Ich fasse zusammen: Wichtig ist der CDU-Fraktion, dass die FUEV ihre Arbeit auch und gerade in ihrem Jubiläumsjahr beständig und erfolgreich fortsetzen kann. Die Mittel, um die akute finanzielle Notlage zu beheben, müssen aufgebracht werden. Unser Ziel ist es, dass die FUEV zukünftig eine institutionelle Förderung vom Bund erhält. Denn nur so ist es möglich, den Standort der FUEV in Flensburg auch auf lange Sicht zu sichern. Ich bitte daher um die Zustimmung zu dem Antrag des SSW.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FUEV ist neben dem ECMI eine zweite europaweit arbeitende und europaweit anerkannte unabhängige Institution zur Vertretung von Minderheiten in unserem Grenzland. Allein die Standortentscheidung für Flensburg zeigt ein hohes Maß an Anerkennung der Minderheitenpolitik in unserem Land allgemein und in der Grenzregion zu Dänemark im Besonderen.
Doch vor allem die minderheitenpolitische Arbeit der FUEV als Ratgeber, Kompetenzzentrum und Ansprechpartner für die Politik ist und bleibt von hoher Bedeutung und ist für das besondere und sensible Thema der Minderheitenpolitik unverzichtbar. Ich schließe mich dem Dank von Frau Herold an Hans Heinrich Hansen an, möchte mich aber auch bei seinem Team bedanken, das mit einer relativ kleinen Besetzung europaweit arbeitet und seine Aufgaben sehr gut erledigt.
Für uns als SPD-Fraktion ist Minderheitenpolitik Friedenspolitik nach innen; das gilt sowohl innerstaatlich als auch innereuropäisch. Schon deshalb haben wir ein vitales politisches Interesse daran, die Geschäftstelle der FUEV in Flensburg zu halten und weiter zu fördern. Ich hoffe sehr, dass es gelingt, die finanziellen Probleme zu lösen. Wir jedenfalls werden unseren Teil dazu beitragen. Der Vortrag von Hans Heinrich Hansen in der vergangenen Sitzung des Europaausschusses hat sicher noch einmal deutlich gemacht, wie notwendig ein gestärktes Bewusstsein für die wichtige Arbeit der FUEV ist.
Der Antrag des SSW weist aber auch auf eine andere Frage hin, die in Zukunft an Bedeutung gewinnen sollte und die ich vertiefen möchte: die Rolle der Bundesrepublik in der Minderheitenpolitik. Es ist richtig, Minderheitenpolitik in erster Linie in den Ländern zu diskutieren, in denen die Minderheiten leben. Das sind Schleswig-Holstein mit der größten Anzahl an Gruppen, Sachsen und Brandenburg mit dem Volk der Sorben, aber auch Niedersachsen mit der kleinen Gruppe der Saterfriesen sowie Rheinland-Pfalz, das eine Vereinbarung mit den dort lebenden Sinti und Roma getroffen hat. Rheinland-Pfalz ist diesbezüglich bisher als einziges Bundesland seiner Verantwortung gerecht geworden.
Einerseits werden die Sinti und Roma von den Ländern häufig als nicht landestypisch eingeschätzt; das ist auch in Schleswig-Holstein der Fall. Es wird darauf verwiesen, sie seien eine Streuminderheit, für die die gesamte Bundesrepublik zuständig sei. Andererseits wird aber auf Bundesebene argumentiert, es sei eine Minderheit in den Ländern, um die sich die Länder kümmern sollten. Deswegen ist die Situation der Sinti und Roma in Deutschland schwierig. Wir würden gut daran tun, dies auch auf Bundesebene zu diskutieren.
Im Übrigen will ich noch einmal meine Meinung bekräftigen, dass eine Regelung zu den Sinti und Roma in die Landesverfassung gehört.
Allein meine Aufzählung der verschiedenen Minderheiten macht deutlich, dass Minderheitenpolitik eine bundesweite Dimension hat, die bisher noch nicht oder nur wenig beachtet wurde. In Berlin existieren zwar Minderheitengremien, sodass die Minderheiten ihre Forderungen vorbringen können. Ein abgestimmtes System oder eine feste politische Struktur besteht aber noch nicht. Die Verantwortung des Bundes für die Minderheiten ist noch sehr unterentwickelt.
Wir wollen deshalb eine neue bundesweite, eine zwischen den Ländern und dem Bund abgestimmte und systematische Minderheitenpolitik. Insbesondere die Möglichkeiten des Minderheitenbeauftragten des Bundes, Herr Dr. Bergner, werden immer noch nicht voll ausgeschöpft, geschweige denn weiterentwickelt. Aus meiner Sicht wird diesbezüglich zu viel verwaltet und zu wenig gestaltet.
Ich hoffe sehr, dass es - auch mit seiner Hilfe nicht nur gelingt, die Bundesregierung zur Lösung des aktuellen Problems der FUEV zu bewegen, sondern darüber hinaus eine neue und größere Anstrengung zum Schutz und zur Förderung der Minderheiten in Deutschland auf den Weg zu bringen.
Ich will noch einen weiteren Aspekt ansprechen, den auch die Kollegin Spoorendonk genannt hat. Die Minderheitenpolitik verliert auf europäischer Ebene zurzeit an Interesse und Dynamik. Der hohe Stellenwert, den dieses Politikfeld noch in der Zeit der Beitritte zur Europäischen Union hatte, geht im Augenblick verloren, obwohl in allen Staaten Europas Minderheiten leben. Wir werden die Situation der Minderheiten in Europa nicht fördern und verbessern können, wenn es nicht gelingt, die Nationalstaaten dazu zu bringen, die europäische Minderheitenpolitik als integralen Bestandteil ihrer politischen Verantwortung zu empfinden.
Es gibt derzeit einen Genozid an den Sinti und Roma in Europa. Dies wird deutlich, wenn wir in die südosteuropäischen Länder, aber auch nach Italien schauen. Deswegen brauchen wir auf europäischer Ebene eine neue und stärkere Dynamik in der Minderheitenpolitik, die von den Nationalstaaten ausgehen muss. Aus diesem Grund bedarf es einer nationalen Dimension der Minderheitenpolitik.
All das wird erfolgreich sein, wenn es gelingt, die FUEV als Partner zu gewinnen. Um die FUEV als Partner zu gewinnen, müssen wir sie fördern, erhalten und unterstützen. Das ist gut für Europa, und das ist gut für unser Grenzland.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion unterstützt den Antrag des SSW, der sich für eine Stärkung der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen, der FUEV, einsetzt.
Als eines der wenigen Bundesländer mit nationalen Minderheiten und angesichts der Bedeutung der Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland hat
Schleswig-Holstein in dieser Frage besondere Interessen. Wir sollten daher auch gegenüber den anderen staatlichen Ebenen als Fürsprecher für den Dachverband der nationalen Minderheiten Europas auftreten. Diese Rolle sollten wir nicht nur gegenüber der Bundesregierung wahrnehmen, sondern auch gegenüber der EU-Kommission.
Es ist erklärungsbedürftig, warum die EU-Beamten in Brüssel die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zur Förderung zivilgesellschaftlicher Strukturen in der Europäischen Union an bestimmte Verbände vergeben, an andere aber nicht. Während beispielsweise dem Dachverband der nationalen Minderheiten Europas FUEV trotz mehrerer Anläufe bislang keine institutionelle Förderung zugestanden worden ist, hatte die Dachorganisation der freiwilligen Feuerwehren Europas wesentlich mehr Glück. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass auch deren Engagement und Strukturen auf europäischer Ebene unterstützt werden. Weshalb aber die Vertretung der nationalen Minderheiten FUEV bisher leer ausgegangen ist, ist im Hinblick darauf schwer verständlich.
Dabei geht es ja nicht um „weltbewegende“ Summen. Die FUEV kämpft mit einem jährlichen Defizit von 60.000 €; in diesem Jahr ist allerdings aus besonderen Gründen ein Fehlbetrag in doppelter Höhe entstanden. Letztlich handelt es sich aber um Beträge, die sich in einem sehr bescheidenen Rahmen halten. Die FUEV-Geschäftsstelle in Flensburg ist mit zweieinhalb Stellen ganz gewiss nicht gerade üppig besetzt. Ihre wichtigsten Förderer auf staatlicher Ebene sind - Anke Spoorendonk hat es vorhin schon erwähnt - die Region Südtirol, das Königreich Dänemark, die deutschen Bundesländer Sachsen und Schleswig-Holstein sowie die Republik Ungarn.
Die Bundesrepublik Deutschland, sprich die Bundesregierung, widmet sich im Ausland zwar der Unterstützung von 22 deutschen Minderheiten, die in anderen Staaten beheimatet sind, sie hat aber dem Dachverband FUEV, der auch die Interessen der deutschen Minderheiten in Europa in gebündelter Form vertritt, bisher keine institutionelle Förderung zukommen lassen. Der im Antrag des SSW formulierte Appell an die Bundesregierung, dies zu ändern, sollte, wie wir meinen, die Unterstützung des gesamten Hauses erhalten.
Die nationalen Minderheiten brauchen in Europa eine starke Stimme. Falls diese Stimme verstummt, würde sich die EU ein weiteres Mal von den Idealen des europäischen Einigungsgedankens entfernen. Denn zu diesen Wertvorstellungen, die mit dem europäischen Einigungsgedanken verbunden sind, gehört nicht zuletzt auch der Respekt gegenüber Minderheiten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Schutz und die Bewahrung von Minderheiten und Identitäten sind wichtige Grundsätze grüner Politik. Unser Gesellschaftsbild geht von der individuellen Entfaltung möglichst unterschiedlicher Lebensformen und Lebensläufe aus.
Was allgemein gilt, gilt natürlich auch für diejenigen Menschen in der Bundesrepublik, die sich einer nationalen Minderheit zugehörig fühlen. Daher betrachten wir die Minderheitenarbeit als wichtige und ständige politische Aufgabe.
Die FUEV, die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen, leistet hierzu einen wichtigen Beitrag. Sie befasst sich allerdings ausschließlich mit den sogenannten nationalen Minderheiten. Aber es gibt ja nicht nur diese nationalen Minderheiten, sondern auch religiöse, kulturelle, sexuelle und soziale Minderheiten in Europa und deren Geschichte von Benachteiligungen, Diskriminierungen und Verfolgung. Die sogenannten neuen Minderheiten, die Arbeitsmigranten, sind nicht Teil der Arbeit der FUEV, obwohl es sich bei ihnen ebenfalls um nationale Minderheiten handelt. Einige Kollegen erwähnten dies schon. Wir würden uns freuen, wenn die Arbeit auch insoweit verstärkt würde.
Viele Angehörige der ,,neuen Minderheiten“ leben seit mehreren Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland oder wurden in der zweiten und dritten Generation hier geboren. Dennoch heißt es immer wieder, sie hätten das Zentrum ihrer ethnischen, kulturellen und sprachlichen Identität in einem anderen Land. Von diesen Gruppen oftmals eine unbedingte Integration und Assimilierung eingefor
dert. Die Bewahrung der eigenen Sprache und Kultur wird bei den Eingewanderten, den ,,neuen Minderheiten“, anders betrachtet als zum Beispiel bei der dänischen Minderheit. Die Dänen machen nationale Jahrestreffen und Umzüge. Die Deutschen und insbesondere die Iren in New York zelebrieren Jahrestage in spektakulärer Weise. - Man stelle sich einmal vor, die Türken würden am Kieler Ostufer in Gaarden ähnliche Feste feiern. Das würde vielleicht befremden. Ich fände es gut, und die Kollegin Astrid Höfs, die Vorsitzende des Europaausschusses nennt auch eine Reihe positiver Beispiele, so das Fest der Nationen in Wahlstedt.
Bei den autochtonen nationalen Minderheiten ist die Betrachtung also oftmals eine andere. Wir lehnen diese Differenzierung und unterschiedliche Betrachtungsweise der angestammten autochtonen Minderheiten - dazu gehören übrigens, wie bereits gesagt wurde, auch die Sinti und Roma - und der sogenannten neuen Minderheiten mit Migrationshintergrund ab.
Die FUEV betont in ihrer Arbeit, dass die Erhaltung und Förderung der nationalen Identität der Sprache, Kultur und Geschichte der nationalen Minderheiten mit friedlichen Mitteln verfolgt werde. Das ist wichtig und richtig. Dies ist eine sehr wertvolle Arbeit.
Es kann leicht geschehen, dass gesellschaftliche Konflikte aus ihrem sozialen und ökonomischen Kontext herausgelöst und stattdessen zu Problemen zwischen ethnisch definierten ,,Volksgruppen“ stilisiert werden. So etwas kann eher zur Verschärfung von Konflikten statt zu ihrer Beilegung beitragen. Ich nenne ein Beispiel:
Wir erinnern uns noch gut an den Wahlkampf in Hessen, wo der Versuch von Roland Koch glücklicherweise krachend misslang, den Überfall auf einen Rentner in München durch zwei Jugendliche aus Migrantenfamilien für seine Wahlkampfzwecke zu instrumentalisieren. In der darauf einsetzenden Debatte wurde die Erkenntnis der Experten, dass die Schläger nicht Ausländer waren, sondern Unterschichtjugendliche, deren Verhalten sich bei deutschen Unterschichtjugendlichen auch beobachten lässt, Allgemeingut, und Koch konnte mit seinem gefährlichen Kurs nicht punkten.
Da war ich ein bisschen Stolz, in Deutschland zu leben. Zu Recht schrieb Ole von Beust einen geharnischten Brief zum hessischen Wahlkampf, wenn