Protocol of the Session on July 13, 2000

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Höppner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die öffentliche Diskussion um die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit hat uns alle im Lande erfasst, auch die SPD. Wir haben auf dem Landesparteitag im Oktober vergangenen Jahres eine breite Diskussion geführt und unsere Ministerpräsidentin hat in ihrer Regierungserklärung am 28. März deutlich gemacht, dass die Landesregierung die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit an ausgewählten Schulen erproben möchte.

Ich meine, wir können diese Dinge nur über eine Erprobungsphase regeln, denn zwangsläufig wird jeder Schüler zum „Springer“, Herr de Jager, wenn die zwölfjährige Schulzeit Knall auf Fall zwangsweise eingeführt wird. Das lässt sich nicht vermeiden.

Die Einführung einer verkürzten Gymnasialschulzeit wird auch nicht vorbehaltlos von den Eltern, Lehrkräften, Lehrerverbänden und Schülern angenommen. Das wissen Sie sicherlich auch. Und wenn wir schon einen Weg beschreiten wollen, der die Verkürzung der Schulzeit am Gymnasium von neun auf acht Jahre zum Ziel hat, dann sollten wir uns auch im Klaren darüber sein, wie wir diesen Weg ebnen müssen. Denn nicht alle Dinge, die in den anderen Bundesländern gemacht worden sind, lassen sich spiegelbildlich auf SchleswigHolstein übertragen.

(Holger Astrup [SPD]: Das ist auch nicht schlimm!)

Da haben zum Beispiel viele Eltern Befürchtungen zur Qualität und zur bundesweiten Anerkennung eines schleswig-holsteinischen Abiturs nach zwölf Jahren. Denn wer heute beispielsweise das Gymnasium nach zwölf Jahren verlässt, hat die Fachhochschulreife. Bedeutet das - so fragen viele Eltern - vielleicht eine Art Nivellierung beider Schulabschlüsse? Andere Befürchtungen lauten: Wie packen wir die Unterrichtsmenge von neun Jahren in die künftig achtjährige Schulzeit? Gibt es dann also 12 % mehr Unterricht an den Schulen?

(Martin Kayenburg [CDU]: Wenn Sie so runterrechnen, kommen Sie sogar ins Minus!)

(Dr. Henning Höppner)

Wer Kinder an einem Gymnasium hat, erlebt, dass diese teilweise bis zu 33 Wochenstunden haben. Sind denn 36 Wochenstunden künftig das Normalmaß für die Schülerinnen und Schüler bei 25 Lehrerunterrichtsstunden? Das sind Fragen, die an uns gestellt werden und die wir zu beantworten haben.

Oder verzichten wir vielleicht auf eine gewisse Menge des Unterrichtsstoffes? Kürzen wir die Oberstufe auf zwei Klassenstufen oder kürzen wir in der Sekundarstufe I? Alle diese Fragen müssen beantwortet werden.

In welcher Jahrgangsstufe erreichen dann die Gymnasiasten die mittlere Reife? Herr de Jager, Sie sprachen eben von der Durchlässigkeit in den Schulen. Was passiert mit den Fachgymnasien? Werden diese vielleicht die attraktiveren gymnasialen Oberstufen haben, wenn sie in drei Jahren die Schülerinnen und Schüler zum Abitur führen können?

(Holger Astrup [SPD]: Fragen über Fragen!)

Alle diese Fragen werfen die Schülerinnen und Schüler, die Eltern und auch die Lehrkräfte und die Lehrerverbände auf. Sie haben in dieser Form auch Sorgen wie ich denke, berechtigte - um die Studierfähigkeit und die Zukunft ihrer Kinder, der Schülerinnen und Schüler.

Die SPD Schleswig-Holstein hat sehr deutlich gemacht, dass sie sich der Diskussion um die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit stellen will. Aber bevor wir eine solche generelle Regelung Knall auf Fall einführen, müssen wir wissen, wohin wir gehen wollen. Wir müssen einen Weg der Erprobung gehen.

Es hat schon einmal in Schleswig-Holstein einen solchen Kraftakt gegeben; daran werden sich viele, die heute hier im Landtag sitzen, noch erinnern, die in den Schuljahren 1967 und 1968 Schülerinnen oder Schüler einer Schule waren.

(Lothar Hay [SPD]: Bei einigen merkt man das auch noch!)

Da wurden innerhalb eines Jahres, innerhalb von 15 Monaten zwei Schuljahre absolviert. Meinen Jahrgang hat es damals in Unter- und Oberprima erwischt. Das war eine sehr unglückliche Situation. - Herr de Jager, Sie haben damals noch in der Sportkarre gesessen. Herr Dr. Klug wird damals Quintaner oder Quartaner gewesen sein; ihn hat es auch noch nicht so hart getroffen.

(Glocke des Präsidenten)

Aber das wird, wenn wir Ihrem Antrag folgen und diese Verkürzung mit einem Schlag in einem Schuljahr einführen wollen, zu ähnlichen Problemen führen können; das kann ich Ihnen versprechen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter Dr. Höppner, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. HappachKasan? Es sollte aber mehr eine Schlussfrage werden.

Frau Happach-Kasan? Bitte!

Herr Kollege Höppner, können Sie mir bitte sagen, welche konkreten Probleme die Abiturienten, die damals die zwei Kurzschuljahre mitgenommen haben, in ihrer beruflichen Laufbahn später tatsächlich gehabt haben?

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

- Frau Happach-Kasan, ich glaube Ihnen, da Sie jünger sind als ich, dass Sie keine hatten. Auch Herr Dr. Klug wird keine gehabt haben, wenn es ihn in den Klassen Quinta und Quarta getroffen hat.

Aber es ist auch für Lehrer ein großes Problem, denke ich, einen Unterrichtsstoff, der auf zwei Jahre angesetzt ist, auf ein Jahr zu verdichten.

(Dr. Christel Happach-Kasan [F.D.P.]: Es geht um die Schüler!)

So ein Verfahren sollten wir zumindest für diesen Zeitraum nicht anstreben.

Meine Damen und Herren, wir werden den Antrag nicht ablehnen;

(Zuruf von der CDU: Oh, oh!)

wir haben angesichts der laufenden Diskussion um dieses Thema die Entscheidung getroffen, mit Ihnen im Ausschuss darüber zu diskutieren. Ich freue mich auf interessante und brisante Diskussionen.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein altes sozialdemokratisches Leiden, der „Reiz der Langsamkeit“, ereilt nun ein weiteres Thema, nämlich das Thema „Abitur in zwölf Jahren“. Auch hier humpelt Schleswig-Holstein munter dem Zug der Zeit hinterher.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Ich darf daran erinnern, dass die F.D.P.Landtagsfraktion schon vor sieben Jahren, 1993, einen Antrag zum Thema „Abitur in zwölf Jahren“ diesem hohen Hause vorgelegt hat. Damals und auch in den nachfolgenden Jahren fanden die Sozialdemokraten das immer völlig indiskutabel. Jetzt bequemt man sich zu Schulversuchen, deren erste Absolventen - und das muss man sich einmal richtig auf der Zunge zergehen lassen - voraussichtlich im Jahre 2010 mit einem vorgezogenen Abitur in der Tasche auserwählte Gymnasien dieses Landes werden verlassen dürfen. Auf diese Weise kriecht das Land Schleswig-Holstein mit dem Tempo einer holsteinisch-griechischen Landschildkröte in Richtung Fortschritt. So ist es.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Meine Damen und Herren, die F.D.P. befürwortet seit langem eine generelle Verkürzung der gymnasialen Schulzeit. Wir wollen diese Schulzeitverkürzung schnell; wir wollen das Abitur in zwölf Jahren, aber pronto!

Das Modell, das wir schon im Jahre 1993 vorgeschlagen haben, ist auch in der Lage, dies zu gewährleisten. Unser Vorschlag sieht folgendermaßen aus.

Anders als in den Erprobungskonzepten, die das Bildungsministerium jetzt den Gymnasien zur Auswahl gestellt hat, sollte die Verkürzung nicht allein im Bereich der Sekundarstufe I erfolgen. Vielmehr soll nach unserer Auffassung der Stoff der Sekundarstufe I bislang sechs Jahre - auf fünfeinhalb Jahre verteilt werden, das Pensum der Sekundarstufe II - bisher drei Jahre - auf zweieinhalb Jahre. Dies hat zwei Vorteile.

Erstens: Die mit der Schulzeitverkürzung im Gymnasium verbundene stärkere Belastung der Schüler wird besser auf die gesamte Schulbesuchsdauer verteilt.

Zweitens: Man kann durch die Neuorganisation der Oberstufe, die ja im Schuljahr 2001/2002 - also im übernächsten Schuljahr - beginnen soll, erreichen, dass die ersten Abiturienten bereits zweieinhalb Jahre später zumindest mit einem um ein halbes Jahr vorgezogenen Abi die Schulen dieses Landes verlassen können. Also beginnt der Effekt einer Schulzeitverkürzung

insgesamt ein halbes Jahrzehnt früher, als es bei dem Modell der SPD der Fall wäre.

Zu unserem Vorschlag gehört noch eine weitere wichtige Veränderung. Nach unserer Auffassung muss die gymnasiale Oberstufe - wie gesagt, nach unserer Vorstellung in Zukunft zweieinhalb Jahre - von Anfang an im Kurssystem unterrichtet werden. Die Schüler in den Gymnasien hätten damit in Zukunft für zweieinhalb Jahre und nicht nur - wie bisher - für zwei Jahre die Möglichkeit, Leistungskurse und Grundkurse nach ihren Neigungen auswählen zu können.

Sie wissen ja, dass die - wie wir finden, verunglückte Oberstufenreform von Frau Böhrk vor Jahren im 11. Jahrgang wieder den Klassenverband eingeführt hat. Dies ist etwas, was viele Schüler nicht nur ätzend finden, sondern was auch bildungspolitische Probleme verursacht, weil nämlich - das bestätigen einem in Gesprächen viele Gymnasiallehrer und Schulleiter aus diesem Bereich - durch die Wiedereinführung des Klassenverbandes im 11. Jahrgang die früher mögliche Testphase, der Probelauf nicht mehr möglich ist, bei dem man geguckt hat, ob der Leistungskurs, den man gern wählen möchte, einem auch wirklich liegt, ob man damit zurechtkommt. Das hat - dies hört man immer wieder aus den Schulen - mit dazu beigetragen, dass bei der Fächerwahl von Leistungskursen schwierige Fächer wie gerade die Naturwissenschaften in den letzten Jahren zunehmend weniger gewählt werden. Wir alle wissen aber, wie wichtig es auch für die Zukunft unseres Landes ist, dass solche Fächer von Schülern wieder verstärkt attraktiv gefunden werden, damit man sie wählt.

(Beifall bei der F.D.P.)

Das heißt, mit unserem Modell - Verkürzung der gymnasialen Schulzeit bei gleichzeitiger Verlängerung der Kursphase in der gymnasialen Oberstufe um ein halbes Jahr, um ein Semester - können wir sozusagen diesen Testlauf, diesen Probelauf für ein Semester, nach dem man dann unter Umständen auch entscheiden kann, gegebenenfalls andere Leistungskurse zu wählen, wieder einführen. Das wäre ein ungeheurer schulpolitischer Fortschritt, wie ich finde.

(Beifall bei der F.D.P.)

Dem Kollegen Höppner möchte ich sagen: Natürlich bedeutet die Verkürzung der Schulzeit auch so etwas wie Verdichtung; das ist klar. Die Schule wird anspruchsvoller und dann auch schwieriger zu bewältigen sein. Aber denken Sie auch daran, dass heute die Personalausstattung der Gymnasien überhaupt nicht ausreicht, um das vorgesehene Pensum durchzuhal

(Dr. Ekkehard Klug)