Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne nicht mit meinem letzten Satz, sondern mit meinem ersten und der nimmt Bezug auf die Ausführungen der Ministerin. Wir haben im letzten Jahr zwei Hochschulrahmengesetznovellen gehabt und sind jetzt dabei, die wichtigsten Essentials daraus in Landesrecht umzusetzen.
Mit dem Gesetz zur Änderung des Hochschulgesetzes sowie dem Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes steht vor allem die wichtige Neukonzeptionierung des Qualifikationsweges des wissenschaftlichen Nachwuchses auf der Tagesordnung. Was unter dem Begriff „Juniorprofessur“ jetzt in den Hochschulen passiert, ist - das kann man schon so sagen - ein Stück nicht mehr und nicht weniger als die Abkehr vom 19. Jahrhundert in der Art und Weise der Rekrutierung unserer Professoren.
Kollege de Jager, da haben Sie eine Kleinigkeit übersehen; es ist keinesfalls so, dass ab 2010 die Juniorprofessur der einzige Qualifikationsweg ist, sondern - auch das sieht das Rahmenrecht vor - die Qualifikation aufgrund beruflicher Tätigkeit in der Wirtschaft, die Qualifizierung im Ausland und auch die Qualifizierung als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule oder einer außeruniversitären Forschungsanstalt sind Alternativen für die Berufungsmöglichkeiten für Professuren. Es ist also keinesfalls eine Verengung, sondern eine Erweiterung der Möglichkeiten, zu einer Professur in Deutschland zu kommen.
Wir unterstützen ausdrücklich das Vorhaben, das einen Qualifikations- und Innovationsschwung in Deutschland bringt. Denn - ich möchte das hier nicht weiter ausführen, die Ministerin hat dazu gesprochen - wir können nicht weiter die Situation hinnehmen, dass in Deutschland der Professor im Schnitt mit 41 Jahren berufen wird und in Europa im Schnitt mit 31 Jahren. Hier ist Arbeit aufzunehmen und das wird mit der vorgelegten Novelle erreicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Hochschulgesetznovelle, die uns vorliegt, erledigt sozusagen en passant einige andere Aufgaben, von denen ich hier kurz ein paar ansprechen möchte. Die SPD-Fraktion
begrüßt ausdrücklich, dass künftig Prüfungs- und Promotionsordnungen nicht mehr durch das Ministerium genehmigt werden müssen. Das stärkt zum einen die Autonomie unserer Hochschulen in einem vernünftigen Rahmen und wird zum anderen in der Praxis die Genehmigung und die Anpassung an die Notwendigkeiten beschleunigen.
Ich möchte einen zweiten Punkt nennen: Ich freue mich, dass die Landesregierung das so genannte Zweitberufungsverfahren für Fachhochschulprofessorinnen und -professoren bis zur Neuregelung der Professorenbesoldung beibehält. Denn hier muss auch das Argument des Vertrauensschutzes gegenüber denjenigen gelten, die bisher mit einer solchen Zweitberufung rechnen konnten. Das ist jetzt geschehen. Sehr gut, Frau Ministerin, dass das in den Gesetzentwurf aufgenommen worden ist.
Über Novellen zum Thema Professorenbesoldung werden wir im nächsten Jahr zu reden haben; das ist heute nicht das Thema. Bei den ganzen Reformprozessen an den Hochschulen auch im rechtlichen Bereich sehen wir uns den Kriterien von Leistung, Internationalität und Innovation verpflichtet. Wir werden die Hochschulgesetznovelle im Ausschuss weiter beraten.
Keine Ausschussberatung benötigen wir hinsichtlich des Oppositionsantrages zur Aushebelung des gebührenfreien Erststudiums.
Die schon in der HRG-Novelle in § 27 Abs. 4 festgelegte Regelung, dass das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss, beziehungsweise in einem konsekutiven Studiengang, gebührenfrei zu halten ist, halten wir für den richtigen Weg. Deshalb begrüßen wir es, dass das jetzt mit dieser Novelle auch in Landesrecht umgesetzt werden soll.
Wir haben zum Thema Studiengebühren in diesem Haus mehr als einmal debattiert. Aber es gibt immer wieder Anlass, deutlich zu machen, wie die Argumentationslinie aussieht. Die wichtigsten Argumente gegen grundständige Studiengebühren, also gegen Studiengebühren für ein Erststudium, haben sich nicht geändert. Bildung und Ausbildung sind für uns keine Privatangelegenheit. Die Gesellschaft muss weiterhin ein nachhaltiges Interesse an einer ausreichenden Zahl gut ausgebildeter Menschen haben. Wir brauchen in Deutschland nicht weniger, sondern
(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD], Konrad Nabel [SPD], Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW])
Das ist für uns ein ganz zentrales Argument. Deshalb dürfen wir keine Maßnahmen ergreifen, die den Hochschulzugang direkt oder indirekt einschränken oder erschweren. Wer sich zum Beispiel die Zahlen bei unserem Nachbarn im Süden, in Österreich, anschaut, wo vor kurzem die Studiengebühren eingeführt wurden, kann dort sehen, dass innerhalb von zwei Semestern die Studienanfängerzahlen um bis zu 20 % zurückgegangen sind. Ich glaube, da ist ein Stück Empirie zu beachten, wenn man einen solchen Mechanismus in Gang setzt.
Auch die Folgen für den Aspekt soziale Öffnung unserer Hochschulen sind hier bereits beschrieben worden. Deshalb möchte ich das nicht noch einmal in aller Ausführlichkeit darlegen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es natürlich auch in Europa Hochschulsysteme mit grundständigen Studiengebühren gibt. Aber alle Länder, die so ein System haben, haben auch ein ausgeprägtes Stipendiensystem, das voll und ganz in der Lage ist, dieses System mit zu finanzieren. Für alle, die dann sagen: „Na ja, das können wir dann ja auch machen“, verweise ich auf die Diskussion, die wir im Zusammenhang mit BAföG in den letzten Jahren und Jahrzehnten geführt haben. Wir haben folgende Situation: Wenn wir von heute auf morgen ein solches Finanzierungssystem neu implementieren wollen - und darüber müssen wir reden, darüber müssen wir bundesweit reden -, dann reden wir nicht über Peanuts, sondern sozusagen über die Schaffung eines Fonds - und darüber ist im Bundestag auch diskutiert worden - in zweistelliger Milliardenhöhe. Das ist eine Aufgabe, über die man nachdenken muss. Aber es geht nicht, das eben mal en passant einzuführen und zu sagen: Studiengebühren, das machen wir, und über die Neuordnung der Bildungsfinanzierung reden wir dann einmal. Das geht nicht zusammen. Deshalb bleiben wir dabei: Wir wollen keinen Einstieg in Studiengebühren.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich komme auch gern noch einmal in diesem Zusammenhang auf das zurück, was die Ministerpräsidentin angedeutet hat. Darauf komme ich gern noch einmal zurück, denn sie hat genau das getan: Sie hat sozusagen einen Stein ins Wasser geworfen und damit ange
regt, die Diskussion über ein neues System nationaler Bildungsfinanzierung aufzunehmen. Das ist richtig. Daraus abzuleiten und zu lesen, es würde hier unter den Sozialdemokraten im Haus der Einstieg in Studiengebühren befürwortet werden, ist wahrlich nicht zulässig. Es gibt eine große Gemeinsamkeit darüber, dass wir keine Einführung von Studiengebühren für ein Erststudium haben wollen. Selbstverständlich werden wir uns an den Debatten beteiligen - das tun wir nicht erst seit heute; Sie wissen, dass auch die Landesregierung sich zur Frage der Studienkonten in die Diskussion eingebracht hat -, wie die Bildungsressourcen in unserem Land effektiv, gerecht und leistungsorientiert eingesetzt werden können. Deshalb könnten - wenn es dafür in Zukunft vernünftige Modelle gibt - Studienkonten in einem System mit Bildungsgutscheinen ein Weg sein. Darüber wird zu reden sein. Wer allerdings - das möchte ich noch einmal deutlich unterstreichen - den Weg für Studiengebühren für das Erststudium gehen will, der muss diesen Weg ohne die SPD in diesem Landtag gehen. Das möchte ich noch einmal deutlich unterstreichen.
Es sind keine Studiengebühren geplant und es wird in dieser Wahlperiode auch keine Studiengebühren in Schleswig-Holstein geben.
Man kann sich grundsätzlich darüber streiten, ob man in einem föderalisierten Bildungssystem überhaupt ein Hochschulrahmengesetz haben möchte. Darüber kann man wohlfeil streiten. Bis jetzt gab es den Konsens, dass wir ein solches Gesetz benötigen. Deshalb müssen und sollen in einem solchen Gesetz auch Standards festgeschrieben werden. Ein Hochschulrahmengesetz, in dem nur steht: „In Deutschland gibt es Hochschulen“, wird sicherlich keinen Sinn machen. Und deshalb ist die Argumentation, hier würden Länder „überfahren“ - gerade aus den Reihen der Opposition -, auch ein bisschen lustig. Ich erinnere an eines der allerletzten Gesetze der alten KohlRegierung, der alten CDU/FDP-Regierung, das war die vierte Novellierung des Hochschulrahmengesetzes, die genau auf die Zustimmung der Länder verzichtet hat und Eckpunkte gesetzt hat, bei denen die Länder weder die Möglichkeit der Zustimmung hatten noch gefragt worden sind. Sich jetzt hinzustellen und daraus ein Verfassungsproblem zu machen, finde ich - etwas vorsichtig formuliert - zumindest zwiespältig, sehr zwiespältig.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Die Argumente in den Fragen der Studiengebühren sind hinreichend ausdiskutiert und häufig hin und her gewandt worden. Wir sehen keine Veranlassung, uns dem
Oppositionsantrag anzuschließen. Wir sehen keinen Sinn darin, den Versuch, über das Verfassungsgericht die Studiengebührenfreiheit auszuhebeln, positiv zu bescheiden. Deshalb sehen wir auch keine Notwendigkeit, dieses sehr oft diskutierte Feld in dieser Frage noch weiter zu bestellen. Wir beantragen Abstimmung in der Sache und werden dem Antrag von CDU und FDP unsere Zustimmung nicht geben. Das wird Sie nicht überraschen, aber ich möchte es noch einmal deutlich sagen.
Ich bedanke mich nichtsdestotrotz - auch wenn wir uns schon in der Mittagszeit befinden - für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Sachen Studiengebühren führt die Landesregierung in dieser Sitzung eine „Kieler Springprozession“ auf.
Vorgestern, während der Regierungserklärung, sagte die Ministerpräsidentin, das sei ein Thema, über das man noch einmal reden müsse, und heute steht nun ein Hochschulgesetzentwurf zur Debatte, in dem das Bildungsministerium - eigentlich jenseits des eigentlichen Themas, nämlich der Einführung der Juniorprofessur - einen Paragraphen mit hineingeschmuggelt hat, der die generelle Gebührenfreiheit des Studiums festzurrt. Selbst der Kollege Weber sagt nun: „Für diese Wahlperiode gibt es keine Studiengebühren“, aber ich meine, nach 18 Monaten heißt es dann möglicherweise auch vonseiten der Sozialdemokraten: April, April. Auf Betreiben der Bundesregierung hat die rot-grüne Bundestagsmehrheit ein generelles Studiengebührenerhebungsverbot in das HRG eingeführt, aber sozialdemokratische Länderregierungschefs wie Herr Wowereit oder - wenn auch noch etwas vage - Frau Simonis setzen sich jetzt für Studiengebühren ein - mal so, mal so: „Kieler Springprozession“ hier in Schleswig-Holstein.
Vielleicht könnte sich die Landesregierung wenigstens dazu durchringen, die Klage jener sechs Länder zu unterstützen, die das Studiengebührenverbot aus dem HRG heraus haben wollen, um als Länder Gestaltungsspielräume für die Zukunft zu erhalten. Das ist natürlich eine Grundsatzfrage des Eingriffs des
Bundes in Länderkompetenzen, das ist aber auch eine Frage, die in einer schwierigen Situation - was die Hochschulfinanzierung angeht - zumindest Lösungen auf Länderebene möglich macht. In welchem Umfang sie sinnvoll und möglich sind, steht dann auf einem anderen Blatt. Aber dass generell von der Bundesebene dekretiert wird, man darf nicht, ist aus unserer Sicht kein gangbarer Weg.
Ich sage ausdrücklich dazu, dass aus meiner Sicht die Erhebung genereller Studiengebühren für alle Studiengänge - bei der hohen Steuer- und Abgabenbelastung, die wir in Deutschland haben, und ohne Stipendienregelung, ohne eine Frage von Darlehensförderung, ohne Entscheidung etwa zur steuerlichen Behandlung von Gebühren, beziehungsweise Darlehenszinsen, die man möglicherweise abtragen muss - aus unserer Sicht kein Weg ist, der machbar wäre. Es ist ein großes Rad, was da gedreht werden müsste, wenn man einen Systemwechsel in diese Richtung will. Das ist keine Sache, die von heute auf morgen kommen wird. Aber - noch einmal gesagt - man muss den Ländern, die für die Hochschulen in erster Linie die Verantwortung haben, Entscheidungsspielräume und Gestaltungsspielräume belassen. Wenn man das täte, wäre es zum Beispiel möglich, zumindest in bestimmten, besonders nachgefragten Studiengängen, einen Teil der Studienplätze - einen Teil - gegen Gebühr zu vergeben und damit den Hochschulen auch neue Finanzierungsquellen zu erschließen.
Ich möchte das einmal anhand eines Beispiels in unserem Land deutlich machen. Ende Mai hat die Landesregierung beschlossen, zur Einsparung von Kosten im schleswig-holsteinischen Hochschulwesen die Zahl der Medizinstudienplätze in Schleswig-Holstein von jetzt 410 auf künftig 320 zu verringern, also in Kiel und in Lübeck 90 Studienplätze im Fach Humanmedizin zu streichen, wegfallen zu lassen. Was, meine Damen und Herren, spräche eigentlich dagegen, diese 90 Medizinstudienplätze, die Sie einkassieren, streichen wollen, statt dessen künftig auf der Basis von Studiengebühren an Interessenten aus dem In- und Ausland zu vergeben?
Es könnte doch zumindest einmal ausgelotet werden, ob nicht eine Nachfrage nach solchen auf der Basis von Studiengebühren angebotenen Studienplätzen besteht.
Die beiden Medizinischen Fakultäten in Kiel und in Lübeck könnten aus den damit verbundenen Einnahmen auch Personalstellen, also Arbeitsplätze im Zu
kunftsbereich Medizin und Gesundheitswesen aufrecht erhalten, Arbeitsplätze, die anderenfalls den Sparplänen dieser Landesregierung zum Opfer fallen würden, wenn sie die 90 Studienplätze streicht.
Ist die Erhaltung hochwertiger Arbeitsplätze an den beiden Medizinischen Fakultäten nicht den Versuch wert, jene Studienplätze, die nach dem Willen dieser Landesregierung wegfallen würden, auf der Grundlage von Studiengebühren zu erhalten? Dogmatiker und Prinzipienreiter würden gegen diesen Vorschlag vielleicht einwenden, es sei ungerecht, wenn rund ein Fünftel der Medizinstudienplätze in Zukunft nur noch für jene bereitstünden, die bereit wären, für ein solches Studium zu zahlen und die das bezahlen können. Ich antworte solchen Kritikern: Wenn es nach Ihnen geht, gibt es diese Studiengänge im Land bald überhaupt nicht mehr, weil diese Studienplätze Ihrer Sparpolitik zum Opfer fallen. Das ist eine ganz pragmatische Entscheidung: Wenn man feststellt, dass die Nachfrage da ist, stellt man ein Fünftel der Medizinstudiengänge auf Gebührenfinanzierung um.
Im Hochschulbereich kommt die Politik um eine klare Entscheidung nicht mehr herum. Es gibt prinzipiell angesichts der Tatsache, dass die KMK einen Anstieg der Studentenzahlen von jetzt 1,9 Millionen auf 2,4 Millionen im Jahr 2011 prognostiziert hat, also einen Anstieg um eine halbe Million Studierende, nur zwei denkbare Wege. Wenn man das vor Augen hat, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder ist der Staat in der Lage, eine deutliche Verbesserung der Hochschulfinanzierung zu leisten, den Hochschulen wesentlich mehr Geld zur Verfügung zu stellen, damit sie in absehbarer Zeit diese Studentenzahlen - 2011 ist sehr bald -, die auf uns zukommen, bewältigen können, oder man eröffnet den Hochschulen Zugänge zu neuen Finanzierungsquellen. Das bedeutet die Diskussion über eine Studiengebührfinanzierung.
Das Jahr 2011 steht bald vor der Tür. Das ist nicht mehr lange hin. Man muss sich Gedanken über diese Möglichkeiten machen: Entweder deutlich mehr staatliche Hochschulfinanzierung oder eine neue Finanzierungsquelle auch in Form von Studiengebühren natürlich mit der Maßgabe, die ich angesprochen habe. - Frau Abgeordnete Erdsiek-Rave hat sich gemeldet.