Protocol of the Session on February 20, 2003

Auch das zeigt, was auf die Region zukommen könnte. Von daher noch einmal unsere Forderung, dass keine weitere Reduzierung ohne weitere Strukturmaßnahmen stattfinden darf.

Auch der SSW möchte sich bei den anderen Fraktionen bedanken, dass es doch noch gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag hinzubekommen. Wir finden das der Sache angemessen. Wir unterstützen die Landesregierung und die Ministerpräsidentin natürlich in den Bemühungen, die Standorte zu erhalten.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SPD und FDP)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Herr Abgeordnete JensenNissen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Die Region Kappeln, Schleswig-Flensburg, hat sich schon in der Vergangenheit sehr erfolgreich für Bundeswehrstandorte und auch für Produktionsstandorte eingesetzt. Ich erinnere nur an den Kampf um die Verhinderung der Schließung der Cremilk in Kappeln. Dies haben wir in partei- und gesellschaftsübergreifender Form getan.

Ich bin ebenfalls – das hat die Kollegin Tengler schon deutlich gemacht – dankbar dafür, dass wir hier parteiübergreifend einen gemeinsamen Antrag vorlegen konnten, bitte jedoch, dass wir uns zunächst auf die Aussage konzentrieren, dass wir um den Erhalt der Standorte kämpfen, ob es die militärische Notwendigkeit gibt oder nicht. Denn, Herr Minister, eines ist doch sicherlich auch richtig: Wir können uns um die eine oder andere Million Konversionsmittel streiten, die es möglicherweise gegeben oder nicht gegeben hat, aber die Schwierigkeiten bei der Umwidmung und Weiterentwicklung dieser Standorte sind uns aus Kappeln-Ellenberg – Frau Spoorendonk hat darauf hingewiesen – hautnah bekannt. Deshalb sage ich auch vor dem Hintergrund, dass die Strukturmittel und die Strukturförderfonds der EU 2006 auslaufen, sehr deutlich, dass wir dies nicht aus dem Blick verlieren dürfen. In der Zeit danach werden wir möglicherweise nicht mehr die notwendigen Mittel zur Verfügung haben. Deshalb muss unser Augenmerk zunächst darauf gerichtet sein, die Standorte zu erhalten und dies auch in aller Klarheit und Deutlichkeit einzufordern.

(Beifall)

Wenn wir in großer Einigkeit und zumindest mit gemeinsamer Zielrichtung gestern über HDW oder heute über das Tariftreuegesetz um den Erhalt von Arbeitsplätzen gestritten haben, muss es uns dieser wertvolle und konstruktive Streit doch auch wert sein, dies parteiübergreifend weiterzuführen und hier keine Auswege in der Diskussion zuzulassen.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Darum bitte ich nur, meine sehr verehrten Kollegen. Dann sind wir alle dicht beieinander und werden gemeinsam einen guten Weg gehen.

(Beifall bei CDU, FDP und SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe damit die Beratung und lasse in der Sache abstimmen.

Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dies ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Für mehr Beschäftigung: Kündigungsschutz sofort lockern!

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/2428

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Auch Ihnen, lieber Kollege Baasch – ich habe gehört, Sie sprechen gleich dazu -, will ich heute ein Angebot unterbreiten, und zwar deswegen, weil sich alle politischen Kräfte seit Jahrzehnten einig sind, dass die Arbeitslosigkeit viel zu hoch ist, dass sie inzwischen das größte aktuelle gesellschaftliche Problem ist und man genau dagegen etwas tun müsste.

Was man allerdings dagegen tun könnte, ist nach wie vor sehr umstritten, allerdings nur bei den politischen Kräften, nicht bei den Experten; die sind sich nämlich einig: Arbeit ist in Deutschland aus zwei Gründen zu teuer.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

- Bevor Sie wieder dazwischenschreien, hören sie doch einmal ganz in Ruhe zu, Herr Arbeitsmarktexperte Fischer. Um Gottes willen, das ist ja nicht mehr zu ertragen.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Arbeit ist in Deutschland aus zwei Gründen zu teuer, nämlich erstens wegen der zu hohen Steuer- und Abgabenlast.

(Rolf Fischer [SPD]: Das belegen Sie mal bitte!)

- Herr Fischer, es ist wirklich nervend. Sie haben keine Ahnung vom Thema, quaken aber einfach dazwischen.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Der zweite Grund liegt in den vielen staatlichen Regulierungen. Wer Beschäftigung steigern und Arbeits

(Dr. Heiner Garg)

losigkeit senken will, muss die Abgabenlast und die Regulierungslast senken. So einfach ist das.

(Rolf Fischer [SPD]: Belegen Sie das!)

Der Kündigungsschutz ist eine solche Regulierung. Deutsche Arbeitnehmer sind inzwischen so sehr vor Kündigung geschützt, dass viel zu viele Menschen gar nicht erst einen Arbeitsplatz bekommen, vor dessen Verlust der Staat sie nach wie vor schützen will.

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Dieses an sich ja sinnvolle Instrument ist inzwischen eines der größten Beschäftigungshindernisse geworden und die zu erwartenden Kosten einer betriebsbedingten Kündigung sind so hoch, dass vor allen Dingen Menschen mit geringerer Qualifikation häufig vom ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind.

Sehr geehrter Herr Kollege Fischer, wenn Sie mir nicht glauben, was ich gut verstehen kann

(Rolf Fischer [SPD]: Ich verweise auf den Kollegen Nabel!)

- Herr Kollege Nabel, auch gut –, dann glauben Sie vielleicht einer prominenten Sozialdemokratin, die ich jetzt gern zitiere:

„Ich sehe doch ganz genau, dass kleine Unternehmen mit fünf Angestellten auch in guten Zeiten den sechsten nicht einstellen, weil sie befürchten, in schwierigen Zeiten nicht entlassen zu können. Die Frage ist doch: Bin ich einmal der Sechste oder bin ich ständig arbeitslos?“

So Heide Simonis am 6. Februar 2003 in der „Financial Times Deutschland“. Dieser präzisen Beschreibung, sehr geehrter Herr Kollege Nabel, dieses Problems ist jetzt nur noch eine Lösung hinzuzufügen und diese schlagen wir Ihnen mit unserem Antrag vor: Wir wollen bei Betrieben mit bis zu 20 Mitarbeitern den Kündigungsschutz lockern. Damit liegen wir nicht nur auf einer Linie mit Ihrer Ministerpräsidentin, sondern unter anderem auch mit Bundesarbeitsminister Clement, der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den fünf Wirtschaftsweisen. Nicht einig, das gebe ich gern zu, sind wir uns möglicherweise bezüglich der Beschäftigtenzahl, ab der der Kündigungsschutz gelten soll. Wir sind hier der Meinung: Klotzen ist angesichts von fast 4,7 Millionen Arbeitslosen besser als Kleckern. Gekleckert wurde nämlich lange genug, und zwar auch lange genug vor 1998, um auch das an dieser Stelle ganz deutlich zu sagen. Das Ergebnis: Seit 1970 steigt die strukturelle Arbeitslosigkeit in Deutschland stetig an. Jede Rezession treibt 1 Million Menschen zusätzlich in die Sockelarbeitslosigkeit. Alle politischen

Versuche, dies zu ändern, sind bislang kläglich gescheitert. Auch das JOB-AQTIV-Gesetz und das, was vom Hartz-Konzept bislang übrig geblieben ist, wird daran nichts Wesentliches ändern; denn dies wäre dem Versuch vergleichbar, Krebs mit Hustenbonbons heilen zu wollen.

Wir wollen den gesellschaftlichen Krebs der Arbeitslosigkeit wirksam bekämpfen und fordern Sie auf, mit uns in eine Diskussion einzutreten, damit wir endlich eine wirksame Therapie anwenden können. Denn eines gerät bei den vielen Diskussionen in Vergessenheit: Arbeitslosigkeit bedeutet, dass die Arbeitgeber weniger Menschen beschäftigen wollen, als Menschen Beschäftigung suchen. Deshalb müssen alle Versuche scheitern, die Arbeitslosigkeit zu senken, die nicht die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften steigern.

Ich will Ihnen ein ganz konkretes Angebot unterbreiten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Eigentlich hatten wir vor, unseren Antrag in der Sache abstimmen zu lassen, weil wir der Meinung sind: Jeder kennt das Problem; es ist oft genug genannt worden. Deswegen brauchen wir nur ein klares Ja oder ein klares Nein. – Ich bin jedoch gern bereit, in den entsprechenden Fachausschüssen noch einmal darüber zu diskutieren, ab wie viel Beschäftigten der Kündigungsschutz entsprechend gelockert werden soll, und ich bin auch gern bereit, mit Ihnen darüber nachzudenken, ob wir einen solchen Versuch zeitlich befristen sollten, um uns einmal anzusehen, ob so etwas tatsächlich wirkt, ob so tatsächlich mehr Beschäftigung geschaffen wird.

Nichts zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nun wirklich das Einfachste und Schlechteste und es stünde angesichts der hohen Arbeitslosigkeit wirklich an, hier mutig zuzupacken und dies nicht wieder ein halbes Jahr lang im Ausschuss hin- und herzuschieben. Ich fordere Sie also zu einer zügigen und konstruktiven Diskussion über unseren Vorschlag in den entsprechenden Ausschüssen aus.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit – auch für die des Kollegen Nabel.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Baasch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf das freundliche Angebot komme ich etwas später zu sprechen, Herr Kollege Garg. Zunächst müssen Sie

(Wolfgang Baasch)

sich ein paar Grundsätze anhören. Das erleichtert sicherlich die Diskussion in den Ausschüssen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Weil du das aufge- schrieben hast!)

- Nun warte einmal ab. Die SPD-geführte Bundesregierung hat aus gutem Grund die von der Regierung Kohl durchgesetzte Aufweichung des Kündigungsschutzgesetzes in Kleinbetrieben wieder rückgängig gemacht, denn mit diesen Maßnahmen wurde nur Verunsicherung in die Betriebe getragen, aber keine neuen Arbeitsplätze geschaffen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Sichere Arbeitnehmerrechte sind elementarer Bestandteil unseres erfolgreichen Sozialstaates und damit auch der Wettbewerbsfähigkeit. Dies darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Zur aktuellen Diskussion, den Kündigungsschutz in Kleinbetrieben erneut aufzubrechen, bleibt festzuhalten, die arbeitsrechtlichen Regelungen in Deutschland bieten genügend Flexibilität für die Schaffung neuer Arbeitsplätze.