Protocol of the Session on May 4, 2006

Es geht nicht mehr um den berechtigten Anspruch von Personen, hier von Pflegekindern, sondern nur noch darum, den Arbeitslosen auf niedrigstes Niveau herunterzuschrauben, damit er arbeitswilliger wird. Die meisten sind aber arbeitswillig. Sie finden nur keine Arbeit, weil es entweder keine gibt oder weil ihnen die entsprechenden Qualifikationsmöglichkeiten vorenthalten werden. Nun werden auch noch die Personen, die sich über ihr eigentliches Berufsleben hinaus einer wichtigen Aufgabe, näm

lich der Pflege von Kindern, angenommen haben, der Grundlagen hierfür beraubt. Das kann nicht Sinn eines Systems sein. Hier gehört die gesetzliche Grundlage schnellstens geändert.

Die große Koalition in Berlin verhandelt derzeit über die so genannte Optimierung von Hartz IV, die nichts anderes als die Kürzung von Ansprüchen ist. Natürlich geht hier - wie schon von Anfang an bei diesem Gesetz - das meiste hinter verschlossenen Türen vor sich. Das Ergebnis der Koalitionsarbeitsgruppe aus CDU/CSU und SPD lautet: Für das erste Kind in Pflege soll das Geld nicht angerechnet werden, wohl aber für jedes weitere. Was die Kinder wohl voneinander unterscheidet? Eigentlich gar nichts! Diese Kürzungsorgie auf Kosten der Kinder muss endlich ein Ende haben. Sie darf nicht auch noch gesetzlich manifestiert werden.

So darf es jedenfalls niemals Gesetz werden. Der SSW unterstützt daher das Bemühen der Mehrheitsfraktionen, auf Bundesebene eine andere Regelung zu erreichen. Der Verband Tacheles geht von einer Untergrenze von 2.000 Betroffenen aus. Es ist aber überhaupt nicht von Belang, wie viele Eltern betroffen sind. Der so genannte Erziehungsbeitrag ist kein Einkommen. Er verwandelt sich auch nicht in ein Einkommen, wenn man mehrere Kinder betreut. Sozialleistungen einzuschränken, ist kein Selbstzweck. Die Leistungen, die für die Pflege von Kindern und Jugendlichen gezahlt werden, sind für alle Kinder und Jugendliche gleichermaßen berechtigt. Durch die bisherige Vorgehensweise werden Kinder und Jugendliche, die von Arbeitslosen betreut werden, massiv benachteiligt. Wir dürfen hierbei aber keinen Unterschied zwischen Pflegekindern von Arbeitsplatzbesitzern und Arbeitslosen machen. Dieser Webfehler von Hartz IV muss deshalb - wie so viele andere Webfehler - schnellstens beseitigt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Für die Landesregierung hat nun Arbeitsminister Uwe Döring das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Debatte ist so viel Richtiges und Übereinstimmendes gesagt worden, dass ich dies nicht wiederholen muss. Ich möchte vorweg aber einige allgemeine Sätze sagen. Seit einigen Tagen haben wir die Eck

(Lars Harms)

punkte zum Optimierungsgesetz auf der Tagesordnung. Ich finde es immer wieder schön, welche euphemistischen Begriffe man immer dann findet, wenn man Murks beseitigt. Das ist offensichtlich eine besondere Gabe der Verwaltung.

Ich kenne bisher nur die Eckpunkte. Ich kenne noch nicht einmal den Gesetzentwurf. Den Eckpunkten entnehme ich, dass man Missbrauchstatbestände bekämpfen will. Das ist richtig. Man kommt zu bewährten Dingen zurück, die das BSHG über viele Jahre hinweg vernünftig geregelt hatte. Mich verwundert es aber in einigen Punkten schon, mit welcher Inbrunst man hier in einem Gesetz Missbrauchstatbestände beschreiben will, die eigentlich ohnehin zu verfolgen wären. Das ist Sozialbetrug, der zu verfolgen ist. Da gibt es überhaupt kein Wenn und Aber. Das ist Aufgabe der Arbeitsgemeinschaften. Offensichtlich meint der Gesetzgeber, an dieser Stelle ganz besonders sorgfältig zu arbeiten. Das führt meistens dazu, dass es ein Optimierungsverbesserungsgesetz geben muss. Ich hätte mir gewünscht, dass es an dieser Stelle mehr Regelungen gegeben hätte, die dazu führen, dass Menschen wieder in Arbeit kommen.

(Beifall bei der SPD)

Hier hat die große Koalition in Berlin offensichtlich die Langsamkeit entdeckt. Dies können wir aus schleswig-holsteinischer Sicht nicht hinnehmen. Das ist auch eine Erkenntnis der letzten Tage. Insofern unterscheidet sich dies auch von dem Antrag, den Sie vorhin eingebracht haben, Frau Heinold.

Wir haben erste Anzeichen dafür, dass der Bund in der großen Koalition in Berlin etwas anderes machen will, als wir es hier offensichtlich über alle Fraktionsgrenzen hinaus gemeinsam wollen. Deswegen sage ich, das ist ein Unterschied gegenüber dem, was letztes Mal im Sozialausschuss beraten worden ist. Ich begrüße diesen Antrag ganz ausdrücklich. Wir werden ihn als Landesregierung natürlich entsprechend umsetzen. Ich würde mich freuen, wenn Sie heute dazu eine Beschlussfassung machen würden, denn das würde es mir ermöglichen, in den nächsten Tagen gegenüber der Bundesregierung tätig zu werden. Übrigens gibt es hier noch andere Punkte. Ich nenne nur einen, über den wir hier im Parlament auch schon diskutiert haben. Das ist die Zuständigkeit für Auszubildende, je nachdem ob die Eltern SGB-III-Empfänger oder SGB-II-Empfänger sind. Dies ist wiederum nicht vernünftig geregelt.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das haben Sie abgelehnt!)

- Frau Heinold, auch hier sind es Erkenntnisse der letzten Tage, dass dies wieder in den Eckpunkten steht. Wir waren an dieser Stelle aktiv. Es ist doch so, dass die Landesregierung hier etwas getan hat. Nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist doch nicht so, dass hier Beschlüsse des Landtages nicht entsprechend umgesetzt werden. Ich muss allerdings sagen, dass wir etwas mehr Vertrauen in die Einsichtsfähigkeit der Berliner Politik hatten. Das geht über alle Fraktionen hinweg. Offensichtlich ist es so, dass dort Landtage als weit entfernt empfunden werden. Landesregierungen rangieren unter der Rubrik: Ob da noch ein Zaunkönig etwas sagt oder nicht, wir sind die nationale Regierung und wir werden die Bundesgesetze schon so durchkriegen. Es gibt aber in Teilen noch die Möglichkeit, über den Bundesrat aktiv zu werden. Ich sage Ihnen zu: An diesen Punkten muss der Landtag im Interesse der Menschen in diesem Land ganz klar Position beziehen. Das tun Sie. Die Landesregierung wird dies so umsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte dies so schnell wie möglich machen. Da sind einige Punkte dabei, die wir in der Vergangenheit genauso gemacht haben. Ich würde Ihnen im Sozialausschuss gern nicht im Rahmen einer neuen Beratung, sondern so berichten, was wir gemacht haben. Ich bin in der nächsten Woche wieder in Berlin. Ich werde dort mit den Kolleginnen und Kollegen entsprechend beraten und dies deutlich machen. Es gilt in diesem Fall selbstverständlich, dass wir dann, wenn wir über Pflegekinder reden, deutlich machen, dass es überhaupt keinen Grund gibt, zwischen dem ersten, dem zweiten oder dem dritten Kind zu unterscheiden. Das ist Unsinn. Das ist nicht einmal finanziell eine vernünftige Betrachtung. Allenfalls ist dies eine bundesfiskalische Betrachtung. Gesamtgesellschaftlich ist dies aber eine Betrachtungsweise, die überhaupt keine Stütze finden kann.

(Beifall bei FDP und SSW)

Ich bitte ausdrücklich um Ihre Unterstützung. Ich begrüße diesen Antrag. Meine Bitte ist: Fassen Sie heute einen Beschluss, dann können wir tätig werden. Seien Sie sicher, dass die Landesregierung im Ernstfall über den Bundesrat entsprechende Änderungsanträge stellen wird.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

(Minister Uwe Döring)

Ich danke dem Herrn Minister. Die Bitte um eine Sachabstimmung ist zu uns vorgedrungen. Bevor wir dazu kommen, hat Frau Abgeordnete Monika Heinold das Wort zu einem Kurzbeitrag.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, da Sie im Sozialausschuss nicht da waren, sage ich Ihnen: Wir wollten genau das, was Sie hier angemahnt haben. Wir wollen bei dem Punkt Verbesserungen für Auszubildende als Landtag einen Akzent setzen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Da hat sie Recht!)

Wir haben diesen Antrag gestellt. Alle Punkte auch dieser konkrete Punkt - sind in einer Einzelabstimmung von CDU und SPD abgelehnt worden. Sie wollten nicht, dass wir als Landtag hier eine Unterstützung geben. Ich finde dies falsch. Dennoch bin ich heute selbstverständlich bereit, einem guten Vorschlag der großen Koalition zu folgen, weil uns so eine kleinkarierte Geschichte nicht weiterhilft. Alles andere wäre dumm. Ich erwarte von einer großen Koalition an der einen oder anderen Stelle auch, dass sie sinnvollen Dinge, die aus der Opposition kommen, zustimmt. Man kann das ja umformulieren. Dann ist es Ihr Antrag. Aber genau das, was Sie von uns erwarten, wollten wir machen. Das hat der Sozialausschuss abgelehnt. Ich finde, das muss man hier auch einmal sagen dürfen.

(Beifall bei FDP, SSW und des Abgeordne- ten Günter Neugebauer [SPD])

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Wolfgang Baasch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Heinold, auch wenn Sie heute eine längsgestreifte Jacke anhaben, ist es eher das kleine Karo, das Sie hier vortragen. Denken Sie einmal daran, welche Punkte Sie beantragt haben, über die wir abstimmen sollten. Wir sollten zum Beispiel über die Anhebung der Angleichung der Ostregelsätze Hartz IV an die Westregelsätze Hartz IV abstimmen. Wir haben Ihnen vorher erklärt, dass dies längst geschehen ist. Sie wollten trotzdem darüber abstimmen. Über dummes Zeug abzustimmen, macht auch in einem Sozialausschuss keinen Sinn.

(Beifall bei SPD und CDU)

Zu der Frage, die auch Minister Döring hier angesprochen hat, nämlich wer für die Berufsberatung von Jugendlichen in Optionsgemeinden zuständig ist, ob das in einer Hand bei der Bundesagentur liegt oder bei der Optionsgemeinde, ist hier diskutiert worden. Wir als Landtag haben Minister Döring sämtliche Unterstützung gegeben und ihn für seinen Einsatz in dieser Frage gelobt. Das sollten wir noch einmal beschließen. Wir haben gesagt: Es macht keinen Sinn, dasselbe ein drittes Mal zu beschließen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das waren die Punkte, die wir im Einzelnen durchgegangen sind und bei denen Sie einfach keine Beweglichkeit gezeigt haben. Sich dann hier beleidigt mit kleinem Karo hinzustellen, ist eines Parlamentes eigentlich nicht würdig. Das hätte man auch anders klären können.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort zu einem weiterem Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Frau Heinold braucht niemanden, der sie beschützt. Aber, lieber Kollege Baasch, als Sie nach vorn gegangen sind -

(Zurufe)

- Ich beschütze sie gern. Das ist nicht mein Problem. Aber hier ist das nicht notwendig.

Ich habe gedacht, es ist mutig, dass Herr Baasch nach vorn geht. Sie wissen, ich habe sehr differenziert über den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgestimmt, weil ich inhaltlich nicht alle Punkte teile. Ich habe für die Punkte gestimmt, die ich für notwendig halte, bei denen hier auf Antrag des SSW - ich denke beispielsweise an die Einzelausbildung - Initiativen gestartet wurden. Ich habe gesagt: Wenn wir schon über eine notwendige und sinnvolle Revision von Hartz IV - um das einmal so flapsig auszudrücken - sprechen, macht ein kompletter Katalog, wie ihn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Debatte gestellt haben, Sinn. Das habe ich in der Debatte auch gesagt.

Die antragstellende Fraktion war bereit, einzeln über die Punkte abstimmen zu lassen, obwohl das viel Mühe gemacht hat, weil es zehn oder elf oder zwölf Punkte waren. Damit hatten die Fraktionen der großen Koalition die Chance, bei den Punkten,

bei denen sie inhaltlich übereinstimmen, zu sagen: „Jawohl, so wollen wir das“. Dafür, dass sie die Punkte, in denen wir inhaltlich übereingestimmt haben - auch hier im Plenum - abgelehnt haben, fehlt mir - offen gestanden - jedes Verständnis. Das kann ich nicht nachvollziehen. Das hat auch nichts damit zu tun, dass man irgendwelche Beschlüsse, die angeblich gut waren, nicht dreimal beschließen muss. So war es nicht. Das war nicht das Ansinnen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Das war nicht Ansinnen des Antrages.

Es gibt einen Kollegen, der mir jedes Mal, wenn er mich sieht, auf den Weg gibt: „Wir haben wieder eine Abstimmung 59:10 gewonnen“. Das mag schon sein.

(Zuruf)

- Ja, Niclas Herbst, das bist du. - Ich antworte dann jedes Mal: Es kommt nicht darauf an, hier Abstimmungen 59:10 zu gewinnen, sondern es kommt auf das an, was am Ende dabei herauskommt. Ich finde, dabei ist herzlich wenig herausgekommen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zurück zu dem Antrag und zu der Tatsache, dass wir in der Sache abstimmen wollen. Es ist beantragt, über den Antrag Drucksache 16/734 in der Sache abzustimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Sie haben alle zugestimmt.

Wir treten in die Mittagspause ein und machen um 15 Uhr mit Tagesordnungspunkt 9, Priorität für Erdkabel, weiter.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 12:05 bis 15:02 Uhr)