Protocol of the Session on April 2, 2003

„Falsche Angaben oder Auslassungen in den vom Irak vorgelegten Erklärungen sowie jegliche Versäumnisse Iraks, diese Resolution zu befolgen und bei ihrer Durchführung uneingeschränkt zu kooperieren, stellen eine erhebliche Verletzung der Verpflichtungen des Iraks dar.“

Auch gegen diese Verpflichtung hat der Irak - wie wir alle wissen - systematisch und gezielt verstoßen.

Wir müssen aber auch dieses öffentlich sagen, soll es nicht zu einer weiteren Zerrüttung des transatlantischen Verhältnisses kommen:

Wir als CDU unterstützen alle Maßnahmen, die geeignet sind, den Schaden, den die europäische Zusammenarbeit und das transatlantische Verhältnis in den letzten Wochen genommen haben, zu begrenzen. Das Engagement der Bundesregierung bei der Wiedereinsetzung des UN-Programms „Öl für Leben“ ist ein guter Beitrag. Aber er allein wird nicht ausreichen, wenn es um die Gestaltung der Zukunft geht; denn auch das Folgende ist eine bittere Lehre aus der Vergangenheit und der jetzigen Situation - ich zitiere aus der „Zeit“ Nummer 14 aus 2003; da geht es um die Befragung und um Äußerungen von Inspektoren der Vereinten Nationen, die sich im Irak aufhielten und heute auf Zypern sind; sie sagten unter anderem -:

„Sie“

(Thomas Stritzl)

- gemeint sind die UN-Abrüstungsinspektoren -

„erlebten das diplomatische Tauziehen zwischen Washington und der europäischen Friedensachse als historische Ironie. Jede Forderung nach einer friedlichen Lösung minderte nach ihrer Wahrnehmung den Druck auf den Irak und machte den Frieden unwahrscheinlicher.“

Es heißt weiter:

„Nur mit einem geschlossenen Weltsicherheitsrat im Rücken wäre es ihrer Meinung nach möglich gewesen, Maßahmen für eine wirksame Kontrolle durchzusetzen.“

(Beifall bei der CDU)

Die Inspektoren setzen sich sehr dezidiert mit der deutschen Haltung, auch mit der Haltung des deutschen Bundeskanzlers auseinander. Ich möchte es Ihnen ersparen, das in dieser Debatte vorzulesen. Sie alle können es in der Zeitung selbst nachlesen.

Ich ziehe aus dem, was die Inspektoren der „Zeit“ geschildert haben, eine weitere Schlussfolgerung: Recht kann nur die erforderliche Stärke erlangen, wenn es die notwendige Entschlossenheit und Geschlossenheit gibt, dass dieses Recht letztlich auch mit legitimer Gewalt durchgesetzt wird. Gibt es diese Entschlossenheit und Geschlossenheit nicht, dann kann es eben auch ein Beitrag dazu sein, dass es zu diesen entsetzlichen Katastrophen kommt, wie wir sie jetzt erleben.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen deshalb wieder mehr europäische Geschlossenheit, auch als Beitrag zur Stärkung der atlantischen Partnerschaft. Die NATO, die Europäische Union, die deutsch-französische und die deutschamerikanische Zusammenarbeit bleiben auch künftig von herausragender Wichtigkeit für Deutschland. Darum sollten wir alle unseren Beitrag leisten, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Deswegen fordern wir in unserer Resolution nicht nur dieses ein, sondern wir sagen darüber hinaus, dass wir die Unterstützung der Bundesregierung für die Vereinigten Staaten von Amerika, für das Königreich Kuwait, für den Schutz der Türkei und für Israel für richtig halten. Das sind Maßnahmen der Unterstützung dieser Bundesregierung, Herr Kollege Fischer. Ich sage Ihnen das in aller Klarheit. Wenn Sie sie nicht mittragen, dann müssten Sie das sagen. Wenn Sie hier behaupten, es handele sich um einen Verstoß, einen absoluten Bruch des Völkerrechts, dann sind

diese Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung für sie nicht akzeptabel.

(Beifall bei CDU)

Wir, wie gesagt, stimmen der Bundesregierung in dieser Frage zu. Wir hoffen, dass Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden und dass Deutschland sich wieder als Motor, aber auch als Partner in der Atlantischen Allianz begreift und seinen Beitrag hierzu unmissverständlich einbringt.

Ich möchte schließen erstens mit der Bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, wobei ich alternative Abstimmung beantrage, und zweitens mit einem Zitat aus der Rede des Präsidenten des Deutschen Bundestages vom 20. März:

„Wir“

- so sagt er -

„sind uns einig in der Sorge über die möglichen, die wahrscheinlichen Opfer.“

Gemeint ist der Krieg.

„Wir hoffen gemeinsam, dass es nicht zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen kommt und dass das verbrecherische Regime des Diktators Saddam Hussein schnell beendet werden kann.“

(Beifall bei CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 19. März dieses Jahres begann der Krieg der Koalition der Willigen gegen den Irak. Ich hielt mich in den Vereinigten Staaten auf und habe hautnah den Krieg und auch die Euphorie miterlebt, die in den Vereinigten Staaten bei vielen Menschen ausbrach - der Kollege Stritzl hat darauf hingewiesen: bei zwei Drittel bis drei Viertel der Menschen -, die nach dem mentalen Eindruck des 11. September 2001 das Gefühl hatten, das Losschlagen gegen den Irak befreie sie von der tatsächlich bei ihnen wahrnehmbaren Furcht, potenzielle Opfer eines Angriffs von nicht identifizierbaren Terroristen - aus welchem Land auch immer - zu sein.

Seit dem 22. März stehen die Truppen der Koalition der Willigen 80 km vor Bagdad und es beginnt der Endkampf gegen das Regime von Saddam Hussein in Bagdad. Das hören wir jedenfalls jeden Morgen beziehungsweise jeden Tag aus den Fernsehberichter

(Wolfgang Kubicki)

stattungen und von den Oberbefehlshabern der jeweiligen Truppen.

Diese täglich immer wiederkehrenden Erfolgsmeldungen des Oberkommandos und der Journalisten, die auf Panzern und Artilleriegeschützen sitzen, verstellen gelegentlich den Blick auf die Frage nach der Legalität dieses Krieges. Das ist für mich die entscheidende Frage - nicht etwa die Frage, ob und wann Gewalt angewendet werden darf, sondern die Frage, wer in der Staatengemeinschaft im Zweifel darüber befinden darf, dass und wie Gewalt angewendet werden darf.

Diese Frage muss beantwortet werden, und zwar unabhängig davon, wie lange der Krieg dauert und wie viele Opfer er fordert. Opfer sind hierbei nicht Saddam Hussein und sein Regime - Kollege Stritzl, das ist völlig unbestritten -, Opfer ist das irakische Volk.

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Fraktion will nicht, dass auch noch das Völkerrecht und unsere Vorstellung von einer Weltrechtsordnung, bei der das Gewaltmonopol bei den Vereinten Nationen liegt, Opfer dieses Krieges werden. Ich bedauere, dass wir als schleswig-holsteinische Parlamentarier nicht in der Lage sind, eine gemeinsame Resolution in dieser Frage zu verabschieden. Kollege Fischer und ich haben uns noch darum bemüht. Aber es ist offensichtlich doch etwas anderes, aus der pazifistischen Tradition zu kommen und sich an die Macht und damit die normative Kraft des Faktischen zu gewöhnen, anstatt die Geltung des Rechts auch dann einzufordern, wenn es möglicherweise nicht opportun ist.

(Beifall bei FDP und SPD)

Der von Bush und Blair geführte Krieg gegen den Irak ist völkerrechtswidrig; daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben.

(Beifall bei FDP, SPD und SSW)

Die Charta der Vereinten Nationen erlaubt Gewaltanwendung nur unter zwei Voraussetzungen, nämlich bei einem Angriff eines Staates gegen einen anderen Staat oder dem unmittelbar bevorstehenden Angriff eines solchen Staates und ausdrücklich unter der Legitimation einer Entschließung der Vereinten Nationen, des Weltsicherheitsrates. Beide Bedingungen sind ausweislich jedenfalls aller Erklärungen von Völker- und Staatsrechtswissenschaftlern nicht erfüllt.

Interessanterweise, Kollege Stritzl, haben die Amerikaner und Briten gar nicht den Versuch unternommen, sich auf die Resolution 1441 zu berufen. Sie

berufen sich darauf - das Schöne ist ja, dass man das nachlesen kann, weil Powell und Straw dem Generalsekretär der Vereinten Nationen geschrieben haben, warum der Krieg geführt wird -, dass es eine alte UNO-Resolution aus dem Jahre 1991 gibt, die die Vereinten Nationen und Staaten der Vereinten Nationen ermächtigt, gegen den Irak Krieg zu führen, um ihn aus Kuwait zu vertreiben. Sie berufen sich darauf, dass die Waffenstillstandsbedingungen, die der Irak mit den Amerikanern ausgehandelt hat, nicht erfüllt sind beziehungsweise vom Irak verletzt werden. Deshalb seien die Bedingungen des Waffenstillstands nicht mehr eingehalten und der Waffenstillstand gelte deshalb nicht mehr. Das nennen wir im Zivilrecht in Deutschland Wegfall der Geschäftsgrundlage. Dass das völkerrechtlich nicht geht, steht außer Zweifel. Dass die Resolution aus 1991 verbraucht ist, steht auch außer Zweifel.

Die amerikanischen Völkerrechtler, die sich mit der Frage beschäftigen, ob das rechtmäßig sei, erklären, völlig in sich selbst ruhend, dass das selbstverständlich deshalb nicht völkerrechtswidrig sei, weil die Charta der Vereinten Nationen ihre Geltung gar nicht mehr habe entfalten können. 252 Kriege seien seit dem letzten Weltkrieg geführt worden. Da die Vereinten Nationen dies nicht hätten verhindern können, gälte dies nicht mehr, also auch für die Vereinigten Staaten nicht. Das Völkerrecht beginne sozusagen nach den Vereinten Nationen und nicht davor. Wir können doch nicht ernsthaft wollen, dass die Macht vor das Recht gesetzt wird.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir dazu übergehen, zu sagen, Macht begrenzt Recht, dann haben wir die Willkür zwischen der Staatengemeinschaft, die wir gerade nicht wollen. Der Krieg ist politisch unklug. Er ist rational kaum zu begründen und wird zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt geführt.

Gerade nach den Attentaten des 11. Septembers war es wichtig und wäre es auch weiterhin wichtig gewesen, die Grundsätze des internationalen Rechts über die Vereinten Nationen zur Bekämpfung des weltweiten Terrorismus durchzusetzen. Diesen Weg haben die amerikanische und die britische Administration ebenso wie weitere Koalitionspartner, übrigens auch Dänemark, was mich sehr begeistert hat, verlassen, obwohl auch sie bis zum Beginn der militärischen Auseinandersetzung der Überzeugung waren, dass nur und letztlich die Vereinten Nationen darüber zu befinden haben, dass und wann Gewalt zur Lösung internationaler Konflikte angewandt werden darf.

(Wolfgang Kubicki)

Ich erinnere daran, dass das britische Parlament einen Beschluss gefasst hatte, dass die britischen Truppen nur auf der Grundlage einer weiteren Resolution der Vereinten Nationen eingesetzt werden dürfen, die es nicht gibt. Dass der britische Premierminister sich nicht an diese Entschließung gehalten hat, muss er vor sich selbst und auch gegenüber seinem eigenen Parlament verantworten. In jedem Fall gilt, dass wesentliche Teile der Weltgemeinschaft - übrigens auch die Amerikaner bis drei Tage vor Beginn des Einmarsches - der Auffassung waren, man benötige eine weitere Resolution. Man war der Überzeugung, man würde sie erhalten. Erst als klar war, man werde sie nicht erhalten, hat man erklärt, man brauche sie auch nicht mehr.

Was sollte die Regierungen von Pakistan, Indien, Russland, China oder Israel, die ja auch gelegentlich UNO-Resolutionen missachten, davon abhalten, künftig ihre territorialen Konflikte in Kaschmir, Tschetschenien, Nepal oder Palästina militärisch zu lösen, indem auch sie auf ihr Recht zur präventiven Selbstverteidigung hinweisen? Haben nicht tschetschenische Terroristen ein Theater in Moskau überfallen? Sprengen sich nicht palästinensische Selbstmordattentäter in Jerusalem in die Luft? Die Fortsetzung der Kriegspolitik wäre das Recht des Stärkeren gegen die notwendige Stärke des Rechts. Es wird künftig nicht einfacher werden, den Terrorismus und seine Zustimmung in den Herzen und Köpfen von Millionen von Menschen auf der Welt zu bekämpfen.

Saddam Hussein ist kein Opfer, er ist Täter. Kollege Stritzl hat das zutreffend beschrieben. Rechtfertigt diese Tatsache aber, das irakische Volk zum Opfer eines Krieges zu machen? Es lag weder eine akute noch eine potenzielle Bedrohung der USA, Großbritanniens oder anderer Länder vor. Kein Land wurde unmittelbar vor Beginn des Krieges derart überwacht, kontrolliert und inspiziert wie der Irak. Chemische, biologische oder atomare Stoffe wurden nicht gefunden. Eine Fortsetzung und Intensivierung der Inspektionen und Überwachungen hätte jede - und ich meine im Wortsinn jede - potenzielle Verwendung solcher Stoffe zu welchen Zwecken auch immer verhindert. Eine Verbindung des irakischen Regimes zur Terrororganisation El Kaida wurde nicht nachgewiesen.

Statt Deutschland, Frankreich, Russland, China und andere Nationen stärker in die Überwachung und auch stärker in den Druck auf das Regime einzubeziehen, wählten Amerikaner und Briten den militärischen Alleingang. Ich sage auch in Richtung der Sozialdemokratie: Es war nicht hilfreich, dass der Bundeskanzler erklärt hat, Deutschland würde sich, egal

unter welchen Bedingungen, auch unter den Bedingungen eines Mandats der Vereinten Nationen nicht an Aktionen gegen den Irak beteiligen. Das hat den Druck nicht erhöht, sondern geschwächt. Das ist ein Manko. Das muss künftig geändert werden.