- Immer wieder merkt er das hier an und sagt, er wolle unbedingt aus den Statistiken ersehen, wer welche Hautfarbe hat.
- Sie haben gerade wieder gesagt, Sie wollen Statistiken, aus denen Sie den Migrationshintergrund erkennen können. Das können sie nachlesen.
Das Ziel des Jugendstrafrechts ist nicht die Bestrafung - das ist eben gesagt worden -, sondern der Erziehungsgedanke steht im Vordergrund.
Neuen Straftaten des Jugendlichen oder Heranwachsenden soll entgegenwirkt werden. Wir wollen das Jugendstrafrecht nicht ändern, so unser Antrag. Hier bei Ihnen gab es die Diskussion darüber, die Verschärfung hineinzubringen. Die besten Maßnahmen sind immer noch diejenigen, die jugendliche Kriminalitätskarrieren vermeiden.
Eine nachhaltige Kinder- und Jugendpolitik muss auf Förderung, Prävention und Integration setzen. Entscheidend dafür ist eine Bildungspolitik, welche Chancen eröffnet und den Kindern Anerkennung zollt, statt Schwächen aufzuzeigen und so lange auszusortieren, bis Kinder und Jugendliche in die Perspektivlosigkeit fallen.
Nach allem, was wir über den Fall in Neumünster wissen, war zumindest einer der beiden Straftäter in genau dieser Situation der vollständigen Perspektivlosigkeit. Der Staat muss -
- Nein, ich habe das am Anfang sehr deutlich gesagt, dass es keine Entschuldigung dafür gibt. Aber ich sage Ihnen: Wir, der Staat, wir, unsere Gesellschaft, haben eine Verantwortung, die Kinder und die Jugendlichen so zu begleiten, dass sie gar nicht erst in dieser perspektivlosen Situation enden.
Meine Damen und Herren, der Staat muss handeln, bevor Jugendliche durch Straftaten auf sich aufmerksam machen. Hier sind alle gefordert.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ergebnisse der Anhörung haben in beeindruckender Klarheit gezeigt: Es gibt keine Defizite im Jugendstrafrecht, und die bisherigen Instrumente der Sanktion sind schon vielfältig genug, um differenziert auf die einzelnen Täter und Taten einzugehen. Wenn es Defizite gibt, dann in der Anwendung der bestehenden Möglichkeiten, was zuerst auf die finanziellen Rahmenbedingungen zurückzuführen ist.
Die Kriminologen und Praktiker unterstützen den Antrag von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW. Die Innenministerien der CDU-geführten Länder lehnen ihn ab. Insoweit ist es bedauerlich, dass die SPD sich der CDU anschließt und einen neuen Antrag einbringt, dem wir nicht zustimmen werden.
Die Forderungen nach härteren Strafen, lieber Kollege Weber, mögen der politischen Profilierung dienen. Sie erfüllen aber nicht den Zweck, jugendliche Straftäter auf den rechten Weg zurückzubringen.
Ich bringe noch einmal in Erinnerung, was der Hintergrund dieses Antrags war; der liegt seit einem Jahr in den Ausschüssen.
Der Hintergrund war das, was Roland Koch vor der Landtagswahl in Hessen gesagt hat. Ich bitte, ein bisschen auf dem Teppich zu bleiben.
Wie gesagt, die Forderungen nach härteren Strafen mögen ja der politischen Profilierung dienen, sie erfüllen aber nicht den Zweck, jugendliche Straftäter auf den rechten Weg zurückzubringen; denn es ist und bleibt nun einmal so, dass die Androhung drakonischer Strafen Jugendliche nicht von Straftaten abbringt. Kein Jugendlicher kalkuliert vor dem Zuschlagen den Nutzen und die Kosten und kommt aufgrund der Höhe der Strafandrohung zum rationalen Schluss, es dann doch lieber sein zu lassen.
Andererseits wissen wir auch, dass ein Gefängnisaufenthalt allein nicht auf den geraden Weg zurückführt. Im Strafvollzug lernen sie nicht unbedingt, wie ein anderes, rechtschaffenes Leben aussieht. Im Gegenteil, liebe Kollegen und Kollegen, sie sehen vor allem, wie andere Kriminelle so leben. Das soziale Umfeld der Gleichaltrigen hat den größten Einfluss darauf, ob jemand kriminell wird. Dieser Einfluss wird auch in den hohen Rückfallquoten nach der Entlassung aus dem Strafvollzug sichtbar. Das ist ja das wirklich Katastrophale. 70, 80 % so hoch ist die Rückfallquote. Mehr und längere Gefängnisaufenthalte sind also nicht geeignet, um straffällig gewordene Jugendliche von der Begehung weiterer Straftaten abzuschrecken und zu resozialisieren.
Wenn es einen präventiven Effekt der Strafe gibt, so dann, wenn das Bestrafungsrisiko hoch ist und die Strafe der Tat auf dem Fuße folgt. Mit anderen Worten: Es muss das Ziel sein, möglichst viele Straftaten zu entdecken und sie auch zügig zu ahnden.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, geschieht in Schleswig-Holstein immer noch nicht genügend. Die Instrumente hierfür sind schon vorhanden. Eine konsequente Verfolgung von Jugendkriminalität erfordert keine Änderung des Strafrechts, sondern entsprechende Mittel im Landeshaushalt für Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichte und Bewährungshelfer und für eine bessere Betreuung im Jugendstrafvollzug, nicht zuletzt wenn es um den Übergang in die Freiheit geht.
Diese Diskussion haben wir hier im Haus auch schon geführt. Diese Erkenntnisse haben teilweise auch Eingang in den Antrag der Großen Koalition gefunden.
Wir begrüßen, dass die Stärkung des vorrangigen Jugendverfahrens und der verschiedenen Dienste zur Prävention und Resozialisierung im Beschluss der CDU/SPD-Ausschussmehrheit Erwähnung findet. Dennoch bleibt aber der entscheidende Unterschied, dass CDU und SPD nicht eindeutig von Verschärfungen Abstand nehmen, die wir für falsch halten. Das Jugendstrafrecht bietet nicht nur, so wie es in dem Koalitionsantrag steht, weitreichende, sondern auch ausreichende Möglichkeiten. Wer etwas gegen Jugendkriminalität unternehmen will, muss von den Jugendlichen ausgehen, die verändert werden sollen. CDU und SPD haben mit ihrer Forderung aber nicht die jugendlichen Täter im Blick. Das ist durch die Anhörung ganz deutlich geworden. Am Ende ist eine solche Politik sogar gefährlich, weil sie offensichtlich ihr Ziel nicht erreichen kann und so in Kauf nimmt, dass weitere Menschen zu Opfern werden.
Wir brauchen keine Verschärfung der Jugendstrafen. Wir brauchen nicht nur Methoden der Sanktionierung, wir dürfen nicht nur bestrafen, sondern müssen auch neue Lebensperspektiven aufzeigen, und wir brauchen eine stärkere Prävention. Denn letztlich geht es nicht nur um Strafen, sondern eben um soziale Fragen.
Der Herr Kollege Lehnert hat in seiner Rede zu unserem Antrag im Januar 2008 selbst eine Reihe sozialer Ursachen der Kinder- und Jugendkriminalität aufgezeigt: fehlende Zukunftsperspektiven, mangelnde soziale Kompetenzen, eine schlechte Ausbildungssituation und überforderte Eltern. Solche Probleme lassen sich aber nicht mit Härte oder mit konservativer Werteerziehung bewältigen, sondern nur mit einer ordentlichen Sozial-, Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Jugendpolitik. Das kostet mehr als einen moralischen Zeigefinger.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung hat die Frau Abgeordnete Anna Schlosser-Keichel das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kubicki, ich möchte auf Ihren Vorwurf antworten, wir würden durch die Blume von Verschärfungen sprechen. Das ist absolut nicht der Fall. Die Forderung nach frühzeitiger und verbindlicher Intervention stammt zum Beispiel aus der von mir genannten Studie zum Modellprojekt in Dithmarschen/Lübeck, in der eben festgestellt worden ist, dass das Kind oft in den Brunnen fällt, weil zu lange weggesehen und verharmlost wird, weil die Eltern allein gelassen werden, weil zu lange Zuständigkeiten geprüft werden, weil schließlich diverse Dienststellen befasst sind und weil der Jugendliche im Zuge dieser Verfahren aus den Augen gerät. Dass man hierauf reagiert hat, habe ich in meiner Rede deutlich gemacht. Man hat nunmehr die Jugendsachbearbeiter, man hat die Bearbeitung aus einer Hand. - Das wollten wir unter Ziffer 3 sagen. Im zweiten Satz dieser Ziffer wird ausdrücklich ausgeführt: Das bestehende differenzierte Angebot für Kinder und Jugendliche ist auszunutzen.
Schleswig-Holstein ist das Land der Jugendhilfeeinrichtungen. Wir haben hier wesentlich mehr Jugendhilfeeinrichtungen, als zur Betreuung von Jugendlichen aus Schleswig-Holstein erforderlich wären. Vielmehr werden hier Jugendliche aus dem gesamten Bundesgebiet betreut. Es gibt hier eine so breite Angebotspalette, dass man wirklich für jedes Kind, für das eine Behandlung und Betreuung gesucht wird, einen Platz hat; nur ist dieser oftmals nicht zu finden.
Aus dieser Studie hat sich dann auch ergeben, dass eine Clearingstelle - ich glaube, sie heißt jetzt Beratungsstelle - eingerichtet worden ist, sodass in problematischen Fällen die Jugendämter, das Ministerium und die Betroffenen nach der geeigneten Einrichtung suchen, die in der Lage ist, auf die spezielle Problemlage einzugehen und eine intensive und umfassende Betreuung sicherzustellen.
Auch dafür, dass wir die Angebote weiterentwickeln wollen, habe ich ein Beispiel genannt. Dazu sollte man sich noch einmal das Konzept des Kinder- und Jugendhilfeverbundes anschauen, in dem nicht nur dargestellt wird, dass man auch Vollzug in freien Formen erproben könnte, sondern in der auch deutlich gemacht wird, dass man eine intensive Betreuung für besonders problematische Jugendliche andenken sollte, von denen es in Schleswig-Holstein nur ganz wenige gibt, sodass man das gegebenenfalls länderübergreifend machen müsste. Darüber würden wir uns gern unterhalten. Ich mei
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was denn sonst! - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was denn sonst!)
- Eine Eins-zu-eins-Betreuung! Lassen Sie uns das weiter beraten, und lassen Sie uns dieses Projekt des Kinder- und Jugendhilfeverbundes einmal ansehen. Dies ist keine geschlossene Einrichtung wie die in Hamburg, die übrigens wegen Erfolglosigkeit jetzt wieder geschlossen worden ist.
Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Wolfgang Kubicki das Wort.
Herr Präsident, ich fasse es nicht! Ich habe gerade SPD-Abgeordnete gesehen, die geklatscht haben. Ich komme zu dem Schluss, dass bei den Sozialdemokraten offensichtlich keine Kommunikation mehr stattfindet.