Tatsache ist, dass der jetzige EU-Ratspräsident Tony Blair trotz königlicher Kulisse von Hampton Court Castle nichts über den Haushalt 2007 bis 2013 sagte.
Wir hatten gestern einen Vertreter von England hier im Haus: den stellvertretenden englischen Botschafter, Mr. Mortimer. Der hat noch einmal betont, Ende des Jahres werde Tony Blair den Vorschlag unterbreiten, 1 % des Bruttoinlandsproduktes in den EUHaushalt einzugeben. Er betonte auch, dass möglicherweise weder die Österreicher noch die Finnen,
sondern möglicherweise die Deutschen im ersten Halbjahr 2007 die Entscheidung über den EUHaushalt fällen müssen.
Tatsache ist, dass mit der Erweiterung der Europäischen Union im Mai letzten Jahres die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten innerhalb der EU zugenommen haben. Tatsache ist, dass die sechs Nettozahler - dazu gehört Deutschland - weiterhin fordern, dass die Zahlungen der einzelnen EU-Länder in den EU-Haushalt nicht mehr als 1 % ausmachen. Bezogen auf die Forderung der Kommission von 1,14 % ist das eine Lücke von fast 132 Milliarden € für den Budgetzeitraum.
Diese Finanzdeckungslücken machen mit Recht Sorgen, auch uns. Die EU muss künftig einen Weg finden, der einen Ausgleich zwischen Haushaltszwängen und dem Gebot der Solidarität schafft. Der Grundsatz der Solidarität, der ein wesentliches Fundament der Europäischen Gemeinschaft ist, zwingt die Kommission, sich in ihrer Strukturpolitik stark auf die neuen, ärmeren Mitgliedsländer zu konzentrieren. Insgesamt leben 124 Millionen Menschen in benachteiligten Regionen. Dennoch dürfen die bislang geförderten Regionen nicht abrupt aus der EU-Förderung herausfallen. Ein Weg wäre, die alten Förderregionen weiterhin von der EU als eigenständige Fördergebiete zu betrachten. Das gilt zumindest, wenn auch abgeschwächt, für die alten Ziel-1-Gebiete.
Wie ist das bei den unterschiedlichen Budgetauffassungen alles zu schultern? Was ist aus den bereits vorliegenden Verordnungsentwürfen der Kommission zu erkennen? Darin ist vorgesehen, dass der Gesamtetat des neuen EU-Strukturfonds - auf Basis von 1,14 % des Bruttoinlandsprodukts - 336 Milliarden € betragen wird. Im Rahmen von Ziel 1 sollen, wie bereits in der jetzigen Förderperiode, auch in Zukunft Regionen gefördert werden, deren Pro-KopfBruttoinlandsprodukt weniger als 75 % des Gemeinschaftsdurchschnitts der 25 Länder beträgt. Dazu zählen acht neue Beitrittsländer. Für Regionen mit einem Pro-Kopf-Einkommen unter 75 % des Durchschnitts der alten 15 EU-Länder soll bis zum Jahre 2013 eine befristete, degressiv ausgestaltete Unterstützung vorgenommen werden. Für SchleswigHolstein ist das alles nicht relevant.
Die klassische, bisherige Aufteilung mit den entsprechenden Förderungen in Ziel 2, Ziel 3 und den vier Gemeinschaftsinitiativen soll es zukünftig nicht mehr geben. Es sollen - das ist völlig neu - alle anderen Regionen gefördert werden, sofern die Mitgliedstaaten eine Auflistung förderwürdiger Regionen mit räumlicher, thematischer und finanzieller Konzentration vorlegen. Förderungsfähig sind insbesondere die
Bereiche Wissenschaft und Innovation, Umwelt und Risikoprävention sowie Zugang zu Verkehrs- und Telekommunikationsdiensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. Insbesondere sollen Städte, in denen 80 % der gesamten EU-Bevölkerung leben, stärker in die Regionalförderung einbezogen werden, weil hier Strukturmittel am schnellsten zu stärkerem wirtschaftlichen Wachstum, zu Innovation und zu Wissenserhöhung führen. Damit kann man am ehesten die Lissabon-Strategie erfüllen, so das jüngste AdR-Protokoll von Ende Oktober.
In Zukunft wird die Kommission also keine konkreten Ziel-Abgrenzungen mehr vornehmen, sondern lediglich festlegen, wie viel Mittel jeder Mitgliedstaat für das neue Ziel-2-Gebiet erhält. Die Mittelverteilung ist dann Sache der Mitgliedstaaten. Das ist eine Chance, aber auch ein Risiko. Hoffentlich bekommen nicht die stärksten Länder die Fördermittel und hoffentlich konzentriert sich nicht alles auf Städte; denn wir wollen auch unsere ländlichen Räume stärken.
Meine Damen und Herren, wir müssen wachsam sein. Wir müssen vom Umfang her für unsere bisherige Förderkulisse kämpfen. Die Regionen werden sich ändern. Das ist die einzige derzeit mögliche konkrete Aussage.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin dem Antragsteller und dem Minister für seinen Bericht dankbar, weil er uns Gelegenheit gibt, noch einmal über die weitreichende Bedeutung der Strukturförderung für SchleswigHolstein und die Auswirkungen zu diskutieren.
Auch wenn - darauf hat der Minister in seinem Bericht hingewiesen - zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Aussagen zu den Konsequenzen einer veränderten Förderpolitik möglich sind, geben die bisher diskutierten Vorschläge der Kommission und der britischen Ratspräsidentschaft doch genügend Anhaltspunkte, bei denen aus schleswig-holsteinischer Sicht alle Alarmsignale auf Rot stehen. Ich bin dem Kollegen Ritzek dankbar dafür, dass er die komplizierte Förderphilosophie hier ausführlich dargestellt hat; denn dann brauche ich das nicht mehr zu tun.
Um den politischen Handlungsrahmen deutlich zu machen, will ich aber kurz auf die bisherige Förderphilosophie eingehen. Die EU-Strukturförderung folgt dem übergeordneten Ziel, die Unterschiede im Lebensstandard zwischen den Regionen und Menschen zu verringern sowie den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in Europa zu fördern. Dafür werden 30 % des Gesamthaushaltes der Europäischen Union aufgewendet. Der Kollege Garg hat schon sehr eindrücklich dargestellt, wie unterschiedlich das Niveau des Lebensstandards ist.
In der jetzigen Planungsperiode 2000 bis 2006 soll dieses Ziel durch die Verknüpfung von finanzieller Ausstattung, regionaler Verteilung und politischer Zielsetzungen erreicht werden.
Schleswig-Holstein hat von 2000 bis 2006 erheblich von der EU-Strukturförderung profitiert. Allein in unsere Ziel-2-Gebiete sind 258 Millionen € EU-Mittel geflossen. Damit konnten Projekte von über 830 Millionen € verwirklicht werden, davon allein 300 Millionen € an privaten Investitionen, die - so steht zu befürchten - sonst nicht in unser Land investiert worden wären.
In den Landesprogrammen „Zukunft auf dem Land“, „Arbeit für Schleswig Holstein“ und dem Regionalprogramm wurden wichtige wirtschaftliche, infrastrukturelle, umweltpolitische und arbeitsmarktpolitische Ziele verwirklicht, die für Schleswig-Holstein von existenzieller Bedeutung sind.
Schon die ursprünglich vorgesehenen Änderungen für die neue Förderperiode ab 2007 lassen für SchleswigHolstein erhebliche Reduzierungen befürchten.
Nach dem Scheitern der EU-Finanzverhandlungen ist die neue Finanzierungsstruktur wieder ganz offen. Ob es unter dem Ratsvorsitz Großbritanniens zu einer Einigung kommt - darauf ist hingewiesen worden -, ist fraglich. Vermutlich kommen wir erst unter österreichischem Vorsitz im ersten Halbjahr 2006 zu einer Einigung.
Da die Vorbereitung der gesetzlichen Grundlagen für neue Förderprogramme zwölf bis 18 Monate dauern wird, träte zunächst ein monatliches Budget in Kraft, das Auszahlungen für Mehrjahresprogramme nach Darstellung der Kommission so gut wie unmöglich machen würde. Für Schleswig-Holstein ebenso wie für viele andere Regionen bedeutet dies, dass wir unsere an den EU-Förderstrukturen ausgerichteten Landesprogramme erst Mitte 2007 konzeptionell entwickeln könnten.
Auch die Vorstellungen der britischen EU-Ratspräsidentschaft zu einer veränderten inhaltlichen und strategischen Ausrichtung der Ziel-2-Förderung beinhalten ebenso Risiken für Schleswig-Holstein wie der Vorschlag, von der regionalen Förderung stärker zu einer Exzellenzförderung zu kommen. Allerdings will ich einfügen: Da Schleswig-Holstein eine ganze Reihe von innovativen Projekten auf den Weg gebracht und erfolgreich durchgeführt hat, könnte für uns darin auch eine Chance liegen.
Die für Schleswig-Holstein für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Dänemark so wichtige INTERREG-III-Förderung - wie auch immer sie dann heißen wird - steht nach den bisherigen Vorschlägen zwar weder inhaltlich noch in der finanziellen Ausstattung zur Disposition. Aber auch hier muss mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, dass die wegweisenden Projekte in den Grenzregionen weitergeführt und weiterentwickelt werden können.
Die genannten Vorschläge der Kommission stellen für die Regional- und Arbeitsmarktpolitik des Landes ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar. SchleswigHolstein hat in der jetzigen Förderperiode mit innovativen Projekten und wegweisenden Infrastrukturmaßnahmen wichtige Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung gesetzt. Deshalb muss sich die Landesregierung auch weiterhin nachdrücklich auf allen Ebenen - der Ministerpräsident hat gestern auf die Bedeutung des Hanse-Office hingewiesen - dafür einsetzen, dass die Wettbewerbsfähigkeit SchleswigHolsteins, wie sie in der bisherigen Förderkulisse möglich ist, auch in Zukunft erhalten bleibt.
Wir hatten eigentlich vor, den Bericht zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Nun ist hier angeregt worden, das im Wirtschaftsausschuss weiter zu diskutieren. Da es vor allem ein europäisches Thema ist, sollte sich auch der Europaausschuss damit befassen.
Mein Vorschlag wäre, es - abweichend von unserem bisherigen Vorschlag - in den Europa- und Wirtschaftsausschuss zu überweisen und dort noch einmal darüber zu diskutieren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Minister, für diesen ruhigen und unaufgeregten Bericht. Ich glaube, man kann ihn in einem Satz zusammenfassen: Wir wissen, dass wir wenig wissen. Das, liebe Kollegen von der FDP, überrascht uns aber auch nicht. Ich glaube, die Antworten auf die ersten beiden Absätze Ihres Antrages waren vorhersehbar. Wenn man die europäische Debatte ein bisschen verfolgt hat, hätte man wissen können, dass bis zum Zeitpunkt unserer Landtagsdebatte die Landesregierung über keine neuen Zahlen verfügen kann. Sie hat aber darauf hingewiesen, was insgesamt zur Disposition steht. Alle Redner haben darauf hingewiesen, dass die Auswirkungen auf SchleswigHolstein in der Tat dramatisch sein können.
Der spannendste Teil des Antrags der FDP ist allerdings der dritte Absatz, nämlich die Frage - hier hätte sich der Kollege Austermann in der Tat etwas weiter vorwagen können -, um welche Prioritätensetzungen es tatsächlich geht. Ich bin froh, dass der Ministerpräsident zumindest diesem Teil der Debatte wieder beiwohnen kann, weil er sich im Magazin „Spiegel“ vom 1. Oktober sehr besorgt über Äußerungen Tony Blairs ausgelassen hat, die regionale Strukturförderung würde im Zeitraum 2007 bis 2013 womöglich um einen zweistelligen Milliardenbeitrag gekürzt werden. Diese Besorgnis, Herr Ministerpräsident, kann ich absolut nachvollziehen. Sie ist berechtigt. Wir alle haben einen Konsens darüber, welche dramatischen Auswirkungen für Schleswig-Holstein das bedeuten würde.
Die schwierige Frage ist jetzt - Herr Ritzek hat gerade darauf hingewiesen -: Was sagt die LissabonStrategie, die, glaube ich, von 100 % aller anwesenden Abgeordneten geteilt wird? Wir kommen dann in Interessengegensätze. Ich kann aufgrund Ihrer Biographie sehr gut nachvollziehen, wie Sie sich für die Zuckermarktordnung und die Landwirtschaft eingesetzt haben. Auch ich habe diese Debatte etwa zwei Jahre lang führen dürfen. Das Problem ist: Wenn weniger Mittel bereitgestellt werden und Herr Austermann zu Recht darauf hingewiesen hat, die Mittel stünden dann für ganz Schleswig-Holstein zur Verfügung, dann gibt es in der Tat Interessenkonflikte sowohl regionaler Art wie auch thematischer Art. Womöglich werden wir uns zwischen Bildung und Landwirtschaft entscheiden müssen. Wir werden uns zwischen Städten und ländlichem Raum entscheiden müssen. Ich habe darauf hingewiesen. Das sind ganz schwierige Abwägungen.
Für die grüne Fraktion möchte ich nicht sagen, wir wüssten genau, wie das gehen soll, oder wir hätten
eine genaue Vorstellung, wo man die Prioritäten setzen muss. Darüber hätte ich mir einige erste Ideen der Landesregierung an dieser Stelle gewünscht.
Wollen wir tatsächlich dem Kerngedanken der Lissabon-Strategie an dieser Stelle folgen? Dann profitieren Kiel, Lübeck und das Hamburger Umland. Das kann man tun, in der Hoffnung, dass es Spill-overEffekte für den ländlichen Raum gibt. Wir wissen alle um die Krux dieser Theorie und dass sie oft nicht funktioniert hat. Wollen wir umgekehrt das Geld weiterhin in den ländlichen Raum investieren, für die Lebensqualität dort, für die regionale Wirtschaft dort? Das kann man tun. Wir wissen aber, dass viele Ökonomen sagen: Das ist mit Abstand nicht so wirkungsvoll, als wenn man das Geld auf die Zentren konzentriert.
Nochmals: Ich beschreibe ein Problem an dieser Stelle. Ich beschreibe keine Lösung. Aber der Antrag der FDP, zumindest der dritte Punkt, hat die Landesregierung um Aussagen gebeten. Diese sind bisher nicht erfolgt.
Einen zweiten Punkt will ich anmahnen. Wir eiern letztlich alle. Ich glaube, dass es - vielleicht mit Ausnahme des SSW - in allen Parteien zwei Positionen gibt, nämlich zur Frage: Gewichten wir die Nettozahlerposition Deutschlands höher oder gewichten wir das Interesse Schleswig-Holsteins als Profiteur innerhalb Deutschlands höher? Die Position, die Herr Schröder und Herr Fischer und, wie ich meine, auch Frau Merkel vertreten haben, 1,0 sei richtig, ist eine Position, die ich als Schleswig-Holsteiner nicht unterschreiben kann, als Bundespolitiker, als Haushaltspolitiker schon. Ich habe die Bundestagsreden von Herrn Austermann nicht nachgelesen. Ich wage aber die These, dass auch er diese Position bis vor einem halben Jahr vertreten hat, so wie führende Köpfe in allen Parteien, wie ich schon gesagt habe. 1,0 ist aus Bundessicht in Ordnung, insbesondere wenn die EUKommission Deutschland - zu Recht - wegen dem Defizitverfahren die Hölle heiß gemacht hat. Dass Herr Eichel - ich glaube, zusammen mit acht weiteren Ländern - gesagt hat: Wir vertreten eine 1,0-Position, kann ich menschlich, bundespolitisch absolut nachvollziehen. Für Schleswig-Holstein ist es eine ganz schwierige Diskussion.
Ich erinnere mich noch gut an die Diskussion mit dem damaligen Kollegen Finanzminister auf der einen Seite und dem Kollegen Buß und meiner Position auf der anderen Seite. Aus Sicht des ländlichen Raums,
aus Sicht der Umweltpolitik haben wir gesagt: 1,0 kann es nicht sein. Er als Finanzminister hat gesagt: Wir haben auch eine bundesstaatliche Verantwortung. Darum vertritt er durchaus eine Position nahe an 1,0.
Das ist eine ganz schwierige Abwägung. Um die eiern wir in der Tat herum. Wenn wir schleswigholsteinische Positionen vertreten, dann müssen wir deutlich sagen: Die Position der alten Bundesregierung und, soweit ich das bisher verfolgt habe, auch die der neuen Kanzlerkandidatin teilen wir nicht. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass Frau Merkel ab und zu bei Herrn Carstensen anruft und um Tipps und Hinweise bittet. Ich würde mir wünschen, dass der Ministerpräsident an dieser Stelle mit der gleichen Leidenschaft, mit der er gerade für die Zuckermarktordnung gestritten hat, für die schleswigholsteinischen Interessen beim Thema Regionalförderung streitet.
Dann kann die Position nicht 1,0 lauten. Ich hoffe auf ein paar klare Aussagen der Landesregierung zumindest im Wirtschaftsausschuss. Ich rege an, weil es existenziell um Geld geht, damit auch den Finanzausschuss zu beschäftigen.