Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Abfallwirtschaft hat uns im Landtag schon häufiger beschäftigt. Es ist richtig, dass dies schon einige Zeit her ist. Aber wir haben hier einmal über einen Antrag der SPD diskutiert, der „Bericht zum Stand und zur Weiterentwicklung der Abfallwirtschaft“ hieß. Es wurden Entwürfe des Abfallwirtschaftsplans, ein kommunaler Gebührenvergleich und eine Fibel mit Strukturen und Daten zur Abfallwirtschaft vorgelegt. Später diskutierten wir dann aufgrund einer Großen Anfrage der FDP, von der der Minister bereits sprach.
Erst vor wenigen Monaten haben wir uns ausgiebig mit Bioabfällen und mit der Altlastenproblematik im Land befasst. Dadurch erübrigt sich heute sicherlich eine Diskussion über diese Fragenkomplexe in der Großen Anfrage des SSW zur Abfallwirtschaft.
Mit 67 Fragen werden der Landesregierung Antworten zur gesamten Entsorgungspalette in SchleswigHolstein abverlangt. Dabei geht es um die Entsorgung kleinster Müllmengen bis hin zu ganzen Kernkraftwerken. Die Fragen beziehen sich auf Entsorgungskapazitäten und auf die Sammlung und den Transport von Abfällen im Lande. Des Weiteren will der Frage
steller wissen, wie die Leute bezahlt werden, welche Betriebe fusionieren, wie hoch die Abfallgebühren in den einzelnen Kreisen sind, wie die Verwertung und Beseitigung organisiert wird, wie die Behandlungsmöglichkeiten von Abfällen zur Beseitigung ab 1. Juni 2005 sein werden, welche Altlasten vorhanden sind und wie die Abfallwirtschaft in der Lebens- und Futtermittelwirtschaft wirkt.
Ehrlich gesagt, ich habe nicht geahnt, dass es Landespolitiker geben könnte, die zu diesem Thema einen so umfangreichen Wissensdrang haben. Obwohl für die Beantwortung der Fragen auf umfangreiche veröffentlichte Abfallbilanzen, auf den Umweltbericht der Landesregierung und auf zahlreiche andere Veröffentlichungen zurückgegriffen werden konnte, war für die Erstellung doch eine große Fleißarbeit erforderlich; denn es ging darum, aus den unterschiedlichsten Quellen Informationen zu koordinieren. Die Bearbeitung der Großen Anfrage hat vermutlich viel Verwaltungskraft gefordert. Mein Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Umweltministeriums, des Landesamtes für Natur und Umwelt und der Kreisverwaltungen des Landes.
Schon bei der Erstellung von Entsorgungsplänen in der Vergangenheit war es stets schwierig, verlässliche Zahlen von den Kreisen über Müllmengen, Müllströme oder Abfallfraktionen zu erhalten. Die Kreise hatten sich stets mit dem Hinweis auf die große Zusatzarbeit schwer getan, entsprechende Daten zu liefern.
Erstaunt war ich - wie andere auch - über eine Pressemitteilung des SSW, wonach für ihn das Ergebnis der Großen Anfrage die Erkenntnis war, dass einer für das Jahr 2005 prognostizierten Abfallmenge zur Beseitigung in Höhe von 990.000 t lediglich Beseitigungsanlagen für rund 490.000 t gegenüberstehen. Diese Zahlen waren wirklich nicht vom Himmel gefallen. Sie waren kontinuierlich bekannt. Weiterhin gab und gibt es zahlreiche Bemühungen, hier Abhilfe zu schaffen. Man könnte die Aussagen auch positiv interpretieren und sagen: Die Kreise sind auf einem guten Weg, ihre Hausaufgaben in der Angelegenheit Müllentsorgung zu erledigen.
Ob die Entsorgungskapazitäten für weitere 500.000 t zwingend im Lande vorhanden sein müssen, bezweifle ich. Ein Mülltourismus macht mir zwar auch Sorgen, aber ich habe nichts dagegen, wenn auch landesnahe Überkapazitäten genutzt werden, wie es zum
Wenn diese beiden Zahlen also die einzige Erkenntnis aus der Großen Anfrage gewesen sein sollten, dann zeigt es, wie überflüssig diese war.
Da immer wieder der Vorwurf kam, die Landesregierung hätte auf die Kreise mehr regelnd eingreifen sollen, möchte ich noch einmal an die Entwicklung der Müllmengen in den letzten Jahren erinnern. Nach In-Kraft-Treten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im Oktober 1996 waren im Land immerhin elf Hausmülldeponien mit einem Restvolumen von 12 Millionen m3 und vier Müllverbrennungsanlagen mit Kapazitäten von rund 500.000 t vorhanden.
Es war ein deutlicher Trend vorhanden, dass der Hausmüll und die hausmüllähnlichen Gewerbeabfälle zurückgingen. Weil nach dem neuen Gesetz die Entsorgungspflicht mit Ausnahme der privaten Haushalte auf die Abfallerzeuger und -besitzer übertragen worden war, wurden die Mengenrückgänge fast dramatisch. Hausmüllähnliche Gewerbeabfälle kamen bei den kommunalen Entsorgungseinrichtungen, die wegen hoher Fixkosten eigentlich darauf angewiesen waren, kaum noch an. Die Kreise zerstritten sich und jagten sich gegenseitig den Müll ab. Jede Gebührenkalkulation für Hausmüllentsorgungsanlagen war mit vielen Fragezeichen versehen. Die unlukrativen Abfälle verblieben bei der öffentlichen Hand. Hinzu kam, dass Abfälle zur Verwertung nicht klar definiert waren. Die Begriffe Beseitigung und Verwertung waren nicht eindeutig voneinander getrennt.
Sieger waren damals die Kreise, die keine Entsorgungsanlagen hatten. Ich sehe hier Frau Tengler an. Das zeigt auch ein kommunaler Gebührenvergleich in der Großen Anfrage: Während der Kreis SchleswigFlensburg im Jahre 1997 für einen Vierpersonenhaushalt mit 285 € jährlich noch die höchsten Gebühren im Lande hatte, konnten diese bis zum Jahre 2001 fast halbiert werden.
- Das ist sehr erfreulich. Es hängt damit zusammen, dass es dort keine Anlage gab, die hohe Fixkosten hatte. Für weitere Probleme in der Abfallwirtschaft sorgte die TASi. So mussten beispielsweise abzulagernde Abfälle bis zum 1. Juni 1999 von organischen Stoffen entfrachtet sein. Ferner mussten die Deponien eine höhere Einbaudichte erhalten. Überkapazitäten
bei den Deponien machte die TASi kontraproduktiv. Inzwischen haben sich die meisten Kreise darauf eingestellt, dass ihre Deponien 2005 geschlossen werden. Sie haben mit entsprechenden Verträgen die Beseitigung ihrer Abfälle über das Jahr 2005 hinaus sichergestellt.
Natürlich waren die Kreise, die nach § 3 Landesabfallwirtschaftsgesetz zuständig sind, und das Land mit Blick auf das Jahr 2005 nicht untätig. Es gab und gibt eine Reihe von Aktivitäten, die sich mit der künftigen Beseitigung und Verwertung von Abfällen befassen. Da in den letzten Jahren die Müllmengenentwicklung völlig unsicher war, war es nicht vertretbar, konkrete Anlagenplanungsaussagen zu treffen und kommunale Investitionsentscheidungen auszulösen.
Ich persönlich trete dafür ein, dass die oberste Priorität die Abfallvermeidung sein muss. Es muss versucht werden, ein die kommunalen Grenzen übergreifendes Abfallmanagement zu entwickeln, um die vorhandenen Entsorgungsanlagen umweltverträglich und kosteneffizient zu nutzen. Im Land entstandene Abfälle zur Beseitigung sind grundsätzlich auch im Land zu entsorgen. Das sage ich auch ganz deutlich. Außerdem sollte auch mehr von der Möglichkeit einer mechanisch-biologischen Restabfallbehandlung Gebrauch gemacht werden. Von einem Zubau thermischer Anlagen bitte ich, keinen Gebrauch zu machen. Davon halte ich nichts.
- Das könnte ich sicherlich in einem Fünfminutenbeitrag begründen. Es ist nun einmal abzulehnen, auch wenn die Filtertechnik immer besser werden sollte. Das Land sollte alle Hilfestellung geben, die zu gerechten Abfallgebühren führen. Schon in der Novelle des Landesabfallwirtschaftsgesetzes haben wir einen Schwerpunkt darauf gelegt, neben der gemäß TASi ausschließlich zulässigen thermischen Restabfallbehandlung auch die Ablagerung mechanischbiologisch behandelter Restabfälle genehmigungsfähig zu machen.
Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass die Antworten auf die Große Anfrage erwartungsgemäß nur wenige neue Erkenntnisse zur Abfallwirtschaft im Lande gebracht haben. Ich gehe aber davon aus, dass der SSW als Fragesteller sein Wissen erweitern wollte, um möglicherweise Konsequenzen aus neuen Erkenntnissen zu ziehen. Ich bin gespannt, welche Lehren gewonnen wurden, und welche guten Vorschläge zur Weiterentwicklung der Abfallwirtschaft im Lande künftig im Ausschuss gemacht werden.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landtagsfraktion bedankt sich zunächst bei der Verwaltung für die Beantwortung der Großen Anfrage. Die Anfrage wurde erfreulich kurz und präzise beantwortet. Streckenweise machte die Lektüre sogar Spaß, das muss ich zugeben.
Damit ist noch nichts zum Inhalt gesagt! Praktikabel und erleichternd ist das Abkürzungsverzeichnis.
Mit über 1,7 Millionen t pro Jahr ist die Siedlungsabfallmenge in Schleswig-Holstein zwischen 1995 und 2000 in ihrem Aufkommen annähernd gleich geblieben. Lieber Kollege, daher wird mit der Vermeidung auch nicht mehr viel zu erreichen sein.
Positiv zu vermelden ist, dass die Abfallmenge zur Beseitigung deutlich gesenkt, dafür allerdings die zur Verwertung im gleichen Verhältnis deutlich gesteigert werden konnte.
Der Tabelle 1 ist zu entnehmen, dass die Bioabfallmenge von über 45.000 t auf 186.000 t gesteigert werden konnte. Kontraproduktiv ist in diesem Zusammenhang das Konzept des Bundesumweltministers und der Verbraucherschutzministerin von Mitte des letzten Jahres. Sie werden hierzu von der CDUFraktion noch Weiteres hören. Das Konzept beabsichtigt die Grenzwertabsenkungen für Kompost und alle anderen organischen Materialien. Dieses widerspricht nicht nur dem Grundsatz des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, sondern führt auch zu einem Kollaps der vorhandenen Verwertungskapazitäten. Außerdem wäre es ökologischer und ökonomischer Unsinn. Dies wird mit der CDU nicht zu machen sein!
Um zur Tabelle 1 zurückzukommen: Es ist die Rede vom Anstieg von rund 19.000 t auf rund 55.000 t Sonstiges. Herr Minister, das haben Sie auch nicht verstanden, das sehe ich an Ihrem Gesicht. Was Sonstiges beinhaltet, erfährt der interessierte Leser nicht.
Bemerkenswert ist: 2,14 Millionen t Abfälle stammten 1998 aus Schleswig-Holstein. Rund 600.000 t - fast ein Drittel - wurden in Schleswig-Holstein aus anderen Bundesländern beseitigt, wahrscheinlich um die Deponieüberkapazitäten in Schleswig-Holstein abzubauen.
Der Minister hat schon erwähnt: Das Jahr 2005 hängt wie ein Damoklesschwert nicht über der Abfallwirtschaft, sehr wohl aber über den für die Abfallwirtschaft verantwortlichen Trägern. Im Jahr 2005 tritt die TA Siedlungsabfall in den letzten Teilen in Kraft. Erlassen wurde sie bereits vor zehn Jahren - 1993 -, um den zuständigen Gebietskörperschaften genügend Zeit zu geben, die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen für die vorgeschriebene Behandlung zu schaffen, Anlagen zu planen, zu bauen und bauen zu lassen.
Fest steht, dass bis heute - seit 1993 - in SchleswigHolstein kaum eine dieser Anlagen errichtet worden ist. Es wurden nicht einmal Genehmigungen erteilt.
- Ja, bis auf das, was Sie eben aus dem Hut gezaubert haben, was aber in der Großen Anfrage nicht zu finden ist.
Seit zehn Jahren übt die Landesregierung den Stillstand in der Abfallpolitik. Passiert ist nichts. Die wenigen neuen Anlagen - MBA und Thermik in Neumünster und MBA in Lübeck - sind im Verfahren, mehr nicht. Die vier MVAs gab es schon vor 1993.
Auf Seite 13 stellt die Landesregierung zwar nüchtern fest, dass der 1. Juni 2005 ein wesentliches Datum für die Beseitigung von Hausmüll und Abfällen mit hohem organischen Anteil sei, jedoch hat sie nicht gehandelt. Auch ein Konzept zur Umsetzung der TASi 2005 hat sie nicht erstellt. So muss sie konzedieren, dass von den im Jahr 2005 voraussichtlich anfallenden 990.000 t lediglich 490.000 t ordnungsgemäß in Schleswig-Holstein entsorgt werden können. Es fehlten Kapazitäten für 500.000 t jährlich.
Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Wort an den SSW verlieren. Es war angekündigt, dass Sie, Herr Lars Harms, aufschreien, nachdem die Beantwortung der Großen Anfrage vorliegt. Aber das wundert mich doch ein wenig. Denn so überraschend ist der Inhalt auch wieder nicht. Wohl aber trifft es zu, dass er von der Landesregierung jetzt so deutlich eingestanden wird.