Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen unterschiedlicher ausländischer Herkunft untereinander gibt. Wir haben in Schleswig-Holstein auch keine Schulen mit einem derart überwiegenden Anteil an ausländischen Kindern.
Die Schule mit dem höchsten Ausländeranteil in Schleswig-Holstein, mit 37 %, ist die Fritjof-Nansen-Schule in Kiel, gefolgt mit 29 % von der Realschule in der Iltisstraße in Gaarden. In Lübeck und im Hamburger Rand gibt es überhaupt keine Hauptoder Realschule mit einem höheren Ausländeranteil als 30 %. Es stört mich, wenn Sie in Ihrem Antrag wider besseres Wissen mit Unterstellungen arbeiten. So sehe ich das jedenfalls und habe das so empfunden. Sie sollten, wie eben erwähnt, aufgrund Ihrer Beteiligung an der Landesregierung wissen, dass es nicht Kurs der sozialdemokratischen Bildungsministerin war, auf Gewalt vorrangig mit Repressionen zu reagieren, wie Sie in Ihrem Antrag behaupten oder fordern. Vielmehr ist genau das geschehen, was Sie einfordern, nämlich Konfliktbewältigung und Gewaltprävention in den Vordergrund zu stellen und dazu die Vernetzung von Schule, Jugendhilfe und Sozialarbeit unter Einbeziehung der Lehrerfort- und -weiterbildung zu verstärken und auf die Mithilfe der Polizei zu setzen.
Ich gehe daneben jede Wette ein, dass die Anhörung zum Schulgesetz der Landesregierung, mit dem wir uns in Kürze auseinander setzen müssen, nicht die Schwerpunktforderung erheben wird, den Katalog von Sanktionen aus dem Schulgesetz zu streichen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass viele Praktiker an den Schulen, sicher nicht alle, eher fordern werden, den Katalog der Sanktionsmöglichkeiten zu erweitern. Ich habe oft auch sehr viel Verständnis dafür.
Ich betrachte mit der Abgabe des mündlichen Berichtes den Punkt 1 des Antrages der Grünen als erfüllt. Über die weiteren Punkte werden wir im Ausschuss sicherlich sehr intensiv weiter diskutieren.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Höppner. Das Wort für die FDP-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema, über das wir heute diskutieren, wird leider immer nur dann öffentlich wahrgenommen, wenn wieder einmal, wie man leider sagen muss, ein Ex
tremfall für kurze Zeit die Medienlandschaft in Unruhe versetzt. Nach einiger Zeit klingt die Aufregung dann jedoch ab und von der nötigen besseren Vernetzung von Schule, Jugendhilfe und Sozialarbeit und anderen notwendigen Folgerungen ist leider oft nicht mehr die Rede - bis zum nächsten Ereignis dieser Art, das dann die öffentliche Wahrnehmungsschwelle durchbricht. Kollege Höppner hat das schon angesprochen, vor vier Jahren war es der Amoklauf von Erfurt, vor zwei Jahren waren es die Vorgänge in Hildesheim an der Berufsschule und nun neuerdings ist es das, was sich mit dem Komplex Rütli-Schule in Berlin verbindet. Übrigens haben die beiden ersten Beispiele mit dem Thema Migration gar nichts zu tun, nur der letzte Vorgang Rütli-Schule.
Bei aller Unterschiedlichkeit haben diese drei Extrembeispiele eines sicherlich gemeinsam, sie wurden und werden als Symptome einer schweren Erziehungskrise, aber auch sozialer Fehlentwicklungen und von Problemen in unseren Schulen gesehen. Will man etwas gegen diese Entwicklung tun, muss man sagen, es muss mehr geschehen als bisher. Zunächst ist es wichtig, dass man diesen fast schon rituellen Kreislauf zwischen Alarmstimmung in der Öffentlichkeit und anschließendem Vergessen bis zum nächsten Medienereignis durchbricht. Nur dann, wenn man nachhaltig und systematisch an die Ursache herangeht, wird sich wirklich etwas ändern.
Einer der Zusammenhänge, um die es dabei geht, ist sicherlich derjenige der in Deutschland jedenfalls in weiten Teilen misslungenen Integration der Zuwanderer. Im Antrag der Grünen wird dies aber isoliert und verkürzt als einziges Problem in diesem Zusammenhang angesprochen. Das ist - ich habe es schon angedeutet - insoweit nicht zutreffend. Es ist eine Schwäche des Antrages, ihn einzig und allein darauf abzustellen, aber es kann auf der anderen Seite auch niemand bezweifeln, dass die misslungene Integration der Einwanderer in unserer Gesellschaft einer der Faktoren ist, die zu einem erhöhten sozialen Konfliktpotenzial beitragen. Insoweit darf man diese Thematik auch nicht ausklammern.
Schulen, die durch Sprachvermittlung und natürlich auch in vielfältig anderer Weise zur Integration beitragen, tragen damit auch zum Abbau des Konfliktpotenzials bei. Noch wirksamer ist es aber, wenn man noch früher, nämlich im Vorschulalter, ansetzt. Nach einer Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer erreichen Kinder aus Einwandererfamilien,
die zusammen mit deutschen Kindern einen Ganztagskindergarten besucht haben, genau so hohe Übergangsquoten auf weiterführende Schulen, auch auf Gymnasien, wie der Durchschnitt ihrer Altersgruppe, also auch der deutschen Kinder. Das ist ein durchschlagendes Argument für die Bedeutung einer frühen Förderung von Kindern, gerade von Kindern aus Zuwandererfamilien, in Ganztagskindergärten.
Der „Spiegel“ hat vor kurzem vor dem Hintergrund der bekannten Berliner Vorgänge den Spielmacher bei Hertha BSC, Yildiray Bastürk, interviewt. Auf die Frage, wie schwierig für ihn der Sprung aus seiner türkischen Familie in die deutsche Gesellschaft gewesen sei, sagte der Fußballstar:
„Das Schwerste war der Anfang, wenn man rauskommt aus der Familie, in der fast nur türkisch gesprochen wird. Ich bin in den Kindergarten gekommen, da konnte ich kaum Deutsch. Ich wusste erst nicht, wie ich mich da verhalten soll, aber ich war unter deutschen Kindern, das hat geholfen.“
Eine andere Aussage in diesem Interview verdeutlicht aber auch sehr gut, dass die Problemlösung umfassendere Antworten erfordert als nur die, zu denen die vorschulische und schulische Bildung beitragen müssen. Ich zitiere wieder:
„Auf der Straße ist der Coolste, wer am meisten Mist baut. Die Jungen sehen in solchen Leuten Respektspersonen. Wenn zwei, drei Leute so sind, dann zieht das alle in einer Gruppe runter. Dann müssen die Eltern dazwischenhauen. Das tun sie aber oft nicht.“
Natürlich ist „dazwischenhauen“ hier nicht wörtlich gemeint. Der Sinn ist jedoch klar: Ohne den Einsatz der Familien - und ich füge hinzu: ohne Mitwirkung der gesamten Gesellschaft - ist die Institution Schule bei der Lösung des Problems hoffnungslos überfordert.
Es kann nicht sein, dass die Gesellschaft die Aufgabe der sozialen Integration, die über das Thema der Integration der Zuwanderer weit hinausgeht, allein auf die Institution Schule ablädt. Alle gesellschaftlichen Kräfte, auch die Wirtschaft und die Medien, müssen hier ihre Mitverantwortung wahrnehmen.
Anstrengungen der Schule stärker das Wasser abgraben, als dass es alle noch so gut gemeinten pädagogischen Konzepte der Schulen jemals ausgleichen könnten.
Hier gibt es einen Handlungsbedarf, den man in einer Fünf-Minuten-Debattenrunde natürlich kaum umfassend ansprechen kann. Dazu gehört, dass man den virtuellen Ersatzwelten des Unterschichtfernsehens und der Videospiele ebenso etwas entgegensetzen muss wie den Widersprüchen einer Wirtschaftsgesellschaft, die in der kommerziellen Unterhaltungskultur all das systematisch ausklammert, ja geradezu konterkariert, was andererseits in Sonntagsreden immer wieder eingefordert wird, nämlich Fleiß, Ausdauer, Übung und Leistungsbereitschaft.
Natürlich geht es auch um die Mitverantwortung jedes Einzelnen sowie um die Mitverantwortung der Familien. Fast jeder vierte Sechsjährige hat ein eigenes Fernsehgerät - richtig sprechen können diese Kinder oft aber nicht -, ganz abgesehen von dem sonstigen Ballast, der die Bildungs- und Integrationschancen dieser Kinder beeinträchtigt. Ein Naturgesetz sind solche Zustände jedenfalls nicht. In jeder Familie kann man dazu beitragen, dass es so nicht läuft.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Für den SSW im Landtag hat nun die Vorsitzende Frau Abgeordnete Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Hilferuf der Berliner Rütli-Schule hat einen enormen Widerhall in den Medien gehabt. Die privaten Fernsehsender boten ihre gesamten Ressourcen auf und produzierten ständig neue Schreckensmeldungen über Gewalt an Schulen.
Gewalt an Schulen ist aber kein neues Thema. Wer sich ein wenig intensiver mit der Schulpolitik auseinander setzt, wird ziemlich schnell auf Gewalt in Schulen stoßen. Das bedeutet nicht, dass Schule und Gewalt in der modernen Gesellschaft automatisch zusammengehören. Von Kapitulation vor dem Thema kann also keine Rede sein.
Ich verwehre mich aber ausdrücklich gegen eine Skandalisierung in diesem Bereich. Sie hilft uns wirklich nicht weiter. Gerade die Prävention in Bezug auf Gewalt muss langfristig angelegt sein. Die Medien beißen sich erfahrungsgemäß nur wenige
Tage an einem Thema fest, bis ein neues Thema die Redaktionen fesselt. Dieser Rhythmus ist absolut schädlich für eine nachhaltige Politik, die unter der Überschrift „Konfliktprävention und Bildungschancen“ zu sehen ist.
Wir sollten uns daher als Landtag nicht vor diesen Karren spannen lassen, sondern tiefer bohren, um herauszufinden, welche Ursachen Gewalt hat. Generalstaatsanwalt Erhard Rex hat gerade im letzten Monat auf die steigende Zahl schwerer Straftaten von Jugendlichen hingewiesen. Auch die Ministerin verwies auf diesen Bericht. Der Generalstaatsanwalt plädiert dafür, die Gewalt aus dem Dunkel zu holen. Genau das ist der richtige Ansatz.
In Schleswig-Holstein werden Lehrerinnen und Lehrer im Rahmen der Fortbildung in Bezug auf Umgang mit und Vermeidung von Schülergewalt geschult. Ich denke, das ist bundesweit vorbildlich und wurde zuletzt von dem Erziehungswissenschaftler Peter Struck ausdrücklich gelobt. Dieser Weg muss unserer Meinung nach konsequent weiter beschritten werden.
Regionale Bündnisse sind ein weiteres Mittel gegen Gewalt. Die Erfahrungen in Lübeck mit der Arbeitsgemeinschaft gegen Gewalt an Schulen, den so genannten AGGAs, zeigen gute Ergebnisse. Dort sind Polizisten direkt in die Kommunikation mit Lehrern und Schülern eingebunden. Das Ganze läuft schon seit 1998. Auch in Flensburg sind Polizisten in einigen Schulen direkte Ansprechpartner. Sie gehen in die Schulen, kennen sozusagen ihre Pappenheimer und können im Gespräch vieles klären, bevor sich Gewalt überhaupt entwickelt. So hat zum Beispiel die Verteilung rechtsradikaler Hetzschriften oder Musik-CDs keine Chance. Man kann vor Ort eben viel bewegen, vor allem, wenn gewalttätige Schüler merken, dass Gewalt für sie unmittelbare und zeitnahe Konsequenzen hat und die Mitschüler sich nicht einschüchtern lassen.
Die Grünen wissen natürlich, dass Gewalt an den Schulen in Schleswig-Holstein durchaus ihre Spuren hinterlassen hat. Wir leben schließlich nicht im Land der Glückseligen. Derart oberflächliche Fragen bringen uns daher auch nicht weiter. Die Strukturen der Gewalt sind von Interesse, vor allem dann, wenn man die Gewalt zurückdrängen möchte.
Mangelnde Deutschkenntnisse sind aber nicht automatisch Auslöser von Gewalt. Das ist hier zwar schon gesagt worden, aber mir ist es wichtig, dies zu wiederholen. Beide Themen gehören zwar zu
Es ist deshalb, wie ich denke, richtig, dass wir uns im Ausschuss noch einmal systematisch mit diesem Komplex beschäftigen, um zu sehen, was im Lande wirklich läuft und ob einiges verbesserungswürdig ist. Ich bitte aber darum, dass wir den Sachverhalt nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Integration von ausländischen Kindern betrachten. Wir müssen uns - Sie wissen, das ist die Position des SSW - vielmehr auch immer wieder mit Fragen der Schulstruktur beschäftigen. Auch die Schulstruktur kann dazu führen, dass Gewalt in einigen Bereichen unserer Schulen eher auftritt als in anderen. Zumindest belasten wir einige Schularten mehr als andere. Von daher gibt es weitere Fragen. Dies ist Anlass, die Debatte weiter zu führen.
Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Zu einem Kurzbeitrag hat nun Frau Abgeordnete Anne Lütkes das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal ausdrücklich sagen, dass ich den mündlichen Bericht der Frau Ministerin als sehr differenziert empfunden habe. Er beinhaltete nicht den in anderen Redebeiträgen deutlich werdenden Ton im Sinne von: Was wollen die Grünen denn eigentlich? Bemerkungen in diesem Sinne erscheinen mir - gestatten Sie mir diese Anmerkung leicht oberlehrerhaft. Da wir neun Jahre mit in der Verantwortung waren - das gilt auch für mich persönlich als Jugendministerin -, ist der Tenor wirklich fehl am Platze, dass wir hier weder Fragen stellen noch Meinungen äußern dürfen. Dies geht, wie ich finde, ein bisschen zu weit.
Auch im Jahr 2006 muss über Gewaltprävention in Schleswig-Holstein diskutiert werden und es muss Sie haben das sehr ehrlich getan, Frau Ministerin dazu deutlich Stellung genommen werden. Wir haben uns in der Vergangenheit - das ist richtig - sehr intensiv mit alltäglicher Gewalt an Schulen auseinander gesetzt. Wir haben in der Alltäglichkeit Untersuchungen zu diesem Thema gemeinsam mit dem Generalstaatsanwalt, aber auch mit dem Innenministerium durchgeführt. Es gibt Konfliktlotsen. Es gibt Gewaltpräventionsprogramme. Solche Maß
nahmen waren in der Vergangenheit wichtig und sie werden - ich finde es wichtig, das zu erwähnen von dieser Regierung auch fortgeführt. Das zu erwähnen halte ich keineswegs für überflüssig. Überflüssig finde ich allerdings die Noten, die Sie uns erteilen. Darüber kann man dann aber im Ausschuss weiter diskutieren.
Wir haben in unserem Antrag keineswegs eine von Ihnen suggerierte Monokausalität zwischen Gewalt und Migration gesehen. Wir haben den Antrag mit „Konfliktprävention und Bildungschancen an Schulen“ überschrieben. Das bezieht sich keineswegs nur auf Ausländer. Eines möchten wir hier allerdings deutlich festgestellt wissen. Die von einigen hier eben mit Klatschen begleitete Feststellung - so habe ich es verstanden; Sie haben die Gelegenheit, es richtig zu stellen -, ein Kind dürfe nur dann eine Schule besuchen, das heißt dem Schulgesetz Genüge tun und seine Schulpflicht erfüllen, wenn es ausreichende Deutschkenntnisse hat, halte ich, gelinde gesagt, für baren Unsinn. Das wird als eine Meinung aus Ihren Reihen transportiert. Das verstehe ich nicht. Insofern haben wir Nummer 3 unseres Antrags formuliert. Wir würden uns freuen, wenn wir gemeinsam zu der Ansicht kommen, dass jedes Kind hervorragend Deutsch lernen soll und jedes Kind im entsprechenden Alter auch seine Schulpflicht erfüllen darf. Darum ging es uns.