Protocol of the Session on November 10, 2005

Zu einem Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete KarlMartin Hentschel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wenn ich anderer Auffassung als der Rest des Hauses bin, möchte ich auf einige Punkte eingehen, die gesagt wurden.

(Claus Ehlers [CDU]: Das ist nichts Neues!)

Zum Kostenargument von Herrn Höppner! Wenn wir in Schleswig-Holstein 800.000 € als Beitrag zur Kultusministerkonferenz zahlen, dann kann ich nicht verstehen, dass uns 5.000 €, die nur ein Bruchteil davon sind, zu viel sind, um uns an einer solch zentralen Studie zu beteiligen. Das kann nicht das Problem sein. Die Bemerkung, wir müssten nicht ständig Studien an Schulen durchführen, tut so, als würden die internationalen Studien flächendeckend alle Schulen betreffen. Das ist nicht so. Es sind immer nur eine kleine Anzahl ausgewählter Schulen von diesen internationalen Studien betroffen. Es sind keine flächendeckenden Studien. Insofern kann ich das Argument auch nicht verstehen.

Nachdem ich die Diskussion in der Kultusministerkonferenz, die Stellungnahmen von Schleicher und die Diskussion darum verfolgt habe, habe ich mir die Mühe gemacht, die Vorstudie der OECD, die die Grundlage der ganzen Geschichte ist, durchzulesen. Diese Studie wurde im Sommer veröffentlicht. In dieser Vorstudie ist die gesamte Literatur und alles, was man über Lehrerverhalten und Probleme sowie alles über weitere Fragen zu verschiedenen Dienstverhältnissen in verschiedenen Ländern weiß, enthalten. Das ist keine Datenerhebung. Dies ist eine Literaturstudie, die den Status zusammenstellt. Sie macht deutlich, welche Erkenntnisprobleme es gibt, welche Datenprobleme es gibt und an welchen Punkten zusätzliche Aussagen notwendig sind, um in dieser historisch wichtigen Situation, die Anke beschrieben hat, die entscheidenden Fragen zu stellen: Welche Lehrer brauchen wir, wie müssen wir sie gewinnen, wie müssen wir sie ausbilden und wie müssen wir sie weiterbilden? Wir sind nämlich in der Situation, dass

in den nächsten Jahren ein großer Teil aller Lehrer in Deutschland ausgetauscht werden muss.

Ich glaube, wir stehen hier vor einer ganz entscheidenden Weichenstellung. Wenn es stimmt, dass für die Zukunft der Schule die Frage der Ausbildung der Lehrer mindestens genauso entscheidend ist wie die Frage, was wir sonst noch am Schulsystem ändern, dann glaube ich, dass diese Studie eine sehr hohe Bedeutung haben kann. Vielleicht ist diese Frage sogar noch entscheidender. Alle Autoren sagen, dass andere Studien, über die in dieser Frage geredet worden ist, das Gleiche leisten werden. Darum geht es bei der PISA-III-Studie auch gar nicht. Es geht nicht darum, dass man an der PISA-III-Studie teilnimmt, um eines Tages eine fortlaufende Datenbasis zu haben, auch wenn man nicht jedes Mal Veränderungen vornimmt. Das will ich gar nicht bestreiten. Es geht darum, dass wir in einer ganz entscheidenden Frage unseres Bildungssystems kaum etwas wissen. Uns fehlen ganz viele Fakten. Deswegen müssen entsprechende Untersuchungen gemacht werden. Ich glaube, dass in dieser Frage ein Blick von außen ganz sinnvoll ist. Deswegen plädiere ich dafür, diese Fragen noch einmal zu überdenken. Ich bitte die anderen Damen und Herren Bildungspolitiker in diesem Hause, sich noch einmal die internationale Vorstudie der OECD anzuschauen.

Ich fand es ausgesprochen überzeugend und falls Sie es nicht gelesen haben - den Eindruck hatte ich -, empfehle ich Ihnen, sich das noch einmal zu Gemüte zu führen.

Vielen Dank. - Das Wort hat nun Frau Bildungsministerin Erdsiek-Rave für die Landesregierung.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe inzwischen in der Debatte gemerkt, dass es BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN offenbar ernst meint, dass sich Schleswig-Holstein nur an dieser Studie beteiligen solle. Das wäre einmal etwas Neues: SchleswigHolstein im internationalen Vergleich. - Aber ich glaube, wir würden uns damit ein bisschen lächerlich machen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP)

- Nicht mit den Ergebnissen; damit wir uns nicht falsch verstehen.

Herr Hentschel, Ihr Vorwurf, die SPD-Länder würden wieder einmal den Vergleich mit Bayern scheuen, beruht leider auf Unkenntnis. Denn eine Länderver

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

gleichsstudie sollte das überhaupt nicht werden. Es ging - -

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Dann lassen Sie doch lieber solche Bemerkungen.

Im Vorfeld jeder Studie muss meiner Meinung nach immer sorgfältig abgewogen werden, ob neue Erhebungen tatsächlich neue Erkenntnisse bringen, ob sie das leisten, was nicht schon andere Erhebungen geleistet haben,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

und schließlich gilt natürlich auch hier: Das KostenNutzen-Verhältnis muss stimmen.

Übrigens - ich weiß gar nicht, woher Sie die Zahlen haben - standen die Kosten noch gar nicht fest. Insofern kann man auch nicht sagen, es seien für Schleswig-Holstein nur 5.000 €; diese Zahl bezweifele ich auch. Das stand bei der Ablehnung nicht im Vordergrund.

Mit den Maßgaben, die ich eben genannt habe, hat die KMK die angebotene OECD-Studie „Survey of teachers“ überprüft und sich schließlich nach mehreren Diskussionen gegen die Teilnahme an der Fortsetzung der ersten Lehrerstudie entschieden.

Ich will die Gründe aus unserer Sicht hier wiederholen: Erstens. Ein Teil der Thematik ist bereits durch die erste OECD-Lehrerstudie - die Vorstudie - abgedeckt worden. Sie wurde im Jahre 2004 veröffentlicht und sie ist noch nicht einmal vollständig ausgewertet, meine Damen und Herren. Damit müssen wir uns erst einmal befassen. Und wie wäre es denn, wenn wir den Landtag oder zumindest den Bildungsausschuss mit der Auswertung der Erkenntnisse beauftragen würden? - Das hat doch noch kein Mensch gemacht.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

An dieser Studie haben wir uns beteiligt, um Auskünfte über die berufliche Situation der Lehrerinnen und Lehrer zu erhalten.

Wir haben - zweitens - Studien, die den Blick auf die Lehrkräfte richten. Im Rahmen von PISA 2003 sind Lehrerinnen und Lehrer gesondert befragt worden; das soll ausgeweitet werden. Das PISA-Konsortium hat nämlich von der KMK zeitgleich den Auftrag bekommen, im Rahmen von PISA 2006 einen gesonderten Teil einzufügen, der umfassende Daten zu den Bereichen Fortbildung, Kooperation, Merkmale der Unterrichtsgestaltung sowie Schulklima erheben wird.

Drittens. Die OECD-Lehrerstudie konzentriert sich auf eine Reihe von Aspekten, die für die Verbesserung der Lehr- und Lernprozesse nicht unmittelbar relevant sind. Es geht nämlich nicht - und das ist ein öffentliches Missverständnis - um eine Art „PISA für Lehrer“. Es geht auch nicht um die Überprüfung oder Beobachtung der Unterrichtsqualität. Deswegen gehen wir in der KMK insgesamt von einem eher geringen zusätzlichen Erkenntnisgewinn aus. Mit dieser Einschätzung - das ist schon gesagt worden - stehen wir international keineswegs allein da. Im Übrigen: Das sind nicht nur Länder, die gut abgeschnitten haben, sondern Länder, die immer schon einem Bildungsmonitoring sehr aufgeschlossen gegenüberstanden.

Es gibt allerdings - da möchte ich vorsichtig sagen, dass die Ausführungen des Herr Schleicher in der Öffentlichkeit nicht vollständig sind - ein weiteres Forschungsvorhaben der OECD. Es hat derzeit nur einen Arbeitstitel und der lautet „Internationally Comparative Teaching/Learning Effectiveness Study“. Davon versprechen wir uns grundlegende Erkenntnisse über Unterrichtsprozesse, über den Zusammenhang von Unterrichtsgestaltung und Lernerfolg.

Dem, was Sie, Herr Dr. Klug angesprochen haben, stimme ich übrigens zu: Die Bildungsforschung ist in Deutschland absolut unterentwickelt und das muss dringend geändert werden.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Es ist übrigens auch im Koalitionsvertrag in Berlin ausgehandelt worden, dass das ein wichtiges Feld sein soll.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist noch gar nicht fertig!)

- Noch ist er nicht fertig. Das ist jedenfalls die Empfehlung der Bildungspolitiker.

Dieses Thema ist für uns ganz zentral. Deshalb hat die KMK in Übereinstimmung mit der Bundesministerin ihr Interesse an der Beteiligung an dieser Studie bekundet.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: 1 % Trefferquo- te!)

Also, auf den erwarteten neuen zusätzlichen Erkenntnisgewinn kommt es an. Das allein ist entscheidend. Das hat den Ausschlag dafür gegeben, dass wir uns in der KMK einvernehmlich - übrigens zusammen mit der Großmacht Bundesregierung - gegen die Teil

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

nahme an der genannten OECD-Studie entschieden haben.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke der Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Wer dem Antrag Drucksache 16/312 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und SSW gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Keine Verlängerung der Restlaufzeiten der Atomkraftwerke Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/304

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache und erteile für den SSW im Landtag dem Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stellt sich immer wieder die Frage, wer in der Landesregierung eigentlich das Sagen hat. Da meldet sich der Wirtschaftsminister kräftig zu Wort und verlangt, Deutschland wieder zu strahlenden Landschaften zu machen, und wir stellen erst einmal fest, dass dieser Vorschlag mal wieder mit niemandem abgestimmt war.

Dann liest man in der Zeitung: „Die SPD kocht vor Wut!“ und sie weist auf den Koalitionsvertrag hin. Darin steht, dass die Landesregierung keine Initiative ergreift, um den Atomkonsens aufzukündigen.

Nun ist die Initiative durch den Wirtschaftsminister aber schon ergriffen und schwirrt durch Raum und Zeit.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: In Berlin!)

Da muss dann der Ministerpräsident quasi in seiner Eigenschaft als gute Seele der Koalition windelweich verkünden lassen: Es gibt einen Koalitionsvertrag und der ist maßgeblich für die Arbeit der schleswigholsteinischen Landesregierung!

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Gott sei Dank!)