Protocol of the Session on September 26, 2003

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Marktwirtschaft!)

Tatsache ist, dass die Abnutzung unserer Straßen fast ausschließlich durch LKW erfolgt. Ein LKW hat die Wirkung von 60.000 PKW, weil die Achslast nun einmal in der vierten Potenz in die Formel der Straßenabnutzung eingeht. Das bedeutet, dass die LKW jetzt einen Beitrag bezahlen. Das hat den ganz großen ökonomischen Vorteil, dass nicht nur die deutschen LKW das bezahlen müssen, sondern alle LKW. Es ist auf die Probleme mit der internationalen Konkurrenz hingewiesen worden. Gerade wegen der internationalen Konkurrenz und wegen der EU ist ein Mautsystem ausgesprochen vorteilhaft, weil alle LKW aus allen Ländern, die durch Deutschland fahren, in Zukunft an den Kosten unserer Straßen beteiligt werden. Das werden immer mehr, weil Deutschland in der Mitte Europas liegt.

Das ist ein ausgesprochener Vorteil.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das ist ein Nutzen für die deutsche Volkswirtschaft. Trotzdem ist es richtig, dass Versuche gemacht werden, die einheimischen Spediteure zu entlasten. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Modellen und Beiträgen, über die geredet wird. Ich denke an folgende Aspekte: Erstens. Die Einstellung und Erhebung der Euro-Vignette in Deutschland. Zweitens. Die Ermäßigung der Maut bei Nachweis von in Deutschland gezahlter Mineralölsteuer. Drittens. Senkung der KFZ-Steuer für schwere Nutzfahrzeuge auf das EUrechtliche Mindestniveau. Viertens. Förderung der Anschaffung von in Deutschland neu zugelassenen LKWs der noch nicht verbindlichen Emissionsklassen S4 und S5.

Das sind geplante Maßnahmen, über die zurzeit verhandelt wird. Ich bin aber absolut dagegen, die Einführung der Maut jetzt an die Klärung dieser Fragen zu binden. Vielmehr sollten wir beides tun: Einerseits die Maut einführen, sobald das technische System funktioniert, damit wir die Refinanzierung unserer Straßen bekommen. Andererseits sollten wir die Verhandlungen mit der Europäischen Union zügig fortsetzen, um zu entsprechenden Kompensationen zu kommen, damit der mittelständischen Speditionswirtschaft vernünftig geholfen wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wir müssen uns aber auch über eines im Klaren sein: Wenn wir eine Verlagerung der Güter von der Straße auf die Schiene wollen, wenn wir das erreichen wollen, was übrigens in Nordamerika geschafft worden ist oder auch Tatbestand geworden ist - -

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ja. Wenn wir das erreichen wollen, dann wird es innerhalb der Transportmittelsektoren zwangsläufig Verschiebungen geben. Dann werden die gleichen Speditionen, die heute LKW fahren haben, zum großen Teil auf den Schienenverkehr umsteigen. Das ist ein richtiger und sinnvoller Weg, den wir nicht verdammen, sondern befördern sollten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die LKW-Maut ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die rot-grüne Bundesregierung. Schlechte Organisation und mangelnde finanzielle Absicherung sind die Hauptkritikpunkte, die man nennen sollte. Wäre nicht der ehemalige Bundesverkehrsminister Bodewig schon aus seinem Amt ausgeschieden, dann hätte er spätestens jetzt aus seinem Amt ausscheiden müssen. Sieht man sich das System an, das installiert worden ist und immer noch nicht richtig läuft, fragt man sich, ob hier überhaupt eine Vorabplanung stattgefunden hat. Aber nicht nur die Regierungsseite hat geschwächelt, sondern auch gerade die Industrie. Das Konsortium namhafter Unternehmen, das die Mautanlagen installieren sollte, hat ein funktionsfähiges System nicht hinbekommen bis zum ursprünglichen Termin im August.

Dass dies möglich ist, beweisen die Österreicher, die jetzt ebenfalls eine Maut für LKW erheben und ein viel einfacheres - und vor allem ein funktionierendes - System aufbauen werden. Auch die Belastung der Spediteure wird in Österreich um ein Vielfaches geringer sein als hier in Deutschland. So wird beispielsweise in den Fahrzeugen ein Erfassungsgerät eingebaut, das rund 5 € kosten wird, während man für die hiesigen Erfassungsboxen mehrere hundert Euro aufwenden muss. Der Kollege Garg sagte es schon.

Es gibt inzwischen viele Mauterfassungssysteme am Markt. Es stellt sich die Frage, warum wir ein teures, neues und ineffektives System aufbauen mussten und warum die Bundesregierung nicht klare, nachvollziehbare und vor allem empfindliche Vertragsstrafen vereinbart hat, wenn das System nicht funktionieren sollte. Das ist die Frage, die in Verbindung mit der LKW-Maut wirklich wichtig und politisch brisant ist.

Der CDU-Antrag geht allerdings völlig am Thema vorbei. Da wird gefordert, die Einführung einer LKW-Maut von einer Kompensationsregelung für deutsche Spediteure abhängig zu machen. Lieber Kollege Eichelberg, die EU sagt hier ganz klar, dass dies nicht möglich ist, da dies ein Wettbewerbsvorteil für deutsche Spediteure bedeuten würde. Deshalb ist eine Mineralölsteuererstattung beispielsweise für Spediteure aus Deutschland - wie anfangs angedacht - nicht möglich.

Während die einen die Maut ganz oder teilweise erstattet bekommen, sollten ausländische Mitbewerber schlechter gestellt werden. Das hat nicht viel mit

freier Marktwirtschaft zu tun, sondern mit Protektionismus! Deshalb hat die EU-Kommission ähnliche Steuerausnahmen in Frankreich, Italien und den Niederlanden vor drei Jahren ebenfalls schon einkassiert und als wettbewerbswidrig eingestuft, Frau SchmitzHübsch.

Das Ansinnen der CDU im Antrag geht also völlig an der Realität vorbei. Das, was man eigentlich kritisieren könnte, ist, dass auch die Bundesregierung anfangs mit solchen gekoppelten Steuererleichterungen geliebäugelt hatte, obwohl ihr die Rechtslage seit langem - nämlich seit drei Jahren - bekannt war.

Verkehrsminister Stolpe hat nun vorgeschlagen, dass man über eine Senkung der Kfz-Steuer nachdenken könnte. Das scheint zurzeit tatsächlich die einzige Möglichkeit zu sein, die Spediteure direkt zu entlasten, ohne dass dies mit der LKW-Maut verbunden wäre. Die Kfz-Steuer fließt aber in die Haushalte der Länder. So würde das Land Schleswig-Holstein wieder die Zeche zahlen müssen. Das ist wohl auch keine vernünftige Lösung.

Da eine wie von der CDU gewünschte Ausgleichsregelung weder kurz- noch langfristig realisierbar sein wird, brauchen wir uns auch nicht über das Verschieben der LKW-Maut zu unterhalten. Scherzhaft könnte man sagen, dass die Verschiebung von allein kommen wird, weil die Regierung und die beteiligten Unternehmen nicht in der Lage sind, bis November ein funktionsfähiges und getestetes System aufzubauen. Wenn wir uns aber über die LKW-Maut unterhalten, dann müssen wir uns auch darüber unterhalten, warum die Maut eingeführt werden sollte. Es ging dabei um die Frage, ob man umweltpolitisch sinnvollere Verkehre entwickeln kann. Ich nenne hier zum Beispiel das Projekt „From Road to Sea“, das wir alle hier im Landtag unterstützen.

Es geht auch um die Frage, ob sich der Verkehrsträger LKW mehr an den Kosten des Straßennetzes beteiligt, damit dieses entsprechend unterhalten werden kann. Auch hier hat es Sinn, den Verkehrsträger stärker zu belasten, damit sich die tatsächlichen Kosten der Straßenunterhaltung auch widerspiegeln. Die politische Forderung hierzu muss sein, dass die kompletten Einnahmen jetzt und in Zukunft in die Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur gesteckt werden. Der Antrag der CDU geht völlig an der Wirklichkeit vorbei. Noch kann die CDU den Antrag aber zurückziehen!

(Beifall des SSW)

Ich erteile Herrn Minister Dr. Rohwer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Technik des Mautsystems will ich mich jetzt nicht äußern. Der Schleswig-Holsteinische Landtag muss sich auch nicht mit allen Fragen beschäftigen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Zu dem Antrag will ich deutlich sagen: Ich bin dagegen, die Maut zu verschieben. Ich bin dafür, sie so schnell wie technisch irgend möglich einzuführen, weil Schleswig-Holstein in seinen wichtigen Verkehrsprojekten von der Maut profitiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir - und auch die Landesregierung - haben das im Ausschuss und auch hier in vollem Einvernehmen immer wieder deutlich gemacht: Wir halten die Einführung der LKW-Maut für richtig. Sie führt dazu, dass diejenigen, die unsere Autobahnen besonders stark nutzen und belasten, an den Reparatur- und Neubaukosten angemessen und stärker als bisher beteiligt werden. Wir haben uns auch für Lösungen ausgesprochen, dass weniger zentrale Regionen möglichst degressiv daran beteiligt werden. Das wissen Sie. Wir haben uns - wie Sie auch wissen - damit im Bundesrat nicht durchsetzen können. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass der deutlich überwiegende Teil der Mauteinnahmen wirklich für Verkehrsinvestitionen verwendet wird.

Herr Eichelberg, das ist Ihr Punkt: Wir haben uns dafür eingesetzt, dass eine angemessene Kompensation stattfindet. Ich dachte, das hätten wir gemeinsam gemacht. Dafür gab es ein Bundesratsverfahren. Ich selbst war an diesem Bundesratsverfahren beteiligt. Ich weiß, dass alle CDU-Kollegen, mit denen ich da saß, uns auch zugestimmt haben. Wir hatten ein einvernehmliches Ergebnis, das in drei oder vier Sitzungen, an denen ich selbst teilgenommen habe, mühsam erzielt worden war.

Wir haben uns darüber geeinigt, dass die Kompensation 600 Millionen € betragen soll. Und weil das alles nicht so einfach ist, weil es auch nicht einfach ist, mit der EU zu einer schnellen Lösung zu kommen, haben wir gesagt: Die Kompensation soll möglichst über die Rückerstattung der Mineralölsteuer erfolgen. Das würde dazu beitragen, dass die Wettbewerbsbedingungen für das deutsche Transportgewerbe an das europäische Niveau angeglichen werden. Weil diese Mautermäßigung aber von allen Transportunternehmen in Anspruch genommen werden kann, die in Deutschland Kraftstoff tanken - das ist ja der Punkt -,

soll die Mineralölsteuererstattung nicht wettbewerbsverzerrend sein. Nach unserer Ansicht ist sie auch EU-konform. Das war unsere Einschätzung und das war übrigens auch allgemeine Einschätzung in dieser Runde, der auch alle CDU-Kollegen angehörten. Deswegen verstehe ich nicht so ganz, was wir hier diskutieren.

Sollte die EU dies bei ihrer zurzeit noch laufenden Prüfung anders sehen und die Harmonisierung über die Mineralölsteuererstattung nicht in voller Höhe akzeptieren - dies ist immer noch möglich, wir erwarten dies allerdings nicht -, wird der Bund zwei andere Maßnahmen notifizieren. Dies ist alles mit den CDUKollegen abgestimmt. Dann folgt die Senkung der Kfz-Steuer, Herr Harms, dann allerdings mit Kompensation der Länder. - Das ist immer so zu Protokoll gegeben worden und Gegenstand der Einigung gewesen. - Also: Senkung der Kfz-Steuer für schwere LKW auf EU-Mindestniveau und ein Innovationsprogramm der Bundesregierung zur Anschaffung schadstoffarmer LKW.

Bis dieses Verfahren entschieden ist, ist die Maut abgesenkt. Das heißt, es gibt eine Teilentlastung, indem die Maut nicht 15 Cent, sondern nur 12,4 Cent beträgt.

(Zuruf)

- Dies ist international nicht völlig ausreichend. Da haben Sie Recht. Dennoch sage ich: Wir haben uns gemeinsam mit Ihren CDU-Partnern auf Bundesebene sehr viel Mühe gegeben, um eine EU-konforme, aber auch für die Speditionswirtschaft vertretbare Regelung zu erreichen. Ich will jetzt nicht alles nachschieben, was aufgrund meines Manuskripts noch angefügt werden könnte. Das können wir auch gerne im Ausschuss noch diskutieren. Ich bitte Sie wirklich, sich gemeinsam mit uns dafür einzusetzen, dass die technischen Probleme überwunden werden - es ist völlig klar, dass hierüber keiner von uns glücklich ist - und dass wir dann diese Maut so schnell wie möglich einführen. Wir sollten sagen: Wir können es, wir schaffen es, dies in Deutschland zu realisieren. Wir sollten dann auch die Kompensation so vorsehen, wie wir sie miteinander besprochen haben. Auch ich stimme Ihnen zu: Die Speditionswirtschaft braucht eine solche Entlastung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Insofern sind wir nicht weit auseinander. Ich bitte Sie,

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

das Verfahren jetzt nicht aufzuhalten, sondern den Blick nach vorn zu richten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit ist die Beratung geschlossen.

Es ist sowohl Abstimmung in der Sache als auch Überweisung in den Ausschuss beantragt worden.

Ich stelle zunächst den Antrag auf Überweisung in den Fachausschuss zur Abstimmung. Wer überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von CDU, FDP und SSW abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag der CDU seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU und FDP abgelehnt.

Die Fraktionen haben sich verständigt, jetzt noch den Tagesordnungspunkt 46 aufzurufen. Ich weise darauf hin, dass wir danach auch noch ein Paket Beratungspunkte ohne Aussprache zu behandeln haben.

Ich rufe also jetzt Tagesordnungspunkt 46 auf:

Unterrichtsversorgung und Lehrerbedarf

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/2677

Bericht und Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses Drucksache 15/2909