn man einen Verdacht hat, leitet man ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren ein. Dann braucht man die Kontenabfrage nicht.

Es geht schlicht und ergreifend um die Frage, ob verdachtsunabhängig von jedermann in der Finanzbe

(Wolfgang Kubicki)

hörde - jetzt möglicherweise durch Restriktion von einer Stelle, die eine Etage höher angesiedelt ist -, in einem BAföG-Amt, in einem Sozialamt Kontendaten von unbeteiligten Dritten verdachtsunabhängig abgefragt werden können. Die Tatsache, dass es bereits 2.000 Abfragen pro Tag sind, müsste uns zum Nachdenken Anlass geben.

Nun frage ich mit der gleichen Argumentation, mit der Herr Müller erklärt hat, rechtschaffene Bürger, zu denen ich auch gehöre, hätten keine Bedenken, dass der Staat solche Abfragen tätige: Herr Müller, haben rechtschaffene Bürger auch keine Bedenken dagegen, dass der Staat bei ihren Telefonaten mithört? Denn sie müssen ja nichts befürchten.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Das ist Dema- gogie!)

- Das hat mit Demagogie nichts zu tun. - Dann müssten rechtschaffene Bürger auch keine Bedenken gegen einen großen Lauschangriff haben.

Das Gesellschaftsbild, das wir haben, bedeutet: Immer dann, wenn der Staat in die Privatsphäre eingreifen will, braucht er dafür ein besonderes Begründungselement. Die Erklärung, man wolle Steuerhinterziehung bekämpfen, die wir auch bekämpfen wollen, ist dafür kein hinreichendes. Abgesehen davon, Herr Müller, dass ich Ihnen sagen muss: Diejenigen, die Steuerhinterziehung flächendeckend in großem Stil begangen haben, werden von diesem Gesetz überhaupt nicht berührt, und zwar schon deshalb, weil sie ihre Konten gar nicht in Deutschland führen und ein Zugriff auf Kontendaten außerhalb Deutschlands gar nicht möglich ist und auch übrigens von der Europäischen Union im Rahmen der ZinsrichtlinieVereinbarung für absehbare Zeit auch gar nicht durchgesetzt werden soll.

Noch einmal: Uns geht es um die Frage, ob wir zulassen wollen, dass der Staat, völlig unabhängig von einem Verdacht, den jemand hat, flächendeckend Kontendaten abfragen darf. Wir sagen Nein. Wir halten das für unverhältnismäßig. Wir sagen, überall dort, wo konkrete Verdachtsmomente bestehen, muss das entsprechende Ermittlungsszenario angewandt werden; aber darüber hinausgehend wollen wir Mitarbeitern des Staates, von denen wir ja auch wissen, dass nicht alle immer reinen Herzens sind, die Abfrage von Kontendaten von Bürgern - auch aus ihrer Nachbarschaft - nicht erlauben und dagegen verwahren wir uns schlicht und ergreifend.