Schon jetzt haben wir starke zentrale Elemente in den Abiturprüfungen; denn die bundesweit einheitlichen Prüfungsanforderungen - die so genannten EPAs - gelten schon jetzt. Sie sind Grundlage für die Aufgabenstellung in den Abiturprüfungen und werden derzeit überarbeitet. Für Deutsch, Mathe und Englisch liegt das Ergebnis bereits vor. Auch das andere wird zügig weitergehen.
Soweit es irgendwie möglich ist, wird die Objektivität gesichert. Bei der Korrektur von Arbeiten - jedenfalls in bestimmten Fächern - gibt es immer den menschlichen Faktor. Das kennt natürlich jeder aus seiner eigenen Schulzeit. Wir versuchen, das durch Zweit- und zum Teil auch Drittkorrekturen sowie durch eine entsprechende Fortbildung der Lehrkräfte in den Griff zu bekommen. Ich bin davon überzeugt, dass die
Lehrerinnen und Lehrer die vorab eingereichten Themen im Unterricht nicht vorher bearbeiten. Deswegen und weil es erhebliche Nachteile geben würde, sehen wir keine Veranlassung, jetzt aktiv zu werden.
Zentrale Prüfungen führen zu einem prüfungsorientierten Unterricht. Bisher belegt nichts das Gegenteil, sondern es gibt eher Belege dafür, dass es so ist.
Jede Lehrerin und jeder Lehrer will sich doch auf die Vorgaben konzentrieren, um den Prüfungserfolg seiner Schüler nicht zu gefährden. Das, worauf es ankommt, nämlich auf Kompetenz und anschlussfähiges Wissen, gerät in den Hintergrund. Herr Dr. Klug, ich gebe Ihnen absolut Recht: Im Grunde genommen verhindern Zentralprüfungen gerade in der Oberstufe des Gymnasiums komplexe Lernsituationen und sie bereiten damit nicht ausreichend auf die Anforderungen des Studiums vor. Das Gegenteil ist der Fall.
Meine Damen und Herren, zum Schluss noch ein weiterer Aspekt, der oft genannt worden ist. Hinter der lapidaren Formulierung, dass die Aufgaben vom Kultusministerium erstellt und die curricularen Vorgaben vom IQSH erarbeitet werden, steckt in Wahrheit, dass erhebliche Ressourcen gebunden werden. Unsere Leute sagen mir, dass ungefähr 30 Fachkommissionen mit je drei Personen gebildet werden müssen. Dafür ist sehr viel aufzuwenden: Es fallen sehr viele Fahrtkosten, Tagegelder und natürlich auch Ausgleichsstunden an.
In einer Zeit, in der für eine Verschlankung der Ministerien und für Entbürokratisierung plädiert wird, finde ich das zumindest fragwürdig.
Natürlich wollen wir, dass unsere Abiturientinnen und Abiturienten national und international wettbewerbsfähig sind. Weil Zentralprüfungen aber keine Garantie für bessere Schulergebnisse sind, sehen wir derzeit keinen Grund zum Handeln. Im Gegenteil: Wir werden auch weiterhin den Weg, auf dem es zur Eigenverantwortung und zur sozialen Kontrolle geht, weitergehen.
Nein, meine Redezeit ist doch abgelaufen, Frau Präsidentin. - Ich denke, wir sollten im Ausschuss weiter darüber diskutieren und das Für und Wider abwägen.
Es wurde beantragt, den Antrag dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass jetzt die Tagesordnungspunkte 7 und 27 behandelt werden sollen. Diese rufe ich hiermit auf:
a) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hochschulgesetzes (HSG) - Einführung der Juniorprofessur - sowie zur Änderung des Landesbeamtengesetzes (LBG)
Zur Begründung des Gesetzentwurfs erteile ich zunächst der Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur, Frau Erdsiek-Rave, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat im vergangenen Jahr zwei Novellen zum Hochschulrahmengesetz beschlossen. Darin wurden unter anderem die Einführung der Juniorprofessur und das Recht auf ein gebührenfreies Erststudium geregelt. Beide Novellen setzen wir jetzt in Landesrecht um.
Im Mittelpunkt dessen, was wir Ihnen heute vorlegen, steht etwas, das zeitweise fast wie eine akademische Kulturrevolution diskutiert wurde, nämlich die Ein
führung der Juniorprofessur anstelle der Habilitation als wichtigste neue Qualifizierung zur Berufung zum Universitätsprofessor oder zur -professorin. Unser Gesetz wird die Habilitation nicht von heute auf morgen abschaffen, sondern in einem fließenden Prozess ersetzen.
Führen Sie es sich noch einmal vor Augen: Der akademische Nachwuchs in Deutschland erhält seinen ersten Ruf auf eine eigenverantwortliche C3- oder C4-Professur mit im Durchschnitt mehr als 40 Jahren. Diejenigen, die nach der Habilitation keinen Ruf erhalten, gelten außerhalb der Hochschule als überqualifiziert und zu alt. Die ebenso qualifizierten Alterskollegen in der freien Wirtschaft haben zu diesem Zeitpunkt und mit diesem Alter längst ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Verantwortung.
Auch international ist der deutsche Sonderweg der Habilitation nicht mehr konkurrenzfähig. Der neue Qualifizierungsweg, also die neuen Qualifikationsstellen - die Juniorprofessuren -, dauert zweimal drei Jahre und schließt sich zeitnah an die Promotion an. Die Stellen sind bei den Fachbereichen angesiedelt und die Stelleninhaber werden der Gruppe der Hochschullehrer zugeordnet. Sie tragen den Titel „Professor“ und hoffentlich zunehmend auch „Professorin“;
denn die Chancen für Frauen sind an unseren Hochschulen nach wie vor deutlich ungünstiger als die von Männern. Auch das ist kein Naturgesetz, wie man in anderen europäischen Ländern beobachten kann. Jede dritte Promotion in Deutschland wird inzwischen zwar von einer Frau vorgelegt, sobald die Pyramide aber enger wird, sinken ihre Chancen deutlich. Die Luft wird dünner und das traditionelle Laufbahnschema mit all seinen Abhängigkeiten und all seiner Langwierigkeit benachteiligt Frauen sehr.
Die Juniorprofessur soll auch die Vereinbarkeit von Familie und Beschäftigungsphase erleichtern. Die Elternzeit und die Pflege und Betreuung von Kindern verlängern das Anstellungsverhältnis natürlich entsprechend.
Der vorliegende Gesetzentwurf enthält darüber hinaus eine Reihe von weiteren Neuregelungen, die ich nicht alle nennen kann. Die Prüfungsordnungen und das Gebührenwesen werden in Zukunft von den Hochschulen eigenständig geregelt. Das sind Schritte hin auf dem Weg zu noch mehr Eigenverantwortung. Ihnen werden in Zukunft weitere folgen.
Meine Damen und Herren, in dem Gesetz zur Änderung des Hochschulgesetzes wird nun auch festgelegt, dass für das Erststudium und für das konsekutive
Studium grundsätzlich - so heißt es - keine Studiengebühren erhoben werden. So verlangt es der Bundesgesetzgeber mit dem Hochschulrahmengesetz, das wir hier umsetzen.
Nun fordert uns die Opposition - Sie merken, ich komme zum zweiten Thema meiner Rede - dazu auf, wir - das Land - sollten uns dem Normenkontrollantrag, also der Verfassungsklage, von Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, dem Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt gegen das Hochschulrahmengesetz anschließen. Sie wollen sich durch ein Bundesgesetz in Sachen Gebühren nichts vorschreiben lassen. - Ich mache eine Klammerbemerkung: Keineswegs alle Länder planen die Einführung von Studiengebühren oder sind deren Befürworter. Ich grüße meinen Kollegen Zehetmair in Bayern, der dies ausdrücklich nicht will.
Es sollen Tür und Tor für ein Flickenteppich von Regelungen geöffnet werden. An denen wird in Deutschland schon munter gearbeitet. Ich nenne das nicht Föderalismus, sondern Kleinstaaterei.
Ich frage Sie von der Opposition: Halten Sie es eigentlich ernsthaft für sinnvoll, dass junge Menschen, die aus schwächeren Einkommensschichten kommen, den Studienort in Zukunft nicht mehr nach ihrer Neigung oder der Exzellenz der Hochschule aussuchen, sondern nach der Gebührenlage in den einzelnen Bundesländern? So sieht es jetzt aufgrund der Langzeitstudiengebühren ansatzweise schon aus. Das können wir in Deutschland doch nicht wirklich wollen. Wollen Sie das größte Problem, das wir in unserem Bildungswesen haben, nämlich das Aussieben und die Selektion, allen Ernstes sehenden Auges möglicherweise - das füge ich hinzu, weil der Beweis und der Gegenbeweis in Deutschland noch ausstehen - noch weiter verschärfen?
In der PISA-Studie wurde uns ja vorgeführt - natürlich muss ich sie als Beleg hier anführen -, wie wenig die Bildungsperspektiven in Deutschland wirklich von Intelligenz und Begabung und wie stark vom Bildungsstand und der sozialen Lage der Eltern abhängen. Meine Sorge ist, dass dieser fatale Zusammenhang durch solche Initiativen in Zukunft möglicherweise noch weiter verstärkt wird.
Ich finde, wir haben allen Grund, in unserem Bildungssystem vorrangig darüber nachzudenken, ob wir nicht weitere Hürden, die wir im System haben, ab
Ich frage Sie auch, ob Sie es ernsthaft für möglich halten, dass jedes Bundesland seine eigenen Stipendiensysteme aufbaut, die man mit Sicherheit ja braucht, selbst wenn man BAföG-Höchstempfänger von Studiengebühren ausnehmen würde. In Ihrem Antrag gibt es ja nun keinerlei Hinweis auf irgendein Konzept, auf irgendeine Idee. Vielleicht sind ja auch Sie skeptisch gegenüber den Modellen, die im Moment auf dem Tisch liegen, etwa gegenüber dem Studiengebührenmodell, das derzeit in Hamburg diskutiert wird. Allen Rückfragen nach Praktikabilität, nach dem Verhältnis von Aufwand und Ertrag, nach der Notwendigkeit einer Anschubfinanzierung auch in dem Dräger-Modell, die niemand leisten kann, und zur Organisation eines Stipendiensystems, zur Bürgschaft für die Rückzahlung und so weiter hält bisher in Deutschland kein Modell stand.
Für die Diskussion jedenfalls, die die Ministerpräsidentin am Mittwoch angestoßen hat, ist Ihr Antrag keine Grundlage. Wir haben die Diskussion zu führen über ein konsequentes, ein umfassendes, ein gerechtes System von Bildungsfinanzierung in Deutschland, eines, das sozial gerecht den gesamten Bildungsweg von der Kindertagesstätte bis zum lebenslangen Lernen in den Blick nimmt und keine Abschreckungswirkung – auf keiner Stufe des Systems – auslöst,
(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD], Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
ein System, das auch andere Ungerechtigkeiten hilft mit zu beseitigen, die wir nämlich im System haben. Dazu gehört etwa die Frage: Warum muss sich eine Abiturientin, die sich zur Physiotherapeutin ausbilden lassen will, heutzutage teuer in einer privaten Institution ausbilden lassen, während eine Erzieherin eine staatliche Fachschule besucht? Das ist eine Schieflage, die wir haben und die auch ein solches System helfen muss zu überwinden. Das ist auch ein System, das die Hochschulen mit in die Pflicht nimmt, für ein zügiges Studium zu sorgen,
(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD], Helmut Plüschau [SPD], Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])