Protocol of the Session on April 2, 2003

Von Lars Harms kein Bild, kein Ton! Ihre plötzliche Betroffenheit und Ihr Unverständnis für die Situation in Schleswig-Holstein im Jahr 2005 sind wenig überzeugend.

Die Landesregierung hat trotz massiver Aufforderung durch die CDU kostbare Zeit verloren und mit ihrer Gesundbeterei bezüglich mechanisch-biologischer Abfallbehandlungsanlagen Erwartungen geweckt, die sie nun in keiner Weise erfüllen kann.

(Beifall bei CDU und FDP)

So wird auf Seite 39 in Kapitel 6 deutlich, dass nach einer MBA die thermische Behandlung erforderlich ist. Das wurde von der CDU übrigens immer so interpretiert.

(Zuruf von der SPD: Wo ist das Problem?)

- Dass die Anlagen nicht vorhanden sind.

Jetzt formuliert die Landesregierung sogar:

„Weniger positiv wird dagegen die Absicht beurteilt, eine so genannte Organikfeinfraktion aus der geplanten MBA Neumünster bei andernorts gelegenen biologischen Bodenbehandlungsanlagen als biologisch aktives Substrat einzusetzen.“

Der Grund: Es werden Schadstoffbelastungen erwartet.

Zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit - das nehme ich Ihnen ein bisschen übel - einer MBA kann, wie es auf Seite 48 steht, die Landesregierung keine Aussage machen, obwohl sie sie jahrelang einseitig gefordert und gefördert hat.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wieder hat die Landesregierung die für die Abfallbeseitigung verantwortlichen Kommunen allein gelassen, weder Überblick noch Verantwortung gezeigt. Es war so wie 1994, ein Jahr nach Erscheinen der TA Siedlungsabfall, als sie einen Kreis aufforderte, sein begonnenes Deponiestandortverfahren weiterzuführen. Das ist Tatsache. Aber da gingen Sie wahrscheinlich noch zur Schule! Weniger falsch als diese Landesregierung konnte man zum damaligen Zeitpunkt in der Abfallpolitik gar nicht handeln.

Herr Minister, Sie fangen schon wieder mit dem Schwarze-Peter- oder besser: „Grüne-Müller-Spiel“ an.

Erfreulich - um noch einmal zurückzugehen - ist die durchschnittliche Reduktion der Gebühren für die Abfallentsorgung in Schleswig-Holstein von rund

(Frauke Tengler)

13 auf 12 € beziehungsweise von 9 auf 8,50 €. Dies zu erwähnen ist wichtig, weil auch das nach 2005 erheblich anders aussehen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Landesverordnung über den Abfallwirtschaftsplan Siedlungsabfälle vom 4. Dezember 2001 schreibt die Landesregierung - auch Kollege Jacobs hat es erwähnt - für den Abfall aus Schleswig-Holstein grundsätzlich eine Beseitigung in schleswig-holsteinischen Beseitigungsanlagen vor. Das sind vollmundige Zielbeschreibungen ohne jede Konsequenz. Konsequenz hätte in diesem Fall geheißen, führend einzugreifen, zu handeln. Aber 2005 fehlen landesweit Kapazitäten zur Beseitigung. Die Landesregierung ist nicht aktiv geworden. Scheibchenweise muss sie ihr bisheriges Versagen in der Abfallpolitik eingestehen. Sie hat jahrelang die thermischen Verwertungsanlagen verteufelt, die Bevölkerung damit verunsichert, mit den MBA auf das falsche Pferd gesetzt, alles Mögliche geplant, aber keinen Plan gehabt.

Es darf nicht wahr werden, was vor wenigen Wochen in der FAZ zu lesen war:

„Und es ist heute schon weitgehend klar, wie die Politik reagieren wird: Die Vorschriften werden den Realitäten angepasst, die Fristen verlängert, Abfälle zur Verwertung ins Ausland geschafft. Der Umweltschutz ist der große Verlierer. Und das ist genau das, was durch die TASi hätte vermieden werden sollen.“

Eine rot-grüne Landesregierung, die sich so verhält, verspielt damit die allerletzten Reste an Glaubwürdigkeit.

(Beifall bei CDU und FDP)

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich bin dabei, zum Schluss zu kommen.

Die CDU-Fraktion hat verantwortliches Handeln der Landesregierung in der Abfallwirtschaft immer wieder eingefordert. Tun Sie jetzt endlich etwas! Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort erteile ich dem Abgeordneten Hildebrand. Bevor er das Wort nimmt, gebe ich einen Hinweis weiter. Es ist gebeten worden, die Abgeordneten mö

gen sich am Rednerpult nicht verbiegen, sondern normal stehen und normalen Abstand zum Mikrofon halten, wie es eben Frau Tengler gemacht hat. Bei diesem Verhalten ist man besonders gut zu hören.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Zunächst einmal möchte ich mich nicht nur bei den Erstellern des Berichts, sondern auch bei den Abgeordneten des SSW bedanken, die diese Anfrage eingebracht haben, die sich nicht nur mit der Abfallbeseitigung an sich, sondern auch mit dem wirtschaftlichen Aspekt dieser Problematik eingehend beschäftigt.

Der SSW hat sich neben den umweltpolitischen Aspekten insbesondere mit den Ausschreibungsverfahren, den tariflichen Regelungen und dem Konzentrationsprozess bei den Entsorgungsfirmen auseinander gesetzt. Herausgekommen ist insgesamt ein lesenswertes Nachschlagewerk.

Aufschlussreich in der Antwort der Landesregierung war die Feststellung, dass die Entsorgungskapazitäten für Abfälle zur Entsorgung, wie sie im Abfallwirtschaftsplan aufgeführt sind, bis zum 1. Juni 2005 anscheinend nicht gesichert sind. Meine Vorredner haben dazu schon sehr detailliert Stellung genommen.

Zur Erinnerung: Im Abfallwirtschaftsplan, Teilplan Siedlungsabfälle, rechnet das Umweltministerium für die Jahre nach 2005 mit einem Aufkommen an behandlungsbedürftigen Restabfällen von etwa 990.000 t jährlich. Momentan stehen in schleswigholsteinischen Kreisen und kreisfreien Städten lediglich 490.000 t zur Verfügung. Es besteht also ein zusätzlicher Bedarf - auch das ist eben schon gesagt worden - von circa 500.000 t pro Jahr. Das ist mehr als die doppelte Menge, die heute an Kapazitäten bereitgestellt wird.

Im Abfallwirtschaftsplan standen aber auch noch folgende kommunale Planungen im Raum. Die MVA Nordfriesland sollte jährlich 75.000 t aufnehmen können, die MBAs Lübeck und Neumünster dazu noch bis zu 306.000 t und zwei weitere Anlagen in Flensburg und Tornesch-Ahrenlohe 65.000 t, insgesamt also 446.000 t. Allein daraus ergibt sich eine Unterversorgung von über 50.000 t in 2005.

Nun kommt es aber noch dicker. Die Planung der MVA Nordfriesland ist inzwischen aufgegeben, die Errichtung der MBS Flensburg unwahrscheinlich und die Planungen für Tornesch-Ahrenlohe noch nicht konkretisiert. Auch wenn die Anlage in Neumünster die Kapazität wohl auf 200.000 t erweitern kann, fehlen durch die vorgenannten Ausfälle bis zu

(Günther Hildebrand)

80.000 t Kapazitäten zusätzlich zu den ursprünglich fehlenden 50.000 t.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind keine 10 %!)

Zu diesem Problem bemerkt die Landesregierung: „Möglicherweise können weitere intensivierte Bemühungen zur Abfallverwertung die Restabfallmenge deutlicher reduzieren, als es das Land in seinem Abfallwirtschaftsplan prognostiziert.“ Außerdem könnten Entsorgungsdefizite „durch die Erweiterung bestehender oder geplanter Anlagen insbesondere durch die Nutzung Hamburger Verbrennungskapazitäten aufgefangen werden“.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ach!)

Es wäre interessant gewesen zu erfahren, inwieweit hier schon Verhandlungen geführt werden

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

und welche Kapazitäten die Hamburger zur Verfügung stellen würden. Schließlich läuft die Frist zur Umsetzung der Abfallentsorgungsverordnung zum 31. Mai 2003 aus. Dann müssen diese Planungen stehen.

(Zuruf der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Hat sich ein Kreis dazu entschieden, die Entsorgungsdienstleistungen privat durchzuführen, dann muss er diesen Auftrag ab dem Schwellenwert von 200.000 € europaweit ausschreiben. Da diese Aufträge im Bereich der Abfallentsorgung normalerweise über mehrere Jahre vergeben werden, wird dieser Wert üblicherweise erreicht.

Der SSW wollte in der Anfrage wissen, welche Auswirkungen eine Ausschreibung der Abfallabfuhr auf die Lohnstruktur, die Anzahl der Arbeitsplätze, die Qualität der Leistung, den Ausbildungsstandard der Beschäftigten und die Kostenstruktur der Kreise und der Kommunen hat.

Kommen wir zunächst zu den Auswirkungen auf die Lohnstruktur und die Kostenstruktur. Hierzu gab es die unterschiedlichsten Auffassungen. Bezüglich der Lohnstruktur verwies die Landesregierung ausdrücklich auf das von SPD, Grünen und SSW im Februar verabschiedete Tariftreuegesetz, das einer möglichen Senkung der Löhne entgegenwirken soll. Leider fehlt das hier gepriesene Tariftreuegesetz völlig bei der Bewertung der Kostenstruktur für die Kreise und die Kommunen. Hier könnte das Tariftreuegesetz nämlich die positiven Effekte einer europaweiten Ausschreibung für den Gebührenhaushalt verhindern.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: So ist es!)

Außerdem könnte es möglicherweise Schadensersatzforderungen von Firmen an Kommunen geben, die durch das Tariftreuegesetz von der Auftragsvergabe ausgeschlossen würden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Genauso ist es!)

So sind zum Beispiel 49 % der Anteile der GAB im Kreis Pinneberg im letzten Jahr an die RWE verkauft worden, ohne dass das Tariftreuegesetz bei der Ausschreibung berücksichtigt wurde.

Nach unserer Auffassung ist das Tariftreuegesetz verfassungswidrig, europarechtswidrig und hätte so nicht beschlossen werden dürfen.