Danach, Kollege Garg, ist das Spiel aber noch nicht zu Ende. Denn danach erhebt sich Herr Driftmann aus dem Dunkel der schwarzen Unternehmerschaft
und fordert seinerseits die Aufkündigung des Atomkompromisses. Und wer hüpft da schnell einmal auf den Wagen und fordert den Atomausstieg gleich mit? - Natürlich unser Wirtschaftsminister Austermann!
Ob nun ein Ministerpräsident die Wogen glätten will oder der kleinere rote Koalitionspartner etwas dagegen hat, ist eigentlich auch egal. Er macht, was er will. Irgendwie macht jeder, was er will - aber keiner macht, was er soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen Atomkompromiss und ich möchte eine Äußerung zitieren:
„Der Atomausstieg ist Gesetz. Der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland mit den hart umkämpften und fest vereinbarten Restlaufzeiten muss konsequent und verlässlich umgesetzt werden. Eine nachhaltige Energiezukunft basiert auf den drei Säulen: Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Energiesparen. Atomkraft gehört nicht dazu!“
Ende des Zitats meines geschätzten Kollegen Konrad Nabel. Lieber Kollege Nabel, Sie haben es genau getroffen. Besser kann man es kaum zusammenfassen.
Auch das Abschalten eines Kernkraftwerks bedeutet nicht, lieber Kollege Kubicki, dass hiermit riesige Arbeitsplatzverluste einhergehen müssen. Auch der Abbau und die Entsorgung jedes einzelnen Kraftwerkes werden Hunderte von Menschen über mehr als ein bis zwei Jahrzehnte beschäftigen.
Mit den entsprechenden Vorlaufzeiten ist dies eine Zeitspanne, die groß genug ist, um eine Zukunftsperspektive für die Betroffenen zu ermöglichen und alternative Energien im Land voranzubringen.
Das, was wirklich Arbeitsplätze schafft und die Zukunft für uns sichert, sind die erneuerbaren Energien. Sie sind sauber,
dezentral und auch in den entferntesten Regionen auf unterschiedliche Art und Weise nutzbar. Das ist Fortschritt. Atomkraft ist Rückschritt.
Und da wir das wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellt sich doch nur die Frage, was uns daran hindert, diese Energieformen für uns nutzbar zu machen und sogar wirtschaftliche Vorteile hieraus zu ziehen. Hierzu hatte der Wirtschaftsminister durchaus einen guten Vorschlag, den wir ja auch schon in den vergangenen Jahren mehrfach im Landtag angesprochen haben: Der, der das Energienetz betreibt, soll auch die Kosten für die Verlegung des Netzes im Offshore-Bereich tragen.
Wir können feststellen, dass es in Bezug auf die Offshore-Nutzung von Windenergie zwei Hauptprobleme gibt, die die Wirtschaftlichkeit der Projekte tangieren. Erstens liegen unsere Projekte relativ weit draußen im Meer, was dazu führt, dass hier höhere Kosten als in anderen Ländern entstehen, die auch in Küstennähe Windparks zugelassen haben. An dieser Schraube will aber mit Recht keiner drehen, da die Interessen des Naturschutzes - speziell im Nationalpark Wattenmeer - dem entgegenstehen.
Der zweite beeinflussbare Bereich ist die Anbindung der Parks an das Netz. Die Seekabelverlegung verteuert die einzelnen Offshore-Projekte um ungefähr 20 bis 25 %. In Großbritannien diskutiert man jetzt, die Kosten für den Netzanschluss von OffshoreWindparks auf die Allgemeinheit umzulegen, und in Dänemark hat man eine Energieagentur gegründet, die sicherstellen soll, dass alle Nutzer einen offenen und gleichberechtigten Zugang zum staatlichen Netz haben.
Es bewegt sich also etwas. Deshalb sollte man auch bei uns festlegen, dass die Energieunternehmen die Kosten für die Verlegung von Seekabeln tragen müssen und diese dann auf die Verbraucher umgelegt werden; an Land handeln wir auch nicht anders.
Deutschlandweit gibt es mittlerweile rund 140.000 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien. Das sind 10.000 mehr als noch im letzten Jahr. Solche riesigen Steigerungsraten hinsichtlich der Arbeitsplätze gibt es sonst kaum noch, wenn es sie überhaupt gibt. An dieser Entwicklung sollten wir teilhaben und nicht alten gefährlichen Energieformen
hinterherlaufen. Dass die Atomkraft nicht mehr das Maß aller Dinge ist, zeigt auch ein anderer Vergleich. Die Kernkraft erzeugt seit Jahren konstant etwas weniger als 6 % des Gesamtenergieverbrauchs. Die erneuerbaren Energien machen derzeit 6,4 % dieser Leistungen aus. Wer hätte noch vor vier bis fünf Jahren gedacht, dass es die erneuerbaren Energien irgendwann einmal schaffen, einen größeren Anteil als die Atomenergie an unseren Gesamtstromverbrauch auszumachen?
Wir haben es geschafft und wir können noch viel mehr schaffen. Wir sind weiter, als wir denken. Schleswig-Holstein darf hier die Zeichen der Zeit nicht übersehen. Den erneuerbaren Energien gehört die Zukunft und nicht der Kernenergie.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Harms. Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Manfred Ritzek.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Koalitionsvertrag zur Kernenergie ist eindeutig: keine Zustimmung zu irgendwelchen Veränderungen. Das ist die politische Aussage.
Eine solche Erwartung gemäß SSW-Antrages wäre doch absurd. Dennoch ist es jedem im Parlament und auch jedem auf der Regierungsbank unbenommen, zum Thema Ausstieg oder Fortsetzung der Laufzeiten der Kernkraftwerke Stellung zu nehmen.
Das machen viele Politiker, gerade jetzt in der Phase der Berliner Koalitionsverhandlungen. Das machen Gewerkschaftler, Wissenschaftler und Unternehmer. Das machen viele Europapolitiker und auch der Präsident der EU-Kommission. Ich finde, die unterschiedlichen Stellungnahmen werden mit Recht und aus gutem Grund abgegeben. Das Thema Verlängerung der Laufzeiten ist hochaktuell. Warum? Weil es um die Verfügbarkeit von Energie geht, um die
Preiswertigkeit der Bereitstellung, um den Umweltschutz, insbesondere den Klimaschutz, und um die Sicherheit.
Die Frage der Sicherheit ist nicht nur, bezogen auf die Laufzeiten von Kernkraftwerken, zu thematisieren und zu beantworten, sondern zum Beispiel auch bezogen auf den Sicherheitsstandard von Kohlegruben. Wenn zum Beispiel in osteuropäischen oder in fernöstlichen Kohlegruben pro Jahr Hunderte von Bergleuten umkommen, ist es eine unmenschliche Erwartung, auf die preiswerte Exportkohle dieser Länder für neue moderne Kohlekraftwerke in unserem Land zu hoffen. Wir müssen uns schon an dem weltweiten Energiebedarf bezüglich Verfügbarkeit, Klimaschutz und Preiswertigkeit orientieren. Dazu gehören sowohl die Kernkraft, die fossilen Rohstoffe und natürlich alle Potenziale regenerativer Energien.
Der weltweite Energiebedarf wird sich bis zum Jahre 2020 um 60 % erhöhen. Fast Zweidrittel dieser zusätzlichen Mengen werden auf die Schwellen- und Entwicklungsländer entfallen, vornehmlich auf China und Indien. Ungeheure Mengen an Erdöl, Kohle und Gas werden nötig sein, die mit hohen Kosten gefördert werden müssen, die bei der Verwendung aber allen Bemühungen, die CO2-Emissionen zu senken, zuwiderlaufen. Aus diesen globalen Gründen gewinnt die Kernenergie weltweit und auch in Europa wieder zunehmend an Akzeptanz, zumindest an Diskussionsbereitschaft.
Betrachten wir Europa: Frankreich hat den Standort für einen Reaktor der dritten Generation festgelegt. Damit wären das 60 Reaktoren in Frankreich. Großbritannien überlegt, wieder mehr Kernkraftwerke zu bauen. Finnland baut einen neuen Reaktor. Schweden hat die Laufzeit seiner Kernkraftwerke von 25 auf 40 Jahre verlängert. Belgien hat den Ausstiegsbeschluss auf Eis gelegt. Mit der Erweiterung der Europäischen Union auf 25 Länder hat sich die Zahl der EU-Länder mit Kernreaktoren von acht auf 13 erhöht, auf also zusätzlich 19 Kernkraftwerke von insgesamt 158 Kernkraftwerken in der EU. Mit Bulgarien und Rumänien wird sich die Gesamtzahl noch um fünf erhöhen.
Natürlich ist die Frage der Sicherheit eine entscheidende Frage. Jede Überlegung zur Verlängerung von Restlaufzeiten kann sich nur an dieser Maxime der höchstmöglichen Sicherheit orientieren. Diese ist nicht verhandelbar. Wir alle werden noch intensiv über Kernkraft und auch Kernfusionskraftwerke nachdenken müssen. Das Allheilmittel hat niemand. Deshalb müssen wir den besten Weg suchen.
Noch einige Worte zu dem zweiten Teil des Antrages: Kostenübernahme für Seekabel durch Energieunternehmen. Es wäre meiner Meinung nach nicht zu verantworten, jetzt wieder an dem ErneuerbareEnergien-Gesetz zu basteln, nur weil Schwierigkeiten bei dem Unternehmen im Zusammenhang mit den Preisen für Offshore-Anlagen aufgetreten sind. Die Stahlpreise sind dramatisch in die Höhe geschnellt. Das war aber seit langem zu erkennen. Der Markt wirkt auch auf diese geplanten Offshore-Investitionen und gehört zum unternehmerischen Risiko.
Der Vorschlag zur Kostenübernahme für die Seekabel durch die Energieunternehmen wäre eine weitere Subvention für die Windanlagenbauer ohne jede innovative Begründung. Netzanträge beider Gesellschaften liegen bereits vor. Das sollte auch in den Händen der Windkraftbetreiber bleiben. Man kann also beide Teile des SSW-Antrages mit unterschiedlichen Themen ablehnen.
Möglicherweise aber besteht doch noch ein Diskussionsbedarf, wenn es nämlich um eine Kombination beider Themen geht, um die Verlängerung der Laufzeiten mit der Verpflichtung der Betreiber von Kernkraftanlagen, die Seetrassenkosten für WindkraftOffshore-Anlagen zu übernehmen. Deshalb können wir das ohne weiteres in dem Wirtschaftsausschuss weiterdiskutieren.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Ritzek und erteile für die SPD-Fraktion das Wort dem Herrn Abgeordneten Konrad Nabel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Antrag des SSW werden zwei Themen miteinander gekoppelt, die nicht zwingend gemeinsam diskutiert werden müssen, auch wenn unser Wirtschaftsminister diesen Zusammenhang in einer seiner Veröffentlichungen unlängst hergestellt hat.