Protocol of the Session on September 17, 2009

Sie haben zwar recht, wenn Sie meinen, dass es bei europarechtskonformer Auslegung ein kleines, wenn auch überaus kleines, Anwendungsgebiet für das Tariftreuegesetz gibt. In den Fällen, in denen es für allgemeinverbindlich erklärte Mindestlöhne gibt, könnte man das Tariftreuegesetz weiter gelten lassen. Das schadet nicht, hilft aber auch nicht und geht am Zweck des Gesetzes vorbei.

Machen wir uns doch nichts vor. Letztlich ist das doch Augenwischerei. Glauben Sie im Ernst, dass in Zeiten des Bürokratieabbaus eine rein deklaratorische Regelung erforderlich ist? Die Einhaltung von allgemeinverbindlichen Mindestlöhnen ist in Deutschland bereits geregelt und wird über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sanktioniert. Hier brauchen wir also keine gesetzliche Regelung mehr. Ich kann mir keinen Fall vorstellen, ein Unternehmen, das nicht den allgemeinverbindlichen Mindestlohn zahlt und damit gegen das ArbeitnehmerEntsendegesetz verstößt, durch das Tariftreuegesetz nun zum gesetzestreuen Verhalten anzuhalten.

Da die Zahlung von Mindestlöhnen gesetzlich geregelt ist, war dies auch nie Sinn und Zweck des Tariftreuegesetzes gewesen. Das Tariftreuegesetz ging weiter und forderte die Zahlung von in SchleswigHolstein geltenden Tariflöhnen,

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

die über den Mindestlöhnen liegen, um den Unternehmen vor Ort die Wettbewerbsmöglichkeit zu erhalten. Ziel war also der Schutz unserer Unternehmen vor Billiganbietern außerhalb des Landes, für die niedrigere Tarifverträge als für unsere Unternehmen gelten.

(Beifall bei SPD und SSW)

Das hatte den Effekt, dass auch die Billiganbieter von öffentlichen Aufträgen in Schleswig-Holstein die schleswig-holsteinischen Tariflöhne zahlen mussten.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Olaf Schulze?

Ja.

Erstens. Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass im schleswig-holstei

nischen Tariftreuegesetz eine Möglichkeit bestand, Unternehmen von weiteren Vergabeaufträgen auszuschließen, wenn sie gegen das Tariftreuegesetz verstoßen?

Zweitens. Welche Möglichkeiten sehen Sie, Unternehmen, die gegen das Tariftreuegesetz beziehungsweise gegen die Mindestlöhne verstoßen, von weiteren Vergaben im Land auszuschließen?

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Zu Ihrer ersten Frage: Ja, das ist mir bekannt.

Zu Ihrer zweiten Frage: Wir haben das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, und wir haben die Möglichkeit, das zu überprüfen. Dafür gibt es die Vergabekammern und Ähnliches.

(Zuruf von der SPD: Aber keine Sanktions- möglichkeiten!)

- Doch!

Das hatte den Effekt, dass unsere Tariflöhne galten. Diese Möglichkeit der Wettbewerbssteuerung ist nun durch die Entscheidung des EuGH genommen worden. Es besteht dennoch kein Grund, deshalb dem Tariftreuegesetz einen anderen Inhalt zu geben, also auf die Zahlung von Mindestlöhnen statt auf die Zahlung von in Schleswig-Holstein geltenden Tariflöhnen abzustellen, zumal dieser Bereich schon geregelt ist und für alle Unternehmen gilt, sei es für unsere Unternehmen oder für Unternehmen aus anderen Bundesländern oder Ländern.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich darf Sie bitten, diese Aspekte bei Ihrer Entscheidung über diesen Antrag zu berücksichtigen. Nur weil wir uns im Wahlkampf befinden, müssen wir doch nicht Maßnahmen beschließen, die in Wirklichkeit überflüssig sind. Das will die Bevölkerung bestimmt nicht.

Lassen Sie mich noch ein Wort zur Presseerklärung des SSW von gestern sagen, die meiner Ansicht nach zeigt, dass der SSW das Tariftreuegesetz nicht kennt.

(Lars Harms [SSW]: Selbst geschrieben, kei- ne Angst!)

Selbst wenn alle Abgeordneten dem Antrag zustimmen würden und das Tariftreuegesetz wieder für anwendbar erklären würden, würde das der Firma Berendsen überhaupt nicht helfen und für diese nichts ändern. Das Tariftreuegesetz galt von Anfang an nicht für Liefer- und Dienstleistungsaufträ

(Minister Dr. Jörn Biel)

ge dieser Art. Sie wecken mit solchen Äußerungen Hoffnungen, die nie erfüllt werden können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich bin ein bisschen traurig, dass uns ein Landesminister hier ununterbrochen Reden vorliest, die ihm sein Haus aufgeschrieben hat, und gar nicht zuhört, was hier in der Debatte gesagt wird und worum es eigentlich geht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das ist jetzt wiederholt passiert. Ich finde, so etwas geht überhaupt nicht. Ich erwarte von einem Minister, dass er in der Lage ist, auf eine Debatte einzugehen.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben im Baubereich allgemeinverbindliche Tarifverträge in Schleswig-Holstein, also ist das Tarifvertragsgesetz gültig, und es ist auch nicht von der EU aufgehoben worden. Das ist doch völliger Unsinn. Es ist nur in dem Bereich aufgehoben worden, in denen es keine gültigen Tarifverträge gibt. Aber da, wo sie gültig sind, existiert es. Und der Baubereich ist nun einmal der wichtigste Bereich für öffentliche Aufträge. Also was erzählen Sie eigentlich?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich bin über das, was Sie als Wirtschaftsminister hier verzapfen, wirklich ein bisschen fassungslos. Im ÖPNV und im Abfallbereich waren wir uns immer alle einig, dass wir tarifliche Regelungen wollen. Es ging von der Abfallwirtschaftsgesellschaft Nordfriesland aus. Damals waren es CDULeute, die gesagt haben: Wir müssen eine Regelung finden, sonst kriegen wir Billigangebote. Wir wollen unsere Leute in Nordfriesland weiter beschäftigen. Und wir wollen keine Billigangebote aus dem Rheinland. Ich glaube, es ging damals von RWE aus. Damals haben wir mit Ihnen zusammen diesen Tarifvertrag genau aus dem Grunde gemacht. Was

wir brauchen, wäre für diesen Bereich eine Art von Allgemeinverbindlichkeitserklärung für SchleswigHolstein. Und genau das sollten wir tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Im Bahnbereich ist es ähnlich. Im Bahnbereich ging es darum, dass wir - übrigens mit Unterstützung der CDU auf Initiative der Grünen - im Land eingeführt haben, dass es einen Wettbewerb im Bahnbereich gibt. Es ist damals mit Peer Steinbrück initiiert worden, dass wir die Bahnlinien ausschreiben. Man muss doch erwarten - das war immer die Befürchtung -, dass, wenn wir die Bahnlinien ausschreiben, dann nicht der Konkurrent - damals war es die Nord-Ostee-Bahn an der Ostküste - deswegen gewinnt, weil er Billiglöhne zahlt, sondern dass er gewinnt, weil er bessere Angebote macht, bessere Qualität bringt und weil er es schafft, durch bessere Werbung und besseren Service mehr Fahrgäste zu holen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das ist auch erfolgreich gelungen. Genau das ist gelungen. Und dann ist es doch richtig - und das war immer eine Position, ich war damals neun Jahre im Wirtschaftsausschuss und weiß es -, dass alle diese Anträge damals gemeinsam mit der CDU verabschiedet und von der CDU mitgetragen worden sind. Das war genau dieser Prozess, weil alle sagen, dass es notwendig und sinnvoll ist. Wir haben Betriebsbesuche gemacht und mit den Leuten geredet. Genau das war einvernehmlich vereinbart. Wir müssen jetzt den nächsten Schritt tun und die Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären. Das ist völlig richtig.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Aber sich jetzt daraus zu verabschieden, das kann nicht sein, das ist noch nie CDU-Politik gewesen, und das ist ein erbärmliches Zeugnis, wenn Sie das tun.

(Anhaltender Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen von

(Minister Dr. Jörn Biel)

SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU und FDP angenommen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 22 auf:

Befahrensregelung schleswig-holsteinische Ostseeküste

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2828

Wir das Wort zur Begründung gewünscht? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Vielen Dank, Herr Präsident! Um mit Wilhelm Busch und seiner Geschichte über die bösen Buben zu beginnen: Ach, was muss man nicht in Wahlkampfzeiten alles sehen, hören oder lesen.

Interessant wird die Debatte für mich, der ich in aller Unbedarftheit diesen Antrag gestellt habe, dadurch, dass prominente Mitglieder des Hohen Hauses offenbar zu den Geschwindigkeitsfanatikern auf den Meeren gehören. Herr Kubicki, mit Ihrer „Liberty“ könnte es nach einer Befahrensregelung an der Ostseeküste unseres schönen Schleswig-Holstein vorbei sein - also nicht mit dem Schiff, aber mit den 40 kn.