und zwar deshalb nicht, weil auch in den Ländern, in denen das polizeirechtlich so geregelt ist, nach einem gezielten Todesschuss immer ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, bei dem die Staatsanwaltschaft feststellen muss, ob die Eingriffsvoraussetzungen vorgelegen haben. Geprüft wird entsprechend dem, was die Rechtsprechung zur Frage des Notwehrrechtes beziehungsweise der Nothilfe im Rahmen des Strafgesetzbuches entwickelt hat.
Sie schaffen damit eine vermeintliche Sicherheit, die gar nicht gegeben ist. Wir brauchen solche Regelungen nicht. Im Gegenteil, nach meiner Einschätzung würden wir damit unter Umständen den Polizeibeamten etwas Schlechteres tun als das, was momentan im Raum steht.
Lassen Sie mich aber noch kurz auf den Innenminister eingehen. Herr Dr. Stegner, ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Ich halte Sie für zu intelligent, als dass Sie dauernd Klischees vor sich hertragen und verbreiten müssten, die so nicht stimmen. Es macht Ihre Argumentation nicht glaubwürdiger, wenn Sie darauf hinweisen, dass FDP-Minister oder FDP-Fraktionen in anderen Bundesländern etwas tun, was wir hier ablehnen. Ich sage es ausdrücklich: Wir haben schon, als unsere Parteifreunde in Niedersachsen den Polizeigesetzen zugestimmt haben, öffentlich erklärt, dass wir das für verfassungswidrig halten.
Ich habe das übrigens auch innerhalb meiner Partei - auch gegenüber den Kollegen aus Niedersachsen ertragen müssen. Ich würde mir wünschen, dass manche Sozialdemokraten - vielleicht ähnlich wie
Sie - gelegentlich auch in der eigenen Partei ihr Kreuz gerade machen würden, um Entwicklungen nicht in Gang setzen zu lassen, die woanders passieren. Ich sage Ihnen auch nachdrücklich: Die Haltung meiner Partei und meiner Fraktion in Schleswig-Holstein ist die, dass wir Einbürgerungstests der vorgelegten Art wie die aus Hessen oder die Kataloge aus Baden-Württemberg komplett ablehnen. Wir halten sie auch für unsinnig.
Wir könnten sonst zu der Überlegung übergehen, ob wir nicht auch das Wahlrecht daran anknüpfen lassen, dass die Leute, die wählen sollen, bestimmte Fragen beantworten können. Gleiches könnte für die Wählbarkeit gelten. Hier fallen mir - ähnlich wie Ihnen, Herr Dr. Stegner - Fragestellungen ein, bei denen wir sagen könnten, dass die Hälfte der Mitglieder der großen Fraktionen nicht mehr im Saal wäre. Das ist etwas, was mir sehr entgegenkäme, wahrscheinlich aber von Ihnen nicht mitgetragen werden würde.
Lassen wir doch die Kirche im Dorf! Kürzen wir nicht mehr bei den öffentlichen Mitteln für die Sprachförderung! Bemühen wir uns tatsächlich um mehr Integration derjenigen, die hier leben wollen. Übrigens machen dies andere Länder. Dann haben wir mehr erreicht, als wenn wir unsinnige Einbürgerungstests vorlegen.
Ich kann Sie nur ermutigen: Bleiben Sie bei Ihrer starren Haltung! Lassen Sie sich nicht von dem Gemeinschaftsgeist tragen, dass man alles nur gemeinsam machen könne, und knicken Sie nicht doch noch ein! Bleiben Sie in der Frage stark! Dann bleibt dem Land sehr viel erspart. Ersparen Sie uns aber künftig die Debatten darüber, dass etwas woanders anders gemacht wird, als wir es hier vorschlagen!
Zur Frage der Videoüberwachung nenne ich noch ein letztes Beispiel. Es hat seinen Sinn, dass sich die Deutsche Bahn AG und die Hamburger Hochbahn überlegt haben, dass die von ihnen eingeführte Videoüberwachung an bestimmten Plätzen des Bahnhofs oder in Zügen nicht zu einem Ergebnis geführt hat. Das hatten sie nicht gedacht. Mittlerweile ist man dazu übergegangen, wieder Personen mitfahren zu lassen, und zwar deshalb, weil die Videoüberwachung keine Gefahrenabwehr leisten kann.
Sie kann möglicherweise die Strafverfolgung von Tätern erleichtern, weil man die Taten dokumentieren kann. Für jemanden, der im Zug ist, ist es aber nicht entscheidend, dass der Täter, der ihm eine runterhaut, verfolgt werden kann. Ihm liegt daran,
dass die Tat erst gar nicht passiert, weil jemand da ist, an den er sich wenden kann. Weil die Bahn begriffen hat, dass ihre ökonomische Situation davon abhängt, dass mehr Kunden fahren, ist sie dazu übergegangen, wieder Personen mitfahren zu lassen.
Ich sage es noch einmal: Man muss immer genau gucken, ob die Maßnahme, die man einzusetzen erwägt, das Ergebnis zeigt, das man glaubt, oder eher kontraproduktiv ist. Ich gestehe Ihnen zu, dass es Räume wie private Tunnelunterführungen oder Parkhäuser geben kann, in denen allein die subjektive Empfindung dazu führt, dass eine größere Frequenz als bisher stattfindet. Bei den Frauenparkplätzen wissen wir, dass dies nichts gebracht hat. Hier haben wir nichts dagegen, dass dies passiert. Zu glauben, dass die Videoüberwachung flächendeckend der Gefahrenabwehr dienen kann und dass Straftaten gar nicht erst passieren, ist - so denke ich - aberwitzig.
Mir liegen noch zwei Wortmeldungen vor. Zur Klarstellung sage ich noch einmal: Den Fraktionen stehen fünf Minuten Redezeit zu, die aber nicht zwingend auszuschöpfen sind. - Für die SPD-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Klaus-Peter Puls das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte gern noch zwei Punkte ansprechen. In den Wortbeiträgen der Opposition wurde doch wieder der angebliche Paradigmenwechsel der SPD-Fraktion angesprochen. Die SPD war, ist und bleibt eine Partei, die sich nicht nur für die Freiheit, sondern auch für die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger verantwortlich fühlt.
Das Land insgesamt, die Volksvertreter und wir alle sind auch dafür verantwortlich, dass wir dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung gerecht werden. Es ist hier mehrfach gesagt worden, dies ist eine Sache der Abwägung. Der Minister hat darauf hingewiesen. Wir als Land haben nicht nur die Garantiefunktion für die Freiheit, sondern auch für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der immer nur sehr allgemein angesprochen wird, sollte einmal konkretisiert werden. Ich finde das nicht in Ordnung. Der Minister hat dies heute mehrfach ge
sagt. Er hat das ins Verhältnis gesetzt, und zwar die Datenschutzanforderungen und den Opferschutz, für den wir vorrangig verantwortlich sind. Auch wir legen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit so aus, dass ein relativ geringfügiger Eingriff in persönliche Datenschutzrechte hinzunehmen ist, wenn dadurch die Bedrohung menschlichen Lebens und menschlicher Gesundheit reduziert werden kann.
So muss die Abwägung vollzogen werden und so wird sie in diesem Gesetzentwurf auch vollzogen. Deshalb bleiben wir bei unserer grundsätzlichen Unterstützung des Gesetzentwurfs der Regierung. Im parlamentarischen Anhörungsverfahren werden wir selbstverständlich alle Bedenken ausführlich und intensiv mit Ihnen erörtern. Änderungen sind nicht ausgeschlossen.
Weiterhin wurde hier der finale Rettungsschuss oder der finale Todesschuss noch einmal angesprochen. Ich teile all das, was der Herr Minister und was Herr Kubicki dazu gesagt haben hinsichtlich der Nothilfevorschriften im Strafgesetzbuch, die immer dann heranzuziehen sind, wenn es in Anwendung von Schusswaffen gegen Personen durch Polizei zu einem Todesfall kommt. Für alle und für das Protokoll möchte ich ein Zitat aus unserem geltenden Polizeirecht zur Kenntnis geben, und zwar § 258 unseres Landesverwaltungsgesetzes zum Schusswaffengebrauch gegen Personen, wie er jetzt geregelt ist:
„Gegen Personen ist der Gebrauch von Schusswaffen nur zulässig, um diese angriffs- oder fluchtunfähig zu machen und soweit der Zweck nicht durch Schusswaffengebrauch gegen Sachen erreicht werden kann.
2. um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung eines Verbrechens oder eines Vergehens unter Anwendung oder Mitführung von Schusswaffen oder Explosivmitteln zu verhindern,
3. um eine Person anzuhalten, die sich der Festnahme oder Identitätsfeststellung durch Flucht zu entziehen versucht, wenn sie eines Verbrechens dringend verdächtigt ist, eines Vergehens dringend verdächtigt ist und Tatsachen dafür sprechen, dass sie von einer
4. zur Vereitelung der Flucht oder zur Ergreifung einer Person, die in amtlichem Gewahrsam zu halten oder diesem zuzuführen ist…
Wir halten diese Rechtsgrundlage, die bereits in unserem geltenden Polizeirecht vorhanden ist, für ausreichend.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Debatte zum Todesschuss wird es Sie nicht erstaunen, dass meine Fraktion und auch ich persönlich die Position des Innenministers sowie die Position von Herrn Puls und von Herrn Kubicki teilen. Wir sehen keinen Anlass für weitere gesetzliche Neuregelungen.
Herr Innenminister, ich habe mich aufgrund Ihrer Bemerkung noch einmal zu Wort gemeldet, dass der Datenschützer, der inhaltlich eine ähnlich gelagerte Position vertritt wie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in diesem konkreten Fall Datenschutz schlicht und ergreifend über Opferschutz stelle. Das ist eine äußerst banale und unzulässige Simplifizierung der Auseinandersetzung. Sie haben in Ihrer Einbringungsrede gesagt, dass Sie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben abarbeiten lassen und dass Sie auch persönlich der Überzeugung sind, dass sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Konkreten und in seiner gesamten Geschichte hier im Gesetzentwurf wieder findet.
Ich darf darauf verweisen und Sie bitten, die einzelnen Ausführungen des Datenschützers vielleicht einfach einmal zu lesen und dann zu lernen, dass nicht der Obersatz, sondern die Abgleichung im Konkreten das Entscheidende ist. Sie haben sich dann damit auseinander zu setzen wie beispielsweise dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot.
Frau Präsidentin, ich will das jetzt nicht im Einzelnen ausführen, aber es zeigt, dass die Ausschussberatung mehr als notwendig ist. Vielleicht sollten Sie auch akzeptieren, dass nicht alles in einfacher Wei
se zusammengefasst werden kann und dass der Datenschutz genauso hochrangig ist. Der Opferschutz ist auch sehr hochrangig. Eine Hierarchisierung der Aufgaben, wie Sie sie hier betreiben, ist schlicht falsch. Dies hilft uns auch im Polizeirecht nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde meine Redezeit nicht in Anspruch nehmen. Ich werde meine Fragen im Verlauf der Ausschussberatungen stellen.
Liebe Frau Kollegin Spoorendonk, das Haus wird es Ihnen danken. - Bevor ich die Sitzung für die Mittagspause unterbreche, lade ich Sie im Namen des Landtagspräsidenten sehr herzlich zu einer Ausstellungseröffnung von Anja Pletowski auf dem Flur seines Büros ein.
Ich sah mich durch eindeutige Hinweise genötigt, mich etwas zu beeilen. Dabei habe ich übersehen, dass wir die Ausschussüberweisung noch nicht vorgenommen haben. Das machen wir jetzt. Da mir keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Beratung.
Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 16/670, an den Innen- und Rechtsauschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Das ist einstimmig so beschlossen.