Protocol of the Session on February 19, 2003

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter Hentschel, kommen Sie bitte wirklich zum letzten Satz!

Meine Solidarität, die Solidarität meiner Fraktion, gilt den Werftarbeitern und ihren Familien bei HDW.

(Klaus Schlie [CDU]: Das haben wir ge- merkt!)

Ich wünsche ihrem Kampf und ihren Auseinandersetzungen für ein neues Konzept bei HDW ganz viel Erfolg und werde alles tun, um sie zu unterstützen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann stimmen Sie bestimmt unserem Antrag zu, wenn Sie alles tun!)

Ich erteile Frau Abgeordneter Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorweg: Lieber Kollege Garg, manchmal ist weniger mehr.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, die FDP ist immer noch nicht die Arbeitnehmerpartei. Das werden wir vielleicht bei späteren Tagesordnungspunkten, Stichwort Tariftreuegesetz, Stichwort Kündigungsschutz, zu diskutieren haben.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Es lebe der SSW!)

Was letzte Woche bei der Kieler HDW-Werft bekannt wurde, kommt einem Schicksalsschlag gleich - und betroffen ist nicht nur die Landeshauptstadt, sondern Schleswig-Holstein insgesamt und der Werftenstandort Deutschland. Die angekündigte Entlassung von 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, also knapp 25 % der Belegschaft der Werft, ist natürlich insbesondere vor dem Hintergrund der allgemeinen schlechten Wirtschaftslage und der vielen Betriebsschließungen für die Betroffenen und ihre Familien ein schwerer Schock.

Gerade Kiel hat in den letzten Monaten viele Arbeitsplätze verloren - Stichwort Druckmaschinenhersteller Heidelberger - und im Mai 2004 werden jetzt weitere 750 folgen. Die Überschrift „Katastrophe für Kiel“, die vielfach in den Zeitungen zu lesen war, hat hier ihre Berechtigung. Denn nicht nur die Arbeitsplätze bei HDW, sondern auch viele Zulieferer in der Region sind betroffen, wenn HDW jetzt verstärkt mit Fremdvergabe, zum Beispiel nach Polen, arbeiten will.

Die Entscheidung des Vorstandes hat aber auch eine hohe Symbolkraft für die allgemeine Situation im Schiffbau. Denn aus schleswig-holsteinischer Sicht ist sie leider nur der vorläufige Höhepunkt in der Krise der europäischen und deutschen Werften. Wenn man bedenkt, dass noch Anfang der 70er-Jahre 10.000 Mitarbeiter bei HDW in Kiel beschäftigt waren, sieht man das ganze Ausmaß der Entwicklung im deutschen Schiffbau in den letzten 30 Jahren. Das Gleiche gilt nicht nur für die HDW und andere deutsche Werften, sondern auch für nahezu alle europäischen Werften. Ein Blick nach Norden über die Grenze zeigt fast die gleiche Entwicklung. In Dänemark gibt es nur noch sehr wenige Werften mit begrenzter Belegschaft und spezieller Fertigung. Selbst die traditionsreiche Kopenhagener Werft „Burmeister & Wain“ musste vor einigen Jahren Konkurs anmelden.

Wir alle kennen die Ursachen dieser Krise. Angesichts der weltweiten Überkapazitäten macht die asiatische Billigkonkurrenz, insbesondere im Handelsschiffbau bei den Serienschiffen den europäischen Werften den Garaus. Wir haben diese asiatische Herausforderung, die in den letzten Jahren von Korea ausgeht, schon mehrfach im Landtag diskutiert. Ich

(Anke Spoorendonk)

möchte in Erinnerung rufen, dass sich auch der Finanzausschuss des Landtages mit dieser Frage vor ein paar Jahren befasst hat, als der Finanzausschuss in Brüssel tagte. Dabei muss man feststellen, dass es nicht darum geht, den internationalen Wettbewerb zwischen den Werftnationen zu verhindern, es geht vielmehr darum, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Obwohl sich die Europäische Union mit der WTO und Korea seit Jahren um diese Zielsetzung bemüht, ist es aus unserer Sicht immer noch nicht gelungen, die massiven staatlichen Subventionen der asiatischen Länder für ihre Werften zu unterbinden. Anders ist es trotz der erheblichen Lohnunterschiede kaum zu erklären, warum diese Länder weiterhin Schiffe unter dem Selbstkostenpreis der europäischen Werften anbieten können. Und gerade die Gespräche vor Ort in Brüssel haben uns gezeigt, dass vonseiten der EU nicht mit einer Zunge geredet wird.

Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat sich vor diesem Hintergrund für eine Weiterführung der Werftenhilfe auf europäischer und damit auch auf deutscher Ebene ausgesprochen. Diese Forderung gilt nach wie vor. Solange die asiatischen Länder staatliche Subventionen zahlen, müssen auch die europäischen Länder ihre Werften finanziell unterstützen. Es ist also auch eine Frage des politischen Willens, ob Europa weiterhin selbst Schiffe bauen kann und will.

Obwohl Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten Millionenbeträge für den Schiffbau im Lande aufbringt, haben wir das besondere Problem, dass das Land nicht die volle Werftenhilfe ausnutzt, die durch den Bund und die EU ermöglicht wird. Bei allem Verständnis für die finanziellen Probleme des Landes und trotz der Tatsache, dass der Bund eigentlich zwei Drittel der Werftenhilfe übernehmen sollte, kann es nicht angehen, dass unsere Werften im Verhältnis zu den Werften der anderen norddeutschen Bundesländer einen Wettbewerbsnachteil haben.

(Beifall bei SSW und FDP)

Daher unterstützt der SSW aus prinzipiellen Gründen den Antrag der FDP. Wir haben das immer getan und tun es auch heute, wissen aber natürlich um die Schwierigkeiten im Detail. Allerdings - das muss ich auch hinzufügen - gefällt uns der Ton in der Begründung des Antrages nicht, wo unterstellt wird, dass den Werften durch das Verhalten der Landesregierung in dieser Frage Aufträge entgangen seien.

(Zurufe der Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Unseres Wissens gibt es keinen solchen Fall. Daher muss man, denke ich, schon aufpassen, wie man seine Anträge öffentlich begründet.

(Beifall beim SSW)

Nun weiß ich natürlich, weil auch ich den Pressespiegel gelesen habe, dass die Lindenau-Werft in den letzten Tagen etwas anderes geäußert hat. Ich denke mir, dies müsste im Ausschuss noch einmal geklärt werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Der Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht ein anderes Instrumentarium an: die Landesbürgschaften für Schiffbau und Schifffahrt. Es ist schon fatal, dass die EU-Kommission, ähnlich wie bei den öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten in Deutschland, unter Berufung auf den fairen Wettbewerb gegen die Vergabe von Schiffsfinanzierungskrediten zu Felde zieht. Insoweit kann ich nur das unterstützen, was die Kollegin Gröpel vorhin sagte.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Deutschland muss jetzt also nachweisen, dass die Bürgschaften zu marktüblichen Konditionen vergeben werden. Sonst will EU-Kommissar Monti ein formales Prüfverfahren einleiten. Zu Recht weist der Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik, Werner Schrötteldreyer, darauf hin, dass die Folge Prämienerhöhungen für die Werften sein könnten, und dies sei Gift für die deutschen Werften. Auch der SSW fordert daher, dass dieses Instrument weiterhin EU-konform eingesetzt werden kann. Wir können daher auch den Antrag der Regierungsfraktionen unterstützen. Man darf dennoch nicht übersehen, dass mit der Gewährung von Bürgschaften nicht das zu erreichen ist, was durch die Werftenhilfe erzielt wird.

Leider hätte die geforderte Erhöhung der Werftenhilfe in diesem konkreten Fall den massiven Arbeitsplatzabbau bei HDW aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verhindert.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir haben den An- trag ja auch vorher gestellt!)

Denn die Krise des Handelsschiffbaus hat inzwischen - ich sagte es bereits - enorme Ausmaße angenommen. Man darf nicht vergessen, dass ein Teil der Krise bei HDW wirklich hausgemacht und durch Managementfehler verursacht worden ist. Auch das ist ja heute schon mehrfach hervorgehoben worden. Das Experiment mit den Superfast-Fähren ist nicht erfolgreich gewesen und hat zu finanziellen Verlusten geführt. Auch die vielen Eigentümerwechsel haben nicht gerade zu Kontinuität in der Leitung dieser modernen Werft geführt. Da ist es kein Wunder, dass der Betriebsrat und mit ihm die Mitarbeiterinnen und

(Anke Spoorendonk)

Mitarbeiter mit den Plänen des Vorstandes unzufrieden sind, die sie unverständlicherweise auch aus den Medien erfahren haben.

(Rolf Fischer [SPD]: Unmöglich!)

Insbesondere geht es um die zentrale Frage, ob HDW in Zukunft weiterhin eine Universalwerft bleibt oder auf eine reine Marinewerft ohne längerfristige Überlebenschancen reduziert werden soll. Zurzeit ist die Auslastung der U-Bootfertigung mit 4,7 Milliarden € zwar auf Jahre gesichert, aber die Zukunft des Handelsschiffsbaus ist durch die Vorstandsentscheidung mehr als unsicher.

Vor Jahren noch wurde der Handelsschiffbau durch Quersubventionen vom Marineschiffbau unterstützt. Damals galt die Regel, dass auf den Handelsschiffbau nicht völlig verzichtet werden könne, um Auftragslöcher im Marineschiffbau überbrücken zu können. Diese Quersubventionierung ist von den neuen Eigentümern nicht mehr erwünscht, auch weil das so genannte Shareholder value, also die kurzfristige Maximierung des Gewinns und damit des Aktienkurses, leider wichtiger geworden ist als langfristige strategische Überlegungen.

(Beifall bei SSW und FDP sowie vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich möchte noch einmal auf das hinweisen, was vonseiten der IG-Metall und des Betriebsrats zu eben diesem Problem gesagt worden ist, und zwar unter der Überschrift, dass die Braut HDW jetzt hübsch gemacht werden solle für die Hochzeit mit Thyssen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Diese bedauerliche Entwicklung hat jetzt einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die Frage ist, in welche Richtung sich HDW weiterentwickeln soll. Der SSW unterstützt die Forderung des Betriebsrates, HDW als Universalwerft einschließlich des Handelsschiffbaus zu erhalten.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelter Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja. - Der Vorstand sollte daher schnellstmöglich gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Konzept erarbeiten. Wir fordern die Landesregierung auf, diesen Prozess positiv zu begleiten und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um so viel Arbeits

plätze wie irgend möglich bei HDW und ihren Zulieferfirmen zu erhalten.

Einen Satz noch zu den vorliegenden Anträgen, die alternativ abgestimmt werden können. Wir können den gemeinsamen Antrag von CDU und FDP in vielerlei Hinsicht unterstützen, werden aber keinen Antrag mit unterstützen, aus dem hervorgeht, dass die Tarifautonomie beeinträchtigt werden soll. Das, denke ich, ist etwas, was vor Ort diskutiert werden muss.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Stritzl das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es stimmt: Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei HDW, aber wahrscheinlich auch für jeden von uns in diesem Hause und für die Öffentlichkeit ist es belastend zu hören, dass das Management in einer, wie ich finde, sehr überraschenden Art und Weise des Vorgehens öffentlich verkündet hat, 750 Arbeitsplätze bei HDW abzubauen. Das ist für die Stimmung auf der Werft, das ist für die Betroffenen eine schlichte Katastrophe. Ich hoffe, dass sowohl Management als auch Arbeitnehmervertreter auf der Werft einen vernünftigen Weg des gemeinsamen konsensualen Vorgehens finden.

Ich gebe Ihnen Recht, Frau Ministerpräsidentin: Die internationale Wettbewerbsverzerrung auf der einen und sicherlich auch Managementfehler bei der HDW auf der anderen Seite haben zur jetzigen Situation bei HDW mit beigetragen. Aber eine vollständige Bezeichnung der Verantwortung für die Zustände, wie sie herrschen, hätte natürlich auch bedeutet, sich die Zeit zu nehmen, einmal darüber nachzudenken, wo die politische Verantwortung dieser Landesregierung und Ihre eigene Verantwortung liegt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)