Protocol of the Session on February 23, 2006

Die Nachfrage nach Biokraftstoffen steigt weltweit massiv an. Dies darf - auch das muss man in einer solchen Debatte sagen - nicht zum Raubbau an der Umwelt in den Produktionsländern führen. Palmöl oder Ethanol von indonesischen oder brasilianischen Rohdungsflächen in deutschen Autos zu verbrennen statt Erdöl aus den Küstenwäldern Nigerias oder der Wüste Kuwaits, hieße künftig, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Bei einer reinen Beimischungspflicht würde deutscher Biokraftstoff allerdings durch Importe verdrängt.

Ich freue mich, dass sich auch der Landwirtschaftsminister klar gegen eine Besteuerung von Biokraftstoffen - wie von Berlin geplant - ausgesprochen hat und auch der Bericht der Landesregierung, den wir morgen im Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt 37, zukunftsfähige Energiepolitik für Schleswig-Holstein, diskutieren werden, hier klare Worte findet. Jetzt gilt es, Flagge zu zeigen, auch gegenüber der Bundesregierung. Ich hoffe und wünsche mir, dass der Ministerpräsident, insbesondere auch als amtierender Bundesratspräsident, sein ganzes politische Gewicht in die Waagschale werfen wird. Insofern hoffe ich nach wie vor auf Zustimmung zu unserem Antrag.

Auch in dem Antrag von CDU und SPD, der uns jetzt vorgelegt worden ist, steht viel Richtiges drin, auch wenn er einmal mehr etwas weicher formuliert ist und die Erfolgshürde für die Landesregierung etwas niedriger hängt. Aber auch dem können wir zustimmen und hoffen, dass dies nachher im Antrag zum Beschlussverfahren so möglich wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Klaus Müller und erteile das Wort für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Frank Sauter.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit seinem Begehren, für Biokraftstoffe zukünftig die bestehende Steuerbegünstigung beizubehalten, nämlich die Steuerfreiheit, erweckt der Antragsteller den Eindruck, als stünde die Umsetzung dieses Begehrens in der Macht des Landes und des Bundes. Dies ist nicht so.

Die politische Wirklichkeit in Europa sieht anders und vor allem komplizierter aus. Die Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom soll EU-weit harmonisiert werden. Dies wird durch die EU-Energiesteuerrichtlinie vom Oktober 2003 vorgeschrieben. Die Umsetzung dieser Harmonisierung in nationales Recht erfolgt in Deutschland über das als Referentenentwurf vorliegende neue Energiesteuergesetz. Hierauf nimmt der Antragsteller - so wie es die Bundestagsfraktion der Grünen in einem ähnlichen Antrag auch schon getan hat - offenbar Bezug.

Ein Teilaspekt dieses Gesetzentwurfs befasst sich mit der zukünftigen Fördermöglichkeit von Biokraft- und -heizstoffen. Eines steht heute schon fest: Eine vollständige Befreiung von der zukünftigen Energiesteuer wird es nach der EU-Rechtslage nicht mehr geben können. Das Ziel der zukünftigen Förderung wird darin bestehen, die höheren Produktionskosten von Biodiesel gegenüber dem fossilen Diesel durch eine niedrigere Verbrauchsteuerbelastung auszugleichen. Eine darüber hinausgehende steuerliche Entlastung von Biodiesel würde zu einer EU-rechtlich unzulässigen Überförderung führen und deshalb mit bestehender Rechtslage völlig unvereinbar sein. Lieber Kollege Müller, ich gebe zu, dass auch wir als CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag - und das wird für alle Fraktionen gelten - es lieber bei der bisherigen Regelung belassen hätten. Das ist klar.

(Beifall des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber wir müssen akzeptieren, dass unsere Aufgabe nun darin besteht, das zukünftige Energiesteuergesetz in der Weise auszugestalten, dass die dynamisch und erfolgreich verlaufene Entwicklung bei Produktion und Nutzung von Biodiesel fortgesetzt werden kann. Es gilt, die mittelständische Infrastruktur in Schleswig-Holstein, wie zum Beispiel

(Klaus Müller)

Ölmühlen, kleinere Raffinerien, Tankstellen und Umrüster, zu erhalten und auszubauen.

Die geplante Pflicht, fossilem Dieselkraftstoff über 5 % Biokraftstoff beizumischen, schafft zwar eine gesicherte, aber auch eine veränderte, von Großunternehmen geprägte Nachfragesituation für Biokraftstoffe. Darüber hinaus bedarf es einer kritischen Diskussion darüber, ob die in Rede stehenden Steuersätze in ihrer Höhe angemessen sind. Da sind durchaus Zweifel angebracht, auch hier teile ich Ihre Auffassung,

(Beifall des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

insbesondere wenn man bedenkt, dass die Umrüstung von Motoren auf verträgliche Biodieselnutzung bis zu 3.000 € kostet. Hier müssen künftig auch Anreize erhalten bleiben.

Es ist anzustreben, durch weiter gehende Vergünstigungen den Einsatz von Biodiesel im Bereich von landwirtschaftlichen und Schwerlastfahrzeugen zu fördern. Es muss über das Energiegesetz sichergestellt werden, dass nach österreichischem Vorbild nur Stoffe verwandt werden, die in anerkannten und überprüften Gebieten angebaut werden. Bei Erfüllung dieser Voraussetzungen werden wir feststellen, dass die verstärkte Nutzung von Biodiesel zu keinerlei Widersprüchen zwischen fiskalischen Zielen, wirtschaftlicher Dynamik und entlastenden Effekten für unsere Umwelt führen wird.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Sauter und erteile für die SPD-Fraktion der Frau Abgeordneten Schlosser-Keichel das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Biokraftstoffe haben mit ihrer im Vergleich zu herkömmlichen Kraftstoffen deutlich besseren CO2-Bilanz einen erheblichen ökologischen Vorteil. Allein die inländischen Kapazitäten zur Herstellung dieser Kraftstoffe haben sich in den letzten zehn Jahren verzehnfacht und von dieser Entwicklung hat auch die schleswig-holsteinische Wirtschaft beziehungsweise Landwirtschaft profitiert. Wir stehen deshalb dafür ein, dass der Anteil von Biokraftstoffen am Gesamtverbrauch weiter gesteigert wird.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die von der großen Koalition im Bund vereinbarte Beimischungspflicht ist ohne Frage ein geeigneter Weg dazu und wird den Markt nicht nur absichern, sondern erhebliche Wachstumsquoten bringen.

Wir stehen auch dafür ein, dass die Entwicklung weiterer Generationen moderner Kraftstoffe vorangebracht wird. Allerdings müssen dabei in einer Umweltbilanz alle ökologischen Faktoren der Produktions- und Nutzungskette erfasst werden, also zum Beispiel die Folgen von Monokulturen.

Zu bedenken sind auch Diskussionen, wie sie aktuell im Kreis Schleswig-Flensburg geführt werden. Dort äußern Milchbauern ihre Sorgen, sie könnten bei Pachtverhandlungen in Konkurrenz mit Landwirten, die nachwachsende Rohstoffe anbauen, ins Hintertreffen gelangen. Dies sind Fragen, die wohl am besten die Umwelt- und Landwirtschaftsfachleute diskutieren. Ich werde mich in meinen mir zugestandenen fünf Minuten auf die steuerlichen Fragen beschränken.

Ausgangslage ist die derzeit gültige völlige Steuerbefreiung für Biokraftstoffe beziehungsweise Beimischungen zu fossilen Kraftstoffen. Die Mineralölsteuerbefreiung war eine geeignete Maßnahme zur Etablierung dieser Kraftstoffe auf dem Energiemarkt und sie bleibt - auch nach den Plänen der Bundesregierung - ein Steuerungselement.

(Beifall des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn es geht nicht um die Abschaffung - das ist eben schon gesagt worden -, sondern lediglich um die Beschränkung unzulässiger und ungewollter Mitnahmeeffekte.

Ich erinnere daran: Ziel der Steuerbefreiung war, den Unterschied zwischen den Kosten für Biokraftstoff und dem Preis für entsprechende fossile Kraftstoffe auszugleichen und damit die Verwendung von Biokraftstoffen anzuregen. Der Verkaufspreis, der für Biodiesel heute an der Tankstelle verlangt wird, ist dem Nettoeinstandspreis mittlerweile aber davongaloppiert. Er orientiert sich ganz klar am Preis für fossilen Dieselkraftstoff und hält in der Regel einen Abstand von circa 10 Cent.

Die Bundesregierung hat in ihrem ersten Jahresbericht zur Steuerbegünstigung für Biokraft- und Bioheizstoffe für das Jahr 2004 errechnet, dass es dadurch zu einer Überförderung und somit zu Mitnahmeeffekten in Höhe von 77 Millionen € gekommen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz abgesehen davon, dass wir uns Steuerausfälle in dieser Höhe nicht leisten können, sind wir beziehungsweise die

(Frank Sauter)

Bundesregierung nach dem EU-Beihilferecht verpflichtet, dieser Entwicklung gegenzusteuern. Die Genehmigung der EU-Kommission, die bis 2009 läuft, enthält nämlich auch die ausdrückliche Verpflichtung, diese Steuerbegünstigung gesetzlich anzupassen, wenn eine Überförderung festgestellt wird. Das ist jetzt unstrittig der Fall.

Noch liegt der aktuelle Jahresbericht 2005 der Bundesregierung nicht vor, aber man geht heute aufgrund der steigenden Ölpreise von einer Überförderung von 14 Cent bei Reinkraftstoff und 19 Cent bei Beimischungskomponenten pro Liter aus. Da scheint mir der Vorschlag der Bundesregierung wie er im Referentenentwurf genannt ist -, mit einer maßvollen Besteuerung von 10 beziehungsweise 15 Cent gegenzusteuern, durchaus plausibel.

Diese Zahlen müssen noch eingehend geprüft und gerechnet werden. Wie gesagt: Der aktuelle Bericht liegt noch nicht vor. Diese Beratung ist - wie ich im Protokoll gesehen habe - in vier Bundestagsausschüssen in vollem Gange und dort werden auch Lösungsmöglichkeiten für die Besteuerung des Eigenverbrauchs der Landwirte diskutiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Klaus Müller, wir wollen nicht mehr und nicht weniger, als die unzulässige Überförderung abbauen. Darüber hinaus werden wir alle ökologisch und steuerlich sinnvollen Maßnahmen unterstützen, die den Herstellern, dem Handel und den Verbrauchern verstärkt Anreize geben, in Biokraftstoffe zu investieren und diese zu nutzen. Dazu fordern wir mit unserem Antrag auch die Landesregierung auf und wir bitten Sie, unseren Antrag zu unterstützen.

Zum Änderungsantrag möchte ich kurz sagen: Wir sind nicht der Meinung, dass wir dieses Spezialthema demnächst wieder im Landtag beraten sollten, aber die Fragstellungen wollen wir auf jeden Fall in den Ausschüssen aufrufen und dort sollen diese Fragen von den Ministerien abgearbeitet werden.

(Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ist mir die staatliche Aufgabenwahrnehmung zu teuer, erhöh’ ich einfach eine Steuer. - So kurz und knapp kann ich die Politik der neuen CDU-geführten Bundesregierung charakterisieren.

(Beifall bei FDP und SSW)

Nach den Plänen zur Erhöhung der Mehrwertsteuer wird nun bei der Energiepolitik, der Besteuerung von Biokraftstoffen, nachgelegt.

Dabei fährt die Regierung einen derartigen Zickzackkurs, dass diejenigen, die aufgrund der Aussagen aus der Politik verlässlich planen wollen, jegliches Vertrauen in Regierungshandeln verloren haben und verlieren.

In einem Zeitraum von weniger als einem halben Jahr hat die Bundesregierung in der Frage der Besteuerung von Biokraftstoffen dreimal ihre eigenen Beschlüsse umgeworfen und verändert. Im Koalitionsvertrag wurde noch vereinbart, dass zum 1. Januar 2007 die Steuerbefreiung von Biodiesel durch den so genannten Beimischungszwang ersetzt wird.

Der zuständige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit dem viel versprechenden Namen Gerd Müller

(Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Weder verwandt noch verschwägert!)

ruderte dann zurück und sagte, der Eigenverbrauch der Landwirte beim Biokraftstoff solle gänzlich steuerfrei bleiben. Jetzt soll bereits im Jahr 2006 die Steuerbefreiung für Biokraftstoffe wegfallen und der Eigenverbrauch der Landwirte ebenfalls mit einer Steuer belegt werden.

Mit einem Konzept für eine sinnvolle Energiebesteuerung hat das nichts zu tun. Dieses Verhalten spricht für eine verzweifelte Haushaltslage des Bundes, die wieder einmal nur über höhere Steuern finanziert werden soll.

(Beifall bei der FDP - Konrad Nabel [SPD]: So ein Quatsch!)

Dafür spricht auch - und das ist kein Quatsch - der wiederkehrende Hinweis des Finanzministeriums, man könne durch diese Steuererhöhung 130 Millionen € in diesem Jahr und 370 Millionen € im kommenden Jahr zusätzlich einnehmen.

Dabei steht eines fest: Wenn man den Einsatz von Biokraftstoffen wirklich ernsthaft betreiben will, muss man sie für den Einsatz im öffentlichen Personenverkehr, in umweltsensiblen Bereichen und für den Eigenverbrauch der Land- und Forstwirte von der Besteuerung freistellen. Ebenso muss die bestehende Regelung zur Steuerbegünstigung für Reinkraftstoffe fortgeführt werden.