Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem Punkt, denke ich, ist sich die Opposition einig: Das Wissenschaftsministerium hat bislang überhaupt keine seriöse Begründung für sein Teilprivatisierungskonzept, für das Holding-Modell, geliefert.
Andererseits muss ich sagen: Die Grünen machen es sich sehr leicht, das gesamte Thema auf den Komplex der Basisfallwerte und deren künftige Entwicklung zu reduzieren. Natürlich spielt die Erlössituation für das UK S-H und sein Schicksal, seine Zukunftsmöglichkeiten eine entscheidende Rolle. Aber gerade die gemeinsame Sitzung der vier Ausschüsse in der vergangenen Woche hat gezeigt, dass es eine ganze Reihe gravierender Probleme beim UK S-H gibt, die man nur in einem Gesamtkontext betrachten und lösen kann. Im Rahmen einer Fünf-Minuten-Debatte ist das alles hier gar nicht anzusprechen.
Derzeit befindet sich die Krankenhausfinanzierung in einer so genannten Konvergenzphase, in deren Verlauf die Basisfallwerte der einzelnen Krankenhäuser, sprich deren Erlöse, sozusagen auf landesweite Basisfallwerte hin orientiert werden. Weil der Basisfallwert für das Land Schleswig-Holstein aber besonders niedrig ist, mindern sich dadurch die Einnahmen insbesondere der vergleichsweise kostenaufwendigen Universitätskliniken erheblich. Mit einem Basisfallwert, wie ihn Hamburg hat, wären die Erlöse des UK S-H jährlich um 18 Millionen € höher. Das fällt durchaus gravierend ins Gewicht. Insoweit muss man sagen: Frühere Landesregierungen haben diese Entwicklung schlicht und ergreifend versiebt und dem UK S-H dies eingebrockt.
Ich muss dazu anmerken: Vielleicht liegt es auch ein wenig an dem Ergebnis der letzten Gesundheitsreform von Gesundheitsministerin Schmidt, nämlich der DRG-Einführung, und es liegt wohl auch
Diese sind in einem anderen Ressort, bei den Wissenschaftsministern, untergebracht. Daher hat man sie nicht so sehr im Blick und die Wissenschaftsminister haben sich in der Vergangenheit eben auch nicht durchsetzen können.
Meine Damen und Herren, am 16. Juni hat der Bundesrat einen Entschließungsantrag der schleswigholsteinischen Landesregierung zur Krankenhausfinanzierung behandelt und diesen Antrag in die Ausschüsse überwiesen. Der Antrag der Landesregierung sieht vor, dass „ab 1. Januar 2010 eine bundesweite Konvergenzphase mit dem Ziel eines bundeseinheitlichen Basisfallwertes beginnt“. Wenn man diese Formulierung aus dem Bundesratsantrag des Landes wörtlich nimmt, wird klar: Erst nach einer weiteren Konvergenzphase, die vielleicht auch fünf Jahre dauert wie die laufende, also frühestens im Jahre 2015, kann man, wenn denn dieser Antrag überhaupt durchkommt, bundeseinheitliche Basisfallwerte erwarten.
Insoweit ist der Antrag auch nicht identisch mit dem, was aus dem Protokoll des Sozialausschusses vom 19. Januar 2006 hervorgeht. Dort heißt es nämlich - ich zitiere aus dem Ausschussprotokoll -: „Der Ausschuss vertritt einhellig die Auffassung, Ziel müsse die Einführung bundeseinheitlicher Basisfallwerte ab 2010 sein.“
Das ist inhaltlich etwas anderes als das, was Sie im Bundesrat beantragt haben. Vielleicht könnte uns die Gesundheitsministerin dazu Auskunft geben.
Die Erwartung, ab 2010 hätten wir mit einer deutlich besseren Erlössituation durch bundeseinheitliche Basisfallwerte zu rechnen, ist damit sehr brüchig. Man kann sie quasi als hinfällig bezeichnen. Da baut man auf Sand, gerade wenn man den Antrag der Landesregierung im Bundesrat betrachtet. Ich empfehle, das Thema auch in den Ausschüssen gründlich aufzuarbeiten.
Welche Entscheidung der Landtag und die Landesregierung zum Komplex UK S-H auch treffen werden, die politische Redlichkeit gebietet, dass dabei keine Luftbuchungen vorgenommen werden. Das betrifft sowohl die einkalkulierte Erlössituation als auch vieles andere.
Ich komme auf die „Viererausschusssitzung“ in der vergangenen Woche zurück. Herr Austermann, ich frage mich, wie das zuständige Wissenschaftsministerium seine Gutachter derart briefen konnte, dass wesentliche Kostenbelastungen, die heute schon glasklar sind - wie die Mehrwertsteuererhöhung mit über 5 Millionen € und die neuen Unikliniktarifverträge mit rund 11 Millionen € sowie vieles andere -, bei den Berechnungen überhaupt nicht berücksichtigt worden sind.
Die in der Ausschusssitzung präsentierten PowerPoint-Grafiken, die ab 2010 nach dem Konzept der Gutachter eine ausgeglichene Jahresbilanz suggerieren, sind damit doch totale Makulatur. Wie können Sie dem Parlament so etwas vorlegen, was in sich zusammenfällt wie ein Kartenhaus? Ich möchte einmal wissen: Was haben Sie eigentlich für das Gutachten bezahlt?
(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Gute Frage! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das wollte Frau Heinold auch schon wissen!)
Als Entscheidungsgrundlage für das Landesparlament habe ich vonseiten der Regierung etwas Derartiges in rund 15-jähriger parlamentarischer Tätigkeit noch nicht erlebt. Das war wirklich unterirdisch, was da geboten wurde.
So kann man mit dem Thema nicht umgehen. Das kann man auch nicht mit der Frage wegdrücken: Warum seid ihr denn gegen Privatisierung? - Die FDP ist nicht prinzipiell gegen eine Privatisierungslösung, wenn sie denn sinnvoll ist. Wir haben aber ernsthafte Bedenken, ob das, was uns vorgeschlagen worden ist, für das Land Schleswig-Holstein, für die Hochschulmedizin, nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für Forschung und Lehre überhaupt, ein tragbares Konzept sein kann. Das, was letzte Woche an Problemen und Kinken auf den Tisch gekommen ist,
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in der letzten Woche eine Anhörung zum UK S-H durchgeführt und sind natürlich noch nicht allwissend, aber doch zumindest schlauer geworden. Es war gut und klug, dass sowohl die Gutachter, die einen ganzen oder teilweisen Verkauf des UK S-H befürworten, als auch die Leitung des UK S-H, die Strukturen ändern will und eher von Fall zu Fall mit privaten Partnern zusammenarbeiten möchte, zu Wort gekommen sind. Ich will nicht verhehlen, dass wir einen Verkauf der Krankenversorgung und eine komplette Trennung von Forschung und Lehre sehr kritisch sehen. Derzeit sehen wir überhaupt keinen Anlass, überhaupt über einen Verkauf nachzudenken.
Was war der Grund, aus dem überhaupt über einen Verkauf nachgedacht wurde? - Grund war hauptsächlich, dass der Haushalt des Landes saniert, Ausgaben des Landes reduziert und der Investitionsstau beim UK S-H aufgehoben werden sollten. Die medizinische Versorgung stand zumindest in der öffentlichen Diskussion im Hintergrund. Alle haben festgestellt, dass die wirtschaftliche Entwicklung des UK S-H von vielen Parametern abhängig ist, die heute noch nicht vorhersehbar sind. Die Grünen nennen in ihrem Antrag beispielsweise den Basisfallwert, von dem wir alle sagen, dass er zu niedrig ist. Man könnte ohne Schwierigkeiten weitere Parameter hinzufügen, zum Beispiel die Tarifentwicklung, deren neuesten Auswirkungen im Verkaufsgutachten noch nicht berücksichtigt sind, die Gewinnerwartung, die mögliche Investoren haben, oder auch mögliche strategische Partnerschaften mit Portalkliniken, die man eingehen will und die man nicht unbedingt kaufen und privatisieren muss. Deshalb ist es schwierig, sich anhand der Zahlen, die derzeit ermittelt wurden, ein vernünftiges Bild zu machen.
Inwieweit sich die hohen Verkaufserlöse realisieren lassen, die Wirtschaftsminister Austermann anstrebt, ist höchst fraglich. In der Ausschusssitzung sprach er von Einnahmen, die höher liegen sollen als beim Verkauf des Klinikums Gießen/Marburg, also über 112 Millionen €. Die kaufmännische Geschäftsleitung widersprach dem und schätzt die maximalen Einnahmen auf einen höchstens kleinen zweistelligen Millionenbetrag. Ist die Einnahme wirklich so klein, so wird das Haushaltsziel glatt verfehlt. Ist die Einnahme aber wirklich so groß,
wie Herr Austermann sagt, dann gibt es keinen Grund, ein so wertvolles Klinikum zu verkaufen. Dann sollte man es lieber weiterentwickeln und selber das Geld verdienen.
Die Ausgaben des Landes können übrigens auch bei einem kompletten Verkauf nicht auf null gefahren werden. In der Anhörung wurde deutlich, dass 40 bis 60 % der Investitionskosten auch bei einer Holding-Lösung immer noch vom Bund und vom Land in Form von Zuschüssen zu tragen wären. Das heißt, auch bei einer Holding-Lösung wäre das Land immer noch an den Kosten beteiligt und nur mit Landesgeldern könnte der Investitionsstau abgebaut werden. Allerdings wären die Einflussmöglichkeiten auf das, was geschehen soll, ungleich geringer, wenn das Klinikum erst einmal verkauft ist.
Wenn ich über Einflussmöglichkeiten rede, dann meine ich damit, das das Land jetzt noch Vorgaben machen kann, welche Aufgaben das Klinikum erfüllen muss und wie dies zu geschehen hat. Für uns als SSW ist klar, dass das Klinikum weiterhin der Maximalversorgung dienen muss und dass Forschung und Lehre ein integraler Bestandteil dieses Angebots sein müssen. Natürlich kann man versuchen, Forschung und Lehre rechnerisch vom Klinikbetrieb zu trennen. Aber man wird Forschung und Lehre nie inhaltlich vom Klinikum trennen können und auch nicht dürfen.
Daher kann unserer Auffassung nach eine Uniklinik nur im Eigentum des Landes weiterhin als das funktionieren, was sie sein muss, nämlich ein Haus der Maximalversorgung für ganz Schleswig-Holstein. Bei einer Entscheidung über die Zukunft des UK S-H wird deshalb für den SSW dieser Aspekt eine optimale medizinische Versorgung mit einer optimalen Struktur für Forschung und Lehre - im Vordergrund stehen. Darüber hinaus wird es wichtig sein, darauf zu achten, dass die Beschäftigten weiterhin vernünftige Löhne bekommen und Bedingungen vorfinden, die für eine qualitativ hochwertige Arbeit unerlässlich sind. Das schließt ÖPP-Vorhaben, wie sie auch vom Vorstand des UK S-H angedacht sind, nicht aus. Aber diese Vorhaben sind eben gerade auch unter den eben genannten Parametern zu betrachten.
Nun aber noch kurz zum Antrag der Grünen! Wir haben uns ja schon vor einiger Zeit parteiübergreifend für einen einheitlichen Basisfallwert eingesetzt. Wir wissen, wie realistisch das ist. Das haben meine Kollegen eben gerade deutlich gemacht. Die Schwierigkeit des SSW mit dem Antrag liegt im letzten Satz, den man so deuten könnte, dass man, wenn die Basisfallwerte stimmen, auch zum Ver
kauf schreiten kann. Das sehen wir nicht so. Wie schon am Anfang gesagt, sehen wir eigentlich keinen Grund dafür, sich überhaupt mit diesem Gedanken zu befassen.
Nach § 56 Abs. 2 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Angelika Birk zu einem Kurzbeitrag das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zeigt, dass es sozusagen zwei Grundstränge gibt. Die einen sehen den Verkauf grundsätzlich kritisch. Meine Fraktion ist da an Ihrer Seite. Aber wir müssen auch die Entwicklung der Zukunft betrachten und realistisch sein.
Ich möchte von dieser Stelle aus in Erinnerung rufen, wie der Prozess des Basisfallwertes in Gang gekommen ist. Als sich abzeichnete, dass es ein neues Gesetz für die Berechnung von Krankenhausleistungen gibt, war Schleswig-Holstein das erste Land, das, durch einen Gutachterprozess unterstützt, alle seine Krankenhäuser informiert hat. Schleswig-Holstein hat als erstes Land eine Wirtschaftlichkeitsrevolution erreicht, über die andere nur gestaunt haben, und das, obwohl die Krankenhausleistungen im Bundesvergleich vorher schon nicht besonders teuer waren.
Für diese Leistung wird dieses Land bestraft, weil das politische Versprechen, das Rot-Grün am Anfang gegeben hat, durch die Bundesländer, insbesondere die Länder, in denen die Krankenhäuser teuer waren, wieder einkassiert wurde. Jetzt stehen wir vor der Situation, dass sich alle Universitätskrankenhäuser mit den vergeblichen Appellen der Wissenschaftsminister im Hintergrund noch nicht durchgesetzt und eine Zukunftslösung gefunden haben.
Wenn Deutschland also bis 2009 keine Verabredung trifft, wird das jetzige Gesetz spätestens auslaufen. Spätestens dann muss eine Verabredung getroffen werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Bundesländer zusehen, wie ihre Unikliniken eine nach der anderen - an drei, vier große Klinikketten gehen, deren Namen wir hier alle schon kennen. Das wäre eine politische Torschlusspanik,
- also den Privaten die politische Entwicklung zu überlassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das passiert. Deshalb müssen wir abwarten, bis es in dieser Frage eine politische Beschlusslage gibt. Die Umsetzung kann auch erst ab 2010 ff. passieren. Das hat der Vorstand in seinem Gutachten übrigens sehr realistisch kalkuliert.
Ich rede hier nicht von Wolkenkuckucksheimen, sondern von Ergebnissen verschiedener Gespräche mit Fachleuten, die ich in Kliniken geführt habe, die das ähnlich sehen. Die Entwicklung geschieht ab 2010. Man wäre töricht, vor einem politischen Beschluss, wie es weitergehen soll, das Krankenhaus zu verkaufen und Millionengewinne einem Privaten zu überlassen, anstatt sie als Staat zu halten und in eine zukunftsträchtige Entwicklung des Klinikums zu stecken, und zwar unter Beachtung der Unabhängigkeit von Forschung und Lehre.
Insofern ist unser Antrag kein Wolkenkuckucksheim. Ich sehe, dass hier im Hause viel Beratungsbedarf besteht, und da ich natürlich will, dass wir zu einer breiten Mehrheit hinsichtlich einer Entscheidung über die Zukunft des UK S-H kommen, bitte ich um Überweisung an den Ausschuss.
Frau Kollegin, Sie hätten nicht so schnell sprechen müssen. Sie hätten die Bitte auf eine Zwischenfrage des Kollegen Garg auch ablehnen können.