Ich danke dem Herrn Abgeordneten Johannes Callsen und erteile der Frau Abgeordneten Anette Langner das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke dem Minister sowie seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Bericht. Dieser gibt einen umfangreichen Überblick über den Status quo und die bestehenden Probleme bei der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen und Berufsabschlüssen. Ich will aber gleich vorweg sagen, dass das Ergebnis in der Summe noch nicht zufriedenstellen kann.
Ich möchte drei Vorbemerkungen machen. Es bleibt festzuhalten - und das macht der Bericht auch deutlich -, dass das Anerkennungsverfahren übersichtlich, aufwendig und oft langwierig ist. Für die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen gibt es zurzeit keine allgemeine Rechtsgrundlage und keinen allgemeinen Rechtsanspruch, sondern eine Vielzahl von Rechtsvorschriften für unterschiedliche Verfahren und Zielgruppen.
Wie kompliziert und vielschichtig das Anerkennungsverfahren für die einzelnen Abschlüsse ist, zeigt ein Ausflug auf die Informationsplattform im Internet, den ich mir einmal gegönnt habe. Diese Seite ist mit der für Schleswig-Holstein nicht unbedingt naheliegenden Adresse www.access-frsh.de verlinkt. Die notwendige Information ist zwar mehrsprachig vorhanden, aber sehr viel weiter als nur einen Mausklick weit entfernt.
Bei einem sich abzeichnenden Fachkräftemangel muss es aber in unserem Interesse sein, einerseits grenzüberschreitende Mobilität von Arbeitskräften zu fördern und andererseits das fachliche und berufliche Potenzial von in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu nutzen.
Wie deutlich der Fachkräftemangel schon derzeit ist, zeigt die durchgängige Bereitschaft von Unternehmen, auch in der Wirtschaftskrise ihre gut ausgebildeten Stammbelegschaften unter schwierigen Bedingungen zu halten. Außerdem ist die Bereitschaft von Unternehmen, auszubilden, nach wie vor gut.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir können es uns deshalb nicht leisten, auf das Potenzial gut ausgebildeter Migrantinnen und Migranten zu verzichten.
Für die Verbesserung der Anerkennung gibt es derzeit eine ganze Reihe von im Verfahren befindlichen Maßnahmen. Ich will darauf verzichten, die Maßnahmen noch einmal zu wiederholen; denn der Herr Minister und der Herr Kollege Callsen haben dies bereits getan. Vor dem Hintergrund der Vielzahl der Aktivitäten und der bundespolitischen Zuständigkeit ist deutlich geworden, dass das Problem offensichtlich erkannt worden ist. Ich knüpfe das aber auch ganz deutlich an die Erwartung, dass diesen Aktivitäten nun Taten und Initiativen folgen
Ich stimme dem Fazit des Ministers in dem Bericht insofern zu, als dass es keine länderspezifischen Alleingänge bei Anerkennungsverfahren geben soll. Ich stimme natürlich auch zu, dass das Anerkennungsverfahren nicht dazu dienen kann, die Qualitätsansprüche auf Berufsausbildungen herabzusetzen. Ich stimme auch zu, dass die Ergebnisse auf EU- und Bundesebene sowie die Ergebnisse aus der Selbstverpflichtung im nationalen Integrationsplan abzuwarten und in weitere Aktivitäten einzubinden sind. Wenn es jedoch keine länderspezifische Zuständigkeit gibt, dann muss die Landesregierung gemeinsam mit den Bundesländern dafür sorgen, dass es bei diesem Thema Bewegung gibt.
Mein Eindruck ist, dass das Thema insgesamt noch nicht mit der notwendigen Konsequenz verfolgt wird, weil es viele unterschiedliche Zuständigkeiten auf unterschiedlichen Ebenen gibt. Es fehlt eine Stelle, die die zugegebenermaßen guten Ansätze und Aktivitäten koordinieren kann und gezielt zu einem Ergebnis führen wird.
Ziel muss es meiner Ansicht nach unter anderem sein, eine Ausweitung des Rechtsanspruchs auf ein Anerkennungsverfahren für alle Migrantinnen und Migranten zu erreichen. Bislang gibt es diesen Rechtsanspruch ausschließlich für Aussiedler.
Besonders wichtig für Schleswig-Holstein im Interesse eines grenzüberschreitenden Arbeitsmarkts ist es, eine Regelung zur automatischen gegenseitigen Anerkennung von Berufsabschlüssen zwischen Dänemark und Deutschland zu erreichen. In diesem Zusammenhang sind die Aktivitäten des Arbeitsministers sehr positiv zu erwähnen, der schon sehr frühzeitig die Problematik aufgegriffen hat und aktiv geworden ist, obwohl dies eigentlich in der nationalstaatlichen Zuständigkeit liegt und wobei es nach den letzten Gesprächen in Kopenhagen erste Ergebnisse gibt. Das zeigt, dass wir auch auf Landesebene zu Erfolgen kommen können, wenn wir die Initiative ergreifen.
Ich bin der Ansicht, dass es noch eine ganze Reihe von Dingen gibt, die wir im Ausschuss zu diesem Thema besprechen sollten. Es besteht zudem die Notwendigkeit, sich darüber abzustimmen, in welchen Bereichen wir als Land Schleswig-Holstein initiativ werden können. Deswegen beantrage ich die Überweisung an den Bildungs- und den Wirtschaftsausschuss.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesrepublik wird bedauerlicherweise unter Einwanderern zunehmend unbeliebt. Seit Jahren nimmt die Zahl der Zuwanderer ab. Damit entwickelt sich Deutschland gegen den Trend. Im ganzen OECD-Raum hingegen nimmt die Zahl der niederlassungswilligen Emigranten zu.
Dieser negativen Einwanderungsentwicklung nach Deutschland steht eine stark schrumpfende Erwerbsbevölkerung gegenüber. Bis zum Jahr 2020 wird sich bei uns der Anteil der Erwerbstätigen um 2,5 % verringern. Ohne Migration würde diese Verringerung sogar 6 % betragen. Mit eingerechnet ist dabei die Ausschöpfung des sogenannten ruhenden Erwerbspotenzials. Dies sind Frauen, ältere Menschen und niedriger Qualifizierte. In 20 der insgesamt 27 OECD-Länder ist dagegen dieser Trend umgekehrt. Dort wird mit einer Zunahme der Erwerbstätigen gerechnet.
Darüber hinaus fällt Deutschland im internationalen Wettbewerb um Hochqualifizierte immer weiter zurück. Die 2005 im Zuwanderungsgesetz beschlossenen Erleichterungen hatten kaum Einfluss auf die Zuwanderung von Hochqualifizierten. Diejenigen, die von diesen Erleichterungen profitiert haben, hatten bereits eine befristete Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland.
Ein Grund, warum wir im Gegensatz zu anderen Ländern nicht von der Zuwanderung profitieren, ist die oftmals komplizierte und langwierige Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse. Der von der Landesregierung vorgelegte Bericht schlüsselt die Problematik sehr deutlich auf: Verbindliche rechtliche Regelungen gibt es nur für bestimmte Personengruppen. Eine formale Vergleichbarkeit von Berufsausbildungen und Abschlüssen gibt es nur aufgrund bilateraler Abkommen mit einigen wenigen Ländern. Hinsichtlich einer einheitlichen Anerkennung befinden sich die Bundesländer, der Bund und die EU derzeit in einem Abstimmungsverfahren. Wann diese Verfahren abgeschlossen sind und ob es dann überhaupt ein konkretes einheitliches Vorgehen geben soll, ist noch völlig offen.
Selbstverständlich muss geprüft werden, nach welchen Kriterien ein Ausbildungsgang anerkannt werden kann. Selbstverständlich muss auch sichergestellt werden, dass der Wunsch nach einer Vergleichbarkeit von Abschlüssen weder direkt noch indirekt zu einer Herabstufung von deutschen Abschlüssen führt. Das ist bei unterschiedlichen Bildungsstrukturen nicht immer einfach. Deutschland ist seit über 50 Jahren Mitglied der Europäischen Union beziehungsweise der Vorgängerorganisation. Da sollte man trotz dieser Schwierigkeiten bei der wechselseitigen Anerkennung von Bildungsabschlüssen innerhalb Europas meinen, man wäre bereits ein Stück weitergekommen.
Allein vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung haben wir in Deutschland bei der Anerkennung einen erheblichen Nachholbedarf. Mittlerweile läuft uns die Zeit im Wettbewerb mit anderen Ländern um Fachkräfte schlicht und ergreifend davon. Diese Fachkräfte werden wir nur dann gewinnen, wenn schnell verbindliche Regelungen hinsichtlich der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen verabredet werden können.
Andernfalls läuft auch der Vorschlag der Europäischen Kommission ins Leere, mit der Einführung einer sogenannten Blue Card Zulassungsverfahren zu entwickeln, um die sich ändernde Nachfrage nach Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt zu steuern, wenn es parallel keine verbindlichen Regelungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse geben sollte.
Je flexibler, transparenter und unbürokratischer ein Anerkennungsverfahren ist, desto besser wird Deutschland im Wettbewerb um die besten Köpfe aufgestellt sein.
Wir müssen zumindest für die wichtigsten Länder von Einwanderern Regelungen finden, die zu einheitlichen Standards führen. Das heißt dann auch im Zweifel, die Wege für bilaterale Abkommen freizumachen.
Herr Kollege Callsen, ich denke schon, dass Schleswig-Holstein hier in der Tat mit gutem Beispiel vorangehen kann, wenn es sich dafür einsetzt, dass es bald schon ein bilaterales Abkommen mit Dänemark geben wird.
Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wir hatten den Bericht damals beantragt. Er ist dreimal vertagt worden. Ich finde, das hat ein bisschen etwas mit dem Thema zu tun. Man lässt offensichtlich warten. Warten - viele Migranten warten jahrelang darauf, dass anerkannt wird, was sie können. In der öffentlichen Debatte wird ihnen immer wieder vorgeworfen, dass sie sich nicht integrieren wollen. Das Problem ist jedoch, dass ausländische Diplome in Deutschland selten anerkannt werden. Herr Kollege Garg hat darauf dankenswerterweise hingewiesen, was das auch international für Folgen hat. Ohne anerkannten Abschluss gelten Zugewanderte in der Bundesrepublik als ungelernte Arbeitskräfte. Sie können in jedem Bereich eingesetzt werden - oft völlig überqualifiziert. Bauingenieure werden zu Anstreichern, Lehrerinnen zu Reinigungskräften. Ich persönlich kenne eine Reihe von hoch qualifizierten Akademikerinnen und Akademikern - Sie sicherlich auch -, die völlig unterqualifiziert in dem Bereich arbeiten.
Während die Armutsrisikoquote in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund bei fast 12 % liegt, liegt sie bei Eingewanderten bei 28 %. Die Arbeitslosenquoten von Akademikerinnen und Akademikern mit Migrationshintergrund ist in Deutschland deutlich höher als in den meisten OECD-Staaten.
Nicht wenige werden durch diese Zahlen zu der falschen Annahme verleitet, Armut sei ursächlich ein ethnisches Problem. Das Vorurteil schlägt wiederum Zugewanderten als Diskriminierung bei der Ausbildungs- und Arbeitsplatzvergabe entgegen. So entstehen Ghettos.
Nun haben sich Bund, Länder und die Wirtschaft zum nationalen Integrationsplan verpflichtet und wollen dabei auch diese Anerkennungsverfahren und Maßnahmen optimieren. Die Länder - und somit auch Schleswig-Holstein - betonen, dass die im Ausland erworbenen Schul-, Bildungs- und Berufsabschlüsse volkswirtschaftlich besser genutzt werden sollen, das haben wir hier gerade alles gehört. Aber es ist wenig passiert.
Vor diesem Hintergrund ist immerhin zu loben, dass die Landesregierung zusammen mit Praktikern für Integration in diesem Land einen Leitfaden für berufliche und schulische Anerkennungsverfahren erstellt und im Internet veröffentlicht hat. Aber die Bundesbehörde, die alle ausländischen Schulzeugnisse und viele akademische Abschlüsse überprüft ZAB; davon war die Rede -, ist total überlastet. Die Prüfung dauert häufig gern ein Jahr oder länger. Und so lange können die Zugewanderten in ihrem Beruf nicht arbeiten und verlieren selbst dann, wenn ihre Papiere irgendwann behördlich anerkannt werden, durch die lange Wartezeit auf dem Arbeitsmarkt faktisch an Qualifikation und Status.
Und nur, weil diese Behörde unterfinanziert ist und offensichtlich niemand findet, dass sich an diesem Zustand etwas ändern soll, haben wir diese Situation, hier Tempo zu machen. Das allein löst noch nicht das Strukturproblem, aber es wäre schon ein wichtiger Schritt voran.
Nun überlegen Bund und Länder nach vielen Jahren, dass die für die Spätaussiedlerinnen und -aussiedler gefundenen erleichterten Anerkennungsregeln auch für die Einwanderer anderer Nationalitäten genutzt werden sollen. Das ist ein Fortschritt. Umgesetzt ist aber auch ein Jahr nach der großen Verkündigung noch gar nichts. Es ist jetzt im Herbst die nächste Veranstaltung in dieser Angelegenheit. Frau Staatssekretärin Wiedemann fährt für die Landesregierung hin. Ich kann nur hoffen, dass sie ein bisschen Dampf in der Sache macht.
Es wird nämlich in dem Bericht noch nicht einmal angesprochen, welche Erleichterungen denn genutzt werden sollen. Nun kann aber - und da widerspreche ich all meinen Vorrednerinnen und Vorrednern - die Landesregierung in vielen Bereichen auch ohne Rückendeckung aus dem Bund handeln, und das tun die Bundesländer auch. Sie tun es auf sehr verschiedene Weise. Und es tun auch viele Firmen. Denn in dem Moment, in dem jemand von einer Firma dringend angefordert wird, da geht das plötzlich ganz fix, und da können plötzlich auch Anerkennungen ausgesprochen werden, die in anderen Fällen völlig unmöglich sind.
Zum Beispiel das Thema Lehrkräfte: In Hamburg wurden pädagogische Fachleute für Integration wegen ihres Migrationshintergrundes als Lehrkräfte also Leute, die schon in ihrem Heimatland als Lehrer tätig waren - schon in den 80er-Jahren mit vollwertigen Angestelltenverträgen an den Schulen ein
gesetzt. Wir haben hier in Schleswig-Holstein Menschen, die fließend deutsch sprechen, die in Russland oder in der Türkei jahrelang als Lehrkräfte Leute zur Hochschulreife gebracht haben. Und hier wird ihnen gesagt: Ihre Ausbildung erkennen wir höchstens als Abitur an, und wenn Sie Glück haben, erkennen wir das als erstes Staatsexamen an. Als Hilfslehrer dürfen Sie selbstverständlich für einen Appel und ein Ei an unseren Schulen tätig sein - beim Nachmittagsprogramm oder der Hausaufgabenhilfe. Ja, wir setzen Sie sogar als Vertretungslehrer ein. Aber einen Job im Angestelltenverhältnis mit unbefristeter Anstellung, das bekommen Sie hier nicht, denn wir erkennen ja Ihren Abschluss nicht an. Machen Sie noch mal ein Referendariat, machen Sie am besten noch mal ein neues Studium!