Protocol of the Session on November 10, 2005

Frau Präsidentin! Es ist völlig korrekt. Man müsste den Gesetzentwurf überweisen. Wir schlagen nach Abstimmung zwischen den Fraktionen vor, dass wir auf die eigentlich notwendige Überweisung nach § 24 der Geschäftsordnung verzichten und morgen den Staatsvertrag in zweiter Lesung durchwinken -

(Zurufe: Abstimmen!)

- und abstimmen, damit er in Kraft treten kann.

(Beifall bei der CDU)

Zur Geschäftsordnung, Frau Spoorendonk!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit mir hat keiner gesprochen. Mit mir ist nichts abgestimmt worden. Ich denke, es wäre angemessen, dass der Gesetzentwurf den gewohnten Weg über die Ausschussberatung geht.

(Zurufe)

Herr Abgeordneter Kayenburg!

Frau Präsidentin! Ich schlage vor, dass die Ausschusssitzung morgen früh vor Beginn der Plenartagung stattfindet, damit so verfahren werden kann, wie von Herrn Astrup vorgeschlagen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit werden wir den Gesetzentwurf an den Europaausschuss überweisen. Wer so abstimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Es gibt keine. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

Bürgerfreundliche Behörden

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/311

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort erhält die Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sozialverbände und die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten berichten über eine zunehmende Verschlechterung des Umgangs von Behörden mit Hilfe suchenden Bürgerinnen und Bürgern. Der Beschwerdekatalog reicht von ständig besetzten Telefonen, unregelmäßigen, kurzen und unzumutbaren Öffnungszeiten, stundenlangem Warten bis hin zu notorischer Unzuständigkeit.

Die Krone der Bürgerunfreundlichkeit sind eklatante Missstände wie Falschberatung, Leistungsverweigerung und abgeschlossene Türen und Gebäuden auch während der offiziellen Öffnungszeiten. Um diese Missstände zu beheben, stellt die grüne Landtagsfraktion den heutigen Landtagsantrag. Denn aus unserer Sicht muss Bürgerfreundlichkeit von Behörden ein zentraler Baustein in einer sozial gerechten Gesellschaft sein.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bürgerinnen und Bürger sind Auftraggeberinnen und Auftraggeber des Staates. Sie haben ein Anrecht darauf, als Kundinnen und Kunden behandelt und nicht wie lästige Bittsteller oder ärgerliche Kostenverursacher abgefertigt zu werden.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie haben einen Rechtsanspruch auf umfassende Information, auf unterstützende Beratung und auf die Gewährung von Leistungsansprüchen. Behörden sind für die Bürgerinnen und Bürger da und nicht umgekehrt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Seit wann?)

Natürlich müssen Behörden effizient arbeiten. Hierzu haben wir unter anderem das Instrument des Benchmarkings, das seit einigen Jahren zwischen den Sozialämtern der Kommunen angewandt wird und im Hinblick auf Effizienz, Effektivität und Kostenreduktion hilfreich sein kann.

Notwendige Effizienz darf aber nicht gegen Kundenorientierung und gegen Bürgerfreundlichkeit ausgespielt werden. Wer sein Interesse ausschließlich auf Zahlen richtet - Fallzahlen, Personalzahlen, Bearbeitungszahlen, Ablehnungszahlen, Kosten und Ausgaben -, der verliert schnell den Blick dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger zu ihrer Behörde gehen, weil sie Beratung und Unterstützung benötigen und weil sie meistens auch berechtigte Ansprüche haben.

(Monika Heinold)

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den öffentlichen Verwaltungen stehen angesichts der leeren Kassen unter dem enormen Druck, möglichst wenig Steuermittel auszugeben. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - das will ich ausdrücklich sagen - geben sich große Mühe, um trotzdem ordentlich und angemessen mit den Bürgerinnen und Bürgern umzugehen. Deshalb ist es wichtig, dass das Land seine Verantwortung wahrnimmt und darauf achtet, dass trotz aller notwendigen Sparmaßnahmen Bürgerfreundlichkeit in allen Verwaltungen stattfindet, und dass Kundenorientierung selbstverständlich wird. Als wir die Verwaltung umstrukturiert haben, haben wir von Kunden gesprochen. Wir müssen dieses Prinzip dann auch durchtragen.

Dieses Signal ist auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung notwendig, die oft mit großem Engagement versuchen, den Spagat zwischen bestehenden Leistungsansprüchen und verordneter Sparsamkeit zu meistern.

Die grüne Landtagsfraktion fordert die Landesregierung auf, gemeinsam mit Landesbehörden, kommunaler Verwaltung und mit der Bürgerbeauftragten, die dies angeregt hat, Standards für Bürgerfreundlichkeit und Kundenorientierung zu finden und verbindlich zu vereinbaren. Diese verbindlichen Festlegungen sollen dann modellhaft an verschiedenen Behörden in Form von Beschwerdestellen erprobt werden. Dabei soll das vorhandene Potenzial der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genutzt werden. Denn wer den Behördenalltag verbessern will, benötigt das Wissen und die Kompetenz der Beschäftigten.

Das Bild des faulen, bürgerverschreckenden Oberamtsrats Clausen aus der RSH-Sendung „Baumann und Clausen“ gehört ins Radio. In einer modernen Verwaltung hat es schon lange nichts mehr zu suchen. In der Regel sind unsere Verwaltungen auch modern.

Wenn uns die Bürgerbeauftragte in einen Bericht schreibt, dass sich die Situation vor Ort verschärft hat und es zunehmend auch Unfreundlichkeiten gibt, stehen wir aus meiner Sicht in der Verantwortung, für unsere Bürgerinnen und Bürger etwas zu tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Schließlich wollen sie doch in unserem Staat angenommen und akzeptiert werden. Deshalb gehe ich davon aus, dass die große Koalition unseren Antrag nicht ablehnt. Denn auch Sie sehen die Bürgerinnen und Bürger mit Sicherheit nicht als Bittstellerinnen und Bittsteller, sondern Kundinnen und Kunden, die angemessen behandelt werden müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die Fraktion der CDU erteile ich dem Herrn Abgeordneten Wilfried Wengler das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich die Überschrift Ihres Antrages las, sehr geehrte Frau Heinold, habe ich gedacht, Bürgerfreundlichkeit der Behörden sei eine elegantere Formulierung für Bürgernähe der Verwaltung, die sich durch Flexibilität, Professionalität und Wirtschaftlichkeit auszeichnet. Ich erwartete also einen substanziellen Beitrag zur anstehenden Verwaltungsreform und zur Deregulierung, kurz gesagt: zum schlanken Staat.

Aber gefehlt! Sie beschäftigen sich mit der vermeintlichen Bürgerunfreundlichkeit der Behörden und fordern zusätzliche Institutionen im Verwaltungsapparat. Wie Sie selbst sagten, fußt Ihr Antrag auf dem jüngsten Bericht der Beauftragten für soziale Angelegenheiten. Leider ist in diesem Bericht nicht quantifiziert, welchen Umfang die von Ihnen als Begründung genannte zunehmende Verschlechterung im Umgang von Behörden mit Hilfe suchenden Bürgerinnen und Bürgern annimmt. Im Bericht sind lediglich Einzelfälle beschrieben, die keinerlei Schluss auf die Gesamtheit erlauben.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Verehrte Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, meinen Respekt dafür, dass Sie sich - wie übrigens alle anderen Abgeordneten in diesem Landtag - für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Schleswig-Holstein einsetzen wollen. Die Mehrheit im Parlament hat zur Verbesserung der Bürgernähe das Amt der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten geschaffen. Darüber hinaus hat sie den Petitionsausschuss ins Leben gerufen. Beide Einrichtungen samt ihrer Mitarbeiter sind unabhängig voneinander für die Problematik zuständig, die Sie angesprochen haben.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass sich die Regierungskoalition zurzeit um eine Verschlankung der Verwaltung, um vereinfachte - hören Sie doch erst einmal zu, Frau Lütkes;

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe doch noch kein Wort gesagt!)

ich sprach Frau Lütkes an und nicht Sie, Frau Heinold - und damit beschleunigte Abläufe und die Ver

(Wilfried Wengler)

meidung von Mehrfachzuständigkeiten bemüht. Gerade dadurch werden wir mehr Bürgernähe und einen höheren Dienstleistungsgrad der Verwaltung erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist uns bewusst, dass wir auch in Zukunft nicht jedes Fehlverhalten einzelner Verwaltungsmitarbeiter werden vermeiden können. Diese Quote kann lediglich durch entsprechende Ausbildung, Schulung und Personalführung gemindert werden. Daher wären gezielte Vorschläge in dieser Richtung von Ihnen hilfreicher gewesen. Stattdessen rufen Sie nach zusätzlicher Kontrolle und mehr Bürokratie.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Während die Beauftragte für soziale Angelegenheiten in ihrem Bericht lediglich einen Modellversuch vorschlägt, fordern Sie die Schaffung von verbindlichen Standards für Bürgerfreundlichkeit und Kundenorientierung, die Einrichtung von Beschwerdestellen sowie ein standardisiertes Beschwerdemanagement, also zusätzliche Verwaltungsakte und zusätzliche Verwaltungsstellen.

Konsequenterweise sollten wir dann wohl auch noch einen Koordinierungsausschuss mit Vertretern aller Fraktionen schaffen,

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubi- cki [FDP])

der das dann standardisierte Beschwerdemanagement der Bürgerbeauftragten, des Petitionsausschusses und der neu zu schaffenden Beschwerdestellen in den verschiedenen Behörden koordiniert.