Protocol of the Session on September 29, 2005

Der Anteil der schriftlichen Anfragen an die Bürgerbeauftragte ist im Berichtsjahr leicht gesunken und wird voraussichtlich noch weiter sinken. Damit entwickeln sich die Außensprechtage zu einem wichtigen Scharnier zwischen Bürger und Landespolitik.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Darum ist es besonders wichtig, dass a) diese Sprechtage publik gemacht werden und b), dass man immer daran denkt, dass das Ganze auch mit Geld oder Sachleistungen unterfüttert sein muss, damit diese Sprechstunden stattfinden können. Das ist unheimlich wichtig für die Bürgernähe in unserem Land.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Mich hat gewundert, dass jeder vierte Petent durch andere Verwaltungen auf die Sprechtage aufmerksam gemacht wurde. Kann das ein Hinweis auf ein wachsendes Unwohlsein in den Verwaltungen sein? Möchten die Verwaltungsmitarbeiter gern helfen, können dies aber möglicherweise nicht und hoffen von außen auf eine Hilfestellung durch eine unabhängige Person oder Institution?

Wenn das so sein sollte, ist das ein Alarmzeichen in Bezug auf die innere Verfassung von Behörden und Verwaltungen. Der Bericht hat anhand der Arbeitsagenturen exemplarisch beschrieben, welche Folgen Umstrukturierungen haben können. Erfahrene Mitarbeiter werden umgesetzt und die neuen scheuen sich,

Entscheidungen zu treffen, weil ihnen oft auch die Grundlagen fehlen. Hier könnte der Grund für die Verweisung auf die Bürgerbeauftragte liegen. Die Mitarbeiter können sich sicher sein, dass das Problem wahrscheinlich gelöst wird, und sie selber sind leider noch nicht in der Lage, dieses Problem lösen zu können. Deswegen bedient man sich dieses Hilfsmittels Bürgerbeauftragte. Auch das müssen wir berücksichtigen, wenn wir über Neustrukturierung von Verwaltung nachdenken.

Insgesamt möchten auch wir der Bürgerbeauftragten und ihrem Team für ihre Arbeit danken. Wir sehen den Bericht als Anregung, als Landtag dort tätig zu werden, wo wir es im Sinne der Menschen können, und als Land Schleswig-Holstein unsere Verwaltung so zu organisieren, dass sie noch bürgerfreundlicher wird, als sie ohnehin schon ist.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Harms.

Es ist beantragt worden, den Bericht Drucksache -

(Zurufe - Wolfgang Baasch [SPD]: Darf die Ministerin nicht reden? Mein Gott, wenn man hier nicht immer aufpasst!)

- Ich bin so froh, Herr Kollege Baasch. Selbstverständlich darf die Ministerin gern reden. Ich erteile ihr hiermit das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich sehr herzlich bei Frau Wille-Handels und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diesen umfangreichen und sehr aufschlussreichen Tätigkeitsbericht 2004 bedanken. Das ist eine wunderbare Leistung und dieser Bericht zeigt einmal mehr, dass die Bürgerinnen und Bürger im Land in der Bürgerbeauftragten eine kompetente Ansprechpartnerin sehen, dass sie sie für eine neutrale Vermittlerin halten und - je nach Fall - auch für eine kämpferische, parteiische Anwältin in allen sozialen Angelegenheiten.

Ich freue mich deshalb sehr, dass es in den Koalitionsverhandlungen gelungen ist, die Aufgaben der Bürgerbeauftragten in der gegenwärtigen Form zu erhalten. Das ist ein wichtiges Signal für die Menschen in unserem Land und das haben sie auch wahrgenommen. - Herzlichen Dank, Frau Wille-Handels!

(Beifall)

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider gilt aber unverändert, dass das Recht der sozialen Sicherung für viele Menschen unübersichtlich ist, dass es häufig als undurchdringliches Dickicht empfunden wird. Darüber hinaus stimmt auch der Stil häufig nicht. Hinzu kommt, dass die mit den größeren Reformvorhaben verbundenen Umstellungen in den Sozialbehörden diese erheblich belasten und dabei die individuelle Beratung der Hilfesuchenden über Ansprüche und Verfahrensregelungen durch diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - es ist vorhin schon angesprochen worden - mitunter zu kurz kommt. Bereits der Bericht für das Jahr 2003 hat dies am Beispiel der neuen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gezeigt. Gleiches gilt nach wie vor für die Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Ein neues Thema, das hier angesprochen worden ist, ist die Arbeit der geschaffenen gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation. Diese wird, um es milde zu sagen, noch nicht für optimal gehalten. Deshalb begrüßen wir auch die Anfrage der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und werden dieser Thematik intensiv nachgehen. Ich glaube, dass die Zeit bis zur Befassung hier im Landtag auch wichtig ist, um differenziertes Datenmaterial zusammenzutragen, weil es natürlich - wie häufig bei einer solchen Einschätzung - verschiedene Meinungen gibt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unabhängig davon ist es der Landesregierung sehr wichtig, dem Anliegen des Gesetzes, mithilfe der Servicestellen die Unübersichtlichkeit des RehaRechts zu überwinden und Menschen mit Behinderung Teilhabe und Selbstbestimmung zu ermöglichen, Rechnung zu tragen. Deswegen kann es nicht sein, dass die Servicestellen ihre Aufgaben gerade mit Blick auf die Übersichtlichkeit und Serviceorientierung nicht bewältigen. Das wäre nicht im Sinne des Gesetzgebers.

Die Hinweise der Bürgerbeauftragten auf Probleme bei Kindergeld und Kinderzuschlag sind hoch aktuell. Es ist ein Trauerspiel, wenn Familien und Kinder die Folgen von Neuorganisation innerhalb großer Verwaltungen so hautnah und folgenschwer zu spüren bekommen, wie das zurzeit übrigens nicht nur, aber auch in Schleswig-Holstein der Fall ist. Ich habe mich deshalb bei der Bundesregierung für durchgreifende Verbesserungen eingesetzt. Es kann nicht akzeptiert werden, dass Eltern nicht zu dem Geld kommen, das sie häufig tatsächlich brauchen, um ihre Kinder versorgen zu können.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß, dass eine Familienkasse - und zwar eine Familienkasse im umfassenden Sinn, nämlich für alle finanzpolitischen Leistungen - eine große Herausforderung ist, weil diverse Gesetze dahinter stehen. Aber auch dieses Ziel der einheitlichen Familienkasse muss im Interesse der Familien mit Nachdruck verfolgt werden.

Ich unterstütze ausdrücklich die Forderung der Bürgerbeauftragten, dass die persönliche Beratung in den Sozialbehörden den aktuellen Haushaltsproblemen der öffentlichen Hand nicht zum Opfer fallen darf. Das muss erst recht gelten, wenn größere Veränderungen in den Sozialleistungssystemen Besorgnisse der Bürgerinnen und Bürger auslösen, die die gesellschaftliche Akzeptanz von Änderungsprozessen gefährden können.

Mein Haus nimmt den Auftrag der Verwaltungsmodernisierung deshalb sehr ernst, denn es ist mein Prinzip, dass Menschen in Zeiten von Umbrüchen, in Zeiten, die Angst auslösen, auf verlässliche Beratung Anspruch haben. Dies müssen wir auch professionell einlösen. Das gilt aber nicht nur für staatliche Stellen, das gilt auch für Sozialversicherungsträger und ihre Selbstverwaltung, die hier eine wichtige Aufgabe wahrzunehmen haben.

Der Bericht liefert Beispiele dafür, dass die Gesetzeslage nicht immer problemgerecht ist, dass der Staat sehr komplexe Regelungen schafft, die auch Experten nicht immer durchschauen. In der Tat sollten wir nicht dem Irrglauben verfallen, dass ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit durch ein Mehr von gesetzlichen Regelungen zu erreichen sei. Die Forderung der Bürgerbeauftragten nach Verständlichkeit der Formulierung schriftlicher Entscheidungen verstehe ich deshalb nicht nur als einen Hinweis für die praktische Arbeit der Sozialbehörden, sondern auch als Appell an Regierung und Parlament, die Zahl der Regelwerke zu beschränken und ihren Inhalt übersichtlich und allgemein verständlich zu halten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Wille-Handels, ich möchte Ihnen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Namen der Landesregierung nochmals für Ihren Einsatz, für Ihr Engagement und für die konstruktiv-kritische Zusammenarbeit mit den Behörden im Land danken.

(Beifall)

Ich danke Frau Ministerin Dr. Gitta Trauernicht. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor und ich schließe damit die Beratung.

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist Ausschussüberweisung an den Sozialausschuss zur abschließenden Beratung beantragt. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landesbeamtengesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/255

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne damit die Grundsatzberatung. Das Wort hat der Innenminister, Herr Dr. Ralf Stegner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Durch den vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Landesbeamtengesetzes sollen mit Wirkung zum 1. Januar 2006 die Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten sowie Beamtinnen und Beamte des Einsatzdienstes der Feuerwehr an den Kosten der Heilfürsorge beteiligt werden. Die künftige Eigenbeteiligung setzt nicht nur eine Aussage des Koalitionsvertrages um, sie trägt auch den Forderungen des Landesrechnungshofs in seinem Prüfbericht von 2002 Rechnung.

Bislang wurden Polizeibeamten Leistungen im Umfang der gesetzlichen Krankenversicherung kostenlos gewährt. Demgegenüber sind alle anderen Landesbeamten seit jeher gehalten, sich privat zu versichern. Hinzu kommt seit Anfang des Jahres 2005 ein nach Einkommen gestaffelter Beihilfeselbstbehalt. Von daher ist ein Beitrag der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten an den Kosten der Heilfürsorge gerecht. Die Länder Niedersachsen, Hamburg und Brandenburg haben solche Regelungen allerdings teilweise in ganz anderer Dimension schon beschlossen.

Die vorgesehene Eigenbeteiligung ist unter Zugrundlegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zulässig, da den Beamten in der Neufassung des § 212 Landesbeamtengesetz ein Wahlrecht zwischen Heilfürsorge und Beihilfe eingeräumt wird. Eine Eigenbeteiligung von 1,4 % des Grundgehalts entspricht Monatsbeiträgen zwischen 11,50 € in der niedrigsten und 85 € in der höchsten Besoldungsgruppe. Für die meisten Polizeibeamten wird die monatliche Belastung zwischen 31 € und 35 € liegen. Dies ist im Vergleich zu den Kosten einer privaten Krankenversicherung der Beihilfeberechtigten maßvoll und zumutbar. Angesichts dieser vergleichsweise

geringen Belastung werden, wie die Erfahrungen in anderen Bundesländern zeigen, nur in wenigen Ausnahmefällen Polizeibeamte von ihrem Wahlrecht zugunsten der Beihilfe Gebrauch machen.

Parallel zu den belastenden Maßnahmen durch die geringfügige Eigenbeteiligung an der Heilfürsorge erhalten die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten durch das Polizeistrukturkonzept aber auch bessere Aufstiegschancen. Dieses Konzept bedeutet für die Polizeibeamten mehr Klarheit für ihren Karriereverlauf. Es eröffnet von 2006 bis 2010 rund 2.870 Beförderungsmöglichkeiten. Nahezu jeder zweite Polizeibeamte wird in dieser Legislaturperiode befördert.

Darüber hinaus wird es derzeit keine Verlängerung der Lebensarbeitszeit geben. Wir haben nun für die gesamte Legislaturperiode ein Personalstrukturkonzept vorgelegt, das auf den Grundsätzen der Klarheit, Wahrheit und Planbarkeit aufbaut.

Mit den vorgenannten Initiativen haben wir aus dem Landeshaushalt wirklich herausgeholt, was herauszuholen war. Wenn der Finanzminister hier wäre, würde er mir das sicherlich bestätigen. Weitergehende Wünsche sind menschlich nachvollziehbar, aber angesichts der Lage der Landesfinanzen unrealistisch.

Nach der Entwicklung der neuen Polizeistrukturreform und den Verbesserungen in der Sachausstattung - vom Digitalfunk über die Schutzwesten bis zu den Booten der Wasserschutzpolizei - wird nunmehr zügig die personelle Situation bei der Polizei insgesamt gestärkt.

Dem vonseiten der Opposition erhobenen Vorwurf, die kostenneutrale Finanzierung der Beförderung über die Eigenbeteiligung zur Heilfürsorge stelle eine Linke-Tasche-rechte-Tasche-Übung dar, möchte ich etwas entgegen halten: Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die zu erbringende Einsparung nicht dem Landeshaushalt zufließt, sondern bei der Polizei verbleibt. Es gibt bundesweit kein anderes Land, in dem Einsparungen im Polizeihaushalt diesem an anderer Stelle wieder zugute gekommen sind.

Eine bedeutende Landeszeitung hat die Lage Ihrer Partei, Herr Kollege Garg - leider ist er momentan nicht da,

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Herr Kubicki ist leider nicht da; deswegen spreche ich Sie an -, wie folgt ausgedrückt: schwach, schwächer, FDP. - Das ist vielleicht ein bisschen hart. Lassen Sie es mich so sagen: Sie betreiben Opposition nach dem

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Motto: Ich verspreche immer Dinge, die keine Regierung halten kann!