Protocol of the Session on January 29, 2009

Angesichts dessen, dass wir wissen, dass die Praktiker sehr dankbar und sehr interessiert mit unseren Vorschlägen umgehen, sind offensichtlich Sie manchmal nicht auf der Höhe der Zeit. Also noch einmal der Appell: Überweisen Sie den Antrag mit, springen Sie über Ihren Schatten!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Für die Landesregierung erhält die Ministerin für Bildung und Frauen, Frau Ute Erdsiek-Rave, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Vormittag stand ja ganz im Zeichen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Aber vielleicht ist das ein ganz guter Anschluss daran, dass man einmal auf eine Krise aufmerksam macht, die womöglich hinter dieser Krise steckt: Das ist der absehbare Fachkräftemangel im Kontext der demografischen Entwicklung. Diese Krise könnte möglicherweise sehr viel nachhaltiger und auch bedrohlich werden, weil sie nämlich strukturelle Ursachen hat:

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Geburtenzahlenrückgang, Risikogruppen und so weiter. Es geht vermutlich - so sagen die Fachleute,

so sagt die Arbeitsagentur - um eine Lücke von ungefähr 2 Millionen Fachkräften bis 2020, allein die Hälfte davon mit akademischer Bildung. Ich zitiere nur die Prognosen.

Im gleichen Zeitraum werden sich die Aussichten für gering Qualifizierte weiter verschlechtern. Wir werden vermutlich 25 % weniger Arbeitsplätze für junge Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung haben.

Das ist eine Perspektive, der wir mit allen möglichen Maßnahmen begegnen müssen. Insbesondere gilt das für das berufliche Bildungssystem. Das hat darin eine Schlüsselposition. Allein kann das berufliche Bildungssystem dies natürlich nicht leisten. Sie brauchen eine enge Vernetzung - darauf ist hier richtigerweise hingewiesen worden - mit den allgemeinbildenden Schulen, insbesondere mit den Schulen in der Sekundarstufe I. Hier hat sich vieles an besserer Zusammenarbeit, Berufsvorbereitung, Austausch zwischen Lehrkräften, Fortbildung und so weiter getan, aber dies ist noch weiter zu optimieren. Der Appell geht hierbei weniger an die beruflichen Schulen selbst, die dazu sehr bereit sind, als an die allgemeinbildenden Schulen. Das tun wir und müssen wir auch immer wieder gemeinsam tun.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens auch das Problem der Berufseingangsklassen, Herr Dr. Klug, wird in den beruflichen Schulen natürlich gesehen. Was da an Arbeit geleistet wird, auch an sozialpädagogischer Arbeit - übrigens auch unterstützt von Sozialpädagogen -, ist schon bemerkenswert, muss man wirklich sagen. Was die Lehrer an den beruflichen Schulen leisten, ist wirklich hervorragend.

(Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Aber natürlich ist das System weiter zu verbessern. Man muss immer wieder gucken: Ist das so optimal geregelt, oder was können wir weiter dazu tun? Beim Stichwort Evaluation sind wir absolut d’accord.

Mit den Akteuren in der Wirtschaft und den Organisatoren der Wirtschaft muss eine noch engere Vernetzung stattfinden, ebenso mit den Hochschulen und den Weiterbildungseinrichtungen, wenn man weiß, dass die Hälfte des Fachkräftemangels Akademiker betreffen wird. Vor allem was die Durchlässigkeit und die Offenheit zur akademischen Bildung betrifft, haben wir keine Zeit zu verlieren. Wir brauchen noch bessere Scharniere

(Angelika Birk)

und definierte Zugangsregelungen für die nächsten Schritte des Aufstiegs in der Bildung, etwa was den Übergang von der Fachhochschule zur Hochschule betrifft.

Wir haben ja jetzt Änderungen im Hochschulgesetz, die da in die richtige Richtung weisen. Mit dem neuen Berufsakademiegesetz haben wir zudem den Bachelor-Abschluss in das duale Ausbildungssystem integriert. Studium und Berufspraxis passen gut zusammen. Das zeigen ja auch die guten Erfahrungen mit dem trialen Modell, also der Verbindung von dualer Ausbildung und Studium - dies allerdings nicht zu verwechseln mit einem Bachelor Professional. Der wird ja nicht nur durch KMK-Beschlüsse abgelehnt, sondern das widerspricht auch den Regeln des Bologna-Prozesses. Er würde eben nicht zu mehr Vergleichbarkeit führen. Die Einordnung des Master-Abschlusses muss letztlich über den DQR, über den europäischen Qualifikationsrahmen geleistet werden.

Im Jahr der beruflichen Bildung gehörte die Anschlussfähigkeit zu den Hauptthemen, die diskutiert wurden. Darin werden wir mit den vielen guten Impulsen, die uns dieses Jahr gegeben hat, weiterarbeiten. Ich bin für eine offene Diskussion über alles, was diesem Ziel dient. Das schließt auch ein, Leerläufe und Doppelungen für die Auszubildenden zu vermeiden. Sie verstehen immer wieder einfach nicht, warum es so schwierig ist, deckungsgleiche Inhalte unter betrieblichen Ausbildungen aufeinander anzurechnen. Ich meine, wenn der Staat Teile der Ausbildung übernimmt, dann sollten die Kammern das auch voll und ganz anerkennen. Auch das dient dem Ziel, Fachkräfte zu gewinnen, und das in kürzeren Fristen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht ist es einmal möglich - wenn ich mir diese Anregung erlauben darf -, im Ausschuss einmal die Vertreter der Wirtschaft, der Kammern anzuhören, um auch vom Parlament her ein bisschen mehr Druck in diese Richtung zu machen und zu zeigen: Das Parlament steht hier ganz klar für eine bestimmte Richtung. Es reicht eben nicht, wenn von der Wirtschaftsseite Lippenbekenntnisse kommen, und wenn es dann um konkrete Ausbildungsgänge geht, haben wir hochschwierige Diskussionen.

Um in solchen Fragen voranzukommen, braucht man den Dialog aller Beteiligten im Sinn der Dualpartnerschaft. Der Erfolg des Bündnisses für Ausbildung in Schleswig-Holstein, Herr Hentschel,

zeigt ja schon - das muss man sagen -, was möglich ist, wenn man sich auf ein gemeinsames Ziel verständigt.

(Beifall bei SPD und CDU)

Daran mache ich auch keinerlei Abstriche, meine Damen und Herren.

Die Qualität der beruflichen Bildung ist auf gute Rahmenbedingungen angewiesen. Gesetze und Verordnungen sind dafür wichtig. Die machen wir ja nicht allein, sondern gerade in der beruflichen Bildung hat auch der Bund ein Stück mitzureden. Noch wichtiger sind die Menschen, die das Ganze mit ihrem Fachwissen, ihrer Erfahrung, ihrer pädagogischen Kompetenz prägen.

Damit bin ich beim Problem der Ausstattung mit Lehrkräften. Wir brauchen hochkompetente engagierte Fachkräfte im beruflichen Bildungssystem; das ist keine Frage. Wenn die aktuelle Krise dazu führt - das ist nicht zynisch gemeint -, dass sich geeignete Fachleute für den Job in der Schule entscheiden, gerade in den Mangelrichtungen, dann soll uns das sehr recht sein. Das betrifft zum Beispiel Metallverarbeitung und Elektrotechnik.

Hier müssen wir auch darüber nachdenken, ob wir nicht auch Fachhochschulabsolventen für den Schuldienst weiterqualifizieren, möglicherweise auch so, dass wir die Kapazitätsverordnung, die man nicht einfach abschaffen kann - Frau Eisenberg, das müssen wir alle nun einmal wissen, das geht nach dem Beamtenrecht und nach der Verfassung nicht einfach so -, in diesen Fällen möglicherweise gar nicht tangieren. Ich glaube, dass das möglich ist, aber dazu müssen wir noch entsprechende Beschlüsse fassen.

Es gibt noch viele Einzelheiten, über die zu reden wäre. Das kann ich nicht alles in diesen fünf Minuten tun. Lassen Sie uns das im Ausschuss gründlich beraten. Wir müssen - damit komme ich auf den Anfang zurück - alles tun, um eine solche Krise nach der Krise zu vermeiden.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP)

Ich danke der Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Nach dem, was die Fraktionen hier geäußert haben, lasse ich zunächst über die Ausschussüberweisung der Drucksache 16/2400 abstimmen. Wer der Aus

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

schussüberweisung der Drucksache 16/2400 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.

Es ist beantragt worden, über die Drucksache 16/ 2407 sowohl in der Sache als auch über die Ausschussüberweisung abzustimmen. Ich werde daher zunächst über die Ausschussüberweisung der Drucksache 16/2407 abstimmen lassen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die Ausschussüberweisung der Drucksache 16/2407 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW abgelehnt worden.

Ich lasse jetzt über den Antrag in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag Drucksache 16/2407 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag Drucksache 16/2407 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der Abgeordneten des SSW abgelehnt worden.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 14 auf:

Grünlandverluste stoppen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2363

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Schleswig-Holstein ist deutscher Meister in der Grünlandvernichtung. Das europäische extensive Grünland, also artenreiche Wiesen und Weiden, hat eine einzigartige Bedeutung im Kontext des globalen Biodiversitäts- und Naturerbes.

In Deutschland kommen im Grünland mehr als 2.000 Pflanzenarten vor. Das sind rund 52 % des Artenbestandes bei uns überhaupt. Allgemein geht man davon aus, dass von jeder Pflanze allein 20 Insektenarten direkt oder indirekt abhängig sind.

Das zeigt uns die enorme ökologische Bedeutung von artenreichen Wiesen und Weiden. Diese Le

bensräume sind nur in Europa in den vergangenen Jahrtausenden in einer koevaluativen Entwicklung zwischen Mensch, Tier und Pflanzen entstanden. Dies ist auch ein Grund dafür, weshalb die Europäische Union bereits seit den 1990er-Jahren durch die FFH-Richtlinie - die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie - von allen Mitgliedstaaten einfordert, Grünland zu erhalten.

Trotzdem schreitet der Verlust an Dauergrünland in Deutschland voran. Dies ergibt sich aus den neuen Zahlen, die die Bundesregierung als Antwort auf eine schriftliche Anfrage der grünen Bundestagsfraktion mitgeteilt hat.

Während der Grünlandanteil zwischen 2003 und 2007 um 2,3 % abgenommen hat, sind es heute bereits 3,4 % im Durchschnitt. Schleswig-Holstein belegt dabei einen traurigen Spitzenplatz. Bei der Grünlandvernichtung sind wir deutscher Meister.

In Schleswig-Holstein waren es 7,5 % Verlust zwischen 2003 und 2007. Das ist die Bilanz der Politik des angeblichen Umweltministers von Boetticher, der sich lieber auf seine Rolle als Bauernminister beschränkt und in diesem Bereich offensichtlich die Interessen großer, schnell wachsender Marktfruchtbetriebe in den Mittelpunkt seiner Bemühungen stellt.

In Schleswig-Holstein wurden doppelt so viele wertvolle grüne Wiesen in Ackerland verwandelt wie im Bundesdurchschnitt.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

- Hören Sie zu, Herr Dr. Garg. Wenn Sie das für einen so lächerliches Thema halten, dann beschäftigen Sie sich bitte wenigstens mit den trockenen Zahlen.

28.000 ha Fläche. Das sind 280 km2. Das ist so viel wie die Flächen von Kiel, Flensburg und Neumünster zusammengenommen. So viele Grünlandflächen wurden in Schleswig-Holstein vernichtet. Als wenn das noch nicht genügen würde, stellte sich ein zusätzlicher Verlust von 3 % zwischen 2007 und 2008 ein.

Was machen Sie denn, Herr Minister? Sie können doch nicht sehenden Auges zulassen, dass unser schönes vielfältiges Land in Agrarmonokulturen umgewandelt wird. Sie lassen sehenden Auges zu, wie auf der Halbinsel Eiderstedt die Wasserstände abgesenkt und Gräben trockengelegt werden. Damit wird den Wiesen und Weiden die Grundlage entzogen. Gleichzeitig wird den Wiesenbrütern, schützenswerten Tieren und Pflanzen, die Lebensgrund