Protocol of the Session on February 20, 2003

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Seit mehr als einem halben Jahr verstetigt sich die Diskussion um eine Gebietsreform bei den Gemeinden und Landkreisen Schleswig-Holsteins. Letztlich geht es immer nur um folgende Fragen.

Erstens: Wird es eine kommunale Verwaltungsreform geben, die Verwaltungen zusammenlegt und die Gebietsgrenzen der Gemeinden beibehält?

Zweitens: Wird es eine Gebietsreform geben, die ganze Gemeinden oder gar Kreise zusammenlegt?

Drittens: Bleibt es beim Prinzip der Freiwilligkeit, welches den Kommunen, den Ämtern beziehungsweise den Kreisen die Entscheidung überlässt, ob sie in Teilen ihrer Verwaltung kooperieren möchten oder sich sogar gebietsweise zusammenschließen wollen?

Ich wage einmal eine Prognose: Wir werden nach der Kommunalwahl im März erleben, dass der Innenminister zunächst mit finanziellen Anreizen, später aber auch per Anordnung Verwaltungen kleiner Ämter zusammenlegt. Sein Ziel ist, Verwaltungseinheiten von mindestens 20.000 bis 25.000 Einwohnern zu schaffen, um somit vielleicht ca. 30 Kommunalverwaltungen einsparen zu können.

(Holger Astrup [SPD]: Es ist ziemlich frech, was Sie hier sagen, Herr Kollege!)

- Lass man, Holger, das ist schon in Ordnung. Wir werden es ja erleben. Es ist ja protokolliert.

Er will den Kommunen eine engere Zusammenarbeit ihrer Verwaltung über die Mittel für die ländliche Struktur- und Entwicklungsanalyse schmackhaft machen. Er selbst hat eben auf die erweiterte Kompetenz hingewiesen.

Dabei ist der Innenminister noch zurückhaltender als die Ministerpräsidentin. Sie wurde in einem Zeitungsinterview mit der Aussage zitiert, dass notfalls auch Verwaltungen zwangsweise zusammengelegt werden müssten. Was die zwangsweise Verordnung angeht, befindet sich die Ministerpräsidentin in großer Übereinstimmung mit dem Vorsitzenden der Grünen Fraktion, Herrn Hentschel. Seine Vorstellungen sind aber noch weitgehender und konkreter. Er will eine Gebietsreform. Vier Kreise müssen reichen, war von ihm zu lesen. Der Landesverband von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist ihm inzwischen gefolgt und hat auf seinem Parteitag im Januar in Pinneberg auch von oben verordneten Gebietsreformen zugestimmt.

Insbesondere auf die Ämter aber scheint es die Landesregierung abgesehen zu haben. So plant das Innenministerium laut Zeitungsberichten, nämlich der „Uetersener Nachrichten“eine Zusammenlegung der Ämter Moorrege und Haseldorf mit den Städten Uetersen oder Wedel. Das bedeutet in der Praxis eine Stärkung der wirtschaftlich potenteren Städte zu Ungunsten der umliegenden Gemeinden.

(Günther Hildebrand)

Die Einschätzung des leitenden Verwaltungsbeamten des Amtes Haseldorf, dass eine Gebietsreform die Zusammenlegung der Verwaltung nach sich ziehe, teilen wir. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass Ämter im Vergleich zu gleichartigen Städten weitaus niedrigere Personalkosten verursachen. Dies ist aus einer repräsentativen Aufstellung des Gemeindetages für verschiedene Kreise ersichtlich. Sie sind kostengünstiger, obwohl sie schon heute teilweise Aufgaben übernehmen, die eigentlich in die originäre Kompetenz der Gemeinden fallen.

Ein Verwaltungszusammenschluss einer größeren Gebietskörperschaft mit kleineren führt zu einer Vereinheitlichung der Kosten und deren Umlage auf die umliegenden kleineren Gemeinden. Dass die Menschen vor Ort darüber nicht unbedingt glücklich sind, muss ich nicht erwähnen. Dies konnte ich übrigens in der letzten Woche bei einem Besuch in Wesselburen erfahren. Da gibt es die Stadt Wesselburen mit einer hauptamtlichen Verwaltung von 3.000 Einwohnern und daneben Wesselburen-Land, das ebenfalls rund 3.000 Einwohner hat. Da wurden die unterschiedlichen Interessen sehr deutlich.

Sollten die Verwaltungszusammenschlüsse zu Synergieeffekten führen, liegt es auf der Hand, dass die Landesregierung den kommunalen Finanzausgleich dann weiter schröpfen wird. Spätestens seit dem Kirchhof-Gutachten wissen wir, dass eine positivere finanzielle Entwicklung der kommunalen Ebene im Vergleich zum Land einen solchen Eingriff möglich macht.

Bevor die Landesregierung aber über eine Gebietsreform nachdenkt, sollte sie ihre eigenen Hausaufgaben machen, gemeindliche Aufgaben überprüfen und abbauen und Standards zumindest öffnen, wenn nicht gar abschaffen. Das Vorgabenbefreiungsgesetz der Union, das inhaltlich unserem inzwischen abgelehnten Standardöffnungsgesetz ähnelt, ist eine Möglichkeit, die Kommunen schnellstmöglich von überflüssigen Aufgaben und damit auch von Kosten zu entlasten. Die Kommunen brauchen in erster Linie eine Gemeindefinanzreform, keine Gebietsreform.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir von der FDP setzen auf Freiwilligkeit, damit in den Kommunen die Akzeptanz sichergestellt ist. In Schleswig-Holstein gibt es schon heute eine Vielfalt von Kooperationen zum Beispiel zwischen Ämtern, die damit zeigen, dass sie sehr wohl willens sind, für ihre Einwohner eine effektive Verwaltung vorzuhalten. Die Landesregierung sollte uns alle über ihre wahren Pläne betreffend Verwaltungs- und Gebietsreform nicht im Unklaren lassen. Die Bürgerinnen und Bürger,

(Glocke des Präsidenten)

aber auch die Kommunalpolitiker haben einen Anspruch darauf.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann kommt Herr Behm und sagt, dass er in Bad Bramstedt für die Zusammen- legung der Verwaltung ist!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Republik wird ja häufig darüber geklagt, dass die Politik einen Stau vor sich herschiebt und nicht in der Lage ist, die notwendigen Aufgaben anzupacken.

(Martin Kayenburg [CDU]: Richtig!)

Es gibt auch die Klagen darüber, dass im Vorfeld von Wahlen nichts mehr passiert und man immer erst einmal Wahlen abwartet, bis dann etwas passiert; aber dann steht schon wieder die nächste Landtagswahl oder die nächste Kommunalwahl bevor und es passiert wieder nichts. So etwas richtet sich in der Regel an Regierungsparteien.

Wenn ich mir angucke, was hier im Landtag abläuft, dann haben wir mittlerweile verkehrte Verhältnisse. Es ist so, dass die Regierungsparteien sagen, wir haben Aufgaben, die angepackt werden müssen,

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und wir haben den seltsamen Zustand, dass die Opposition, die ja gar nicht in der Verantwortung ist, die größte Angst hat, überhaupt etwas zu bewegen. Ja, wenn die Regierungsparteien etwas vorschlagen, dann sagt die Opposition sogar, oh, lieber nicht, es steht eine Wahl bevor.

(Zuruf der Abgeordneten Caroline Schwarz [CDU])

Ich glaube, der Kern dieser Diskussion ist tatsächlich nicht die Frage, ob wir hier eine inhaltliche Debatte über die Struktur der Kommunen führen - dazu hat bisher nämlich keiner etwas gesagt -, sondern es wir hier versucht, Ängste in den Kommunen zu schüren,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

(Karl-Martin Hentschel)

es könnte sich ja etwas Furchtbares ändern und es würde irgendjemandem etwas weggenommen.

Zu der Begründung, warum wir meiner Ansicht nach eine Kommunalreform brauchen, sage ich:

Erstens: Wir haben in Schleswig-Holstein nicht nur 1.000 Gemeinden - die können von mir aus so bleiben; das ist alles selbstverwaltet -, sondern wir haben auch über 400 Verwaltungen, nämlich nicht nur die Kreise, die Kommunen, die Städte, und die Ämter, sondern innerhalb der Ämter zum Teil auch noch amtsangehörige Kommunen, die auch noch einmal eine Verwaltung haben, obwohl sie das Amt haben. Ich glaube, in über 100 Fällen gibt es diesen Zustand noch.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das ist völlig falsch!)

Die Aufstellung des Innenministers zeigt mir das.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Innerhalb der Ämter gibt es keine Verwaltung!)

Zweitens: Die Verwaltungsstrukturen in den Ämtern und Kommunen sind oft nicht nur zu klein, viele Städte in Schleswig-Holstein sind auch de facto über ihre Grenzen hinausgewachsen und es entsteht eine unfruchtbare Konkurrenz zwischen der Stadt und ihren Umlandgemeinden um steuerkräftige Bürger, Einkaufszentren und Gewerbebetriebe.

Drittens - das ist für mich ein ganz entscheidender Punkt, weil wir nämlich beim Land anfangen müssen -: Die Struktur der unteren Landesbehörden und der Kreise muss überprüft werden. Wir haben in den letzten sechs Jahren in den Landesbehörden etwa 2.000 Stellen abgebaut, also ungefähr 20 %. Dabei nehme ich jetzt einmal die großen Gebiete wie Justiz, Schule, Hochschule, Polizei und Finanzen aus. Aber wenn man die restlichen Verwaltungen nimmt, dann haben wir etwa 2.000 Stellen abgebaut, was 20 % entspricht.

Ich kann mir vorstellen, dass wir das noch einmal machen können. Ich glaube aber, dass irgendwann auf diesem Weg Schluss ist. Wir wissen aber, dass zwischen den Aufgaben der Kreise, die ja zum überwiegenden Teil - das wird ja von allen bestätigt - Weisungsaufgaben des Landes ausführen, und den Aufgaben der Landesämter Schnittstellen sind, die bereinigt werden können, dass dort Aufgaben zusammengelegt werden können, wenn man sie vernünftig organisiert.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Wenn man das tun will, kann man aber nicht die Landesbehörden in 15 Kreise aufteilen; das kann nicht funktionieren, das führt nicht zu Synergien, sondern das führt dazu, dass man wesentlich mehr Leute einstellen muss.

Übrigens hat die Analyse der Enquetekommission in Mecklenburg-Vorpommern sehr schön dargestellt - bis ins Detail, bis in die einzelnen Stellenpläne hinein -, wo die Probleme liegen. Man kann das alles nachlesen; wir können das auch noch einmal in Schleswig-Holstein selber durchexerzieren, was vielleicht sinnvoll wäre, um so einmal tatsächlich belegt zu bekommen, wie die Situation ist und wo Effekte möglich sind.

Das heißt, wenn man die Kreisaufgaben, die im Auftrage des Landes wahrgenommen werden, und die Aufgaben der unteren Landesbehörden zusammenlegen will, dann muss man zu entsprechenden Strukturen kommen, die dafür geeignet sind. Das ist der erste Punkt.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der zweite Punkte ist folgender: Die Ämter und Kommunen sind oft zu klein, das heißt, wenn wir wollen, dass wir Ämter oder Kommunen haben, die alle wesentlichen Aufgaben für den Bürger in einer Hand wahrnehmen können, dann müssen wir auch entsprechende leistungskräftige Verwaltungen haben. Dabei ist die Zahl, die vom Minister genannt wird, nämlich 20.000 bis 25.000 Einwohner, die untere Grenze für eine Verwaltung. Das wären ortsnahe Verwaltungen, die alle Aufgaben wahrnehmen können.

(Widerspruch bei der CDU)

- Das sind sehr ortsnahe Verwaltungen. Zurzeit ist es nämlich so, dass die Bürger mit ganz vielen Fragen zum Kreis müssen

(Manfred Ritzek [CDU]: Das ist doch reine Theorie! - Glocke des Präsidenten)

und entsprechende Kilometer fahren müssen. Ich möchte Verwaltungen haben, bei denen alle diese Aufgaben vor Ort dem Bürger in einer Hand angeboten werden können.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])