Protocol of the Session on January 29, 2009

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man möchte fast meinen, die Grünen rennen mit ihrem heutigen Antrag gegen weitere Grünlandverluste offene Türen ein. Der Kollege Höppner sagte es schon, bereits am 24. Juni letzten Jahres titelte unter anderem der „sh:z“:

,,Minister verbietet Bauern, Grünland umzupflügen.“

Im nachfolgenden Artikel wurde anschaulich beschrieben, aus welchen Gründen und unter welchen Voraussetzungen Landwirtschaftsminister von Boetticher das Umbrechen von Dauergrünland nur noch mit behördlicher Genehmigung gestatten will. Ein Grund zur Panik, wie ihn die Grünen wieder einmal suggerieren wollen, besteht also nicht.

(Beifall bei der FDP)

Richtig ist, dass es in Schleswig-Holstein erst 2005 gelungen ist, eine deutliche Schieflage in der Förderkulisse der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft wieder gerade zu rücken, indem die bis da

hin geltende Reduzierung der Ackerprämie wieder zurückgenommen wurde. Der grüne Landwirtschaftsminister Müller hatte sie seinerzeit eingeführt, weil er sich mehr seinem grünen Weltbild als einer unternehmerisch und marktwirtschaftlich orientierten Landwirtschaft in Schleswig-Holstein verpflichtet fühlte. Dabei muss es kein Widerspruch sein, die Förderung einer naturverträglichen und klimafreundlichen Grünlandbewirtschaftung auf die Beine zu stellen, die gleichermaßen für Landwirte rentabel ist und die Landschaft für Bewohner und Erholungssuchende attraktiv hält.

(Beifall bei der FDP)

Das aktuelle Positionspapier des Bundesamtes für Naturschutz „Grünland im Umbruch“ aus dem Oktober des letzten Jahres enthält dafür durchaus nennenswerte Vorschläge. Der damalige Landwirtschaftsminister Müller hatte es dagegen viel zu lange verstanden, die Länderoption zur Umverteilung der Flächenprämienkomponenten zugunsten des Dauergrünlands zu bedienen. Das hat nicht nur viele Landwirte gegen ihn aufgebracht. Es hat vor allem zu einer Entwicklung beigetragen, die bei den Landwirten dazu geführt hat, Grünland sogar teilweise nur vorsorglich vor Ablauf des Fünfjahreszeitraums wieder umzubrechen, nur um nicht den Status Dauergrünland zu erhalten.

(Beifall bei der FDP)

Übrigens hat auch das seinerzeitige Vorhaben des Ministers Müller, ganz Eiderstedt unter Vogelschutz zu stellen, zu einem zusätzlichen Umbruch von Weideland in Ackerland und - nebenbei gesagt - auch zu Drainage geführt, was auch schon kritisiert wurde, weil bei den Bauern die Befürchtung bestand, die Flächen nicht mehr wie gewohnt bewirtschaften zu können. Möglicherweise wären viele heutige Ackerflächen immer noch Grünland, wenn es seinerzeit nicht diese irren Versuche gegeben hätte.

(Beifall bei CDU und FDP)

Heute unterstützen die ungewisse Marktsituation und die Nachfrage nach Feldfrüchten diese Entwicklung noch, doch die landwirtschaftliche Nutzung des Grünlandes ist nur die eine Seite der Medaille.

Grünland beherbergt als Lebensraum in der Agrarlandschaft mehr als die Hälfte aller in Deutschland vorkommenden Arten. Die müssen sicherlich nicht alle geschützt werden, aber sie sind nun einmal da. Vor diesem Hintergrund hat die EU die Mitgliedstaaten bereits 2003 zur Erhaltung des Dauer

(Dr. Henning Höppner)

grünlandes verpflichtet. In Deutschland müssen in der Folge dieser Vorgaben die Länder dafür Sorge tragen, dass das für das Referenzjahr 2003 ermittelte Verhältnis von Dauergrünlandfläche zur gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche im Wesentlichen erhalten bleibt. Im Wesentlichen heißt in diesem Zusammenhang, dass bis zu einer Abnahme des Dauergrünlands von 5 % gegenüber dem Referenzjahr in einem Bundesland die Landwirte keine weiteren Verpflichtungen einzuhalten haben. Der Kollege Höppner hat vorhin darauf hingewiesen.

Die Zahlenspiele, mit denen die Grünen aufwarten, lesen sich daher möglicherweise beeindruckend, aber sie sind es nicht. Bis zu 5 % Schwund sind sozusagen erlaubt. Das mag man bedauern, einen Grund zum Aufschrei rechtfertigt dies jedoch nicht. Im Gegenteil, angesichts der neuesten Tendenzen auf dem Agrarmarkt bin ich sogar davon überzeugt, dass sich die Grünlandfläche tatsächlich bis zur Grenze der EU-Vorgaben rückläufig entwickeln wird. Bis zum Jahr 2007 wurde zwar in keinem Bundesland der Schwellenwert von 5 % erreicht, aber im letzten Jahr hat Schleswig-Holstein erstmals die Fünf-Prozent-Marke überschritten. Die vorgegebene Konsequenz ist, dass eine Genehmigungspflicht eingeführt werden musste. Diese Entwicklung ist folglich nicht überraschend. Sie war absehbar, und sie war und ist sogar bereits geregelt, wie ich es vorhin schon sagte.

Unser Ziel kann es deshalb heute nicht sein, irgendwelchen historischen Nutzungsverhältnissen nachzutrauern. Unser Ziel muss es sein, die gegenwärtige Neuorientierung in der Agrarwirtschaft und die Abkehr von mengenbezogenen Subventionen noch besser für eine nachhaltige und vor allem standortgerechte Landwirtschaft zu nutzen. Mit der konsequenten Anwendung der geltenden Regeln guter fachlicher Praxis und des geltenden rechtlichen Ordnungsrahmens sind wir dafür auf einem guten Weg.

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Abgeordneter Lars Harms hat für die Abgeordneten des SSW das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verlust an Grünland ist keine neu zu verzeichnende Entwicklung, aber er hat an Fahrt zugenommen. Dies belegen die neuesten Zahlen. Schleswig-Holstein hat hierbei den unrühmlichen

ersten Platz eingenommen. Diese Entwicklung können wir so nicht länger hinnehmen. Die Landesregierung muss eingreifen und gegensteuern.

Beim Grünland geht es nicht nur um den Erhalt wertvoller Kulturlandschaften, es geht auch um den Erhalt naturschutzfachlich wertvoller Flächen, denn die Grünlandflächen haben eine höhere ökologische Wertigkeit. Wenn wir diese also weiterhin erhalten wollen, dann müssen wir entsprechend steuern. Das beste Steuerungselement, das wir haben, ist es nun einmal, einen finanziellen Anreiz zu schaffen.

Leider müssen wir feststellen, dass die EU-Agrarreform von 2005 nicht greift. Mit Cross Compliance sollten die Weichen gestellt und die Förderkulisse sollte dahin gehend geändert werden, dass wir von den reinen Produktionssubventionen weg und hin zu einer marktorientierten Förderung, hin zu einer größeren Gewichtung der Faktoren Tier-, Umweltund Naturschutz kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diesen Schritt hat der SSW befürwortet, aber wir stellen fest: Damit konnte der Grünlandverlust nicht aufgehalten werden.

Mit ihrer Entscheidung, die Grünlandverordnung aufzuheben, sprich die Grünlandprämie zu senken, hat die Landesregierung einen falschen Schritt unternommen und Fakten geschaffen, die nunmehr schwer wieder einzuholen sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie hat es bisher auch nicht für notwendig gehalten, auf diese aus naturschutzfachlicher Sicht negative Entwicklung zu reagieren. Das ist mehr als bedauerlich.

Was wir brauchen, sind Programme, die wirklich greifen und der neuen Entwicklung im Agrarbereich standhalten können. Soll heißen, dass die explosionsartige und unkontrollierte Verbreitung von Biomasseanlagen, insbesondere die NawaRo-Anlagen, und damit der massive Anbau von nachwachsenden Rohstoffen die Flächenpreise kaputt gemacht haben.

Wir haben bereits frühzeitig auf diese Entwicklung hingewiesen und die Landesregierung mit einem Antrag aufgefordert, analog zu den Windeignungsflächen Steuerungsmaßnahmen zu ergreifen, um die Entwicklung zu beeinflussen. Doch davon wollten die Landesregierung und die Große Koalition nichts hören, und man hat den Zug ungebremst weiterfahren lassen.

(Günther Hildebrand)

Es wäre wünschenswert gewesen, dass die Landesregierung die Belange der Grünlandbetriebe stärker berücksichtigt hätte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schließlich geht es hierbei um einen sehr großen Teil der in der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft beschäftigten Arbeitskräfte. Dies wird von der Landesregierung leider völlig außer Acht gelassen.

Des Weiteren lässt die Landesregierung außer Acht, dass Grünlandflächen nicht nur wichtige Landschaftsräume sind, sondern erheblich zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen. Wenn wir es also zulassen, dass wir noch mehr Grünlandflächen verlieren, so konterkarieren wir damit nicht nur das EU-Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2010 zu stoppen, sondern auch die nationale Biodiversitätsstrategie. Ebenso sind Grünlandflächen unter dem Aspekt des Klimaschutzes zu betrachten, da mit dem Umbruch solche Flächen klimaschädliche Gase freigesetzt werden.

Wenn jetzt gesagt wird, dass dem Grünlandumbruch Einhalt geboten werden kann und wir jetzt den Genehmigungsvorbehalt haben, so ist dies nur die halbe Wahrheit. Der Umbruch kann nicht immer verwehrt werden. Schließlich haben wir es hier mit einer Rechtsverordnung zu tun. Das weiß auch der Minister. Deshalb stoppen wir den Umbruch nur, wenn wir zusätzlich auch monetäre Anreize bieten, wie wir es schon einmal getan haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir brauchen also wieder eine vernünftige finanzielle Grünlandförderung. Wenn wir es ernst meinen mit nationalen und internationalen Zielen, wenn wir es ernst meinen mit dem Schutz des Grünlandes, dann müssen neue Steuerungsmaßnahmen auf den Weg gebracht werden. Nur so wird es uns gelingen, zumindest den Status quo zu erhalten. Das muss in der jetzigen Situation das Minimalgebot sein. Deshalb werden wir dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat der Herr Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Dr. Christian von Boetticher, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich immer, wenn mir die Grünen den Ball auf den Elfmeterpunkt legen und anschließend aus dem Tor gehen. Das macht es ein bisschen einfacher.

Ich versuche, Ihnen kurz die Situation in Erinnerung zu rufen.

Zwischen 1995 und 2003 hatten wir in diesem Land einen Grünlandverlust zu verzeichnen, der ein Achtel der gesamten Gründlandfläche betrug. Die Ministerinnen und Minister, die damals hier das Sagen hatten, sind nicht eingeschritten, weil es dafür keine Rechtsgrundlage gab.

(Peter Lehnert [CDU]: Hört, hört!)

Seit 2003 kam es - dies wurde heute mehrfach erwähnt - zu einem weiteren starken Rückgang. Warum seit 2003? Und vor allen Dingen: Wer war damals an der Regierung und hat das zu verantworten gehabt?

Das war die Reform von Frau Künast. Noch einmal: Ich teile wesentliche Züge ihrer Reform, aber es war eine Reform, die von Frau Künast geprägt worden ist und von ihr gewollt war. Diese hat zu einem Wandel in der Agrarlandschaft geführt. Hinzu kam, dass die Landwirte - das ist ein Zitat von Frau Künast - die Scheichs der Zukunft werden und darum möglichst viele Biomasseanlagen bauen sollten, die schließlich auch zu einem Wandel in der Kulturlandschaft geführt haben.

Warum wurde auch in den Jahren 2003, 2004 und 2005 nichts unternommen? Noch einmal: Weil es auch zu diesem Zeitpunkt angesichts des Strukturwandels, der ja politisch vom Bund, von Frau Künast, gewollt war, für einen Landesminister keine Rechtsgrundlage für ein Einschreiten gab.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen ganz genau, dass das nicht stimmt! - Weitere Zurufe des Abgeord- neten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Habe ich noch das Wort, Herr Präsident? - Danke.