Dann kann die Position nicht 1,0 lauten. Ich hoffe auf ein paar klare Aussagen der Landesregierung zumindest im Wirtschaftsausschuss. Ich rege an, weil es existenziell um Geld geht, damit auch den Finanzausschuss zu beschäftigen.
Für die Abgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin immer wieder froh, dass christdemokratische Landtagspräsidenten nicht dafür verantwortlich sind, wo einzelne Abgeordnete Mitglied werden. Ich entscheide das möglicherweise noch selber und verkünde hiermit: Ich bleibe mein Leben lang beim SSW.
Schleswig-Holstein profitiert seit vielen Jahren von den europäischen Strukturfondsmitteln. Im jetzigen Förderzeitraum von 2000 bis 2006 bekommen wir aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, dem EFRE, 231,5 Millionen €, und - was sehr wichtig ist -, aus dem Europäischen Sozialfonds,
dem ESF, 170 Millionen €. Diese Mittel haben entscheidend dazu beigetragen, dass unser Land den massiven Strukturwandel der letzten Jahre trotz allem einigermaßen gut überstanden hat. Denn zusammen mit den Landes- und Bundesmitteln stand diese EUStrukturförderung im Rahmen der Landesprogramme „Regionalprogramm 2000“ und dem „ASH 2000“ für Investitionen im ländlichen Raum und für Projekte in mittelständische Unternehmen, für Infrastruktur, für Langzeitarbeitslose, für Existenzgründer, für Innovationen und für vieles mehr, unter anderem auch für den sozialen Bereich, zur Verfügung.
Die neue Landesregierung hat jetzt die bisherigen Mittel von ASH 2000 und des Regionalprogramms 2000 zu einem neuen „Zukunftsprogramm Schleswig-Holstein“ zusammengelegt. Bis 2006 können immer noch erhebliche Mittel für eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung in Schleswig-Holstein abgerufen werden. Diese Investitionen sollten wir gemeinsam unbedingt nutzen, um unser Land weiter voranzubringen.
Doch eines bleibt auch für den SSW unbestritten - darin sind wir uns im Landtag fraktionsübergreifend einig -: Wir brauchen auch nach 2006 eine europäische Regionalpolitik der Europäischen Union für strukturschwache Regionen der alten EU-15Staaten. Leider wissen wir, nicht zuletzt seit dem gescheiterten EU-Gipfel im Juni über die zukünftige Finanzierung der EU, dass die EU-Strukturförderung auf des Messers Schneide steht.
Dabei spielte gerade die scheidende rot-grüne Bundesregierung in Bezug auf die Finanzierung der zukünftigen Regionalpolitik eine aus Sicht von Schleswig-Holstein bedauerliche Rolle. So wollte die alte Bundesregierung zum Beispiel nicht mehr die grenzüberschreitende INTERREG-Förderung zwischen den alten EU-Staaten unterstützen. Gerade für Schleswig-Holstein ist dies aber weiterhin eine sehr wichtige Frage. Ich weiß, dass wir uns auch hier alle einig sind.
Im Grunde genommen kommt dieser Bericht der Landesregierung zu früh. Denn die Entscheidung über die Finanzierung der EU ab 2007 wird, wenn überhaupt, erst Ende November oder sogar erst im nächsten Jahr entschieden. Die Folgen für den Landeshaushalt sind somit schwer einzuschätzen und schwer darzustellen.
Auch wenn noch keine endgültige Entscheidung aus Brüssel vorliegt, ist es doch schon wichtig, dass wir uns mit den bisher bekannt gewordenen Plänen beschäftigen. In diesem Zusammenhang will ich nicht verhehlen, dass der SSW übergeordnet einige Sympathien für die Position Großbritanniens hinsichtlich der
Agrarsubventionen hat. Natürlich hat Tony Blair seine Forderungen diesbezüglich etwas zu radikal formuliert. Dennoch: Langfristig kann sich die EU die bisherigen Agrarsubventionen nicht mehr leisten.
Statt Subventionen für Mengenförderung müssen mehr Gelder in eine umweltfreundliche und zukunftgerichtete Landwirtschaft sowie in Bildung und Innovation investiert werden. Dabei gilt es zu beachten, was die Kommission vorgeschlagen hat: einen Großteil möglicher neuer EU-Regionalmittel an umweltpolitische Ziele zu knüpfen. Darauf sollte sich die Landesregierung schon bei der Ausrichtung ihrer zukünftigen Landesprogramme einrichten. Im Haushaltsentwurf für 2006 beziehungsweise auch im Haushalt 2005 passierte das Gegenteil.
Ich möchte noch eine Verfahrensbemerkung machen. Ich bitte im Übrigen immer daran zu denken, dass dieses Thema nicht nur ein wirtschaftliches Thema ist, auch nicht allein ein finanzpolitisches oder ein europäisches Thema. Es ist auch für unser Budget für Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, das von dieser europäischen Förderkulisse massiv abhängig ist, ein wichtiges Thema. Die Finanzierung sozialer Maßnahmen muss auch in Zukunft abgesichert werden. Deshalb bitte ich den Bericht nicht nur in den Europa-, Finanz- und Wirtschaftsausschuss zu überweisen, sondern gerade auch in den Sozialausschuss, damit auch dort zu gegebener Zeit - das muss nicht in der nächsten Sitzung sein - über die Auswirkungen und die Änderungen der EU-Förderung berichtet werden kann. Denn gerade Arbeitsmarktpolitik in der Situation, wie wir sie heute haben, ist Sozialpolitik. Das ist ein Thema, das wir vorbereitend intensiv diskutieren müssen. Deswegen bitte ich um Überweisung auch in den Sozialausschuss.
Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/318 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.
Es ist Ausschussüberweisung beantragt. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung dem Wirtschaftsausschuss, mitberatend dem Europaausschuss, dem Sozialausschuss und dem Finanzausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so verfahren möchte, den bitte ich um das Hand
Änderung des Umsatzsteuergesetzes (UStG) - Ermäßigte Umsatzsteuer auf apothekenpflichtige Arzneimittel -
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während in Deutschland auf apothekenpflichtige Arzneimittel grundsätzlich eine Umsatzsteuer in Höhe des Regelsatzes von derzeit 16 % erhoben wird, sieht das bei den meisten europäischen Nachbarstaaten vollkommen anders aus. Ein Blick über die Landesgrenzen zeigt, dass neben Dänemark, Österreich und der Slowakei Deutschland das einzige Land in der Europäischen Union ist, das den vollen Mehrwertsteuersatz erhebt. In allen anderen Ländern werden erheblich niedrigere Umsatzsteuersätze auf Arzneimittel erhoben, in Belgien beispielsweise 6 % statt der 21 % allgemeinen Mehrwertsteuer, in Großbritannien 0 % statt der 17,5-prozentigen allgemeinen Mehrwertsteuer, in Italien 10 % statt 20 %, in Spanien 4 % statt der 20-prozentigen allgemeinen Mehrwertsteuer. Dabei wird in den meisten europäischen Ländern nicht zwischen apothekenpflichtigen und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unterschieden. Wir haben uns - wie die meisten europäischen Nachbarstaaten - aus bestimmten sozialen Gründen entschieden, einen verminderten Umsatzsteuersatz für bestimmte Produkte einzuführen, beispielsweise für Grundnahrungsmittel.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, einige Kollegen wussten bis vor kurzem noch gar nicht, dass in Deutschland der volle Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel erhoben wird, und ich kann es diesen Kolleginnen und Kollegen auch gar nicht verübeln. Man muss sich doch einmal ernsthaft fragen: Warum gilt ein niedriger Umsatzsteuersatz für Produkte wie beispielsweise das Überraschungsei, das bei Finanzminister Rainer Wiegard die ganze Zeit auf dem Tisch lag, oder für Schnittblumen oder für Tiernahrung, also Hundefutter und Vogelfutter, oder auch für be
stimmte Produkte, die auf Hochglanzpapier gedruckt werden? Da gilt ein niedriger Mehrwertsteuersatz. Aber auf Arzneimittel, die zum Teil lebensrettend sind, gilt der volle Mehrwertsteuersatz.
Bereits heute haben wir im Gesundheitsbereich Vergünstigungen für wichtige Bereiche des Gesundheitswesens. So unterliegen die Lieferungen orthopädischer Hilfs- und Fortbewegungsmittel oder die Lieferung sowie die Wiederherstellung von Zahnprothesen dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Warum, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt das nicht für apothekenpflichtige Arzneimittel?
Allein die weiter steigenden Umsatzsteuerausgaben für Arzneimittel werden dazu führen, dass auch in der Zukunft nicht von niedrigeren Beitragssätzen in der gesetzlichen Krankenkasse ausgegangen werden kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wer ankündigt, die Umsatzsteuer erhöhen zu müssen, um durch die Mehreinnahmen die Lohnnebenkosten zu senken, der sollte an dieser Stelle einmal ganz genau nachrechnen, Kollege Sauter. Wäre es nicht sinnvoller, die Umsatzsteuer bei Arzneimitteln abzusenken und damit mehr Spielraum für niedrigere Lohnnebenkosten zu haben, als die Umsatzsteuer insgesamt anzuheben? Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung betrugen allein für die Umsatzsteuer auf Arzneimittel im Jahre 2004 rund 3 Milliarden €.
Ich würde mich freuen, wenn zumindest die Sozialpolitiker und Sozialpolitikerinnen unter uns diese 3 Milliarden € aus 2004 gedanklich einmal halbieren. Das ist einfacher. Dann kommt an Aufwendungen für zusätzliche Mehrwertsteuerbelastung bei Arzneimitteln 1,5 Milliarden € heraus. Stellen Sie sich bitte einmal vor, was man aus 1,5 Milliarden € beispielsweise an Modellprojekten im Bereich der Prävention im Gesundheitsbereich hätte finanzieren können.
Grund genug einmal darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoller ist, diese Mehrausgaben von vornherein bei den Kassen zu lassen, als sie erst abzuschöpfen - das ist nämlich der Punkt -, um es dann hinterher möglicherweise als Reparaturmaßnahme ins Gesundheitswesen zurückzustecken. Ich halte diese Umverteilung für vollkommenen Unsinn.
Ich will an dieser Stelle unser Argument aus der Debatte, was den Internethandel anbelangt, die wir in der letzten Legislaturperiode geführt haben, gar nicht wiederholen. Wir wissen alle, dass die Vorteile des Internethandels mit Arzneimitteln teilweise auf den völlig unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen innerhalb der EU beruhen. Mit einem niedrigen Umsatz
steuersatz verhielten wir uns aber auch EU-konform, denn in der Sechsten EG-Richtlinie wird zwar eine europaweite Harmonisierung der Umsatzsteuer angestrebt, doch gerade hier bestehen Ausnahmen, die von 21 der 25 EU-Mitgliedstaaten zugunsten ihres Versandhandels und zugunsten ihres Standorts auch voll ausgeschöpft werden.
Weil ich nur noch wenige Sekunden Zeit habe, vielleicht noch ein Satz zum Änderungsantrag der Grünen. Ich habe recht viel Sympathie für das, was Sie da aufgeschrieben haben, solange Sie dies nicht als Ersatz für unseren Antrag gemeint haben.
- Kollege Müller, das ist schön für Sie, nur dann kommen wir in der Frage des niedrigen Umsatzsteuersatzes auf Arzneimittel nicht weiter, weil ich Ihnen garantieren kann, dass die Generaldebatte, die Sie haben wollen, innerhalb der großen Koalition nie stattfinden wird. Sie wissen ganz genau, worauf man sich in Berlin bereits geeinigt hat. Das ist, um es einmal ganz flapsig zu sagen, nice to have, aber es wird nicht passieren. Ich habe großes Interesse daran, im Ausschuss die Frage zu behandeln, ob Schnittblumen, ob Hundefutter, ob Vogelfutter tatsächlich -
ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident - mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz belegt werden soll. Ich will aber hier und heute ein ganz klares Signal von diesem Landtag, dass es unsozial ist, auf Arzneimittel den vollen Mehrwertsteuersatz zu erheben.
Für die den Änderungsantrag stellende Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Herrn Abgeordneten Klaus Müller das Wort.
Ich gebe zu, das hat mich etwas überrascht, Herr Präsident, ist aber kein Problem, weil ich so direkt auf den Kollegen Heiner Garg antworten kann.
Liebe Kollege Garg, bei allen Annäherungen, die es vielleicht in den vergangenen Tagen zwischen FDP und Grünen gegeben hat, ist die FDP soeben in den Flieger gesprungen, der Sie, lieber Kollege Garg, von Jamaika wieder etwas entfernt. Die FDP zeigt mit
ihrem Antrag ihr wahres Gesicht. Der Pharmaindustrie und den Apotheken soll ein Geschenk gemacht werden, um ihre Gewinne abzusichern beziehungsweise diese auf Kosten der Allgemeinheit noch zu erhöhen, und das in einer Zeit, in der sich die sich bildende große Koalition in Berlin darum bemühen muss, Steuermehreinnahmen zu gewinnen beziehungsweise selbige nicht zu verlieren. Es ist ausgesprochen ärgerlich, dass die FDP in ihrem Antrag keinerlei Begründung gibt, weil ja auch die Landeskasse unmittelbar betroffen ist, wenn in einem großen Konsumbereich die geltende Umsatzsteuer reduziert wird. Die Reduzierung des Umsatzsteuersatzes auf Medikamente würde zu erheblichen Steuerausfällen führen. Die gesetzlichen Krankenkasse allein werden im Jahre 2005 circa 22,5 Milliarden € für Arzneimittel ausgeben. Allein darin sind 3,1 Milliarden € Mehrwertsteuer enthalten. Bei einer Besteuerung in Höhe von vielleicht nur 7 % verlieren die öffentlichen Kassen rund 1,75 Milliarden € an Einnahmen. Das ist in der gegenwärtigen Haushaltslage absolut unverantwortbar.