Protocol of the Session on June 20, 2003

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD], Helmut Plüschau [SPD], Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

und das ihnen zugleich die Möglichkeit gibt – der Auffassung bin ich allerdings auch -, sich die Studierenden weitgehend selbst auszusuchen. Wir werden ja sehen, ob die Hochschulen das hier in Anspruch nehmen wollen. Das ist auch ein System, in das meiner Auffassung nach das bisherige BAföG einbezogen werden sollte, möglicherweise das Kindergeld, das darlehensbasiert sein kann oder mit Bildungsguthaben arbeitet. Das ist nichts anderes als der Stein der Weisen, den wir da suchen. Wir müssen allesamt zugeben, dass wir diesen Stein der Weisen bisher nicht gefunden haben.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber die Debatte darüber will ich gern führen; die hat auch längst begonnen. Ich habe allerdings den Verdacht, dass diejenigen, die jetzt vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, diesen Stein überhaupt nicht suchen wollen,

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD], Helmut Plüschau [SPD], Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

sondern denen geht es um etwas ganz anderes, denen geht es um das Machtgefüge zwischen Bund und Ländern. Es geht teilweise auch jedenfalls dann, wenn es die Haushälter sind, die das fordern, oder Herrn Wowereit in Berlin, der nicht mehr weiß, wie er seine Hochschulen überhaupt noch finanzieren soll, darum, auf eine ganz schlichte Art schnell Geld in die Kassen zu bekommen. Das ist nachvollziehbar, aber ich finde das aus den Gründen, die ich genannt habe, nicht richtig. Dass in der Diskussion auch SPDPolitiker sind, versteht sich von selbst.

In Schleswig-Holstein wird es also diese Art schlichter Gebühreneinführung nicht geben. Diese Zusage haben wir gegeben. Dabei bleibt es.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete de Jager.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es fügt sich ja am Ende ganz gut, dass wir die beiden Tagesordnungspunkte HSG-Novelle und gemeinsamer Antrag von CDU und FDP zur Klage der sechs Bundesländer in verbundener Debatte beraten; denn es

handelt sich um eine unterschiedliche Reaktion auf das gleiche Ereignis, nämlich die 6. Änderung des Hochschulrahmengesetzes. Diese Reaktion könnte in der Tat nicht unterschiedlicher sein, als sie sich im Moment darstellt. Denn, wie Sie gesagt haben, Frau Erdsiek-Rave, ist es so, dass die Landesregierung den Gesetzentwurf am 3. Juni zugeleitet hat, um eben diese 6. Änderung umzusetzen, die unter anderem bedeutet, dass Studiengebühren an Hochschulen in Deutschland nicht erhoben werden dürfen. Sie setzen damit das Hochschulrahmengesetz 1 zu 1 in Landesrecht um.

Andere Bundesländer haben aus dem gleichen Ereignis eine völlig entgegengesetzte Schlussfolgerung gezogen – Sie haben es selbst erwähnt – und Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Sie haben das am 23. Mai getan. Es wird Sie nicht wundern, meine Damen und Herren, dass wir Ihre Novellierung des Hochschulgesetzes ablehnen. Wir fordern zusammen mit der FDP, die Klage dieser Länder zu unterstützen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Unterstützen – das will ich an dieser Stelle auch hinzufügen – bedeutet nicht beitreten – das geht aus rechtlichen Gründen nicht -, wir sind aber sehr wohl der Auffassung, dass der Landtag diese Klage mit unterstützen und im Rahmen der Beteiligungen, die es gibt, die Position dieser Länder auch mit vertreten sollte.

Wir glauben, dass die Begründung für die Klage auch tatsächlich schlüssig ist. Ein solches Verbot von Studiengebühren im Hochschulrahmengesetz belässt den Ländern keine eigenen Handlungsspielräume mehr und durch das unmittelbar geltende Verbot der Einführung von Studiengebühren greift der Bund nachhaltig in die Freiheit der Länder ein, über die Finanzierung der Hochschulen selbst zu entscheiden. Die Finanzierung öffentlicher Ausgaben und damit die Haushalts- und Finanzautonomie der Länder stellt das verfassungsrechtliche Hausgut der Länder dar und dieses Hausgut der Bundesländer wird durch das Hochschulrahmengesetz, wie es hier vorliegt, verletzt.

Das, meine Damen und Herren, hat eine hochschulpolitische Variante, aber es hat auch eine verfassungspolitische Variante. Wir debattieren diesen Antrag in einem zeitlichen Umfeld, das geprägt ist durch einen Verfassungskonvent auf europäischer Ebene, durch einen Konvent der Bundesländer in Lübeck und durch eine Positionierung der Kultusministerkonferenz hinsichtlich der Frage, welche Rechte die Länder haben und welche Rechte der Bund hat.

(Jost de Jager)

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, wir können uns die Lübecker Erklärung und wir können uns die Ministerpräsidentenkonferenz und wir können uns die ganzen Bekenntnisse zum Föderalismus und zu den Rechten der Länder sparen, wenn wir in diesem Fall nicht bereit sind, tatsächlich auf unser Recht zu pochen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das Recht der Länder besteht darin, dass wir nicht im Bundestag und nicht im Bundesrat, sondern hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag darüber entscheiden wollen, ob wir an den Hochschulen des Landes Studiengebühren erheben oder nicht. Dieses Königsrecht sollten wir uns als Landesparlament auch nicht aus der Hand nehmen lassen. Aus dem Grund unterstützen wir die Klage.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen einmal sehen, wie sich dann, wenn so etwas möglich wäre, die Landesregierung verhalten würde. Wir haben ja im Rahmen dieser Plenartagung sehr unterschiedliche Äußerungen bekommen. Ich weiß nicht, ob es tatsächlich geplant war oder ob es ein Lapsus der Ministerpräsidentin war zu sagen, sie sei noch nicht für Studiengebühren. Das ist ja etwas anderes als das, was Sie eben dargestellt haben, Frau Erdsiek-Rave. Es ist in der Tat so, dass es in der Landesregierung offenbar unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, ob man dem Thema Studiengebühren näher tritt oder nicht näher tritt. Sie sind in dieser Frage nicht einheitlich und Sie haben keine geschlossene Meinung dazu.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir glauben deshalb, dass wir diese Diskussion auch hier führen müssen. Wir dürfen übrigens auch nicht, Frau Erdsiek-Rave, immer darauf verweisen, dass es doch angeblich gar keine Konzepte dazu gebe. Wir haben in der vergangenen Landtagstagung bereits über das Thema Studiengebühren geredet. Da habe ich für meine Fraktion gesagt, dass wir für Studiengebühren sind. Da kam der Einwand von den Grünen, von Frau Heinold, das sei ja alles gut und schön, aber noch seien sie ja verboten. Also fangen wir mit dem an, was erst einmal nahe liegt, und nahe liegend ist dann erst einmal, die Einführung von Studiengebühren zuzulassen. Das machen wir hiermit. Deshalb hat dieser Antrag eben nicht nur eine verfassungspolitische Dimension, sondern hat auch eine hochschulpolitische Dimension. Wir wollen die Freiheit zur Erhebung von Studiengebühren nicht allein aus verfassungspolitischen Gründen, sondern wir wollen sie auch, weil wir im Zweifelsfall von dieser Freiheit Gebrauch machen wollen.

Das, meine Damen und Herren, hat nichts damit zu tun, dass wir die Kosten für die Universitäten oder für die Finanzierung unseres Hochschulsystems auf die Studierenden abwälzen wollen. Nach unseren Vorstellungen sind Studiengebühren nicht das Notopfer der einen Generation der Studierenden für die nächste Generation, sondern sie sind Teil einer modernen und wirklich neuen Hochschulfinanzierung, die eine stärkere Eigenverantwortung der Studierenden vorsieht und in dem Zusammenhang auch eine stärkere Eigenbeteiligung.

Insofern ist das, was wir unter Studiengebühren verstehen, etwas anderes als das, was sich im ErichsenGutachten unter dem Kapitel „Studiengebühren“ findet. Was Herr Erichsen vorschlägt, ist eine Art erhöhte Verwaltungsgebühr, die den Hochschulen einfach mehr Geld zuführt, ohne tatsächlich an dem bestehenden System der Hochschulfinanzierung Gravierendes zu ändern. Dazu sagen wir: Das wollen wir auch nicht. Es ist kein Modell des Abkassierens, es ist nicht einfach ein Modell, irgendwie neue Töpfe zu finden, die man bisher nicht hat, sondern es ist die Einführung von Studiengebühren, die an ganz bestimmte und konkrete Voraussetzungen gebunden sind.

Wenn man Studiengebühren einführen will, gelten für uns drei Voraussetzungen. Erstens müssen Studiengebühren sozial verträglich sein. Frau Erdsiek-Rave, natürlich brauchen Sie uns nicht vorzuwerfen, dass wir zu einer Form der Studierfähigkeit zurückkommen wollen, die daran gebunden ist, wie viel die Eltern verdienen. Das ist absoluter Unsinn. Es gibt solche Modelle im Ausland, tatsächlich sozial verträglich zu Studiengebühren zu kommen.

Das bedeutet - zweitens -, dass man ein Stipendiensystem und ein Darlehensystem aufbauen muss, die das ermöglichen. Das bedeutet aber auch, dass Stipendien nicht nur nach materieller Bedürftigkeit, sondern auch nach einem Leistungsprinzip vergeben werden. Auch das ist etwas, was wir durchaus wollen.

(Beifall bei der CDU)

Die dritte Voraussetzung, auf die wir Wert legen, ist: Das Geld, das durch die Studiengebühren eingenommen wird, muss bei der jeweiligen Hochschule verbleiben. Was wir nicht mitmachen, ist eine Einführung von Studiengebühren, wo die Einnahmen aus den Studiengebühren entweder bei Herrn Stegner oder irgendeinem Strukturfonds für die Hochschulen allgemein landen. Es muss sichergestellt sein, dass - wenn es zu Studiengebühren kommt - das Geld, das ich als Studierender bezahle, tatsächlich bei der Hochschule verbleibt, an der ich studiere.

(Jost de Jager)

Wenn das gewährleistet ist, werden Studiengebühren dazu führen, dass sich die Studienbedingungen an den Hochschulen verbessern. Erst dann, wenn der Staat die Voraussetzungen geschaffen hat, nämlich die Hochschulen zu sanieren, kann ich solche Studiengebühren verlangen, weil sie dann auch zum Vorteil der Studierenden sein werden.

Zu dem Vorteil der Studierenden gehört auch ein anderer Punkt: Studiengebühren werden den Status des Studierenden seiner Hochschule gegenüber erheblich verändern. Er ist dann nicht mehr „Empfänger einer öffentlichen Leistung“, sondern er ist „zahlender Kunde“ seiner Hochschule. Das bedeutet nicht, dass wir das Verhältnis zwischen den Lehrenden und den Lernenden auf eine Geschäftsbeziehung reduzieren wollen, sondern es bedeutet: Wenn jemand Studiengebühren bezahlt, kann er in ganz anderer Weise Ansprüche an seine Hochschule hinsichtlich der Betreuung stellen, als es derzeit der Fall ist. Das bedeutet ebenso, dass sich die Hochschule in ganz anderer Weise um den Studierenden bemühen muss. Denn wenn der mit den Füßen abstimmt und woanders hingeht, verliert die Hochschule Geld und damit Ausstattung.

Insofern wird auch das dazu führen, dass sich die Verhältnisse für die Studierenden am Ende tatsächlich verbessern. Deshalb sind wir für die Klage der sechs Bundesländer, für den Föderalismus, aber auch für bessere Studienbedingungen moderner Hochschulen in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich auf die HSG-Novelle zurückkommen, die Sie vorgelegt haben, die neben der Frage der Studiengebühren die Einführung der Juniorprofessur in Schleswig-Holstein bedeutet. Frau Erdsiek-Rave, Sie haben mit dieser HSG-Novelle Ihre eigene Agenda 2010. Denn ab dem Jahr 2010 wird in SchleswigHolstein die Juniorprofessur sozusagen die einzige Regelvoraussetzung für den Ruf auf einen Lehrstuhl an einer schleswig-holsteinischen Universität sein. Tatsächlich ist es so, dass bereits ab dem 1. Januar 2005 - rechtlich gesprochen - keine Oberassistentenstellen mehr zugelassen sind. Ab 1. Januar 2005 endet in Schleswig-Holstein de facto die Möglichkeit, eine Habilitation zu beginnen. Damit wird nach eineinhalb Jahrhunderten ein bewährtes Qualifizierungssystem der Wissenschaft in die Tonne gedrückt. Wir sagen: ohne Not. Wir bedauern die Abschaffung der Habilitation,

(Beifall bei der CDU)

weil es von vornherein unsere Auffassung gewesen ist, dass man mit etwas gutem politischen Willen ein

Nebeneinander von Habilitation und Juniorprofessur hätte erreichen können. Das ist von vornherein die Position der CDU, übrigens bundesweit, gewesen.

Es mag sein und es ist bestimmt richtig, dass in einer Zahl von Fächern schon jetzt die Habilitation keine große Rolle mehr spielt und bereits zurückgedrängt ist. Das ist vor allem in den Naturwissenschaften der Fall. Auf der anderen Seite gibt es eine Reihe von Fächern, in denen die Habilitation eigentlich nicht ersetzt werden kann. Das ist weitgehend in den Geisteswissenschaften so und es ist vor allem im Fach Jura so. Deshalb halten wir es für falsch, auf ein bewährtes System, auf eine bewährte Maßnahme komplett zu verzichten, weil man ein Nebeneinander, eine Parallelität hätte erreichen können.

Wir glauben im Übrigen auch, dass die Art und Weise, wie Sie die Juniorprofessur hier einführen, zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen an den Hochschulen führen wird. Denn Sie sagen sowohl im Gesetzentwurf als auch in einem Bericht, den Sie vor eineinhalb Jahren vorgelegt haben, dass die Einführung von Juniorprofessuren mit zusätzlichen Kosten einhergeht, weil die Juniorprofessuren Mittel beanspruchen.

Herr Abgeordneter, bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz!

Ich komme zum Schluss. - Weil das so ist, hat die Bundesbildungsministerin ein auf vier Jahre beschränktes Programm aufgelegt, in dem es Mittel des Bundes für die Juniorprofessur gibt. Aber die Frage, die Sie nicht beantwortet haben und die Sie heute oder zumindest vor der zweiten Lesung beantworten sollten, ist: Was wollen Sie tun, um die Mittel zu ersetzen, wenn sie auslaufen? Denn wenn Sie diese Mittel nicht ersetzen, wird es in der Tat zu einer Verschlechterung der Studien- und Arbeitsbedingungen kommen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich bedanke mich dafür, dass ich eine Minute länger reden konnte und freue mich auf die Ausschussberatung und die zweite Lesung.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass letzte Sätze zum Teil richtige Absätze sind. Ich bitte doch

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

sehr, sich an die zeitlichen Vorgaben zu halten. - Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Weber.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne nicht mit meinem letzten Satz, sondern mit meinem ersten und der nimmt Bezug auf die Ausführungen der Ministerin. Wir haben im letzten Jahr zwei Hochschulrahmengesetznovellen gehabt und sind jetzt dabei, die wichtigsten Essentials daraus in Landesrecht umzusetzen.