Für meine Fraktion erkenne ich ausdrücklich an, dass Herr Rohwer dies erfreulicherweise nicht getan hat. Das, was Herr Jacobs gesagt hat, klang schon ganz anders, da wurde ein ganz anderes Lied gesungen. Herr Rohwer hat zu Recht die herausragenden Beispiele hervorgehoben, einige Wirtschaftsunternehmen im Land konkret genannt, die eben sehr viel mehr im Bereich der Ausbildung in ihrer Verantwor
Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Das gilt erst recht für eine Landesregierung, deren Bildungsministerin erst vor kurzem mit großem Selbstverständnis die Streichung von 17 Ausbildungsstellen für Schwesternschülerinnen am Kieler UniKlinikum kommentiert hat: Dies sei „bedauerlich, aber die Situation erfordert solche Maßnahmen“, so wird die Ministerin im „Flensburger Tageblatt“ vom 9. September 2003 zitiert.
Wie kann eigentlich eine Landesregierung die Wirtschaftbetriebe tadeln, wenn sie selbst solche Botschaften unter das Volk bringt? Dabei ist das kein Einzelfall. Die „Lübecker Nachrichten“ berichten am 18. September 2003 von mindestens 20 Auszubildenden, deren Stellen wegen einer nicht eingehalten Förderzusage aus dem ASH-Programm vor dem Aus stehen. Die Zeitungsüberschrift lautete: „Fördertopf leer: Azubis müssen es jetzt ausbaden“.
Die beste Ausbildungsplatzpolitik ist natürlich eine Wirtschaftspolitik, die endlich wieder Wachstum in diesem Land schafft.
Die Talfahrt muss ein Ende haben, die Abwärtsspirale muss gestoppt werden. Nur eine Wirtschaft, die wächst, kann mehr Arbeit, Beschäftigung und Ausbildung sichern. Rot-Grün kann es nicht. Selbst des Kanzlers große Reformanläufe werden von den eigenen Leuten zerredet und verwässert. Übrig bleibt dann die „Legende 2010“, ganz zu schweigen vom „Quark-Konzept“.
Und wenn man in dieser Krise schon über Notmaßnahmen nachdenkt, warum macht man dann nicht erst einmal im eigenen Haus Klarschiff? Warum gibt es eigentlich kein Landesprogramm zur Verbesserung der Ausbildungsreife von Schulabgängern in Schleswig-Holstein?
Warum stellt man nicht Ausbildungsplätze dort zur Verfügung, wo man selbst die Verantwortung dafür trägt? - Beispiele dafür habe ich vorhin genannt.
beglückt man die Freiberufler mit dem Ruf nach Ausweitung der Gewerbesteuern? - Damit wird natürlich enorm die Ausbildungsbereitschaft in einem Wirtschaftsbereich angehoben, der jetzt etwa jede zehnte Ausbildungsstätte in diesem Land stellt.
Oder der Ruf nach der Ausbildungsplatzabgabe für alle - auch der Kollege Jacobs hat dieses Gespenst aus der Kiste hervorgehoben, genau so wie neulich der große Bundeskanzler, Ihr Parteivorsitzender. Weiß denn niemand bei Rot-Grün, wie sich die Ausbildungsplatzsituation dort entwickelt hat, wo solche angeblich segensreichen Umlagesysteme bereits seit einiger Zeit existieren? Weiß Rot-Grün nicht, dass in der Bauwirtschaft die Zahl der Lehrstellen seit 1995 bundesweit von 85.000 auf 51.000 gesunken ist - und zwar auch mit einer Ausbildungsumlage? Ist den Damen und Herren von SPD und Grünen nicht klar, was die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe bedeutet: den Einstieg in einen Ausstieg aus der dualen Berufsausbildung, den Beginn einer Verstaatlichung der beruflichen Bildung mit der Folge noch höherer Kosten im Bereich der Berufsausbildung für den Staat?
Dazu zählt außerdem die Folge einer Fehllenkung von Ausbildungsangeboten, denn Sie glauben doch nicht etwa, dass eine neue Staatsbürokratie, die dann die Mittel verteilt, wirklich weiß, wo zukunftsträchtige Ausbildungen stattfinden können.
„Die Ausbildungsplatzabgabe fördert Ausbildungsfrust. Ein Teil der Wirtschaft wird zahlen statt ausbilden. Für die Handwerksmeister bringt die ‚Straf-Abgabe’ das Fass zum Überlaufen. Denn wer umgelegt worden ist, der kann nicht mehr ausbilden. Der Flurschaden einer Abgabe bei kleinen Firmen kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Zur gewachsenen, kleinbetrieblichen Ausbildungskultur verhält sich die Ausbildungsabgabe wie ein Elefant im Porzellanladen“.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen gelingt es in Schleswig-Holstein erneut, alle Jugendlichen unterzubringen, entweder auf einer Lehrstelle, in einer weiterbildenden Schule oder in einer Qualifizierungsmaßnahme. Das ist ein ausgesprochen schwieriger Akt, aber das ist eine positive Nachricht - gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Situation. Auch im internationalen Maßstab ist die Situation in Deutschland zumindest befriedigend. Die Jugendarbeitslosigkeit ist geringer als bei Erwachsenen - anders als in den meisten anderen Ländern - und wir schaffen es, 90 % der Jugendlichen eine Berufsausbildung zu verschaffen.
Trotzdem darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir in der Berufsausbildung in Deutschland einen akuten Handlungsbedarf haben. Immer mehr Jugendliche werden in Qualifizierungsmaßnahmen und Vollzeitschulen nur geparkt und verbringen Jahre unnütz in Qualifizierungskreisläufen. Circa 10 % der Jugendlichen verschwinden nach der Haupt- oder Realschule trotz der Schulpflicht aus der Statistik und tauchen oft Jahre später beim Arbeitsamt wieder auf. Betriebe klagen über sozial Defizite, Schulfrust und hohe Durchfallquoten. Es gibt einen dramatischen Rückgang von qualifizierten Ausbildungsplätzen in der Industrie. Die Spezialisierung in 300 Ausbildungsberufe entspricht nicht mehr den Erfordernissen einer flexiblen Berufskarriere. Die berufliche Ausbildung war früher einmal für engagierte Jugendliche der Beginn einer Karriereleiter, heute ist sie häufig eine Sackgasse.
Es gibt also auch im beruflichen Bildungswesen dringenden Handlungsbedarf. Und wir sollten nicht darauf warten, bis wir durch internationale Studien - wie bei PISA - auch hier zum Jagen getragen werden.
Ich möchte einige Stichpunkte für den Änderungsbedarf nennen. Dazu gehört die Integration aller Berufsbilder in das duale System; dazu gehört ein modulares System, in dem auch Lehrabbrecher und Durchfaller ihre Leistungen testiert bekommen und die fehlenden Module später nachholen können.
(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Dr. Hen- ning Höppner [SPD] und Lars Harms [SSW])
Dazu gehört die Durchlässigkeit zum Studium unter Anrechnung erworbenen Wissens, dazu gehört die Reduzierung der Berufe und die Ausbildung in Berufsfeldern und letztlich die Integration der Berufsbil
Meine Damen und Herren, unabhängig von einer grundlegenden Reform des beruflichen Ausbildungswesens, und die brauchen wir und darüber müssen wir die Debatte beginnen, muss der Auszug der großen Unternehmen aus der Berufsausbildung gestoppt und muss darauf reagiert werden. Es ist keine Gespensterdiskussion, diese Debatte zu führen, wie man das erreichen kann, Herr Klug, sondern es ist eine notwendige Diskussion. Ich halte ein Umlageverfahren, das gewährleistet, dass alle Firmen sich an den Ausbildungskosten beteiligen, für ausgesprochen notwendig. Es sind ja nicht die Handwerker, die aussteigen, sondern es ist so, dass das Handwerk weit überproportional ausbildet. Es sind nicht die kleinen Betriebe, die aussteigen, sondern es sind die kleinen Betriebe, die weit überproportional ausbilden. Es sind die großen Betriebe, die aussteigen, und sie steigen aus, weil sie eben nicht wie die kleinen Betriebe auf überbetriebliche Ausbildungszentren zurückgreifen können, um Spezialkenntnisse zu vermitteln, sondern weil sie ihre eigenen Lehrwerkstätten haben, die ungeheuer teuer sind. Das hat ganz logische ökonomische Gründe,
die dahinter stehen. Wenn das so ist, dass die überbetriebliche und die hoch qualifizierte Ausbildung in den großen Lehrlingswerkstätten, die die großen Betriebe haben, nicht mehr stattfindet, weil sie ihnen zu teuer ist, muss ein Äquivalent geschaffen werden, und das Handwerk hat dieses Äquivalent.
Das Bauhandwerk hier als Negativbeispiel hinzustellen, ist absurd. Natürlich ist es in einer Krise, aber trotz der Krise bildet das Bauhandwerk weit überproportional aus gegenüber anderen Wirtschaftszweigen. Das muss man wissen. Warum tun sie das? Weil sie ein Umlagesystem haben, das funktioniert, weil die überbetrieblichen Ausbildungszentren von den Betrieben, von den Innungen gemeinsam finanziert werden,
weil es funktionierende Systeme gibt, die zu einer qualifizierten Ausbildung dort führen, wo der einzel
(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Dum- mes Zeug, was Sie da erzählen!)
Von daher glaube ich, dass das Stiftungsmodell, das wir vorgeschlagen haben und worüber ich auch mit den Industrie- und Handelskammern und den Handwerkskammern gesprochen habe, durchaus auf hohe Akzeptanz bei der Wirtschaft stoßen kann. Es kommt nur darauf an, dass es nicht wirtschaftsfeindlich angelegt wird, sondern dass es so angelegt wird, dass es gemeinsam mit der Wirtschaft in der Hand der Kammern oder Innungen entwickelt wird wie die bestehenden Systeme auch und dass das auf die anderen Zweige, wo es solche Modelle nicht gibt, ausgeweitet wird, dass die positiven Erfahrungen dorthin übertragen werden können.
Ich glaube allerdings, dass man ein solches System nicht für Kleinbetriebe einführen sollte, sondern eine Mindestgröße von 20 Beschäftigten eingehalten werden sollte. Darunter sollte man meiner Meinung nach nicht gehen.
Meine Damen und Herren, die Ausbildung unserer Jugend ist das wichtigste Kapital für die Zukunft. Ich bedanke mich deshalb bei allen, die sich auch in diesem Jahr dafür engagiert haben, dass genügend Lehrstellen da sind, bei den Kammern und Innungen, bei Herrn Minister Rohwer
und seinen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bei den Lehrern und Lehrerinnen in den Berufsschulen und ganz besonders bei all den Betrieben - Herr Kubicki, auch wenn Sie andauernd dazwischenquatschen - die trotz vieler Schwierigkeiten erneut Lehrstellen bereit gestellt haben und die keine Mühe scheuen, um der jungen Generation eine Chance zu geben.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selten war die Lage auf dem Ausbildungsmarkt so angespannt wie dieses Jahr. Auch in Schleswig-Holstein stehen wir vor dem Problem, dass wir in den kommenden Jahren wegen der geburtenstarken Jahrgänge mehr Ausbildungsplatz Suchende haben werden, aber die gesamte Wirtschaft gleichzeitig immer weniger Ausbildungsplätze anbietet oder auch zur Verfügung stellen kann. Dies hat die Landesregierung bereits im April erkannt und hat in Abstimmung mit der Wirtschaft, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Arbeitsverwaltung das Sofortprogramm für mehr Ausbildung und Qualifizierung in Schleswig-Holstein aufgelegt.