Protocol of the Session on March 22, 2006

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die antragstellende FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bildungsministerium hat den Berufsschulen, der ausbildenden Wirtschaft und den Kreisen beziehungsweise kreisfreien Städten Anfang Februar neue Vorgaben für das künftige Berufsschulangebot in den gewerblichen Ausbildungsberufen zugeleitet. Das Papier des Ministeriums regelt haarklein bis ins Detail, für welchen Ausbildungsberuf an welchem Standort ein Berufsschulangebot gewährleistet werden soll beziehungsweise darf.

Vor allem im ländlichen Raum hat dieses Konzept erhebliche Unruhe hervorgerufen. Das ist verständ

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

lich, wenn man bedenkt, dass allein aus Dithmarschen auf dieser Grundlage rund 290 Auszubildende künftig zu Berufsschulstandorten außerhalb des Kreisgebiets pendeln müssten.

Die damit einhergehende Ausdünnung des beruflichen Bildungsangebots in der Region wäre nur eines der damit verbundenen Probleme. Hinzu käme auch, dass damit teilweise erhebliche Sachinvestitionen in Werkstätten und Fachräume praktisch „umsonst“ erbracht worden wären. Die Frage, ob unter solchen Bedingungen überhaupt noch die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe erhalten werden könnte, stellt sich unter diesen Umständen natürlich auch.

Die aus den Kreisen und von der ausbildenden Wirtschaft geäußerte Kritik hat das Ministerium unterdessen bereits mehrfach dazu veranlasst, ihr erst vor sieben Wochen vorgelegtes Konzept nachzubessern. Erst gestern hat das Ministerium eine zweite Neufassung auf den Weg gebracht. Dabei sind einige der größten Kinken ausgeräumt worden. Insoweit hat unser Antrag zumindest teilweise bereits die gewünschte Wirkung erzielt.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] - Zurufe)

Dass ausgerechnet gestern, ein Tag vor der Debatte eine zweite Neufassung von Ihnen herausgegeben worden ist, ist schon bemerkenswert.

(Zurufe)

Ich nenne als Beispiel die Bereitschaft, nun doch am Standort Meldorf ein Berufsschulangebot für Mechatroniker zu erhalten. Für die örtliche Wirtschaft, insbesondere für die Betriebe der Windenergiebranche, ist das sicher eine erfreuliche Entwicklung, zumal die Berufsschule in Meldorf über Werkstätten mit kompletten Windenergiegeneratoren verfügt. Diese Ausstattung bliebe ungenutzt, wenn man die Mechatroniker aus Meldorf nach Itzehoe schicken würde, wie es ursprünglich vorgesehen war. Außerdem besteht in Meldorf in Verbindung mit der dort existierenden Landesberufsschule des Ausbildungsberufs „Elektroniker für Automatisierungstechnik“ die Möglichkeit zu Synergieeffekten. Das ist eine vernünftige regionale Schwerpunktsetzung, die man nicht durch den Abzug der Mechatroniker aus Meldorf zerstören sollte.

Ich nenne ein anderes Beispiel, das auch die Probleme des Vorgehens des Ministeriums deutlich macht: Wenn in Zukunft die Tischlerlehrlinge aus Burg auf Fehmarn, statt nach Eutin zur Berufsschule fahren zu müssen, nach Mölln geschickt worden wären - so war es ursprünglich vorgese

hen -, kann man schon verstehen, wenn der Kreishandwerksmeister dort sagt, das würde zu einer Halbierung der Ausbildungszahlen in diesem Ausbildungsberuf im Kreisgebiet führen. In solchen Extrempunkten hat das Ministerium im Zuge der wiederholten Überarbeitung durchaus Einsicht gezeigt.

Aber der ganze Vorgang macht deutlich, dass es das Grundsatzproblem gibt: Detailsteuerung bis ins Kleinste hinein vom Ministerium aus vorzunehmen, statt in wesentlichem Umfang auf Eigenverantwortung der Schulen vor Ort zu setzen. Was das Ministerium hier vorgeführt hat, steht in einem eklatanten Widerspruch zu dem Grundgedanken der Schaffung Regionaler Berufsbildungszentren, dem RBZModell, das von Ihnen als großes Reformmodell auch im Eckpunktepapier angekündigt worden ist, Frau Ministerin Erdsiek-Rave. Das steht unter der Überschrift „Stärkung der Eigenverantwortung im Bereich der beruflichen Bildung“, Regionale Berufsbildungszentren mit einer neuen Rechtsform, Anstalt des öffentlichen Rechts - das alles ist wirklich Kappes, das kann man sich abschminken, wenn es konterkariert wird durch eine Vorgehensweise aus dem Ministerium, par ordre de mufti im Detail für jeden Berufsschulstandort vorzuschreiben, was dort jeweils angeboten werden soll. Dann ist das RBZ-Modell nur noch ein potemkinsches Dorf, eine leere Hülle, es steckt nicht mehr wirklich eine bildungspolitische Eigenverantwortung und Gestaltungsmöglichkeit vor Ort dahinter.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch weil dieses Grundsatzproblem besteht, meinen wir, dass man in der Sache ganz anders vorgehen muss. Ich rege an, dass wir unseren Antrag und den Änderungsantrag der Grünen an den Bildungsausschuss überweisen und uns dort noch einmal mit der Thematik befassen. Man hört ja, dass das Ministerium plant, für den Bereich der kaufmännischen Ausbildungsberufe in einem zweiten Durchgang in ganz anderer Weise vorzugehen als bei den gewerblichen Berufen. Bei den kaufmännischen Berufen wollen Sie erst einmal die Schulleiter bitten, sich über eine vernünftige Lösung und Abstimmung Gedanken zu machen. Das ist sicherlich auch ein Zeichen dafür, dass es im Ministerium eine gewisse Lernfähigkeit gibt.

Ich bleibe aber dabei: Was Sie im Februar angeleiert haben, steht in einem prinzipiellen Widerspruch zu dem Konzept der Regionalen Berufsbildungszentren. Deswegen muss man hier andere Wege beschreiten.

(Dr. Ekkehard Klug)

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Sylvia Eisenberg.

Frau Landtagspräsidentin! Herr Dr. Klug, eigentlich hätten wir den Tagesordnungspunkt hier nicht mehr gebraucht. Es wäre schön gewesen, wenn Sie Ihren Antrag zurückgezogen hätten. Selbst von gestern auf heute wäre das noch möglich gewesen, aber wir behandeln ihn jetzt.

(Holger Astrup [SPD]: Gute Idee!)

Meine Damen und Herren, bereits im Juli 2001 hat der Landesrechnungshof der Landesregierung empfohlen, gering frequentierte Fachklassen der beruflichen Schulen zu Bezirksfachklassen zusammenzufassen, um ökonomisch sinnvollere Klassenbildungen zu ermöglichen. Damals hatte die CDUFraktion die Landesregierung aufgefordert, ein Gesamtkonzept zu erstellen, um trotz aller Sparsamkeitserwägungen das Berufsschulangebot auch im ländlichen Raum zu erhalten. Dieser Aufforderung ist die Landesregierung damals nicht nachgekommen und hat unserer Meinung nach damals eine Chance vertan, ohne viel Ärger zu einer Gesamtlösung zu kommen. Damals steckte auch das RBZ noch in den Kinderschuhen und kein Mensch wusste, ob dieses überhaupt entstehen würde.

Zum 1. Februar 2006 - darauf stellen Sie ab, Herr Dr. Klug - hat die Landesregierung den Beruflichen Schulen, den Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern sowie den Wirtschaftsverbänden zunächst einen internen Entwurf als Diskussionsgrundlage zur Zusammenlegung von Fachklassen zu Bezirksfachklassen neu zugestellt. Dieser Entwurf betraf die Berufsausbildung überwiegend im gewerblich-technischen Bereich - unzweifelhaft geschah dieses Vorhaben auch aus ökonomischen Gründen, aber auch als Folge der Neustrukturierung von Berufen.

Aus finanzieller Sicht konnte die Landesregierung nicht anders handeln. Ich darf noch einmal auf den Bericht des Landesrechnungshofs vom Juli 2001 verweisen, ebenso wie auf die finanzielle Lage des Landes. Vor allem im ländlichen Raum - Herr Dr. Klug, Sie erwähnten dies - haben die Absichten der Landesregierung jedoch erhebliche Unruhe hervorgerufen, nicht nur bei den Schulen, sondern

auch bei den Schulträgern und den betroffenen Unternehmen, die ihre Ausbildungswilligkeit infrage stellten - tödlich für ohnehin strukturschwache Regionen.

In vielen strittigen Punkten ist aber während der Diskussionsphase vom Februar bis zum heutigen Tag Konsens erzielt worden. Mehrere Schulträger haben zudem Lösungsvorschläge zur kreisinternen Bereinigung unterbreitet. Zum Teil fand ein Einigungsprozess statt, der schulträgerübergreifende Lösungen brachte.

Konflikte für die schon erwähnten Standorte Meldorf, Husum, Flensburg und Mölln bei der Beschulung der Mechatronikerinnen und Mechatroniker können vermieden werden durch eine befristete Erprobungsphase bis zum 31. Oktober 2010 mit Auflagen und Zielvereinbarungen hinsichtlich der quantitativen und qualitativen Überprüfung.

Herr Dr. Klug, genau das wollten die Beruflichen Schulen. Diese Vorschläge der Landesregierung finden die Zustimmung der CDU-Fraktion. Sie werden sicherlich auch Ihre Zustimmung finden, denn das ist auch das Ziel der Beruflichen Schulen. Mit diesem Verfahren wird die Eigenverantwortlichkeit der Beruflichen Schulen in der Region gestärkt. Ein entsprechend überarbeiteter Entwurf - das haben Sie gesagt - ist gestern versandt worden und geht jetzt in die offizielle Anhörung.

Die neuen Regionalen Berufsbildungszentren werden als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts im Schulgesetz verankert werden. Damit wird den Beruflichen Schulen weitgehende Eigenständigkeit, aber auch Eigenverantwortlichkeit und Verantwortung für die schulische Berufsausbildung in der Region übertragen. Sie werden dann auch für eine ökonomisch sinnvolle Klassenbildung verantwortlich sein, wie sie vom Landesrechnungshof gefordert und durch die Personalzuweisung des Landes vorgegeben wird. Eines Antrages der Grünen dazu - das will ich auch hier noch einmal sagen bedarf es nicht, und eines Antrages der Grünen in Bezug auf eine inhaltliche Ausgestaltung der Regionalen Berufsbildungszentren bedarf es ebenfalls nicht.

Es ist allerdings - das muss ich hier doch anmerken - zum jetzigen Zeitpunkt etwas kontraproduktiv gewesen, diese Schulen vor der Entlassung in die Selbstständigkeit an die kurze Leine zu nehmen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Hört, hört!)

(Dr. Ekkehard Klug)

Die CDU-Fraktion ist der Überzeugung, dass die Beruflichen Schulen selbst in Verbindung mit den Unternehmen und Betrieben vor Ort sowie mit den Schulträgern Lösungen für die noch strittigen Fragen finden werden,

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht im Antrag der Grünen!)

wie sie es in den Konsensgesprächen bereits bewiesen haben.

Sehr verehrter Herr Hentschel, wenn Sie meinen Worten gelauscht hätten, dann hätten Sie schon gehört, dass das bereits im Kommen ist.

Meine Damen und Herren, ein bisschen Eigenständigkeit gibt es nicht für die zukünftig rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts; entweder ganz oder gar nicht. Für die Zukunft, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss das allemal gelten.

Die Anträge der beiden Oppositionsfraktionen betrachte ich sowohl inhaltlich als auch formal für erledigt. Wir werden sie deshalb ablehnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Eisenberg. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Frau Abgeordnete Jutta Schümann.

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da sind wir aber froh, dass wir die FDP haben. Wenn Sie den Antrag nicht gestellt hätten, hätte das Bildungsministerium wahrscheinlich weiterhin blind agiert. Ich glaube, so einfach ist das nicht.

(Lebhafter Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: So viel Beifall haben Sie von mir noch nie bekommen!)

Ich beziehe mich darauf, wie es das Bildungsministerium immer macht: Genau so!

(Lachen bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das neue Schulgesetz wird den Besonderheiten eines Bündels verschiedener Schulen, an denen ältere Jugendliche und junge Erwachsene unterrichtet werden, von denen viele parallel zum Schulunterricht als Auszubildende bereits berufstätig sind, Rechnung tragen.

Anders als im allgemein bildenden Schulwesen liegt die Verantwortung für die Berufsbildung im dualen System nicht ausschließlich in öffentlicher Hand. Trotz dieser Sonderstellung ist ein großer Teil der Probleme der Schulen jedoch den allgemein bildenden und den berufsbildenden Schulwesen gemeinsam, das heißt die qualitative und quantitative Sicherung der Unterrichtsversorgung, die Folgen der demographischen Entwicklung und die Gewinnung des Lehrernachwuchses. Wegen des höheren Alters der Berufsschüler tritt die demographische Entlastung an den berufsbildenden Schulen etwas später ein als an den allgemein bildenden Schulen. An den berufsbildenden Schulen wird im Schuljahr 2008/2009 mit etwa 93.500 Schülern der Höhepunkt erreicht sein.

Dennoch müssen wir wegen eines möglichst effizienten Ressourceneinsatzes frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um auf diese Entwicklung angemessen zu reagieren. Das schließt auch die Bündelung der hochgradig berufsfachlich ausdifferenzierten Ausbildungsangebote ein, das heißt die Konzentration weniger stark nachgefragter Ausbildungsberufe in Bezirksfachklassen und Landesberufsschulen. Gemäß einem Bericht der Landesregierung vom Mai 2003 wurden damals Auszubildende in 111 Ausbildungsberufen in anderen Bundesländern beschult, während Schleswig-Holstein Auszubildende aus 35 anderen Berufen aufnahm. In 64 Berufen wurden insgesamt 518 Bezirksfachklassen gebildet, es wurden 72 Landesberufsschulen mit 359 Klassen eingerichtet. Ein komplexes System! Der damals gültige Katalog von bundesweit 355 Ausbildungsberufen wurde inzwischen überarbeitet.

Die Landesregierung hat daraus ihre Konsequenzen gezogen und mit dem Schreiben vom 1. Februar 2006 - darauf ist schon hingewiesen worden - den berufsbildenden Schulen und ihren Trägern und den Verbänden der Ausbilder ihre Vorstellungen zur qualitativen Veränderung und insbesondere zur Neufestlegung der Standorte übermittelt und in die Anhörung gegeben. Dieses Verfahren läuft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP fordert jetzt in ihrem Antrag die Regierung auf, das Konzept zurückzuziehen. Was für ein Unding, ein Konzept, das sich gerade mitten in der Anhörung befindet, aus dieser wieder zurückzuziehen. Wir sind der Auffassung, die Beteiligten müssen Zeit haben, innerhalb der Anhörungsfrist ihre Änderungsvorstellungen deutlich zu machen, damit sich das Ministerium im Anschluss damit auseinander setzen kann. Dass das Ministerium das tut, haben Sie ja eben belegt. Das scheint mir sehr wichtig zu sein und das ist im Übrigen auch der übliche Weg. Dabei gilt, es