Protocol of the Session on February 23, 2006

Die Arbeitsloseninitiativen haben es geschafft, mit 150.000 € landesweit - das muss man ja auch mal sagen - tatsächlich eine Struktur vor Ort mit Anlaufstellen für diejenigen zu bieten, die diese Hilfen brauchen. Die Argumentation, dass die Bundesagentur für Arbeit dies jetzt alles auffängt, ist schlicht falsch. Ich kann verstehen, dass, so wie wir das damals gemacht haben, dies aus dem Programm „Arbeit für Schleswig-Holstein“ herausgelöst wird. Denn wir müssen - Herr Garg hat darauf hingewiesen - auch immer darauf schauen, ob das, was wir wollen, systematisch richtig zu dem Haushaltstopf passt, aus dem die Mittel genommen werden sollen.

Insofern ist der Antrag des SSW ein Antrag, den ich so nicht geschrieben hätte. Das will ich sehr deutlich sagen. Aber im Zweifel unterstütze ich ihn, weil ich die Sache unterstützen will.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich glaube aber, dass wir im Prinzip sagen müssen, dass dies eine Aufgabe im Rahmen von Ehrenamt und Selbsthilfe ist. Da gehört es für mich hin. So sah dies auch unser Haushaltsantrag vor.

Die Arbeitsloseninitiativen, die einzelnen Beratungsstellen - seien es die in Rendsburg oder Heide, in Kiel, in Mölln, in Bredstedt oder auch das Sozialforum in Kappeln - haben bis zu 9.000 € erhalten.

Das ist gut angelegtes Geld, denn es hat einen hohen Multiplikationseffekt.

Die Landesregierung - das will ich sehr deutlich sagen - setzt eindeutig die falschen Schwerpunkte. Es wird argumentiert, dass die Landeskassen leer sind. Aber Sie wissen, meine Damen und Herren von CDU und SPD, und wir werden es immer wieder erwähnen: Wir haben allein in diesem Jahr eine zusätzliche Nettoneuverschuldung in Höhe von 75 Millionen € für den Schleswig-Holstein-Fonds. Davon sind 20 Millionen € bis 25 Millionen € überhaupt nicht gebunden, stehen frei zu Verfügung. Das sind nicht nur investive Mittel. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Das sind auch konsumtive Mittel für Gutachten und anderes. Da sagen wir ganz klar: Nehmen Sie 150.000 € und stellen Sie diese den Arbeitsloseninitiativen zur Verfügung, damit sie ihre Beratung vor Ort leisten können!

Es ist lebenspraktische Begleitung, die vor Ort stattfindet. Es ist gerade auch die Begleitung hin zum Amt, dass man gemeinsam mit jemandem, dem man vertraut, zum Amt gehen kann. Insofern kann man nicht sagen, die Arbeitsagentur könne dies ersetzen. Das heißt, es sind keine doppelten Angebote; es sind komplett andere Angebote und diese sind eine notwendige Ergänzung.

Ich fordere die Landesregierung auf, diese ehrenamtliche Arbeit wieder zu unterstützen und sie weiter zu ermöglichen. Wir bedanken uns ja oft bei jenen, die ehrenamtlich arbeiten. Wir sollten sehr froh sein, wenn es in unserer Gesellschaft Menschen gibt, die bereit sind, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Volkswirtschaftlich kann die Arbeit der Arbeitsloseninitiativen nicht hoch genug bewertet werden; denn diese leisten einen sehr wichtigen Beitrag, um den sozialen Frieden in unserem Land zu sichern. Auch das sollten wir sagen. Diese Arbeit ist gut für jeden, der nicht verzweifelt, der nicht allein zu Hause sitzt, vor Ort bei seiner Arbeitsloseninitiative Hilfe sucht, das Gespräch sucht, bittet, gemeinsam Behördengänge zu machen. Diese Arbeit ist richtig, notwendig und sinnvoll.

Ich habe nicht so recht die Hoffnung, dass durch die Überweisung des Antrages an den Ausschuss eine positive Beschlusslage zustande kommen wird. Aber wenn es Ihnen denn hilft, wenn Sie sagen, Sie sind bereit, ihn mit uns im Ausschuss tatsächlich noch einmal offen zu beraten, dann sollten wir dies tun. Problematisch fände ich es allerdings, wenn Sie es nur in den Ausschuss überwiesen, weil auf der Besuchertribüne auch betroffene Menschen sitzen, und den Antrag dort ablehnten und versenkten. Das wäre nicht in Ordnung. Dann sollten Sie es heute im Landtag tun.

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Für die Landesregierung erteile ich Minister Uwe Döring das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben vorhin schon gesagt: Seit Einführung des SGB II hat sich, was die Trägerschaften angeht, etwas geändert. Ich muss das jetzt nicht alles wiederholen. Wir haben bei der Haushaltsaufstellung darauf geachtet, Doppelstrukturen zu verhindern.

Ich bin grundsätzlich auch anderer Auffassung als meine Vorredner. Ich meine, dass die Arbeitsgemeinschaften Beratung sehr wohl mit leisten können. Allerdings kann es - das will ich nicht ausschließen - ergänzende Dinge geben, die die Arbeitsloseninitiativen möglicherweise besser leisten können, als es eine Arbeitsgemeinschaft leisten kann.

Ich möchte mich auch dagegen verwahren, dass gesagt wird, die Beratung der Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen sei immer nur interessengelenkt. Das ist eine merkwürdige Auffassung über öffentliche Dienstleistung, die Sie haben. Zunächst gehe ich einmal davon aus, dass öffentliche Stellen objektiv und vernünftig beraten. Ich denke, dies ist in der Mehrzahl der Fälle gegeben. Aber sicherlich gibt es den einen oder anderen Punkt, bei dem man sagt, insoweit sei eine sinnvolle Ergänzung möglich. Wir müssen allerdings auch sehen, welche unterschiedlichen Töpfe wir haben, ob es bezahlbar ist. Dabei nützt es gar nichts, Frau Heinold, wenn Sie polemisch den Schleswig-Holstein-Fonds gegen 150.000 € stellen. Das müssen wir schon differenzierter beraten.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Warum diese Polemik? Warum sachlich, wenn es anders geht?

(Beifall bei SPD und CDU)

Es ist ja in Ordnung. Das kann man in einer Debatte so machen. Davon lebt ja eine Debatte. Deswegen folgt hinterher die sachliche Ausschussberatung, in der wir das alles richtig stellen können.

Ich meine, es liegt keineswegs in der Natur der Sache, dass es hier unterschiedliche Interessen gibt.

Wir haben ein umfangreiches Instrumentarium und es gibt eine ganze Reihe guter Konzepte.

Nach unserem Kenntnisstand bezüglich der Antragstellung - auch das möchte ich noch einmal deutlich sagen - hat bisher nur eine einzige der betroffenen 15 Initiativen einen - allerdings erfolglosen - Antrag auf entsprechende Förderung gestellt. Eine weitere Einrichtung hat eine Voranfrage eingereicht. Das finde ich allerdings verwunderlich. Denn allen wurde bereits im Frühjahr 2004 mitgeteilt, dass sich diese Förderung ändert, und es ist mehrfach - auch vom damaligen Arbeitsministerium - darauf hingewiesen worden, dass es einschneidende Änderungen gibt. Nun folgen relativ spät solche Reaktionen. Woran die Antragsscheu liegt, kann ich nicht abschließend bewerten; sie wirft aber Fragen auf, an deren Klärung auch ich ein Interesse habe.

Ich habe mich deshalb in dieser Woche nochmals in einem Brief an den Chef der Regionaldirektion Nord gewandt und, Herr Harms, dafür geworben, Anträge der Arbeitsloseninitiativen wohlwollend zu prüfen und positiv zu bescheiden, wenn ein entsprechender Bedarf besteht.

(Beifall bei SPD, FDP und SSW)

Ich sage Ihnen hier auch zu: Wir werden auch mit den Optionskommunen diesbezüglich reden, denn selbstverständlich besteht die Möglichkeit, auch so etwas mit zu fördern. Mehr können wir als Land allerdings im Moment auch nicht tun und ich muss natürlich darauf achten, dass wir die knappen Mittel sinnvoll einsetzen.

Kein Bundesland kann sich in das Tagesgeschäft einmischen. Aber, Herr Garg, wir werden im Ausschuss natürlich auch darüber beraten, wie Nordrhein-Westfalen das Problem löst. Ich habe noch keine endgültigen Auskünfte bekommen und kann insoweit im Moment nur Folgendes sagen: Offensichtlich wird ein Teil noch bis zum Auslaufen der Periode über ESF gefördert, allerdings - der Teufel steckt ja immer im Detail - in erster Linie nicht als institutionelle Förderung und als Gießkanne über alle hinweg, sondern für ganz konkrete Projekte. Diese kann man, denke ich, vernünftig beschreiben, auch und gerade unter all den Aspekten, die Sie gemeinsam genannt haben: Was kann die Arbeitsgemeinschaft leisten? Was kann ergänzend dazu eine Arbeitsloseninitiative leisten? Dann muss man auch in der Lage sein, das Projektziel zu beschreiben, dann sollte es keine institutionelle Förderung sein. Wenn wir insoweit auf den Weg kommen, dann können wir das - denke ich - aus Mitteln der Bundesanstalt machen.

(Monika Heinold)

Ich will gern noch einmal das Vorgehen in Nordrhein-Westfalen prüfen. Wenn man etwas lernen kann, bin ich der Letzte, der nichts lernen will. Ich kann Ihnen nur versprechen: Wir bleiben in der Sache am Ball und ich werde Ihnen gern den gewünschten Bericht geben, allerdings in der notwendigen Differenziertheit.

Um noch einmal darauf zurückzukommen: Es nützt uns gar nichts, wenn wir uns bei einem solchen Thema mit Totschlagargumenten das eine oder andere unterstellen. Im Ausschuss können wir das sachlich abarbeiten und darauf freue ich mich.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/582 dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Dann ist das so beschlossen.

Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Steuerbegünstigung von Biodiesel beibehalten

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/576 (neu)

Änderungsantrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/613

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/616

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne damit die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Klaus Müller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, dass aus Schleswig-Holstein ein klares Signal für die Steuerbegünstigung für alle Biokraftstoffe bis mindestens Ende 2009 ausgesendet wird.

Wie Sie alles wissen, hat die rot-grüne Bundesregierung alle Biokraftstoffe bis Ende 2009 komplett von der Besteuerung freigestellt und damit ein wichtiges Signal für innovative, dezentrale Anbieter und Verbraucher gesetzt. Wir haben uns kurzfristig entschieden, unseren Antrag etwas zu modifizieren, um vielleicht doch einen etwas breiteren

Konsens zu ermöglichen, zumal die Problematik der Überförderung angesichts der Ölpreise sehr kontrovers diskutiert werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die neue Bundesregierung wird allerdings mit ihren Vorschlägen und Plänen zur vollen Besteuerung aller Biokraftstoffe den gerade begonnenen Ausbau der reinen Biokraftstoffe beenden. Damit erhöht die Bundesregierung die Abhängigkeit Deutschlands vom konfliktbeladenen und klimaschädlichen Erdöl, gleichzeitig verhindert sie damit einen Beitrag zur heimischen Energieversorgungssicherheit durch klimaschonende und arbeitsplatzfördernde Biokraftstoffe. Sie fällt damit hinter die USA zurück - das will etwas heißen -, dessen Präsident Bush angesichts der Entwicklung im Nahen Osten auf Biokraftstoffe setzen will. Dieser Präsident erklärte die USA und ihre Bürger für ölsüchtig. 75 % der US-amerikanischen Ölimporte aus dem Mittleren Osten sollen so ersetzt werden. Das Land Schweden hat gerade erklärt, dass es bis zum Jahr 2020 völlig aus dem Ölverbrauch aussteigen und die Energieversorgung im Verkehrsbereich ebenfalls umstellen will.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns als Schleswig-Holsteinischer Landtag gemeinsam dem Vorhaben der Berliner Koalition entgegenstellen. Die Bundesregierung beabsichtigt, in einem ersten Schritt Biodiesel und Pflanzenöle mit 10 Cent beziehungsweise 15 Cent zu besteuern und dann bereits ab dem nächsten Jahr sämtliche Biokraftstoffe vollständig zu besteuern. In Kombination mit der von der Bundesregierung ebenfalls beabsichtigten besonderen Regelung für die Beimischung hätte dies das Aus für die reinen Biokraftstoffe zur Folge.

Mit der Förderung der Biokraftstoffe ist eine neue Wirtschaftsbranche entstanden, die die regionale Wertschöpfung gerade in ländlichen Regionen Deutschlands angekurbelt hat. Neben den ostdeutschen Bundesländern hat vor allem Schleswig-Holstein von dieser Entwicklung profitiert.

Mittelständler haben in den Ausbau von Anlagen investiert, Kraftfahrzeugbesitzer und Speditionen haben ihre Fahrzeuge umgerüstet und die Landwirte hatten einen stabilen Absatzmarkt für ihre Ölfrüchte. Im Vertrauen auf die bis zum Jahr 2009 geltenden gesetzlichen Regelungen ist hier investiert worden. Im Ergebnis sind so Hunderte von Arbeitsplätzen entstanden und ebenso viele gesichert worden.

Für die Steuerzahler war dies also eine vergleichsweise preiswerte und effiziente Wirtschaftsförderung. Die Autokraft in Schleswig-Holstein stellte alle Busse auf den Verbrauch von Rapsöl um und

(Minister Uwe Döring)

auch die KVG hat zehn Busse auf Biodiesel umgerüstet.

Entscheidend ist, dass fossile Kraftstoffe durch Biokraftstoffe ersetzt werden, die den Namen auch verdienen. In Deutschland ist zurzeit allein Biodiesel relevant am Markt vertreten. Das Flächenpotenzial bei Raps als Grundstoff ist weitgehend ausgeschöpft. Die mit dem hohen Einsatz von Pestiziden und Mineraldüngern beim Anbau von Raps häufig verbundenen Umweltbelastungen stehen im Widerspruch zu einer naturverträglichen Landwirtschaft. Biodiesel ist ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zur Entwicklung und Anwendung zukunftsfähiger Biokraftstoffe.

Die Nachfrage nach Biokraftstoffen steigt weltweit massiv an. Dies darf - auch das muss man in einer solchen Debatte sagen - nicht zum Raubbau an der Umwelt in den Produktionsländern führen. Palmöl oder Ethanol von indonesischen oder brasilianischen Rohdungsflächen in deutschen Autos zu verbrennen statt Erdöl aus den Küstenwäldern Nigerias oder der Wüste Kuwaits, hieße künftig, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben.