Protocol of the Session on November 12, 2003

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

sein sollen? Sie haben doch schon längst alle Ja gesagt. Dann sagen Sie es doch auch öffentlich. Dann sparen wir uns nämlich die ganze Arbeit mit dem elenden Vermittlungsausschuss; denn bis der Vermittlungsausschuss durch ist, hat niemand eine feste Gewissheit darüber, ob, wie und in welcher Form die Steuerreform kommt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Seien Sie doch einmal ehrlich und geben Sie zu, dass Sie zwar Subventionsabbau rufen - ich höre es wohl -, dass Sie aber heimlich in den Weihwasserkessel greifen, damit dieser - „Herr sei bei uns!“ - schnell wieder weggeht, wenn wir sagen: Okay, wir machen es konkret hier und wir machen es konkret da.

(Klaus Schlie [CDU]: Was meinen Sie jetzt: Steinkohle?)

- Steinkohle kann unter Umständen als Rückgrat - -

(Klaus Schlie [CDU]: Was meinen Sie jetzt?)

- Ich versuche es ja gerade zu erklären. Seien Sie doch einmal geduldig. - Sie rufen generell nach Strukturveränderungen, haben aber so etwas von gekniffen, als es darum ging zu sagen, wie und wo Sie es gerne machen würden. Sie rufen nach Sparen. Frau Heinold hat Ihnen ja vorgerechnet, was Ihr Sparen uns kosten würde.

Da sagt der Herr Oppositionsführer, wir müssten zurücktreten, damit die CDU die Regierung übernehmen kann und alles wieder besser wird. Ich vermute, in dieser Logik ist die Überschreitung der Verfassungsgrenze in Hessen, in Niedersachsen, im Saarland und in Bremen natürlich Weltpolitik, Ausführung der Globalisierung, während sie in Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen natürlich nur auf die Fehler zurückzuführen ist, die die dortigen Regierungen machen. Wissen Sie, ich kann manchmal wirklich verstehen, dass die Menschen einfach keine Lust mehr haben, uns zuzuhören, uns allen zusammen; denn sie merken, dass wir nur Show und Schaumschlägerei machen. Wir sind nicht in der Lage zuzugeben - außer hinterher, im Vermittlungsausschuss, wo es niemand nachvollziehen kann -, dass wir uns schon längst viel näher sind, als es mancher von uns draußen verlauten lässt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich wäre sehr dankbar, wenn wir wenigstens bei der Frage der Strukturveränderungen in unserem Land und der Übertragung von Aufgaben an unsere Kommunen nicht wieder dieses lächerliche Spiel spielten.

Hier stehen einige Kommunen und sagen: „Wir übernehmen alles“, und da stehen ein paar andere und sagen: „Untersteht euch!“, und damit geht das dann kaputt. Die Kita-Geschichte war von allen Beteiligten unterschrieben. Sie war paraphiert. Ausgestiegen sind CDU-Kreis- und -Landräte, die keine Lust mehr hatten, das mitzumachen.

(Lebhafter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

(Zuruf von der SPD: Jetzt kommt Rumpel- stilzchen! - Weiterer Zuruf von der SPD: Jetzt kommt der Höhepunkt!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch durch solche Zwischenrufe wird das, was hier in der letzten Stunde debattiert worden ist, nicht anders.

Frau Ministerpräsidentin, Sie rufen - das ist Ihr gutes Recht - nach Ernsthaftigkeit, betreiben aber selbst seit Jahren keine ernsthafte Politik. Ich frage Sie: Wie ernst soll ich Sie eigentlich nehmen? Wie ernst soll ich eigentlich eine Politik nehmen, die für Folgendes verantwortlich ist?

Beim Verkauf der Landesbankanteile 1994 haben Sie mit dafür gesorgt, dass diesem Land ein Schaden in Höhe von 319,5 Millionen € entstand. Beim Verkauf der Provinzial Versicherung haben Sie mitverantwortlich dafür gesorgt, dass diesem Land ein Verlust von 438,1 Millionen € entstand. Beim ersten Teilverkauf der LEG waren Sie durch Ihre Politik mitverantwortlich dafür, dass diesem Land ein Verlust von mindestens 43 Millionen € entstand. Beim zweiten Teilverkauf der LEG waren es dann noch mindestens 24,9 Millionen €. Frau Ministerpräsidentin, wer so nach Ernsthaftigkeit ruft wie Sie, sollte sich vielleicht zunächst einmal an die eigene Nase fassen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Sie haben Ihre Rede damit begonnen, dass Sie insbesondere der Union ständig vorgehalten haben, nicht Sie hätten für das Leid dieses Landes gesorgt, sondern die Opposition, die Weltwirtschaft oder wer auch immer. Wissen Sie, diese „Nicht wir“-Reden sind genau das Problem, das wir seit über zehn Jahren in diesem Landtag immer wieder anprangern. Sie tun wirklich nichts, aber auch überhaupt nichts dafür, dass es diesem Land merklich besser geht. Dabei hätte dieses Land wahrlich anderes verdient.

(Dr. Heiner Garg)

Ich habe mir lange überlegt, ob ich es sagen soll. Ich werde es jetzt an dieser Stelle sagen, weil ich die Nase voll davon habe, wie Sie hier von Ihren Reiseerlebnissen erzählen. Es ist in Ordnung, wenn Sie ins Ausland fahren, Frau Ministerpräsidentin. Da besteht gar kein Widerspruch. Aber schauen Sie sich doch vielleicht einmal an, wie es die Kollegen in BadenWürttemberg machen, wenn sie mit einer Delegation beispielsweise nach Russland fahren. Das ist wirklich ordentliches Marketing des Landes vor Ort. Davon kann bei Ihren merkwürdigen Veranstaltungen, die Sie vor Ort mit den entsprechenden Presseberichterstattungen aufziehen, nicht die Rede sein. Auf mich wirken Ihre Veranstaltungen in der Tat eher peinlich und lächerlich.

(Zurufe von der SPD)

Frau Kollegin Heinold, abschließend ein Satz zu Ihnen. Sie haben vom Charme des Merz-Modells gesprochen. Da gebe ich Ihnen Recht. Ich will Ihnen aber sagen: Dann tun Sie doch endlich alles dafür - ich meine damit auch Ihre Bundestagsfraktion und Ihre Kollegen in den Ländern -, damit wir - ob wir das Merz-, Uldall- oder FDP-Modell nennen, ist mir relativ egal - ein so einfaches Steuermodell bekommen; denn dann brauchen wir mittelfristig nicht mehr Steuerverwaltung, sondern dann haben wir aufgrund eines vernünftigen Konzepts mittelfristig weniger Steuerverwaltung. Sie müssen aber auch entsprechend dafür werben und dürfen nicht nur sagen: „Das hat Charme“, und dabei bleibt es dann wieder.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Wiegard das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerpräsidentin, ich habe kein Problem mit Auslandsreisen, die dem Wohl des Landes dienen. Aber vergessen Sie dabei nicht, die Aufgaben hier im Lande mit zu lösen, die Sie als Geschäftsführerin des Unternehmens Schleswig-Holstein zu leisten haben. Deshalb wiederhole ich den Vorhalt, dass es nicht angehen kann, dass Mitglieder des Kabinetts im Namen und im Interesse des Landes Schleswig-Holstein Beschäftigte des Landes einsetzen, um gegenteilige Maßnahmen voranzutreiben, die nicht im Interesse des Landes Schleswig-Holsteins stehen. Das ist nicht Ihr Job.

Benennen Sie die Ziele und arbeiten Sie vor allen Dingen an einer verlässlichen Steuerpolitik. Sie haben nun wieder das Vorziehen der Steuerreform

genannt, das ja in Wahrheit - wir haben an anderer Stelle schon einmal darüber gestritten - nicht ein Vorziehen, sondern ein Verschieben von 1998 ist.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Wenn Sie damals diese Blockadepolitik nicht gemacht hätten, dann hätten wir eine andere wirtschaftliche Entwicklung genommen - sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in SchleswigHolstein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Welchen Unternehmer aus Deutschland oder welchen Unternehmer aus dem Ausland wollen wir eigentlich motivieren, wenn Sie einen neuen Kalender erfunden haben, der ein Jahrhundert innerhalb von vier Wochen darstellt, weil sie alle vier Wochen eine neue Jahrhundertreform auf den Weg bringen? Jedes Unternehmen, das investieren will, das Arbeitsplätze oder Ausbildungsplätze schaffen will, muss ja erst einmal überlegen, ob nicht in vier Wochen schon wieder ein neuer Vorschlag von Ihnen kommt, der das Ganze vielleicht sinnhaftiger erfüllen kann.

Ich wiederhole das, was an Chaospolitik gerade im Bereich der Steuern von Ihnen mitverantwortet worden ist. Erstens. 1998 haben Sie die Steuerreform blockiert.

Zweitens. 2000 haben Sie eine neue Steuerreform gemacht, die uns allein in Schleswig-Holstein zwischen 300 Millionen und 400 Millionen € Einbruch bei der Körperschaftsteuer gekostet hat - nicht weil die wirtschaftliche Entwicklung so war, sondern weil Sie einen gravierenden Fehler gegen jeden finanzwissenschaftlichen Rat in dieses Steuergesetz eingebaut haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Drittens. Heute vor einem Jahr haben wir darüber diskutiert, dass Sie bei gleichzeitiger Erklärung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eine bereits beschlossene Steuersenkung rückgängig gemacht haben. Heute wollen Sie mit der gleichen Argumentation das Umgekehrte tun, indem Sie sagen, wir wollen die Wirtschaft dadurch ankurbeln, dass wir Steuern senken.

Viertens. Sie führen eine neue Steuer ein, die nicht nur die Wirtschaft, gerade die mittelständische Wirtschaft, mit 5 Milliarden € belastet, sondern auch einen erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit sich bringt.

Das, meine Damen und Herren, ist die Politik, für die Sie, Frau Ministerpräsidentin, hier verantwortlich sind!

(Rainer Wiegard)

Der Finanzminister hat das Jahr 2000 zum Vergleich herangezogen. Herr Stegner, ich bitte in dieser Frage um mehr Redlichkeit. Sie haben ja - möglicherweise aus Zeitgründen - die Steuerschätzung noch nicht differenziert. Das werden wir - so hoffe ich - von Ihnen in dieser Woche noch erhalten. Aber klar ist: Im Jahr 2000 haben wir Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich und aus der Bundesergänzungszuweisung wie noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und des Landes SchleswigHolstein gehabt - fast 600 Millionen €. Diese 600 Millionen € sind doppelt so viel, wie wir im Durchschnitt aller Jahre bekommen haben. Sie können jetzt doch nicht einfach zum Maßstab erheben, dass dies für alle Jahre gelten soll!

Ich vermute einmal, dass die Steuereinnahmen, die reinen Steuereinnahmen, im Jahre 2003 auf keinem niedrigeren Niveau liegen werden, dass aber die Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich und aus den Bundesergänzungszuweisungen zurückgehen werden. Deshalb können Sie das Jahr 2000 nicht immer wieder als Maßstab heranziehen, weil es ein ganz außergewöhnliches Jahr gewesen ist und weil es nicht auf der eigenen Steuerkraft beruht.

Sie müssen sich zurechnen lassen, dass in den vergangenen Jahren das gesamte Landesvermögen verschleudert wurde zusätzlich zu einer durchschnittlichen Nettokreditaufnahme von 600 Millionen €, sodass wir ein strukturelles Defizit von nahezu 1 Milliarde € haben.

Dies lösen wir nicht durch Wachstum auf. Natürlich brauchen wir ein Wachstum in der Größenordnung zwischen 2 und 4 % - das unterliegt gar keinem Zweifel -, um die notwendigen Aufgaben zu lösen. Aber die strukturellen Haushaltsprobleme lösen wir nicht über Wachstum, sondern nur über eine Neuordnung unserer inneren Aufgabenstruktur und Verwaltungsstruktur.

(Beifall bei der CDU)

Es tut mir furchtbar Leid, liebe Anke Spoorendonk, aber wenn ich höre - das kann Hedwig Kurtz-Mahler besser formulieren, als es hier geschehen ist -, wir brauchen eine neue Verwaltungskultur und wir müssten einmal gucken, was wir da so alles machten, dann sage ich: Nein, wir können uns heute so etwas nicht leisten und die Rechnung an unsere Kinder und Enkel schicken lassen, weil wir glauben, wir müssten heute so leben, wie wir glauben leben zu müssen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Das Motto, das Sie umkehren, heißt: Kinder haften für ihre Eltern. - Das können wir nicht weiter verantworten.

(Beifall bei CDU und FDP)