Ich eröffne die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion der FDP hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aufhebung des Bankgeheimnisses durch das von der rot-grünen Bundesregierung verabschiedete so genannte Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit war und ist ein schwerer Fehler. Sie ist nicht nur deshalb ein Fehler, weil dadurch das gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten, zwischen Kreditinstituten und ihren Kunden beschädigt wurde. Durch dieses Gesetz ist auch ein verfassungswidriger, weil völlig unangemessener Eingriff in die Rechtssphäre unbescholtener Bürgerinnen und Bürger erfolgt.
Dieses Gesetz schafft die Möglichkeit zur Willkür und muss daher im Hinblick auf das Bankgeheimnis rückgängig gemacht werden. Durch die im Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vorgenommenen Änderungen der Abgabenordnung darf jedes Finanzamt, jedes Sozialamt, jede Stelle der Bundesagentur für Arbeit, jedes BAföG-Amt ohne jeden begründeten Verdacht die Stammdaten von rund 500 Millionen Bankkonten und Depots anschauen. Ohne den Druck der FDP-Bundestagsfraktion würden die Betroffenen hiervon noch nicht einmal irgendetwas erfahren. Das ist ein weiterer Schritt auf dem von Rot-Grün in Berlin beschrittenen Weg zum Schnüffelstaat, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dahinter steht vor allem eine Mentalität des Misstrauens des Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern. Frau Kollegin Lütkes, die Grünen sind bei solchen Gesetzen in Berlin immer ganz vornweg mit dabei gewesen.
Das Bankgeheimnis, wie wir es bis zum 1. April kannten, geregelt in § 30 a der Abgabenordnung, hat sich bewährt. Es schützt keinen Straftäter, sehr wohl aber den unbescholtenen Bürger vor willkürlichen
Überwachungsaktionen von Ermittlungsbehörden. Im Falle eines begründeten Verdachts und auf der Grundlage von Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen beziehungsweise der Ladung von Bankangestellten als Zeugen standen bankinterne Informanten den Ermittlungsbehörden im konkreten Strafverfahren schon immer zur Verfügung. Faktisch bestand im Ermittlungsverfahren immer voller Zugriff auf alle Konto- beziehungsweise Depotinformationen. § 30 a der Abgabenordnung hat allerdings vor dem Zugriff auf diese Informationen bei unkontrollierten Schleppnetzfahndungen geschützt. Es war unzulässig, Bankunterlagen außerhalb eines konkreten Ermittlungsverfahrens systematisch zu selektieren und aufzubereiten, um eventuelle neue Besteuerungssachverhalte zu entdecken. Zu dieser Rechtslage, die die Unschuldigen schützt, wollen wir zurückkehren.
Die Erfahrung hat außerdem gezeigt, dass sich die von Rot-Grün beschossene Möglichkeit zur Kontodurchleuchtung bei den entsprechenden Stellen bereits größter Beliebtheit erfreut, und das, obwohl der Bundesfinanzminister in seinem Rundschreiben an die Finanzbehörden eine restriktive Handhabung des Gesetzes verlangt. Bereits in den ersten Wochen sind täglich mehr als 2.000 Konten abgefragt worden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das eine restriktive Handhabung ist, dann können wir nur erahnen, was eine offensive Handhabung des Gesetzes bedeuten würde.
Überhaupt hat erst dieses Rundschreiben des Finanzministers dafür gesorgt, dass das Bundesverfassungsgericht das Gesetz nicht bereits im Eilverfahren kassiert hat. In der Hauptsache laufen nämlich noch zwei Verfassungsbeschwerden dagegen. Für die FDP sind allerdings Erlasse und Rundschreiben keine geeigneten Mittel, um ein Gesetz verfassungskonform zu machen. Da ist der Gesetzgeber gefragt und erreicht den wirksamsten Schutz Unbescholtener dadurch, dass er das unsinnige Gesetz und damit die Möglichkeiten eines willkürlichen Zugriffs auf persönliche Kontendaten rückgängig macht.
Zu dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nur so viel: Erstens dokumentiert Ihre Landtagsfraktion hier, dass der von Rot-Grün beschlossene Gesetzentwurf zur Aufhebung des Bankgeheimnisses ganz offensichtlich verfassungswidrig ist. Sonst hätten Sie den Antrag gar nicht zu stellen brauchen, Herr Kollege Müller. Obwohl Ihr Antrag dokumentiert, dass das, was Sie in Berlin beschlossen haben, verfassungswidrig ist, wollen Sie gleichwohl die Schnüffelei auf den Bankkonten der Bürgerinnen und Bürger weiter er
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frank Sauter ist wieder da. Nehmen Sie ihn freundlich auf.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Ich bin in der Tat wieder da. Ich war bis 1996 schon einmal Mitglied dieses Hauses und gehörte auch der Enquetekommission Entbürokratisierung an, die 1994 ihren Bericht vorgelegt hat. Ich freue mich, dass dieser Bericht nunmehr auch umgesetzt wird. Das zeigt, dass in der Politik zwar sehr langsam, aber dann doch sehr dicke Bretter gebohrt werden können.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hier im Landtag setzt mit ihrem Antrag eine Debatte fort, die in den vergangenen Jahren schon sehr leidenschaftlich geführt worden ist. Es ging in dieser Debatte um das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit aus dem Dezember 2003, ein sehr umfangreiches Regelungswerk, das sowohl unter Steuerrechtlern als auch in weiten Teilen der interessierten Öffentlichkeit hoch umstritten war, und zwar nicht zuletzt deswegen, weil der Gesetzgeber in noch nie da gewesener Klarheit dem Bürger sowohl Zuckerbrot als auch Peitsche in Aussicht gestellt hat. Das Zuckerbrot war die Steueramnestie, die auf 15 Monate befristete Einführung einer Brücke in die Steuerehrlichkeit zur Abgabe einer strafbefreienden Erklärung und Entrichtung einer, ich sage einmal, sündhaft niedrigen pauschalen Abgeltung für hinterzogene Steuern. Verfassungsrechtlich hoch umstritten ist das, weil im Direktvergleich der ehrliche, pünktliche Steuerzahler gegenüber dem amnestierten Sünder deutlich im Nachteil war, in der Sache allerdings das konsequenteste Angebot, das eine Bundesregierung jemals gemacht hat, um das Geld solventer Sünder dem allgemeinen Wirtschaftskreislauf wieder zugänglich zu machen.
Nachdem das Zuckerbrot nun verspeist ist, reden wir heute über die Peitsche, nämlich die Erweiterung von staatlichen Kontrollmaßnahmen mit dem Ziel, die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerungsgleichheit bei der Besteuerung von Kapitalerträgen zu gewährleisten, das heißt, die Verpflichtung der Kreditinstitu
te, bestimmte Kontoinformationen für den automatisierten Abruf durch das Bundesamt für Finanzen bereitzuhalten. Wohlgemerkt, meine Damen und Herren, wir reden über bestimmte Kontoinformationen. Das heißt konkret: keine Zahlen, keine Salden, keine Kontenbewegungen, sondern nur Kundenstammdaten, das heißt Kontonummern, Tag der Einrichtung und Auflösung des Kontos, Name, Geburtsdatum des Kontoinhabers und - soweit abeichend - des Verfügungsberechtigten. Das war es. Weitere Informationen sind nicht abrufbar.
Diese Beschränkung nur auf Stammdaten wird ein Grund gewesen sein, warum die CDU-Bundestagsfraktion nach Durchführung des Vermittlungsverfahrens im Bundesrat, übrigens ebenso wie die FDPBundestagsfraktion, dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit zugestimmt hat.
Die parlamentarische Debatte zu diesem Gesetz konzentriert sich aktuell darauf, die Vorschriften zum Kontenabruf zu verbessern, nicht jedoch darauf, den Kontenabruf selbst abzuschaffen. So hat die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag im April dieses Jahres einen Antrag gestellt, mit dem sie die Bundesregierung unter anderem auffordert, eine ausdrückliche gesetzliche Regelung sicherzustellen, dass die betroffenen Bürger zeitnah über einen erfolgten Kontenabruf unterrichtet werden, eine Konkretisierung des § 93 Abs. 8 Abgabenordnung vorzunehmen, in der die abrufberechtigten Behörden abschließend aufgezählt werden, und sicherzustellen, dass der Kontenabruf nur in qualifizierter Weise zum Beispiel durch einen Behördenleitervorbehalt vorgenommen wird. Letztes ist nach meinem Kenntnisstand auch aus der Berufspraxis hier in unserem Bundesland bereits gängiges Verwaltungshandeln.
Damit sind aus unserer Sicht die notwendigen Nachbesserungen auf den parlamentarischen Weg gebracht. Aus diesem Grund, weil es auf den parlamentarischen Weg gebracht worden ist, lehnen wir den Antrag der Grünen ab, obwohl wir inhaltliche Übereinstimmungen haben, und zwar weil der Antrag die Aufforderung an die Landesregierung beinhaltet, eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat einzubringen. Wir wollen die Landesregierung nicht in dieser Weise verpflichten. Durch das entsprechende parlamentarische Verfahren in Berlin sind die Grünen damit unmittelbar in die Lage versetzt, auf Bundesebene zu agieren, sodass sich dieser Antrag meiner Meinung nach erledigt.
Eine Aufhebung der im Antrag genannten Vorschriften der Abgabenordnung und des Finanzverwaltungsgesetzes kommen nicht in Betracht. Deshalb lehnen wir den Antrag der FDP-Fraktion ab.
Ich danke Herrn Abgeordneten Sauter. - Das Wort für die SPD-Fraktion erhält die Frau Abgeordnete Anna Schlosser-Keichel.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist für mich zwar keine Jungfernrede, aber es ist eine Rede zu einem neuen Themenfeld, weil ich mir vorgenommen habe, mich in der neuen Legislaturperiode verstärkt im Bereich Finanzen zu tummeln. Ich freue mich sehr auf diese Aufgabe.
An der Erfassung der tatsächlichen Grundlagen der Besteuerung haben die Steuerpflichtigen dadurch mitzuwirken, „dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen legen“. So heißt es schlicht und unmissverständlich in § 90 der Abgabenordnung. Wir alle wissen aber, dass hier Wunsch und gesetzliche Vorgaben und Wirklichkeit doch ein ganzes Stück weit auseinander klaffen. Ein Forschungsbericht vom März 2005 des IAW Tübingen vermerkt, dass nur 57 % der Deutschen der Meinung sind, dass Steuerhinterziehung in keinem Fall in Ordnung ist. Ich fürchte, Ähnliches gilt auch für die Bezieher von Sozialleistungen. Die Finanzbehörden andererseits sind unter allen Umständen gehalten, die Steuern gleichmäßig nach Maßgabe der Gesetze festzusetzen. Voraussetzung dafür ist neben einer ordentlichen personellen Ausstattung, über die wir hier in diesem Haus auch zuweilen streiten, dass man die Behörden in die Lage versetzt, die Angaben der Steuerpflichtigen im Einzelfall mit angemessenem Aufwand und zielgerichtet zu überprüfen. Das hat überhaupt nichts mit Schnüffelei zu tun.
Die zum 1. April 2005 in Kraft getretenen Neuregelungen, die unter anderem die automatische Abfrage von Kontenstammdaten ermöglichen, sind ein Beitrag dazu. Sie führen zu einer Effektivierung von bisher bereits bestehenden Ermittlungsmöglichkeiten, denn auch bisher waren gezielte Auskunftsersuchen bei Kreditinstituten zulässig, wenn die Sachverhaltsaufklärung bei dem Steuerpflichtigen nicht zum Ziel geführt hat. Das Problem war lediglich, dass angesichts von 2.400 Kreditinstituten in Deutschland die
Hier setzt die neue Kontenanfrage an, aus gegebenem Anlass und nicht willkürlich. Nur dann, wenn es zur Abklärung von Zweifeln unbedingt erforderlich ist, wird - auf eine bestimmte Person bezogen, also nicht über Sammelabfragen - eine Anfrage gestartet. Das geschieht auch nicht in einem Nacht- und Nebelverfahren. Der Anwendungserlass - aus ihm ist heute schon zitiert worden - bestimmt ausdrücklich, dass dem Betroffenen zunächst Gelegenheit gegeben werden muss, Selbstauskunft über seine Konten und Depots zu geben, und die Betroffenen über eine mögliche bevorstehende Kontenabfrage informiert werden müssen.
Es kann auch nicht jeder Hinz und Kunz, jede Finanzbeamtin oder jeder Finanzbeamter diese Anfrage starten. Es ist in der Tat so - auch hier habe ich mich erkundigt; auch wenn ich nicht mehr so nah am Geschäft bin wie Herr Sauter -, dass die Entscheidung darüber sehr hochrangig angesetzt ist.
Das Bundesverfassungsgericht, das sich im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits mit der Angelegenheit befasst hat, hat betont, dass durch die Formulierung im Gesetz, besonders durch die Präzisierung in dem genannten Erlass, eine Ermittlung ins Blaue hinein oder so etwas wie eine Rasterfahndung ausgeschlossen sind.
Durch die Kontenanfrage wird der Bürger auch nicht gleich zum gläsernen Menschen. Herr Sauter hat schon dargestellt, welche bestimmten Daten in diesem Verfahren ermittelt werden können: Konto- und Depotnummer, Name und Geburtstag des Inhabers, gegebenenfalls Name und Anschrift anderer Berechtigter sowie Tag der Errichtung und der Auflösung des Kontos. Das sind Daten, die lediglich über die Existenz eines Kontos Auskunft geben, keine inhaltlichen Angaben, wie zum Beispiel Kontostände oder gar Kontobewegungen. Das kann nicht abgefragt werden. Die Frage nach Einzelheiten - wenn man das Konto ermittelt hat - bleibt nach wie vor dem regulären Besteuerungsverfahren vorbehalten. Das regelt natürlich wieder, dass in erster Linie unter Beteiligung der Betroffenen, der Steuerpflichtigen oder des Empfängers von Sozialleistungen zu ermitteln ist.
Das Bundesverfassungsgericht stellt im Übrigen in seiner Entscheidung auch fest, dass eine Verletzung des Vertrauensverhältnisses zwischen Bank und Kunden nicht zu befürchten sei, denn die Banken würden automatisiert, das heißt ohne Mitwirkung der Banken, ermitteln. Die Bank wird über die Anfrage nicht informiert, sodass sie - zumindest in diesem Stadium - keinerlei Kenntnis darüber erhält, dass ihr Kunde Betroffener eines Steuerverfahrens sein könnte. Das Bankgeheimnis zwischen Kunden und Bank gilt unverändert. Die bisher schon möglichen Anfragen der Behörden bei den Banken waren und sind vom Bankgeheimnis nicht berührt.
Ja, ich bin sofort fertig. - Das Bundesverfassungsgericht widerspricht von A bis Z Ihrer Antragsbegründung, Herr Kubicki und Herr Garg. Wir werden Ihren Antrag deshalb ablehnen.
Noch ein Wort zum Antrag der Grünen: Wir können Ihr Anliegen im Großen und Ganzen nachvollziehen, insbesondere die Frage, inwieweit die Vorgaben des Anwendungserlasses nicht doch besser im Gesetz aufgenommen werden sollten. Dieses Thema wird jedoch nach Abschluss des Hauptverfahrens - damit ist im Jahr 2006 zu rechnen - mit Sicherheit wieder auf die Tagesordnung kommen und deshalb halten wir zu diesem Zeitpunkt eine Bundesratsinitiative nicht für sinnvoll und können diesem Antrag nicht zustimmen.