Protocol of the Session on September 26, 2003

schließlich Manfred Stolpe die Geräte selbst montiert und zusammengeschraubt und deshalb habe er die Schuld an dieser ganzen Sache.

(Zuruf des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der CDU, verwundert mich. Ganz offensichtlich waren die Initiatoren dieses Antrags nicht so ganz auf dem aktuellen Informationsstand. Die LKW-Maut, die wird nicht eingeführt, die gibt es bereits. Was Sie vielleicht etwas irritiert haben mag, ist vermutlich die Tatsache, dass mit Auslaufen der Vignetten-Regelung zum 31. August 2003 die neue Maut bereits eingeführt ist. Konkreter: Das neue technische System, das leider noch nicht funktioniert, sollte - davon ging man bis vor einigen Tagen in Berlin aus - am 2. November 2003 „scharf“ geschaltet werden. Nach Zeitungsartikeln heute ist sicherlich auch das infrage zu stellen. Bis dahin - also vom 31. August bis zum 2. November 2003 - sollte die Einführungsphase vorgeschaltet werden. Mit anderen Worten: Bis dahin fahren die LKW auf den Autobahnen kostenfrei, also im Sinne dessen, was der Kollege hier eben vorgetragen hat, zumindest für die Spediteure.

(Roswitha Strauß [CDU]: Die Ausländischen aber auch! Das kostet richtig Geld!)

- Das ist klar, aber beides geht nicht. Dem einen die Hände zu reichen, dass sie keine Kosten haben sollen, und gleichzeitig die fehlenden Einnahmen der Regierung anzukreiden, das ist nicht machbar.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf der Abgeord- neten Roswitha Strauß [CDU])

Den Sachverhalt konnte man in allen Zeitungen nachlesen. Kurz vor Auslaufen der Vignetten-Regelung gab es eine Abstimmung in Brüssel über die so genannten Harmonierungsmaßnahmen. Sie werden sich vielleicht daran erinnern: Damit das neue Mautgesetz in Kraft treten konnte und die Maut über das neue System erhoben werden konnte, musste die Bedingung erfüllt werden, dass der ebenfalls geplante Finanzausgleich für die deutschen Spediteure davon abgekoppelt wird. Anders ausgedrückt: Es ging dabei um die Trennung des Mautgesetzes von den Harmonierungsmaßnahmen.

(Zuruf des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Wie diese nun am Ende aussehen werden, insbesondere der Finanzausgleich für die Spediteure, steht noch nicht fest. Möglich ist ein Ausgleich über die Rückerstattung eines Teils der Mineralölsteuer pro

(Bernd Schröder)

bezahltem Mautkilometer und weitere Maßnahmen. Diese Harmonisierungsmaßnahmen sind gemeinsam im Bundesrat erarbeitet und im Mai dieses Jahres von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der CDU: Was hat sich eigentlich seither geändert, das den Antrag rechtfertigen könnte, den Sie hier gestellt haben? Genau genommen nichts, vielleicht mit einer Ausnahme, dass nämlich Brüssel ein Prüfverfahren durchführt, dass im Hinblick auf einen Finanzausgleich für die Spediteure eine rechtlich einwandfreie Regelung vorgegeben wird. Daran können wir nur ein großes Interesse haben. Was wir aber ganz und gar nicht können, ist, wir können das Mautgesetz nicht aussetzen, wie auch immer, solange Brüssel das Prüfverfahren nicht abgeschlossen hat. Tragbar ist der Kompromiss, der auf der Grundlage der Verhandlungen in Brüssel zustande gekommen ist und bereits die Belange der Spediteure berücksichtigt. Das sind im Wesentlichen die folgenden vier Punkte, auf deren Grundlage das Mautgesetz jetzt umgesetzt werden soll:

Erstens. Die Kommission erkennt an, dass Deutschland das Mautgesetz einführt. In einem ersten Schritt sollen 12,4 Cent pro Kilometer erhoben werden, später dann 15.

Zweitens. Das System soll nicht vor dem 2. November 2003 kommen. Das ist nun feststehend. Vom 31. August an wird eine Einführungsphase vorgeschaltet, allerdings ohne Gebühren.

Drittens. Deutschland stellt klar, dass es zwischen der Erhebung der Maut und der Rückerstattung an die Spediteure keinen zwingenden Zusammenhang gibt. Das ist eine Forderung, der inzwischen durch einen entsprechenden Kabinettsbeschluss in Berlin entsprochen wurde.

Viertens. Eine Expertengruppe wird die Technik des Systems und seine Infrastruktur überprüfen. Dabei muss klargestellt werden, dass es weder zur Behinderung ausländischer Transporteure noch zur Einschränkung des freien Warenverkehrs in Europa kommt.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, es spricht nichts für den Antrag der CDU, auch nicht beim letzten, wo es um die Dringlichkeit ging.

(Glocke des Präsidenten)

Letzter Satz, Herr Präsident: Wir sollten den Antrag daher schnell vergessen. Den Initiatoren rate ich, lieber ständig und aktuell die Zeitung zu lesen, dann wissen Sie, was es eigentlich mit der Maut auf sich hat.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Zeitunglesen, lieber Kollege Schröder, ist das so eine Sache. Ich bin nämlich ziemlich sicher, dass auch der 2. November als Termin schon wieder einkassiert ist. So ganz aktuell war Ihr Schluss also auch nicht. Im Übrigen meinen wir, dass der Antrag der Union in die richtige Richtung geht. Deswegen stimmen wir ihm auch zu. Er fordert einen angemessenen Ausgleich für deutsche Spediteure, und auch dafür haben wir uns immer ausgesprochen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man fast darüber lachen. Ich gehe mittlerweile davon aus, dass angesichts der Verwicklungen bei der LKW-Maut damit zu rechnen ist, dass der Ausgleich schon lange vorher gefunden wird, bevor die technischen Voraussetzungen der Mauterhebung wirklich funktionieren.

An sich, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ist die Maut eine einfache und überzeugende Idee. Im Vergleich mit PKW, Radfahrern, Fußgängern verursachen LKW ein Vielfaches an Straßenschäden. Sie werden auf jeden Fall bezahlt. Bis jetzt werden sie in Form des Werteverlustes der Straßen ziemlich gleichmäßig auf die Gesellschaft verteilt und damit ungerecht verteilt. Mit der LKW-Maut werden die Kosten zielgenauer verteilt. Die LKW-Eigentümer müssen die Maut zahlen, beziehen das in ihre Pläne ein und werden versuchen, die Kosten auf ihre Kunden zu überwälzen, so gut das eben im Einzelnen gehen mag. Am Ende bezahlen diejenigen die Maut, die den größten Nutzen aus den LKW-Fahrten ziehen. Das ist im Übrigen eine uralte Idee: Wer schädigt, zahlt. Das nennt man auch Verursacherprinzip.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Das wird, Herr Kollege Hentschel - das wissen Sie auch -, in der Praxis natürlich nicht vollständig klappen. Es ist aber auf jeden Fall gerechter als das derzeitige System. Deswegen ist die LKW-Maut eine grundsätzlich gute Idee, und man muss fairerweise sagen, diesmal ist Rot-Grün über den Zustand der Ankündigung auch hinausgekommen: Zwei der führenden deutschen Hightechkonzerne erhielten den Auftrag, ein technisches System zu entwickeln und

(Dr. Heiner Garg)

später zu betreiben, mit dem die Maut automatisch und kilometergenau erhoben werden kann, allerdings für viel Geld. Kurz nach dem ursprünglich vorgesehenen Starttermin der LKW-Maut begann dann der Probebetrieb, und das ist ungefähr drei Wochen her. Schon am ersten Tag häuften sich die Fehlermeldungen der Anwender: Die Geräte funktionieren nicht und werfen lediglich Phantasiezahlen aus. Die Bundesregierung und die Betreiber behaupten selbstverständlich das Gegenteil: Alles in Ordnung an der vordersten Front der deutschen Verkehrshochtechnologie. Gestern rief die Betreibergesellschaft alle Geräte zurück, sie sind fehlerhaft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Kollege Schröder, ich sage, das, was jetzt kommt, gilt ausdrücklich für die Politik und die beteiligten Unternehmen. Es steht jedem frei, das Folgende auszulegen, wie er möchte: Entweder die Geräte funktionieren fehlerfrei wie geplant, oder die Lobeshymnen zu Beginn des Probebetriebes waren offensichtlich falsch. Ein internationaler Vergleich zeigt im Übrigen das Ausmaß des Versagens. Herr Kollege Eichelberg hat schon darauf hingewiesen. Die Mauterfassungsgeräte in Österreich kosten 5 € das Stück und funktionieren. Die deutschen Geräte kosten mehrere Hundert € und funktionieren nicht. Derweil ist der Bundesverkehrsminister seit Monaten mit der politischen Begradigung der vordersten Front der Verkehrstechnologie beschäftigt. Das ist im Übrigen äußerst undankbar, denn er hat den ganzen Schlamassel eigentlich nur geerbt. Hätte er gewusst, was er von seinen drei Vorgängern erbt, hätte er möglicherweise die Erbschaft ausgeschlagen. Ich sage noch einmal, wäre es nicht so traurig, könnte man ja irgendwie herzhaft lachen.

Richtig traurig wird die Geschichte allerdings, wenn man das Kapitel über den Ausgleich für die deutschen Spediteure aufschlägt. Die Bundesregierung verfolgt das Projekt seit Jahren, hat aber mit all ihrem juristischen Sachverstand noch keinen europarechtlich einwandfreien Weg gefunden, um die zusätzlichen Lasten der deutschen Spediteure zumindest teilweise auszugleichen. Das wird unsere Spediteure hart treffen und vor allen Dingen auch die deutschen Berufskraftfahrer. Im nächsten Mai, liebe Kolleginnen und Kollegen, treten zehn neue Mitglieder in die EU ein, deren Lohnniveau ungefähr bei einem Sechstel des deutschen liegt. LKW-Fahren kann man auch da. Das ist nämlich eine weltweit verbreitete Kulturtechnik.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich würde vorschlagen, dass die verschiedenen Kaffeekränzchen rausgehen und sich draußen unterhalten. Damit meine ich auch Frau Abgeordnete Gröpel. - Herr Abgeordneter Dr. Garg, Sie haben das Wort.

Also, LKW-Fahren kann man auch in den Ländern, die demnächst der EU beitreten. Wenn es uns nicht gelingt, bis dahin einen Ausgleich für die deutschen Spediteure zu finden, wird sich die strukturelle Arbeitslosigkeit in Deutschland erneut erhöhen. Viele Mittelständler werden Pleite gehen, und es wird wieder Menschen treffen, von denen nur wenige eine Chance haben, in unserem Hochlohnland einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Wir werden, das sage ich ganz offen, diesen Prozess keinesfalls vollständig aufhalten können, aber wir müssen ihn durch eine ungeschickte und verfrühte Einführung dieser Maut

(Glocke des Präsidenten)

- ich formuliere meinen letzten Halbsatz, Herr Präsident - auch nicht beschleunigen. Aus diesem Grund werden wir dem CDU-Antrag selbstverständlich zustimmen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Hentschel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier eine Debatte über die Maut.

(Beifall bei CDU und FDP und Zurufe: Ge- nau!)

- Das finde ich rührend, womit man Ihnen eine Freude machen kann.

Die Debatte über die Maut hat im Grunde zwei Aspekte; das eine ist der ökonomische Aspekt, das andere ist der technische Aspekt. Zum technischen Aspekt muss ich sagen, dass viele Debattenbeiträge zu etwas Amüsement bei mir führen, obwohl ich zugeben muss, die Lösung, die angestrebt worden ist, ist natürlich wieder eine typisch deutsche perfekte Lösung. Wir werden, wenn wir dieses System zum Laufen kriegen, das perfekteste Mautsystem der Welt haben. Das ist unbestritten. Es kann durchaus sein, dass ein solches System auch ein Exportschlager wird, weil

(Karl-Martin Hentschel)

natürlich ein satellitengestütztes Mautsystem ungeheuer attraktiv ist, weil man letztlich keine Bodenstationen braucht. Das ist ein großer Vorteil. Trotzdem muss man feststellen, dass es im Moment erhebliche Probleme bei der technischen Realisierung gibt, wobei ich sage, meine Erfahrung mit technischen Systemen - und das ist schließlich mein Beruf gewesen - ist die, dass bei komplizierten technischen Systemen Termine nie wirklich vorhersagbar sind. Das gilt übrigens auch für viele Modelle der Automobilindustrie, die teilweise mit ein oder zwei Jahren Verspätung auf den Markt kommen, weil sich die technischen Probleme einfach nicht vorhersagen ließen. Das galt auch für die Umstellung des computerisierten SBahn-Systems in Hamburg, wo wir eineinhalb Jahre warten mussten, bis die S-Bahn-Zentrale lief. Man muss auch ein bisschen über technische Systeme wissen, um einzusehen, dass Termine in solchen Dingen immer auch ein bisschen etwas mit Hoffnung zu tun haben. So viel dazu!

Ich komme zur ökonomischen Seite.

(Zurufe von der CDU)

- Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Mercedes und Telekom mit Absicht falsche Termine gesetzt haben? Glauben Sie das wirklich?

(Roswitha Strauß [CDU]: Das glaubt kei- ner!)

- Eben! Kommen wir zur ökonomischen Seite. Die Maut führt zu einer verursachergerechten Anlastung der Wegekosten. Das heißt, dass diejenigen, die unsere Straßen benutzen, dafür entsprechend bezahlen müssen.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Marktwirtschaft!)