Protocol of the Session on February 20, 2003

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich hätte erwartet, dass Sie etwas offener und etwas ehrlicher sagen, was Sie eigentlich vorhaben. Ihre Parteifreunde von der sozialdemokratischen Partei verteilen in diesen Tagen Wahlkampfbroschüren. Auf kaum einer dieser Broschüren fehlt der dringende mahnende Hinweis: Es geht nicht um Berlin, es geht um unsere Gemeinde hier vor Ort. Dafür haben wir natürlich in dieser politisch schwierigen Situation der Sozialdemokratie jedes Verständnis. Ich kann voll verstehen, dass man so etwas macht.

(Dr. Henning Höppner [SPD]: Das geht auch nicht anders!)

Ich sage Ihnen aus leidvoller Erfahrung als ehemaliger Generalsekretär meiner Partei, der auch einmal gesagt hat, es gehe um Schleswig-Holstein: Die Bürger werden es möglicherweise nicht ganz wahrnehmen. Die Sorge der Bürgerinnen und Bürger und - vor allem die der ehrenamtlich kommunalpolitisch Tätigen, von denen wir gerade soviel gesprochen haben - ist: Gibt es meine Gemeinde am Ende dieser Wahlperiode überhaupt noch? Darauf haben Sie keine Antwort gegeben!

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie sollten hier im Hause nicht so tun, als wäre es eine Gespensterdebatte oder als hätten die Presse oder einzelne Abgeordnete - womöglich von der Opposition - so eine Debatte losgetreten.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: So ist es!)

Sie waren es doch selber! Es war Ihr Fraktionsvorsitzender Lothar Hay, der hier am 12.12.2001 von einer Gebietsreform gesprochen hat. Es ist kein Minderer, als immerhin der Fraktionsvorsitzende der Grünen, der geschätzte Kollege Hentschel, der offen sagt: Wir wollen definitiv vier Kreise durchsetzen. Das sind die Regierungsparteien! Wenn die Regierungsparteien das wollen, dann müssen sie sich an der Diskussion messen lassen.

(Beifall bei CDU und FDP - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Regierungsparteien trauen sich, etwas zu sagen! Sie jammern und klagen nur! Machen Sie eigene Vorschläge!)

- Herr Hentschel, ich sage gleich etwas dazu. Warten Sie in aller Ruhe ab. Seien Sie doch froh und stolz darüber, dass ich Sie zitiert habe.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Angsthase!)

Auch die Landesregierung unternimmt nur noch sehr schwache Versuche, die Planungen im Bereich einer Gebietsreform zu verbrämen. Erst gestern hat der Herr Innenstaatssekretär in Sankelmark noch einmal wieder gesagt, was ich aus der „Landeszeitung“ vom heutigen Tag jetzt zitiere:

„An einer entsprechenden Gebietsreform führt nach Ansicht von Innenstaatssekretär Ulrich Lorenz langfristig kein Weg vorbei.“

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hier wird ebenso - wie bei den Äußerungen des Herrn Innenministers bei dem Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag anlässlich der Tagung am 30. Januar deutlich: Sie haben die Katze längst aus dem Sack gelassen. Sie wollen - entgegen Ihrer heutigen Äußerungen - tatsächlich zwangsweise gesetzlich hier in Schleswig-Holstein eine Gebietsreform durchführen. (Beifall des Abgeordneten Uwe Greve [CDU] - Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nach allen Erfahrungen, die die Sozialdemokraten derzeit auf Bundesebene im so genannten Lügenausschuss machen, sage ich Ihnen: Sagen Sie vor den Wahlen - auch vor den Kommunalwahlen - immer klar, was Sie wollen. Ansonsten erwischt es Sie hinterher doppelt und dreifach!

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Innenminister, Sie haben doch beim Landkreistag gesagt, die Städte lebten schrecklich eingeengt in den Grenzen des Mittelalters und das ginge so nicht mehr. Wenn Sie die Grenzen beklagen, dann wollen Sie sie doch verändern! Erzählen Sie uns hier im Landtag doch keine Märchen. Sie wollen eine Gebietsreform durchführen. Dann sollten Sie den Menschen auch klar sagen, dass Sie dies machen wollen. Warum Sie dies machen wollen, das wissen wir. Sie haben ja heute noch einmal darauf hingewiesen, wie kleinteilig Schleswig-Holstein sei und wie viel Geld dies koste.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich habe gerade noch eine Minute Restredezeit; da schaffe ich kaum all das, was dazu noch zu sagen wäre. Ich bitte um Nachsicht.

Heute haben Sie noch einmal darauf hingewiesen, wie viele kleine Gemeinden wir haben. Ich darf Sie auf Folgendes hinweisen: Das ist zwar richtig, aber die kleinen Gemeinden verwalten sich nicht alle selbst. Es gibt Ämter - Herr Innenminister, zu Ihrer Kenntnisnahme –, die das tun. Beklagen Sie das nicht immer hier im Hause so sehr!

Die Gründe für die Diskussion sind durchsichtig. Sie werden durchschaubar, wenn Sie über die Kosten reden, Herr Buß. Sie wollen den Kommunen schon wieder ans Geld, wollen den Kommunen Geld wegnehmen; darum geht es doch!

(Beifall bei CDU und FDP)

Das sollten Sie dann auch offen sagen.

Ich muss Sie einmal an den Vortrag von Herrn Professor Hennecke vor dem Landkreistag erinnern; ich weiß nicht, ob Sie da aufmerksam zugehört haben. Herr Hennecke hat gerade in Bezug auf die Landkreise klipp und klar gesagt, dass die Landkreise Schleswig-Holsteins im Vergleich zum Bundesdurchschnitt geradezu Idealgröße besitzen, eine ideale Verwaltungsstruktur aufweisen und zukunftsorientiert sind. Wenn Sie sich daran orientierten, würden Sie diesbezüglich die Finger von den Kommunen lassen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Wenn Sie von Großkommunen sprechen, Herr Innenminister, dann sollten Sie auch ehrlich sagen, welche Aufgaben die großen Kommunen mit 25.000 Einwohnern denn wahrnehmen sollen und welcher Einheit Sie die Kompetenzen wegnehmen wollen. Wenn Sie solch große Kommunen schaffen, müssen Sie den Kreisen Kompetenzen wegnehmen. Das sollten Sie dann ehrlicherweise auch vorher sagen.

(Holger Astrup [SPD]: Und was will die CDU tun?)

Nun mein abschließender Satz: Bevor wir hier über eine Gebietsreform, über eine Verwaltungsstrukturreform miteinander reden, müssen wir erst einmal mit der Funktionalreform vorankommen, und das Land muss erst einmal sagen, was es abzugeben bereit ist. Aufgabenkritik und Aufgabenverlagerung auf die kommunale Ebene - das ist der richtige Weg. Damit

sollten Sie beginnen. Dort sollten Sie an erster Stelle Ihre Hausaufgaben machen.

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Puls das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Wadephul hat für die CDU-Fraktion nichts gesagt. Ich werde sagen, was die SPD-Landtagsfraktion will.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln und alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, ist durch Bundes- und Länderverfassungen garantiert. Dementsprechend heißt es für unsere Städte und Gemeinden in der SchleswigHolsteinischen Gemeindeordnung:

„Den Gemeinden wird das Recht der freien Selbstverwaltung in den eigenen Angelegenheiten als eines der Grundrechte demokratischer Staatsgestaltung gewährleistet.“

(Martin Kayenburg [CDU]: Wer so anfängt, will nichts sagen!)

Mit dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung hat der Landtag eine Reihe wichtiger Verbesserungen für Bürger und Gemeindevertretungen vor Ort auf den Weg gebracht. Mit dem Ziel, die kommunale Selbstverwaltung noch leistungsfähiger, kostengünstiger und kundenfreundlicher zu machen, werden wir weitere mögliche Veränderungen beraten. Dabei werden wir zwei Leitlinien beachten.

Erstens, zur geplanten Verwaltungsstrukturreform: Bereits nach der geltenden Fassung des Landesverwaltungsgesetzes soll die Zuordnung öffentlicher Aufgaben den Grundsätzen einer zweckmäßigen wirtschaftlichen und ortsnahen Verwaltung entsprechen. Wir werden prüfen, welche Landesaufgaben verzichtbar sind und kostenneutral auf die Kommunen verlagert werden können, wie auf diese Weise ein effizienter zweistufiger Verwaltungsaufbau in Schleswig-Holstein erreicht werden kann und wie durch mehr dezentrale Verwaltungsleistungen und weniger

(Klaus-Peter Puls)

staatliche Einmischung die örtliche Selbstverwaltung weiter gestärkt werden kann.

(Martin Kayenburg [CDU]: Dann dürften dem Landtag überhaupt keine Kosten entste- hen! Wie wollen Sie das denn machen?)

Das ist der erste Grundsatz der Verwaltungsstrukturreform.

Der zweite Grundsatz zur angeblich bevorstehenden und irgendwo ja auch befürchteten Gebietsreform - und da immer mal ein Gerücht gestreut wird, betone ich dies - lautet: Mit dem Fehmarn-Gesetz hat der Landtag kürzlich einen freiwilligen Zusammenschluss mehrerer Gemeinden nachvollzogen, der bahnbrechend und richtungweisend für alle Kommunen in Schleswig-Holstein sein könnte. Wir werden auch bei den weiteren Beratungen zur Kommunalverwaltungsreform und zu den Möglichkeiten einer verbesserten interkommunalen Zusammenarbeit von Kreisen, Städten und Gemeinden dem Grundsatz treu bleiben: Kommunale Selbstverwaltung darf nicht durch Landeszwang ausgehebelt werden. Freiwillige Zusammenarbeit ist allemal besser als landesgesetzlicher Druck. Auf nichts anderes hat ja der Innenminister wörtlich hingewiesen, als er sagte: Fehmarn hat es vorgemacht, Zusammenarbeit bis zur Fusion ist das Mittel der Zukunft, neben der freiwilligen Fusion ist die freiwillige Zusammenarbeit möglich. - Des Weiteren hat er einige Beispiele genannt. Ich ergänze für die SPD-Landtagsfraktion: Wo die Kommunen wollen, dass wir landespolitische Hilfe leisten, werden wir es tun.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wie sieht sie denn aus?)

Das Fazit für die SPD-Landtagsfraktion lautet insgesamt: Wo sich die Bürger selbst verwalten, hat der Staat sich rauszuhalten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Seit mehr als einem halben Jahr verstetigt sich die Diskussion um eine Gebietsreform bei den Gemeinden und Landkreisen Schleswig-Holsteins. Letztlich geht es immer nur um folgende Fragen.