Protocol of the Session on April 2, 2003

(Beifall bei FDP und CDU)

Wenn das Gesetz aber gegen europarechtliche Vorschriften verstößt, dann können Schadensersatzforderungen von der EU auf den Bund wegen legislativem Unrecht und von Anbietern auf die vergebende Kommune zukommen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Genauso ist es!)

Wir haben diese Frage noch vor der Verabschiedung des Tariftreuegesetzes durch den Wissenschaftlichen Dienst des Landtages prüfen lassen. Der Wissenschaftliche Dienst hält solche Schadensersatzansprüche durchaus für möglich.

Bei der Qualität der Leistung und der ökologischen Auswirkungen, die eine europaweite Ausschreibung der Entsorgungsleistungen nach sich ziehen könnte, stellt die Landesregierung dann zu Recht fest, dass es der Vergabestelle möglich sei, ökologische Qualität und Qualität der Leistung als Vergabekriterium festzuschreiben. Wir stimmen dem zu.

Es ist erfreulich festzustellen, dass die Abfallgebühren in den Jahren 1996 bis 2001 kontinuierlich gesunken sind. Insbesondere der Kreis SchleswigFlensburg konnte seine exorbitant hohen Gebühren von 25,79 € pro Monat für Restmüll- und Biotonne im Jahr 1996 auf 13,57 € in 2001 beziehungsweise im gleichen Zeitraum von 19,20 € auf 9,69 € für die Restmülltonne mit Eigenkompostierung zurückfahren. Warum diese Gebühren in Schleswig-Flensburg 1996 teilweise doppelt so hoch waren wie der Durchschnittswert aller Kreise, bleibt offen.

(Zuruf der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Diese Frage lässt sich sicherlich noch im Ausschuss klären.

(Günther Hildebrand)

Einen kleinen Bereich der Antwort auf die Große Anfrage des SSW bilden die Altlasten. Dabei sind die Altlastenstandorte die Sünden der Vergangenheit. Leider nehmen sie in den öffentlichen Diskussionen und der Antwort der Landesregierung immer nur einen vergleichsweise kleinen Teil ein. Das steht völlig im Gegensatz zu den Problemen, die die Altlasten darstellen.

So können beispielsweise die großen Altenlastenstandorte wie das Metallhüttengelände in Lübeck, die ehemalige Teerdestillation in Preetz und die Deponie 80 in Barsbüttel nur in Jahren, teilweise Jahrzehnten unter erheblichen Aufwendungen saniert werden.

Die Landesregierung hat zu der Problematik erst im Herbst letzten Jahres aufgrund eines Antrags der FDP-Fraktion Bericht erstattet. Viel Neues scheint sich seitdem nicht ergeben zu haben. Der Landesrechnungshof hatte bei seiner 2001 vorgenommenen Prüfung der Altlastenbearbeitung durch die Kreise und kreisfreien Städte festgestellt, dass die Überwachungsprogramme für Altablagerungen und Altstandorte stark zurückgefahren beziehungsweise eingestellt wurden.

Das Umweltministerium bestätigte diese Aussage indirekt. Es räumte ein, dass einige Kreise nach einer aktuellen Abfrage der finanziellen und personellen Ausstattung nicht in der Lage sein dürften, die gesetzlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen. Das haben wir gerade erst im Umweltausschuss erörtert. Weder Personal- noch Sachmittel stünden in ausreichendem Maße zur Verfügung, um unter anderem der Amtsermittlungspflicht oder Überwachungsmaßnahmen nachkommen zu können. Bis heute sind uns die Namen der Kreise nicht bekannt, in denen das Umweltministerium diese Mängel festgestellt hat.

Auch die Tatsache, dass erst für 10 % der als Altlast verdächtigen Flächen Gefährdungsabschätzungen durchgeführt wurden, spricht eher dafür, dass die Bedeutung des Themas noch immer unterschätzt wird.

Viele weitere Themen und Aspekte sollten wir in der Ausschussberatung noch eingehend diskutieren.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Matthiessen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Hildebrand, offiziell sind wir

informiert worden. Nur die Öffentlichkeit ist nicht informiert worden. Das ist schon ein Unterschied.

Ich möchte mich zunächst einmal bei der Verwaltung und dem Ministerium für die Ausarbeitung der Antwort auf die Große Anfrage bedanken. Bevor wir ins Detail gehen, möchte ich noch eine Bemerkung zu der Pressemitteilung des SSW machen, die der SSW als Fragesteller vor einigen Tagen herausgegeben hat. Die Quintessenz, die Lars Harms aus der Antwort der Großen Anfrage zieht, lautet in der Schlagzeile - es ist hier schon zitiert worden -: Schleswig-Holstein kann den Müll nicht entsorgen und die Landesregierung ist in der Versenkung verschwunden. Lars Harms schreibt wörtlich weiter:

„Leider glaube ich, dass das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und wir in Zukunft mit Müllexporten rechnen müssen.“

- Oh, wie schrecklich!

Dabei gehen dem SSW die Begriffe Entsorgung, Verwertung, Beseitigung und Behandlung munter durcheinander. Wenn man das aber einmal so korrigiert, wie das wohl gemeint ist, und das durchrechnet, kann man auf eine Unterdeckung der theoretisch erforderlichen Behandlungsanlagen in einer Größenordnung von 10 % kommen. Das hat der Kollege Hildebrand richtig getan. Er hat die Seiten 13 und 14 richtig gelesen und kam auf die 80.000 t, die theoretisch wahrscheinlich an Unterdeckung bleiben und vielleicht noch etwas unterschritten werden. Das ist aber nur eine Größenordnung von 10 %. Lieber SSW, wo ist da das Problem? Ich kann das nicht erkennen.

Erstens unterliegen Zukunftsszenarien im Bereich der Abfallwirtschaft Prognoseunsicherheiten,

(Zuruf des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

die eine Diskussion über die letzte Tonne Müll als absurdes Theater scheinen lassen. Ich führe im Weiteren meiner Rede noch aus, wie gravierend die Unterschiede und die Verschiebungen der unterschiedlichen Müllfraktionen in den letzten fünf Jahren waren, die der Bericht darstellt.

Zweitens. Das grundsätzliche Ziel der Müllbeseitigung in Schleswig-Holstein kann damit sehr wohl erreicht werden. Ich bin dabei froh, dass wir es im Land nicht mit der wirtschaftlichen Last von Überkapazitäten zu tun haben, die wir in anderen Bundesländern mit entsprechenden Gebührenbelastungen der Bürger erleben müssen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

(Detlef Matthiessen)

Drittens gehen alle kommunalen Körperschaften, also die in der Praxis Handelnden, davon aus, dass sie Entsorgungssicherheit gewährleisten können. Nun möge mir einmal jemand angesichts der Lage den juristischen Hebel, dort steuernd vom Land einzugreifen, nennen. Also, lieber Lars Harms: Keine Prinzipienreiterei! Die Richtung in der Abfallpolitik muss stimmen und die Richtung stimmt.

Der SSW malt die Situation in seiner Presseerklärung in düsteren Farben, entweder aus Gründen des Unverständnisses oder der Profilierung. Darüber muss ich mir nicht den Kopf zerbrechen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Situation und die Entwicklung der jüngeren Vergangenheit sowie die Zukunftsaussichten sind gut, die Fakten sprechen für sich. Die Müllmengen gehen zurück - Frau Tengler hat das schon ausgeführt -, wenn auch nur leicht; das ist aber bei steigendem Bruttoinlandsprodukt ein schöner Erfolg. Wir können feststellen, dass wir in unserer Volkswirtschaft nicht nur eine Entflechtung des Energieverbrauchs vom Wirtschaftswachstum erreicht haben, sondern auch eine Entflechtung der Stoffmengen und der Stoffströme vom Wirtschaftswachstum. Viel wichtiger ist jedoch, dass bei dieser leicht sinkenden Gesamtmenge der Anteil, der zur Beseitigung anfiel, in einem Fünfjahreszeitraum um 40 % gesunken ist. - Das, Lars Harms, zum Thema Prognosefähigkeit solcher Zukunftsszenarien. - Es landet also weniger auf der Müllkippe. Gleichzeitig steigt aber der Anteil der Abfallmenge, die einer Verwertung zugeführt wurde, um 60 %. Das heißt: Das Verhältnis des Abfalls zur Beseitigung und des Abfalls zur Verwertung konnte von 3:1 auf annähernd 1:1 verbessert werden. Das ist, denke ich, für den nur fünfjährigen Zeitraum, der betrachtet wurde, ein ganz beachtlicher Erfolg.

Natürlich sind wir vom Ziel einer echten Kreislaufwirtschaft noch weit entfernt. Bei der Betrachtung von Ökobilanzen muss man natürlich auch den Energiefluss mit einbeziehen. Aber bei der Gesamtmenge, um die es sich handelt, nämlich bei 1,7 Millionen t jährlich, sind diese Veränderungen doch sehr positiv zu beurteilen.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die sortenrein erfassten Abfallfraktionen weisen über die Jahre kontinuierliche Zuwächse auf. Wirtschaft und Technik entwickeln sich positiv fort. Nur ein Beispiel von vielen ist die Erfassung, Zerlegung und Sortierung von elektrischen Geräten aller Art. Interessant dabei ist, dass diese Technik ihre Anfänge im zweiten Arbeitsmarkt genommen hat.

Ich möchte der Versuchung widerstehen, an dieser Stelle weiter auf die ökologischen und wirtschaftlichen Aspekte einzugehen, und komme vielmehr zu einem weiteren positiven Aspekt, der die Bürger sehr direkt berührt. Die Überschrift lautet: Abfallgebühren. Sie finden das in der Drucksache 15/2538 auf Seite 26 unter Ziffer 4. Wer dort nachliest, lernt gleich die wichtigste Botschaft: Die Gebühren für die Bürger im Lande Schleswig-Holstein sind in einem Fünfjahreszeitraum um 7,5 % gesunken. - Das ist der absolute Wert, der natürlich angesichts der Inflationsrate in einem noch helleren Licht dasteht.

Die Hauptbotschaft der Abfallpolitik in SchleswigHolstein lautet also: Die Ökobilanz wurde stark verbessert, die Belastung der Bürger durch Gebühren und die Kosten konnten gesenkt werden.

Das Kapitel Gebühren - das haben auch Vorredner schon ausgeführt - liest sich aber nicht nur als Erfolgsstory. Erstens konnten die Kosten nicht überall gesenkt werden und zweitens beunruhigt die enorme Disparität in den Müllgebühren. Ostholstein liegt als teuerster Kreis bei den Müllgebühren mehr als dreimal so hoch wie Lübeck, das die geringsten Gebühren in Schleswig-Holstein erhebt. Das heißt also: Die Jahresgebühr einer Familie schwankt - ich will das einmal in die gute alte DM umrechnen - zwischen 146,60 DM und 460,32 DM, und das in Kreisen, die unmittelbar benachbart sind.

(Zuruf von Martin Kayenburg [CDU])

Das hat auch nichts mit den Flächenkreisen oder mit den Erfassungskosten zu tun. Von den kreisfreien Städten liegen zwei unterhalb und zwei oberhalb des Landesdurchschnitts. Die Unterschiede sind auch nicht auf Rückstellungen zum Zwecke der Deponienachsorge zurückzuführen.

Ich komme damit aber zu diesem Thema. Das Thema Rückstellungen ist allerdings ein Politikum. Sechs Kreise bilden keine Rückstellungen und bei den übrigen schwanken diese, ausgedrückt in Prozent der Abfallgebühr, beträchtlich. Dies möchte ich im Ausschuss mit dem Thema der Altlastensanierung, das hier schon erwähnt wurde, ebenfalls vertiefen.

Insgesamt sind wir - das belegt die Beantwortung der Großen Anfrage deutlich - in Schleswig-Holstein auf einem guten Wege. Problematisch stellt sich aus meiner Sicht - Frau Tengler ist darauf auch eingegangen - das Thema Biomassestoffströme dar. Die energetische Nutzung der Biomasse hat ein sehr hohes Potenzial, auch in unserem Lande, es fehlen jedoch trotz guter Ansätze noch effektive Rahmenbedingen, diesen schlummernden Riesen zu wecken. Wer die Antwort auf die Große Anfrage sorgfältig liest, stellt fest,

(Detlef Matthiessen)

dass Bioabfall und Grünabfall in der Erfassung und Verwertung zunehmen, dass aber die Kapazitäten nicht ausreichen. Und - das steht so nicht in der Antwort, ist aber von Frau Tengler ebenfalls erwähnt worden - die Verwertung der Reste nach Behandlung in den Bioanlagen muss noch optimiert werden. Ich meine hiermit die Dünge-VO, den Bodenschutz und das vom BMU/BMVEL vorgelegte Konzept „Gute Qualität und sichere Erträge“. Das sollten wir in der Tat intensiv diskutieren, damit nicht das Kind - Biomassenutzung - mit dem Bade - Grenzwertreduktion - ausgeschüttet wird.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU] und Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

- Der Applaus, liebe Frauke, zeigt: Diese spannende Lektüre ist vielleicht doch nur in Fachkreisen so spannend und sicherlich haben dies nicht alle Kollegen mit unserem Interesse gelesen.

(Zurufe: Doch!)

Zurück zur Biomassediskussion. Dazu gehört natürlich auch, dass wir die Behandlung hier im Lande viel zu kompostlastig organisiert haben, dass Biogas- oder Pyrolysetechnik viel stärker entwickelt werden müssen.

Fazit: Aus Sicht der Ökologie, der Technikentwicklung und der Wirtschaft und gleichzeitig auch aus der Sicht der Bürger, die die Gebühren bezahlen müssen, können wir eine positive Bilanz der Abfall- und Kreislaufwirtschaftspolitik in Schleswig-Holstein ziehen. Wir werden diese Politik fortsetzen und weiterentwickeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile Herrn Minister Müller das Wort.