Protocol of the Session on May 8, 2003

Ich erteile der Frau Abgeordneten Birk das Wort.

Guten Tag, Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

(Heiterkeit)

Ich sage deshalb „guten Tag“, weil ich immer noch „Birk“ heiße, Herr Präsident.

Ich hatte „Birk“ gesagt, Entschuldigung.

Zum Thema Schulentwicklung haben wir eine widersprüchliche Situation vor uns: Einerseits sind Land und Bund in den Startlöchern. Das Land hat schon über die Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs Vorschub für mehr Geld in den Kommunen geleistet. Jetzt kommt der Bund und gibt uns Gelder für die Ganztagsbetreuung. Hier haben wir zum ersten Mal mehr investive Mittel, als wir noch vor wenigen

(Angelika Birk)

Jahren glaubten erreichen zu können. Andererseits sehen wir mit Schrecken, dass die kommunale Schulentwicklungsplanung der Zeit deutlich hinterherhinkt. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben darauf aufmerksam gemacht.

Die Schulentwicklungspläne sind nicht à jour. Das ist deutlich eine kommunale Verantwortung. Sie sind auch nicht mit der Jugendhilfeplanung abgestimmt, jedenfalls finden wir dazu nichts im Bericht. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass wir eine große, offensive Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule gestartet haben. Seitens des Jugendministeriums ist auch Geld in diese Kooperation geflossen. Wir möchten da natürlich auch Ergebnisse sehen. Wir müssen im Ausschuss noch einmal debattieren, wie der Stand tatsächlich ist. Ich fürchte allerdings, dass wir hier tatsächlich noch mehr tun müssen, um eine größere Verbindlichkeit zu erreichen.

Das ist sowohl im Sinne einer wichtigen pädagogischen Fragestellung als auch im Sinne der Wirtschaftlichkeit umso bedauerlicher, als wir in einer demografischen Umbruchsituation stehen und eine Planung unerlässlich ist, sollen nicht Mittel im wahrsten Sinne des Wortes in den Sand gesetzt werden. Wir sehen einen riesigen Investitionsstau, insbesondere in den Kreisen. Insofern kann ich nicht so ganz nachvollziehen, dass Frau Eisenberg gesagt hat, auf dem Land sei immer alles in Ordnung. Denn gerade die Kreise - das sind ja überwiegend ländliche Regionen - haben einen riesigen Investitionsstau. Hier wären aus meiner Sicht politische Prioritäten zu setzen, gemeinsam zwischen Land und Kommunen, was am dringendsten abgearbeitet werden muss.

Keinesfalls können wir es uns leisten, Schulen einfach planlos so, wie sie sind, aufrechtzuerhalten, sondern wir müssen gucken: Wenn wir gemäß dem Grundsatz „Kleines Schulalter, kurze Wege“ die kleinen Grundschulen in dünn besiedelten Gebieten erhalten wollen - ich denke, das wollen wir -, müssen sie trotzdem kooperieren. Das heißt, Unterrichtsausfall kann nicht von einer Schule bekämpft werden, in der überhaupt nur drei Pädagogen arbeiten. In den Bereichen, in denen aufgrund der demographischen und regionalen Entwicklung Veränderungen sind, muss natürlich auch über Schulzusammenlegungen nachgedacht werden, über die Bildung von Schulzentren.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben dazu in der Vergangenheit Vorschläge gemacht. Wir haben gesagt, die Oberstufen sollen noch mehr miteinander kooperieren, und es müssen

insbesondere der Grundschulbereich und der Sek.-IBereich planvoll mit integrierten Konzepten fortentwickelt werden.

Ich möchte an dieser Stelle auch auf das Thema Autonomie der Schule eingehen. Es ist erfreulich, dass die Schulen in einigen Kommunen schon ein Budget haben, aber es macht einen dann schon staunend, wenn kleinere Schulreparaturen nicht mehr dazugehören. Aus meiner Sicht ist es unerlässlich, dass Schulen ein Budget aus Landes- und Kommunalmitteln haben, mit dem sie die Alltagsgeschäfte selber regeln können.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Gerade die Erfahrung zeigt ja - das Ministerium berichtet darüber -, dass die Schulen damit sehr kostenbewusst umgehen.

Wir haben uns auch Gedanken zu machen, wie sich die veränderte Ganztagsschulsituation auch in der Raumplanung niederschlägt. Hierzu hat es bereits Veränderungen in den entsprechenden Vorschriften seitens des Ministeriums gegeben. Ich denke, es wird uns im Ausschuss beschäftigen, wie dies genutzt werden kann, ob dies ausreicht. Ich finde es natürlich sehr richtig und wichtig, dass wir hier auch Zahlen von den freien Schulen vorfinden. Es wird deutlich, dass in den letzten Jahren das Verhältnis zwischen Landesbeiträgen und kommunalen Beiträgen zur Aufrechterhaltung dieser Schulen sehr geschwankt hat.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Der Trend, den Herr Dr. Klug hier ausgemacht hat, den finde ich nicht bei allen Schularten so eindeutig. Aber die Situation verdient es sicher, sich die Zahlen noch einmal genau anzusehen und vor allem zu versuchen herauszufinden, wohin der Trend geht und was wir dort tun können, damit wir tatsächlich eine gerechte Finanzverteilung haben.

Wir brauchen also eine ständige Arbeitsgruppe zur Schulentwicklung. Das kann nicht nur eine punktuelle Abstimmung und ein Service des Landes an die Kommunen sein, sondern es bedarf hier eines guten Miteinanders, damit wir die erheblichen Mittel, die in den nächsten Jahren zu verteilen sind, auch gerecht und zukunftsfähig verteilen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Situation des Sachbedarfs für den laufenden Schulbetrieb haben meine Vorrednerinnen und Vor

(Angelika Birk)

redner schon angesprochen. Es gibt tatsächlich einige Schularten, die für den laufenden Sachbedarf weniger Geld pro Kind zur Verfügung haben. Dahinter stecken zum Teil auch Personalkosten, die nicht vom Land übernommen werden, und natürlich auch die berühmten Schulbücher und PCs. Ich denke, hier müssen wir uns tatsächlich Gedanken machen, wie wir aus der Sackgasse herauskommen; denn es nützt natürlich nichts, wenn wir in den Schulbau investieren, dann aber die laufenden Mittel für den Betrieb nicht vorhanden sind. Das kann auch nicht mit Schwarzer-Peter-Spielen passieren, sondern hier muss eine gemeinsame Anstrengung mit den kommunalen Landesverbänden und dem Land unternommen werden, um aus dieser Sackgasse herauszukommen. Wir können es uns einfach nicht leisten, einerseits gut gepflasterte neue Passagen an der Ostsee zu haben, worüber wir uns alle freuen, worüber sich das Tourismusgewerbe freut, andererseits aber Schulen zu haben, die entweder für sich selber nicht mehr bestandsfähig sind - wie das beispielsweise in Timmendorf mit der Realschule und der Hauptschule droht - oder dem Elternwillen nach einer starken Gesamtschule systematisch widersprechen. Schulentwicklung heißt nämlich, auch den Elternwillen zu berücksichtigen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Gerade nach PISA, Frau Eisenberg, hat sich der Elternwille noch einmal deutlicher für diese Schulform ausgesprochen.

(Widerspruch der Abgeordneten Sylvia Ei- senberg [CDU])

Wenn man in den entsprechenden Kommunal- und Kreisgremien erst einmal Beschlüsse gefasst hat, dann kann man die auch nicht jeden Tag wieder rückgängig machen. Es bedarf da einer gewissen Verlässlichkeit, eines gewissen Vertrauens, das die Öffentlichkeit auch in die Politik setzen können muss. Hier sehen wir einfach auch, dass die Schulentwicklungsplanung sehr hinterherhinkt. Ich bin sicher, wenn wir an manchen Orten an der Westküste, wo wir bisher überhaupt keine Gesamtschulen haben, Umfragen machen würden, wäre das Ergebnis im Hinblick auf das, was wir dort nicht zur Verfügung stellen, verheerend; denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es an der Westküste keine Eltern gibt, die Gesamtschulen wollen. Nur, sie haben inzwischen resigniert. Das kann man in dieser Frage nun aber auch wirklich nicht der Regierung vorwerfen, sondern das ist eine Frage der örtlichen Mehrheiten. Dazu stehen wir auch. So ist nun einmal Demokratie. Aber wir müssen trotzdem dort, wo sich der Elternwille artikuliert und

wo er auch die entsprechenden Hürden überwunden hat, zu den einmal getroffenen Entscheidungen stehen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben also im Bereich der Entwicklung noch eine Menge vor uns.

Wir haben gutes Zahlenmaterial vorliegen. In einer bestimmten Fragestellung haben wir allerdings keine Zahlen vorliegen. Das erstaunt mich. Ich meine die Gesamtausgaben Kommunen und Land, also nicht nur die Zuwendungen des Landes an die Kommunen. Was haben sie pro Jahr für die Schulen in SchleswigHolstein ausgegeben? Hierzu gibt es offensichtlich keine Zahlen. Das ist für einen so wichtigen Bereich eigentlich erstaunlich. Ich will jetzt hier nicht dem Ministerium die Schuld geben. Es gibt offensichtlich keine gesetzliche Vorschrift, diese Zahlen zu erheben. Ich werde ja auch als Bildungspolitikerin vom Landesamt für Statistik mit vielen Zahlen konfrontiert, die es im landwirtschaftlichen Bereich gibt. Ich kann mich immer bestens über die Ernte, über die Schweinezucht und dergleichen informieren, aber eine so wichtige Zahl ist nicht vorhanden. Ich glaube, wir sind hier aufgerufen, Statistiken eher einzudämmen als auszubauen, denn ich könnte mir vorstellen, dass wir uns im landwirtschaftlichen Bereich manche Zahlen schenken könnten, weil sie für die Qualität der Landwirtschaft gar nicht aussagekräftig sind. Dafür könnten wir in dem wichtigen Bereich der Schul- und Jugendhilfeplanung Rahmendaten erheben, die es uns erlauben, auch den Effekt unserer öffentlichen Investitionen einschätzen zu können, die auch frühzeitig veröffentlicht werden, auch allgemein in der Tagespresse veröffentlicht werden und die damit auch der Bevölkerung die Möglichkeit geben, Politikerinnen und Politiker danach zu beurteilen - wie wir das auch aus dem Bereich der Steuer oder der Krankenkassen kennen.

Es ist also auf der Ebene des Bildungsausschusses eine Menge zu tun, aber auch darüber hinaus; denn die Anstrengung, hier gemeinsam mehr für unsere Schulstandorte zu tun, ist nicht nur eine bildungspolitische, sondern sie bestimmt die Zukunft unseres Landes und sie braucht die Kraft des ganzen Hauses.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das war der Redebeitrag der Frau Abgeordneten Birk.

(Präsident Heinz-Werner Arens)

Jetzt folgt der Redebeitrag der Frau Abgeordneten Spoorendonk.

(Heiterkeit und Beifall)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte über die Aufgaben der Schulträger ist nicht zuletzt deshalb aktuell, weil wir uns in letzter Zeit mehrfach über die Ausstattung der Schulen mit den neuen Medien - mit EDV, Internet und so weiter - unterhalten haben. Auch der Zustand der Schulgebäude oder die Ausstattung der Schulen mit Lehr- und Lernmitteln ist in den letzten Jahren immer wieder problematisiert worden.

Auf einige der entsprechenden Presseartikel zu diesem Thema weist der Große Anfrage ja auch selbst hin. Andere wichtige Zukunftsthemen sind die erweiterte Eigenverantwortung oder eine mögliche Kommunalisierung der Schulen.

Von daher begrüßt der SSW ausdrücklich diese Große Anfrage und wir bedanken uns bei den Fragestellern. Wir bedanken uns aber auch bei der Ministerin, bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und bei denjenigen, die die Daten für diese Beantwortung geliefert haben; denn sie gibt dem Landtag die Gelegenheit, sich insgesamt mit der Situation der Schulträger auseinander zu setzen.

Durch die abgefragten Daten erhalten wir eine gute Grundlage für weitere Diskussionen und einen Einblick in viele Problembereiche, die mit Schulträgerschaft zu tun haben. Dabei hat uns ja der Beitrag des Kollegen Höppner wirklich eindrucksvoll vor Augen geführt, wie kompliziert Schulträgerschaften sind. Ich denke, es wäre ein guter Ansatz für eine Verwaltungsstrukturreform im Schulbereich, wenn wir uns mit dem Problem der Schulträgerschaft beschäftigen würden.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ja, ich finde, das ist wirklich ein Punkt.

Es würde jetzt den Rahmen dieses Beitrages sprengen, wenn ich auf weitere Einzelheiten eingehen würde. Das müssen wir im Ausschuss machen. Ich denke, das ist wirklich angesagt - auch nach der heutigen Debatte. Von daher will ich nur auf ein paar Fragen, auf ein paar Problemstellungen eingehen.

Dabei will ich deutlich machen, dass es nicht einer gewissen Ironie entbehrt, dass ausgerechnet die FDP, die sich doch so vehement eine Standardöffnung für alle Bereiche des kommunalen Lebens wünscht, bei

den Aufgaben der Schulträger nach einer „Verordnung zur Mindestanforderung für die Einrichtung, Ausstattung und Unterhaltung sowie die Unterhaltung von Schulen“ - so heißt das tatsächlich - ruft. Das ist schon ein bisschen witzig.

Die Landesregierung weist zu Recht darauf hin, dass eine solche Verordnung bisher nicht nötig war, weil das Verhältnis zwischen der Landesregierung und den kommunalen Schulträgern historisch gewachsen ist und bei neuen Aufgaben oder aktuellen Problemen immer so weit wie möglich eine einvernehmliche Verständigung erfolgt ist. Wer hier jetzt eine Mindestverordnung will, der baut eine neue Bürokratie auf. Das will keiner von uns. Ich gebe der Ministerin Recht, dass vielleicht ein Controlling angesagt ist. Aber das kann man ohne weitere bürokratische Hürden hinbekommen.

Die fehlende Verordnung darf nicht dazu führen, dass Missstände oder neue Herausforderungen der Schulen nicht in Angriff genommen werden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])