Protocol of the Session on September 25, 2003

Niedersachsen will seinen Haushalt durch Einsparungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld im Jahre 2004 um über 200 Millionen € entlasten. Ich erspare Ihnen die Details der anderen Länder, aber es wird deutlich

(Zuruf von der SPD: Rheinland-Pfalz!)

- Rheinland-Pfalz wäre von Interesse -, dass jede Kritik von CDU und FDP an dem Gesetzentwurf der Landesregierung verlogen ist. Schenken Sie den Beamten reinen Wein ein, statt zu suggerieren, dass CDU und FDP in Regierungsverantwortung ohne diese Sparmaßnahmen auskommen würden.

Meine Damen und Herren von der CDU, Herr Stegner hat es schon erwähnt, vergessen Sie ehrlicherweise nicht immer wieder die Worte Ihres Parteivorsitzenden zu erwähnen, welcher Massenentlassungen von bis zu 1.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in der schleswig-holsteinischen Landesverwaltung vorgeschlagen hat, um die Personalkosten zu reduzieren. Oder ist Ihnen diese Aussage peinlich? Warum erwähnen Sie die Massenentlassungen hier nicht?

Die Grünen stehen dazu, dass es besser ist, sozial gestaffelte Kürzungen zu beschließen, als unsoziale und unpraktikable Vorschläge in die Welt zu setzen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben über Jahrzehnte dazu beigetragen, dass das Beamtengesetz nicht reformiert worden ist. Auch heute habe ich keinen Reformwillen erkannt. Sie haben mit dazu beigetragen, dass Versorgungsansprüche in Milliardenhöhe aufgetürmt wurden, von denen heute niemand sagen kann, wie sie von der zukünftigen Generation abgetragen werden sollen. Deshalb appelliere

(Monika Heinold)

ich an Sie - weil ich doch immer noch ein Mensch bin, der an die Vernunft glaubt -:

(Zurufe - Glocke des Präsidenten)

Helfen Sie uns, setzen Sie sich gemeinsam mit uns dafür ein, dass es unabhängig von der heutigen Debatte über Weihnachts- und Urlaubsgeld dazu kommt, dass unser Beamtenrecht endlich reformiert wird! Nur Mut! Der Reformstau, von Kohl geprägt, muss beendet werden.

(Zurufe - Glocke des Präsidenten)

Frau Abgeordnete, formulieren Sie bitte Ihren Schlusssatz.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Als die CDU mit der FDP regierte, war das Wort „Reformstau“ Wort des Jahres. Jetzt haben wir sehr viele Reformen, nicht immer richtig, aber es geht immerhin voran.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Zurufe von CDU und FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich begrüßen, dass wir heute das Gesetz zur Gewährung jährlicher Sonderzahlungen gleichzeitig mit dem Bericht zur Zukunft des öffentlichen Dienstes diskutieren. Das gibt uns nämlich die Möglichkeit, jenseits der schmerzhaften Eingriffe bei der Beamtenbesoldung die langfristige Perspektive einer notwendigen Umgestaltung des öffentlichen Dienstes anzusprechen. Das ist aus der Sicht des SSW unbedingt notwendig.

(Vereinzelter Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn die so genannte Öffnungsklausel, wonach Bund und Länder selbst bestimmen können, ob und inwieweit sie jährliche Sonderzahlungen gewähren wollen, löst ja überhaupt keine Probleme. Im Gegenteil, sie schafft demotivierte und - wir sahen es gestern - wütende Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Aber zur langfristigen Perspektive später mehr.

Am 11. Juli 2003 hat eine klare Mehrheit des Bundesrates der eben genannten Öffnungsklausel für die Sonderzahlungen im öffentlichen Dienst - wie Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld - zugestimmt. Dies geschah auch mit den Stimmen von CDU- und FDPregierten Ländern. Ich glaube, jedem ist klar, dass sich keiner diese Entscheidung leicht gemacht hat. Der Beschluss von Bund und Ländern ist aus purer Finanznot getroffen worden und nicht etwa, weil die „bösen" Politikerinnen und Politiker die Beamten des öffentlichen Dienstes quälen wollen.

(Zurufe von der FDP)

Seitdem haben viele Bundesländer - zum Beispiel Hamburg, Niedersachsen, Bayern, Hessen und so weiter - mit der Umsetzung der Öffnungsklausel auf Landesebene begonnen. Auch hier muss festgestellt werden, dass die Parteifarbe bei der Ausgestaltung der Öffnungsklausel nicht entscheidend ist.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage das auch noch einmal, um den Krokodilstränen von CDU und FDP hier im Landtag vorzubeugen. Wir haben ja schon einige gesehen.

Finanzminister Stegner hat zusammen mit seinen norddeutschen Kollegen versucht, eine gemeinsame Position bei der Umsetzung zu erarbeiten. Das ist sehr vernünftig. Dazu hat die Landesregierung im vorgelegten Gesetzentwurf eine soziale Staffelung eingebaut, sodass das Urlaubs- und Weihnachtsgeld der unteren und mittleren Besoldungsgruppen weniger beschnitten wird als das der höheren Dienstgruppen. Diese Staffelung ist zwar lobenswert, sie geht aber aus der Sicht des SSW nicht weit genug.

Wir haben von Anfang an davor gewarnt, diese Öffnungsklausel zu beschließen, ohne ernsthaft mit den Personalvertretungen und Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes zu verhandeln. In so einer sensiblen Frage kann man eine Kürzung der Besoldung nicht von oben verordnen, sondern muss gemeinsame Lösungen anstreben. Wir haben auch darauf hingewiesen, dass der Deutsche Beamtenbund eigene Vorschläge eingebracht hat. Wir hätten uns gewünscht, dass die Landesregierung auf dieser Grundlage ernsthafte Verhandlungen mit den Beschäftigten aufgenommen hätte.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

- Lieber Kollege, ich werde gleich etwas dazu sagen. Vor diesem Hintergrund haben wir uns in der Debatte vor der Sommerpause gegen die Öffnungsklausel ausgesprochen. Jetzt wird verordnet statt verhandelt

(Anke Spoorendonk)

und dann darf man sich über die Reaktion der Landesbediensteten nicht wundern. Der SSW versteht die Enttäuschung, die darin zum Ausdruck kommt. Für viele Beschäftigte sind diese Kürzungen besonders demotivierend, weil sie vor nicht so langer Zeit eine Arbeitszeitverlängerung ohne Gehaltserhöhung hinnehmen mussten. Sie fühlen zu Recht, dass die schlechte Haushaltslage des Landes auf ihrem Rücken ausgetragen werden soll. Ich glaube, dass hier das Argument mit der Arbeitsplatzgarantie zu kurz greift.

Gleichzeitig wissen wir aus vielen Gesprächen, dass auch in vielen Betrieben das, was man Sonderzahlungen nennt, gekürzt wird. Auch das darf man nicht vergessen. Aber, wie gesagt, unserer Meinung nach greift das Argument der Arbeitsplatzgarantie hier zu kurz. Wir müssen uns in diesem Zusammenhang auch fragen, wie wir auf dieser Grundlage in Zukunft ausreichend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den öffentlichen Dienst gewinnen wollen. Die brauchen wir ja, wenn wir den öffentlichen Dienst weiterentwickeln und verändern wollen. Dass das kommen muss, dazu kann es wohl keine zwei Meinungen geben.

Jetzt liegt ein Gesetzentwurf der Landesregierung vor. Unser Anliegen ist, auf diesen Entwurf Einfluss zu nehmen. Jetzt komme ich zu dem, was ich vorhin gesagt habe. Das Gesetz wird heute in erster Lesung beraten und wir sind nicht so naiv zu glauben, dass die regierungstragenden Fraktionen es wieder einstampfen werden. Aber wir hoffen, dass wir noch einige Änderungen zugunsten der Landesbeschäftigen in das Gesetz einfügen können. Der SSW steht nach wie vor dazu, dass die stärksten Schultern die größten Lasten tragen sollen. Deshalb können wir nur Einschnitte bei den oberen Einkommen akzeptieren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Kein Weih- nachtsgeld mehr für Minister!)

Die unteren Einkommensgruppen sollten aus der Sicht des SSW von den Kürzungen ausgenommen werden. Hier möchte ich nur beispielhaft für viele die meisten Finanzbeamten und Polizisten erwähnen, die auch deshalb nicht so viel verdienen, weil sie immer wieder wegen der Finanzlage bei den Beförderungen hintenan gestanden haben. Auch wenn wir die Bemühungen des Finanzministers und des Innenministers in dieser Frage durchaus anerkennen wollen, gibt es bei diesen Gruppen immer noch Defizite. Wir werden daher entsprechende Änderungsvorschläge bei den Ausschussberatungen einbringen und hoffen auf die Einsicht von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dazu werden wir auch vorschlagen - lieber Kollege Neugebauer -, dass das Gesetz auf zwei Jahre zeitlich

befristet wird, wie es auch in Bayern und Hamburg geschehen soll.

(Thomas Stritzl [CDU]: Zum Beispiel!)

Zurück zum Bericht über die Zukunft des öffentlichen Dienstes. Es ist schon interessant, was die Regierungskommission in Nordrhein-Westfalen in ihrem Bericht „Zukunft des öffentlichen Dienstes - öffentlicher Dienst der Zukunft“ dargelegt hat. Für den SSW kann ich nur sagen, dass wir in weiten Bereichen mit den Vorschlägen der Kommission übereinstimmen. Das gilt insbesondere für die Begrenzung des Beamtentums auf staatliche Kernaufgaben, wie zum Beispiel Justiz und innere Sicherheit. Das ist ja unsere Position, das wissen Sie.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sehr gut! Jetzt werden Sie wieder vernünftig!)

Auch eine Änderung des bisherigen Besoldungssystems dahin gehend, dass die alters- und familienbezogenen Komponenten zugunsten einer variableren Leistungsvergütung abschafft werden, können wir voll und ganz unterstützen. Entsprechende moderne Besoldungssysteme gibt es bereits seit einigen Jahren in unserem Nachbarland. Auch da kann man vielleicht einmal etwas lernen. Wir begrüßen ebenfalls die Forderung nach einer Einführung des Streikrechts für den größten Teil der öffentlichen Beschäftigen. Warum auch nicht? Denn wir wollen ein einheitliches Tarif- und Dienstrecht und dazu gehört auch das Streikrecht. Für einen Systemwechsel bei der Altersvorsorgung, sprich Einzahlung in die Rentenversicherung, plädieren wir schon seit langem.

Kurz und gut: Die Kommission in Nordrhein-Westfalen hat aus unserer Sicht gute Vorschläge gemacht.

Warum sind wir dennoch in einer schwierigen Lage, was die Umsetzung dieser Vorschläge angeht? Da ist zum einen das Beharrungsvermögen in vielen der CDU- und FDP-geführten Bundesländer, die aus Tradition - oder aus anderen Motiven - scheinbar überhaupt kein Interesse daran haben, ein neues Dienst- oder Besoldungsrecht einzuführen. Anders kann man sich nicht erklären, dass der zukunftweisende Vorschlag der Landesregierung - ich meine wirklich zukunftweisend - für ein modernes Beamtenrecht seit 1996 im Bundesrat schmort, ohne dass etwas geschehen ist.

Zum anderen gibt es bei dem angestrebten Systemwechsel natürlich kurzfristig zusätzliche Belastungen für die Bundes- und Landeskassen. Ein Beispiel war ja der Vorstoß der Landesregierung, nur noch angestellte Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Wir sind immer noch davon überzeugt, dass dies ein wirk

(Anke Spoorendonk)

lich vernünftiger Ansatz zur Modernisierung des öffentlichen Dienstes war. Mir leuchtet immer noch nicht ein, warum Lehrkräfte überhaupt Beamte sein sollen.

Das Problem war natürlich, dass diese Entbeamtungspolitik kurzfristig durch die Einzahlung der Beiträge in die Sozialkassen teurer war als das herkömmliche System. Deshalb haben sich ja leider viele Bundesländer, auch SPD-geführte Länder, nicht dazu entschließen können, diesem positiven Beispiel Schleswig-Holsteins zu folgen. Das zeigt auch das Ergebnis, dass wir unsere Entbeamtungspolitik notgedrungen wieder stoppen mussten, weil die anderen Bundesländer nicht mitzogen und uns die Lehrer abgeworben haben.

Wenn die aktuelle Finanznot ein Gutes hat, dann dies, dass ein Systemwechsel im öffentlichen Dienst wieder auf die Tagesordnung gesetzt wird. Das ist positiv, dennoch müssen wir uns in diesem Bereich von lieb gewordenen Privilegien verabschieden.

Zu guter Letzt dann auch noch ein Wort zum Bericht! Der Bericht zeigt, dass Schleswig-Holstein diejenigen Forderungen der nordrhein-westfälischen Kommission hinsichtlich der Modernisierung des öffentlichen Dienstes, die auf Landesebene, also in Eigenregie durchgeführt werden können, zum großen Teil bereits erfüllt hat. Ich denke, das sollte erwähnt werden.

(Beifall bei SSW, SPD und der Abgeordne- ten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Herr Abgeordneter Schlie.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja immer wieder eine wirklich bemerkenswerte Stunde für dieses Parlament, Herr Finanzminister, wenn Sie hier nach vorn kommen

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])