Protocol of the Session on January 29, 2009

Was machen Sie denn, Herr Minister? Sie können doch nicht sehenden Auges zulassen, dass unser schönes vielfältiges Land in Agrarmonokulturen umgewandelt wird. Sie lassen sehenden Auges zu, wie auf der Halbinsel Eiderstedt die Wasserstände abgesenkt und Gräben trockengelegt werden. Damit wird den Wiesen und Weiden die Grundlage entzogen. Gleichzeitig wird den Wiesenbrütern, schützenswerten Tieren und Pflanzen, die Lebensgrund

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

lage in einem Gebiet vernichtet, das einzigartige Voraussetzungen für die Natur bietet, als hätten Sie von den Auseinandersetzungen um die Gebietsausweitungen Natura 2000 nichts mitbekommen.

Die Parole der CDU „Naturschutz nur mit den Menschen“ entpuppt sich immer mehr als „Mensch, es geht auch ohne Naturschutz in Schleswig-Holstein“. Das Ganze wird flankiert von einer Agrarpolitik, die auf Milchmengenerhöhung, niedrigste Preise für Milch und zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft setzt. Darauf setzen Sie, Herr Minister. Es ist deshalb weder Wunder noch Zufall, dass Schleswig-Holsteins Grünland dabei unter die Räder beziehungsweise unter den Pflug gerät.

Die Große Koalition redet immer vom Erhalt der biologischen Vielfalt, sie redet vom Klimaschutz, sie redet und redet. Die Menschen im Lande werden Sie aber nicht nach ihren Sonntagsreden, sondern nach ihren Taten beurteilen, Herr Minister, und da sieht Ihre Bilanz vernichtend aus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir müssen diesen Aderlass an biologischer Vielfalt endlich stoppen. Jede zweite Pflanzenart, jede zweite Vogelart, dreiviertel der Amphibien in Schleswig-Holstein sind gefährdet oder bereits aus der Landschaft verschwunden. Wie in den Meeren die Korallenriffe sind unsere Wiesen und Weiden Tummelplätze der Artenvielfalt. Wir brauchen nicht weniger, sondern wir brauchen mehr davon.

Meine Damen und Herren, wir bitten Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Claus Ehlers das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der Naturschutzexperte spricht!)

- Davon kannst du ausgehen.

Mit der Halbzeitbilanz im Jahr 2003 hat die Europäische Union weitreichende Beschlüsse gefasst. Die Flächenprämie wird vereinheitlicht und damit für die Landwirtschaft in vorgegebenen Grenzen

mehr Freiraum bei der Flächennutzung eingeräumt. Dies haben auch die Antragssteller - BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - damals ausdrücklich begrüßt.

Die Landwirtschaft nutzt ihre Freiheit mit dem Ergebnis, die Grünen wollen alles wieder auf den Stand von 2003zurückdrehen. Uns sind alle planwirtschaftlichen Grundsätze fremd, wie wir sie in der Vergangenheit insbesondere in der Landwirtschaft und auch in der ehemaligen DDR hatten. Wir setzen auf marktwirtschaftliche Instrumente, insbesondere auch in der Landwirtschaft.

(Beifall bei CDU und FDP)

Schleswig-Holstein ist in der Nordregion im Verbund mit Hamburg das einzige Bundesland, in dem eine Grünlandverordnung erlassen wurde. Diese Verordnung entspricht zu 100 % den Vorgaben der Europäischen Union und ist in der Bundesrepublik Vorbild für kommende Verordnungen in allen anderen Bundesländern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Auf dieser Grundlage wirtschaften unsere Landwirte, und sie wirtschaften im Rahmen der Vorgaben in der Europäischen Union. Ob die Grünen dies akzeptieren oder nicht, die Regeln stehen und sind verbindlich. Niemand kann ausschließen, dass bei wieder steigenden Milchpreisen die Attraktivität der Grünlandbewirtschaftung größer wird.

Das „Sahnehäubchen“ des Antrags ist die Forderung, die Grünlandquote des Jahres 2003 wiederherzustellen. In diesem Zusammenhang stellen sich für uns einige Fragen: Soll etwa Ackerland zwangsweise zu Grünland umgebrochen werden? Sollen Flächen, auf denen Rohstoffe für Biogasanlagen angebaut werden, wieder zu Grünland werden? Soll ehemaliges Grünland, das nun als Ackerland verpachtet ist, umgebrochen werden? Solchen Fragen müssen Sie sich stellen, wenn Sie alles auf den Stand des Jahres 2003 zurückdrehen wollen, Herr Matthiessen.

(Beifall bei der CDU)

Wir als CDU-Fraktion haben uns immer für eine unternehmerische Landwirtschaft eingesetzt, die für den Markt produziert. Was BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier verlangt, ist eine Quotenregelung für Anbauflächen. Dieses planwirtschaftliche Instrument lehnen wir ab.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Davon haben die Herren nicht die geringste Ahnung. Das ist nun einmal so.

(Detlef Matthiessen)

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Nun hören Sie einmal zu. Das ist ein bisschen Nachhilfe für Sie.

Es bleibt daher festzuhalten: Erstens. Die Umwandlung von Grünland erfolgt im Rahmen der EU-Vorgaben, die in Schleswig-Holstein strikt eingehalten werden.

Zweitens. Aktiv und marktorientiert wirtschaftende Landwirte passen ihre Produktion den jeweiligen Verhältnissen an.

Drittens. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will die Landwirtschaft in ein planwirtschaftliches Korsett pressen. Mit unternehmerischer Freiheit hat das überhaupt nichts mehr zu tun.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir wollen Grünland erhalten, aber nicht mit neuen Restriktionen, sondern mit den rechtlichen Mitteln, die durch die Europäische Union vorgegeben sind. Trotz erheblicher Vorbehalte beantragen wir die Überweisung an den Umwelt- und Agrarausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Grünen wollen mit ihrem Antrag zwei Aspekte ansprechen. Erstens soll die Bedeutung des Grünlandes betont werden. Das war sehr lehrreich, aber das wussten wir schon, lieber Herr Kollege.

(Heiterkeit)

Zweitens soll die Landesregierung, der Sie böse Vorwürfe machen, zum Handeln aufgefordert werden. Auch das schlägt fehlt; denn es gibt Regeln, an die wir uns zu halten haben. In dieser Hinsicht haben wir alle notwendigen Dinge umgesetzt.

Die besondere Bedeutung des Grünlands als Grundlage für die Milchwirtschaft, aber auch für die Artenvielfalt, den Boden- und Gewässerschutz und damit für den Klimaschutz ist unbestritten. Nach den Daten des IPCC, dem zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen, eine Einrichtung, die zusammen mit Al Gore den Nobelpreis bekommen hat, aber auch des Umweltbundesamtes ist festzustellen, dass pro Hektar Grünlandumbruch 20 bis 35 t Bodenkohlenstoff freigesetzt

werden. Sie können sich das auch etwas einfacher vorstellen: Wenn Sie 1 m2 Grünland umbrechen, werden dabei bis zu 3,5 kg Bodenkohlenstoff freigesetzt. Das passiert übrigens auch in Ihrem eigenen Garten, wenn Sie dort das Grünland umbrechen und ein Blumenbeet anlegen oder vier Gartenplatten auf die Fläche legen.

Dies allein sollte schon Grund genug sein, Grünland zu schützen und seinen Erhalt durch Förderprogramme zu unterstützen. Das geschieht auch. Dennoch haben wir nicht nur in Schleswig-Holstein einen Rückgang des Grünlands zu verzeichnen. Die im Antrag genannten Zahlen mit einem Rückgang von 3,4 % bundesweit im Zeitraum 2003 bis 2008 und in Schleswig-Holstein von 7,5 % sind in der Tat ein alarmierendes Signal. Die Gründe für diesen Rückgang sind die zunehmende Flächenkonkurrenz zwischen Grünlandnutzung und alternativen Anbauformen auf dem Acker, zum Beispiel durch Mais und auch Weizen.

Mit der EU-Agrarreform sind die Weichen für den freien Markt ab 2013 gestellt, und es soll für die Landwirtschaft einvernehmlich die Wahlfreiheit dahin gehend bestehen, womit die Landwirte ihr Geld verdienen wollen. Es gibt also auch die Wahl der Bewirtschaftung zwischen Grünland und Ackerland. Es gibt jedoch auch klare Spielregeln darüber, wie dies zu erfolgen hat. Bei Verstößen sind Sanktionen möglich. So verpflichtet die EU-Verordnung Nr. 1782/2003 die Mitgliedstaaten zum Erhalt des Dauergrünlands. Durch folgende Rechtsvorschriften wird ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass das Verhältnis von Dauergrünland zu Ackerflächen auf Basis der 2003 beantragten Flächen um nicht mehr als 10 % zuungunsten des Dauergrünlandes abnehmen darf. Bei einer Abweichung von mehr als 5 % ist die Landesregierung ermächtigt, den Umbruch von Grünland zu verbieten oder von einer Genehmigung abhängig zu machen. Das ist geschehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Vielen Dank für den Beifall. - Minister von Boetticher hat im Juni vergangenen Jahres eine entsprechende Verordnung erlassen. Wer jetzt noch Dauergrünland umbrechen will, der darf das nur noch mit behördlicher Genehmigung tun. Wer dagegen verstößt, muss mit einer Kürzung der EU-Direktzahlungen rechnen. Erst bei einem Rückgang von mehr als 8 % kann die Landesverordnung vorschreiben, dass das umgebrochene Dauergrünland wieder eingesät wird, womit neue Flächen geschaffen werden. Aufgrund dieser Regelung besteht zurzeit keine rechtliche Möglichkeit, die von den Grü

(Claus Ehlers)

nen beantragten Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gründlandquote des Jahres 2003 zu ergreifen.

(Günther Hildebrand [FDP]: Und keine Not- wendigkeit)

Diese Regelungen gelten nicht nur für SchleswigHolstein, sondern sie gelten EU-weit. Darüber hinaus gibt es besondere Schutzauflagen im Naturschutz, besonders in Natura-2000-Gebieten. Wir sollten daher die weitere Entwicklung beim Grünlandanteil sorgsam beobachten und uns im Ausschuss nach dem Grünlandumbruchverbot über die aktuellen Daten berichten lassen. Dann sollten wir aufgrund der neuen Fördermöglichkeiten für das Grünland, die in den Beschlüssen zum Health Check, also zur Gesundheitsreform der Landwirtschaft, beschrieben werden, entscheiden, in welcher Form wir in Schleswig-Holstein Dauergrünland halten und stärken wollen.

Ich glaube, wir sind in diesem Land auf dem richtigen Weg. Neuen staatlichen Dirigismus brauchen wir nicht. Ich beantrage die Überweisung dieses Antrags an den Umwelt- und Agrarausschuss.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)