einen öffentlichen Auftrag erhalten. Ohne Kontrollen hat das Tariftreuegesetz einen hohen Symbolwert gegen Dumpinglöhne, ist aber ansonsten ein stumpfes Schwert.
Auf die Kleine Anfrage der FDP hat die Landesregierung erklärt, dass ihr keine Verstöße gegen das Tariftreuegesetz bekannt sind. Das glaube, wer will.
Die Diskussion über Tariftreue, Mindestlöhne und Lohndumping ist hochaktuell. Das zeigt auch die jetzige Landtagstagung. Die Große Koalition in Berlin kann sich nicht auf einen einheitlichen bundesweiten Mindestlohn einigen und schleppt sich über Änderungen im Endsendegesetz bis zur Bundestagswahl. Die Tariftreuegesetze der Länder sind durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 3. April 2008 zu Teilen des niedersächsischen Vergabegesetzes gefährdet.
Ich nenne die wesentlichen Begründungen dieses Urteils hier sehr verkürzt und plakativ: Der Wettbewerbsvorteil ausländischer Firmen besteht in den geringeren Lohnkosten. Wenn sie diesen Wettbewerbsvorteil nicht nutzen dürfen, werden sie vom Wettbewerb ausgeschlossen. Eine Tariftreueverpflichtung stellt daher eine Beeinträchtigung dieser Firmen dar. Tariftreue bewirkt laut Gericht deshalb gerade nicht eine faktische Gleichstellung mit deutschen Arbeitnehmern. - Das ist eine Argumentation, auf die man erst einmal kommen muss. Ich kann dem nicht folgen. Aber es gilt natürlich das Urteil des EuGH und muss akzeptiert werden. Der EuGH hat das Urteil zum niedersächsischen Vergabegesetz so begründet.
Es war richtig, dass die Landesregierung im Licht des EuGH-Urteils unser Tariftreuegesetz überprüft hat. Der entsprechende Erlass des Landeswirtschaftsministeriums vom 26. Mai 2008 zeigt aber deutlich, dass das Ministerium kein Herzblut für das Thema Tariftreue übrighat. Offensichtlich war der Landesregierung das eigene Tariftreuegesetz schnurzegal. Im Erlass wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei neuen Vergabeverfahren eine Tariftreueerklärung nicht mehr einzufordern ist. Deshalb soll dieser Erlass aufgehoben werden.
Wenig hilfreich war es 2008, dass sich die CDU vom Acker gemacht und gesagt hat: Wir haben ja schon immer rechtliche und volkswirtschaftliche Bedenken gegen das Tariftreuegesetz gehabt. Man fragt sich, warum sie dem denn dann zugestimmt haben. Herr Abgeordneter Callsen, Sie sagten zusätzlich noch, „planwirtschaftliche Eingriffe in den Wettbewerb sind nicht nur volkswirtschaftlich problematisch, sondern auch rechtlich bedenklich“.
Wir Grünen sagen dagegen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen von guter Arbeit, die sie leisten, auch leben können. Wenn dieser einfache Grundsatz in unserer Arbeitswelt nicht mehr gilt, dann haben wir gewaltige Verwerfungen. Umso wichtiger ist deshalb die Einführung eines einheitlichen bundesweiten Mindestlohns, um Lohndumping zu verhindern. Nach dem EuGH-Urteil können auch Tariftreueerklärungen für allgemeinverbindlich erklärte Löhne eingefordert werden. Genau das sollte der öffentliche Auftraggeber auf allen Ebenen auch umsetzen.
Die Bedenken, die Arbeitsminister Döring und die auch Herr Callsen vorgetragen haben, sind in diesem Antrag aufgenommen. Es geht darum, Möglichkeiten für die Auftragsvergabe zu suchen, wenn Tarife für allgemeinverbindlich erklärt worden sind.
Ich nenne einmal ein Beispiel aus unserem Land. Wir hatten gestern eine Demonstration des Wäschereibetriebs Berendsen, wo die Jobs wegzufallen drohen, weil sie ein großer öffentlicher Auftraggeber verlassen und sich mit seinen Aufträgen nach Rostock verlagert hat, wo ein sehr dubioser Tarifvertrag mit einer Scheingewerkschaft, die in diesem Bereich eigentlich keine Zulassung hat, abgeschlossen worden ist. Wir sehen, dass diese Gesetze durchaus Konsequenzen haben, auch bei uns im Land, und jetzt zu einer großen Notlage in diesem Betrieb und für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führten.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort. - Herr Kollege Matthiessen, vielleicht definieren Sie einmal, was eine Scheingewerkschaft ist.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auf zwei, drei Fragen, die hier in den Raum gestellt worden sind, antworten.
Das Erste: Das Rüffert-Urteil hat nicht nur gesagt, dass das niedersächsische Vergabegesetz nicht mehr gültig sein kann, sondern es hat auch genaue Kriterien aufgestellt, welche Tarife noch eingefor
dert werden können, nämlich die gesetzlich festgelegten und die allgemeinverbindlichen. Bei den allgemeinverbindlichen Tarifen hat es besonders darauf abgehoben, dass das die übliche Vorgehensweise in Deutschland und in Österreich ist.
Das Zweite: Es wurde nicht auf ein Staatsgebiet abgehoben, sondern auf ein Gebiet, in dem diese allgemeinverbindlichen Tarifverträge gelten. Deshalb ist es auch möglich, schleswig-holsteinische allgemeinverbindliche Tarife, die durchaus das Niveau auf Bundesebene übersteigen können, als tariftreu einfordern zu können. Das ist die große Chance, die wir haben, die neue Regelung dazu zu nutzen, die Tarifpartner an einen Tisch zu holen.
Aufgrund von Bundesrecht haben wir auch die Möglichkeit, dass der Landesarbeitsminister diesen Prozess in Gang setzt und, wenn sich die Tarifpartner einig sind, die entsprechenden Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt. Dann wäre es in den betroffenen Branchen, die im Gesetz stehen, möglich, entsprechend Tariftreue einzufordern.
Das ist auch kein Teufelszeug. Davon bricht eine Republik auch nicht zusammen, denn man macht das in Österreich schon sehr viel länger als hier. Dort gibt es in den einzelnen Bundesländern Tariftreueregelungen. Das war die Inspiration, die ich vor 2004 hatte, dieses Gesetz hier einzubringen. Dort funktioniert es wunderbar. Alles ist immer noch entsprechend konform, weil man dort nur allgemeinverbindliche Tarifverträge, die in den einzelnen Bundesländern abgeschlossen worden sind, einfordert. Deswegen haben die dieses Problem nicht. Aber wir haben dieses Problem im Prinzip auch nicht, wenn wir uns an die allgemeinverbindlichen Tarifverträge halten.
Deswegen können wir mit unserem Antrag, mit dem wir jetzt kommen, schon sehr viel schaffen. Wir können sehr vielen Beschäftigten, insbesondere aus dem Bausektor, jetzt schon helfen. Und wir können anregen, dass zum Beispiel die Busunternehmer oder die Leute, die mit dem Schienenpersonennahverkehr zu tun haben, dies auch entsprechend umsetzen. Dann ist sehr vielen Menschen geholfen. Das Gesetz ist nicht tot, sondern es lebt. Wenn wir uns am 27. als Bürger dieses Landes richtig verhalten, dann wird dieses Gesetz auch noch sehr viel länger leben.
Für einen weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Olaf Schulze das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Dr. Garg, federführend für das Tariftreuegesetz ist nun einmal das Wirtschaftsministerium. Leider war im Wirtschaftsministerium relativ wenig Begeisterung, dieses Thema Tariftreue wieder aufzugreifen und nach vorn zu bringen. Was ich schade finde, ist, dass die Handwerkskammern anscheinend leider im Wirtschaftsministerium nicht die nötige Durchschlagskraft haben, dieses Thema durchzusetzen. In diesem Bereich fordern dies nämlich Handwerkskammern und Gewerkschaften zusammen und sagen: Das ist etwas, was wir hier im Land brauchen.
Lieber Kollege Callsen, wenn Sie davon sprechen, es wäre rechtlich nicht möglich, ein Tariftreuegesetz oder ein Vergabegesetz hier in Schleswig-Holstein zu installieren, dann ist das einfach schlichtweg falsch. Vielleicht ist Hamburg ein bisschen weit weg, aber vielleicht kann man sich ja mal ins Auto setzen oder ein Telefonat mit der Hamburger CDU führen; denn dort ist das Vergabegesetz, nämlich das Tariftreuegesetz, mit den Stimmen der CDU beziehungsweise unter CDU-Regierung durchgesetzt worden.
Ich möchte darauf hinweisen, dass ich mich im Wesentlichen auf eine Rechtsauffassung des ehemaligen SPD-Arbeits- und Europaministers bezogen habe, der zu dem Ergebnis kommt, dass das Ganze eine rein deklaratorische Wirkung hätte. Verabschieden kann man alle Gesetze; rein deklaratorische Wirkung!
Ich gebe trotzdem eine Antwort darauf, wenn mir das von der Redezeit nicht abgezogen wird. Es wäre lieb, wenn man die Uhr anhält.
Es ist keine deklaratorische Maßnahme. Außerdem hätten Sie das ganze Döring-Papier zitieren sollen; das wäre ganz sinnvoll gewesen. Das bezog sich nämlich nur auf unser Tariftreuegesetz, wie wir es in Schleswig-Holstein hatten, und es bezog sich auf das EuGH-Urteil, in dem darauf Bezug genommen wird, dass das Tariftreuegesetz so nicht geht, weil wir keine Mindestlöhne haben. Da sind wir wieder bei dem Punkt von vorhin. Das Hamburger Tariftreuegesetz beziehungsweise Vergabegesetz bezieht sich auf allgemeinverbindliche Tarifverträge. Es gibt Mindestlöhne im Baugewerbe und Reinigungsgewerbe. Dort ist dies anwendbar, und dort kann man es auch machen.
Deswegen, wenn Sie schon sagen, das sei rechtlich nicht möglich, dann gucken Sie nach Hamburg. Dort ist es möglich, und dort wird es gemacht. Anscheinend hat die Hamburger CDU ein bisschen mehr Gehör für das Handwerk als die CDU hier in Schleswig-Holstein.
- Genau das ist es. Sie beziehen sich immer auf den EuGH. Der EuGH sagt aber nur, es müssen Mindestlöhne gelten. Diese gelten im Baubereich.
- Dann stimmen Sie doch dem Antrag zu, wenn Sie der gleichen Auffassung sind. Darüber würde ich mich sehr freuen. Das ist keine rein deklaratorische Angelegenheit, sondern das Vergabegesetz und das Tariftreuegesetz können Sanktionen auslösen. Genau das ist das, was wir brauchen. Man muss auch Sanktionen aussprechen können, wenn gegen Mindestlöhne verstoßen wird.
Deswegen noch einmal auch von meiner Seite: Stimmen Sie dem Tariftreuegesetz zu. Stimmen Sie unserem Antrag zu, und kommen Sie endlich
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Durchlesen dieses Antrags habe ich mich gefragt, was eigentlich dessen Ziel ist.
Nach Auffassung der Antragsteller sollen die Handlungsempfehlungen meines Ministeriums, das Tariftreuegesetz nicht mehr anzuwenden, komplett aufgehoben werden. Was bedeutet das denn tatsächlich? - Das bedeutet, dass Unternehmen in der Bauwirtschaft, der Abfallwirtschaft und im ÖPNV einschließlich des SPNV bei der Vergabe öffentlicher Aufträge wieder zwingend eine Tariftreueerklärung dahin gehend vorlegen müssen, die am Ort der Leistungserbringung üblichen Tarife zu zahlen. Gerade das hat doch der Europäische Gerichtshof für europarechtswidrig erklärt.
Im Grundsatzurteil hat der EuGH deutlich gemacht, dass das Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer nur dann als Argument für die Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit herangezogen werden kann, wenn der Mitgliedstaat diese als so wichtig erachtet, dass alle Arbeitnehmer von einer gesetzlichen Maßnahme erfasst werden, und nicht nur Arbeitnehmer, die im Rahmen öffentlicher Aufträge eingesetzt werden. Mit anderen Worten: Nur in den Bereichen, in denen es für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge gibt und damit alle Arbeitnehmer gleich behandelt werden, dürfen diese Verpflichtungen auch zur Bedingung für die Vergabe öffentlicher Aufträge gemacht werden.
Dies muss ich als zuständiger Minister beachten, wenn ich verantwortungsvoll handeln will und meine Vergabestellen nicht dem Risiko von Nachprüfungsverfahren oder Klagen bis hin zu Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof aussetzen will. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Antragsteller fordern, dass ich rechtswidrige Zustände zulassen soll.
Sie haben zwar recht, wenn Sie meinen, dass es bei europarechtskonformer Auslegung ein kleines, wenn auch überaus kleines, Anwendungsgebiet für das Tariftreuegesetz gibt. In den Fällen, in denen es für allgemeinverbindlich erklärte Mindestlöhne gibt, könnte man das Tariftreuegesetz weiter gelten lassen. Das schadet nicht, hilft aber auch nicht und geht am Zweck des Gesetzes vorbei.