Es ist eben so, dass Parteien, die kommunale Verantwortung tragen, diese Dinge mit etwas mehr Ruhe sehen und dabei weiter denken. Aber wir sind vom
Grundsatz her mit einer Ausnahme offen: Eine Aufhebung der Schuleinzugsbereiche bei den Grundschulen wird es mit uns nicht geben.
Wir treten in die Abstimmung ein. Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 15/2386, in die Ausschüsse zu überweisen, und zwar federführend in den zuständigen Bildungsausschuss, mitberatend in den Innen- und Rechtsausschuss. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den darf ich um sein freundliches Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist das einstimmig so beschlossen. Dann ist der Tagesordnungspunkt an dieser Stelle vorerst beendet.
Bevor wir in den neuen Tagesordnungspunkt 16 eintreten, möchte ich bekannt geben, dass die Abgeordnete Frau Birk, der Abgeordnete Herr Poppendiecker und der Abgeordnete Herr Schröder erkrankt sind. Beurlaubt sind der Abgeordnete Puls und der Abgeordnete Schlie.
- Nein, gnädige Frau, ich habe mich nicht verlesen, sondern ich habe das vorgetragen, was hier auf meinem Zettel steht.
Verzahnung von Vorschul- und Grundschulbereich, Neuordnung der Grundschule und Überarbeitung der Orientierungsstufenverordnung Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/2379 (neu)
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die Antrag stellende Fraktion der CDU erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Sylvia Eisenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist immer sehr anregend, sich über Organisationsfragen zu unterhalten, vor allen Dingen ist es einfacher, als sich über inhaltliche Fragen zu unterhalten. Das hat die Debatte von vorhin gezeigt. Nichtsdestoweniger
Die PISA-Studie hat gezeigt, dass Bildung und Erziehung im vorschulischen Bereich beginnen müssen, um vorhandene Defizite bei Kindern abzubauen, egal welcher sozialen Schicht und welchem finanziellen Hintergrund sie entstammen. Wenn 57 % aller deutschen Schulanfänger Sprach- und Verhaltensstörungen sowie Konzentrationsschwächen aufweisen, wenn erst Grundschullehrer den Kindern das Stillsitzen, das Rückwärtsgehen, das Anziehen, das Schuhe zubinden und das Stifte halten beibringen müssen, bevor der eigentliche Unterricht beginnt, dann ist etwas in unserem System faul.
Natürlich ist es vordringlichste Aufgabe der Eltern und ihre Pflicht, ihre Kinder mit diesen Fertigkeiten auszustatten. Aber wie die Statistik zeigt, ist das heute nicht mehr überall der Fall. Deshalb müssen die Kindertagesstätten, von Land, Kommunen und Eltern finanziert, neben ihrem Betreuungsauftrag stärker in den Erziehungs- und Bildungsauftrag eingebunden werden.
Das gehört zur Chancengerechtigkeit im Bildungssystem. Deshalb halten wir es auch für notwendig, dass im letzten Kindertagesstättenjahr zwar spielerisch, aber konsequenter als bisher auf den Schuleintritt vorbereitet wird, und zwar in allen Kindertagesstätten. Das ist ein klarer Bildungsauftrag zum Abbau der Chancenungerechtigkeit.
Auch deshalb wird das Land aufgefordert, den Bildungsauftrag für den vorschulischen Bereich entsprechend den PISA-Anforderungen neu zu formulieren und seine Umsetzung auch finanziell und inhaltlich zu garantieren. Die Neufassung des Kindertagesstättengesetzes eröffnet eine gute Gelegenheit dafür. Unverbindliche und örtlich punktuelle Rahmenvereinbarungen, die auf Freiwilligkeit setzen und sich in Gesprächen erschöpfen, ohne inhaltliche Vorgaben zu setzen, reichen nicht aus.
Selbstverständlich gehört zur Herstellung der Chancengerechtigkeit auch, dass Kinder nicht deutscher Muttersprache verpflichtend individuellen Sprachunterricht möglichst in Verbindung mit einem Elternteil erhalten, und zwar ausreichend, bevor sie zur Schule kommen, und das heißt bei uns bei Bedarf ein Jahr.
Meine Damen und Herren, diese Landesregierung hat die Vorklassen abgeschafft, die Schulkindergärten werden in Zukunft aufgelöst. Das waren Institutionen, die zur Herstellung der Chancengerechtigkeit beigetragen haben. Am Versuch, diese Wertverluste durch Aufgabenübertragung an die Grundschulen zu ersetzen, ist diese Landesregierung gescheitert. Zurzeit kann nicht einmal die planmäßige Unterrichtsversorgung sichergestellt werden, geschweige denn ausreichender Förderunterricht. Unser Land braucht erst recht nach PISA eine Leistungssteigerung und eine Qualitätsverbesserung,
Die von der Landesregierung geplanten verlässlichen Grundschulzeiten im Hamburger Raum gehen zwar in die richtige Richtung. Die von Ihnen, Frau ErdsiekRave, aber zu verantwortende tatsächliche Umsetzung ist jedoch aus bildungspolitischer Sicht ein weiterer Flop, kein Fortschritt, sondern Rückschritt. Die Reaktionen von Schulen und Elternvereinen im Hamburger Umland bis nach Lübeck belegen dies. Für den planmäßigen Unterricht und die zusätzliche Sicherstellung der Betreuungszeiten werden nach gesicherten Erkenntnissen circa 125 Planstellen allein für den Hamburger Raum benötigt. Die Landesregierung aber stellt nur 50 bereit und - das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen - diese 50 werden von anderen Grundschulen abgezogen, sodass dort noch weniger Unterricht stattfindet als bisher. Ich darf nur erinnern, dass die Grundschulen in SchleswigHolstein grundsätzlich schon ein halbes Jahr weniger planmäßigen Unterricht haben als die Schulen in Bayern. Ob es der richtige Weg ist, woanders Stellen abzuziehen, wage ich zu bezweifeln.
Die restlichen 75 Stellen sollen die Schulen selbst erwirtschaften und organisieren, wie auch immer, das ist dem Bildungsministerium egal. Das ist keine wohlverstandene Autonomie der Schulen, sondern nichts anderes als eine Mogelpackung. Auf diese Art und Weise muss der Unterricht zugunsten der Betreuung abgebaut werden, Leistungssteigerung und Qualitätsverbesserung rücken in weite Ferne. Deshalb fordern wir die Verlässliche Halbtagsgrundschule auf der Basis verlässlicher Stundentafeln mit zusätzlichem Förder- und Forderunterricht innerhalb der Schulzeit, aber außerhalb der Stundentafeln. Nur so können wir den Forderungen aus PISA begegnen.
Als Grundvoraussetzung für die Feststellung des Förderbedarfs brauchen die Schulen natürlich verbindli
che Lernziele und inhaltliche Mindeststandards für jede Klassenstufe. Halbjährliche landesweite Leistungskontrollen ab Klasse 3 und nicht nur schulinterne Vergleichsarbeiten sollen Eltern und Lehrkräften die Leistungseinschätzung der Kinder, der Lehrkräfte und der Schulen erleichtern, den Wettbewerb der Schulen untereinander fördern und die Schulaufsicht in die Lage versetzen, bei Bedarf einzugreifen.
Dafür brauchen wir keinen neuen Schul-TÜV, sondern eine Stärkung der bisherigen Schulaufsicht. Das, Frau Erdsiek-Rave, haben Sie schmählich vernachlässigt.
Diese kontinuierliche Leistungseinschätzung in Verbindung mit pädagogischer Begleitung, Förderung, Forderung und Information der Eltern wird zu einer größeren Akzeptanz der Schulartenempfehlung führen.
Damit kommen wir zur Orientierungsstufe. Ihre Äußerungen zu unseren Vorschlägen in der Presse zeugen entweder von Ihrer Unfähigkeit, Herr Weber, sich von einer überholten Bildungspolitik lösen zu können, oder Sie haben unsere Vorschläge nicht richtig gelesen oder nicht verstanden - PISA lässt grüßen. Die CDU-Landtagsfraktion und der Landesarbeitskreis Bildung der CDU jedenfalls sind lern- und reformfähig - im Unterschied zu Ihnen.
Wir wollen die Anzahl der Schrägversetzungen nach unten, die zunehmende Anzahl von Wiederholern in Verbindung mit Demotivation, Leistungsunwillen und sozialem Fehlverhalten verringern. Auch das hat PISA gefordert. Allerdings halten wir Ihren Weg, das Sitzenbleiben einfach abzuschaffen und die Kinder und Jugendlichen bis zur 9. Klasse durchzureichen, egal welche psychologischen Folgen sich für die einzelnen Kinder daraus ergeben, für absolut falsch.
Die Orientierungsstufe, fast 30 Jahre alt, muss grundlegend modernisiert werden. Entscheidend war und blieb in den letzten Jahrzehnten immer der sicher gut gemeinte Elternwille als Entscheidungskriterium für den Übergang auf die Orientierungsstufe der weiterführenden Schulen und eben nicht die Schulartenempfehlung einer immerhin vierjährigen Grundschulzeit - mit der Folge, dass Kinder Schularten zugewiesen wurden, deren Anforderungen sie nicht erfüllen konnten. Immer wieder ist versucht worden, die Akzeptanz der Schulartenempfehlung zu erhöhen, durch Berichtszeugnisse, durch Entwicklungsberichte und jetzt neuestens wieder durch halbjährliche Lernberichte ab
Die CDU setzt auch weiter auf Eigenverantwortlichkeit der Eltern. Dies gilt sowohl bei der Information über die Schulartenempfehlung, als auch bei der Anmeldung zum Testverfahren, dem sich die Kinder beim Auseinanderklaffen von Schulartenempfehlung und Elternwillen stellen sollen. Aber spätestens, wenn die Eltern auch die Testergebnisse nicht akzeptieren, wenn auch ausreichende Förderung vonseiten der Schule nicht zu dem von den Eltern gewünschten Ziel führt, müssen auch einmal Konsequenzen zum Wohl des Kindes gezogen werden.
Dann müssen sich die Kinder einer Aufnahmeprüfung unterziehen, dessen Ergebnis verbindlich ist. Wir denken, auf diese Art und Weise können Sitzenbleiben und Schrägversetzungen nach unten und ihre Folgen auf Einzelfälle beschränkt werden. Dem gestuften Verfahren zur Aufnahme in die Orientierungsstufe - Übergang in Baden-Württemberg lange Zeit mit Erfolg praktiziert - wird eine verbesserte Durchlässigkeit der Orientierungsstufe und da vor allen Dingen und in logischer Konsequenz nach oben zur Seite gestellt. Denn dafür gibt es bisher in diesem Land überhaupt keine Kriterien und wahrscheinlich waren sie auch nicht nötig, weil bisher immer nach unten versetzt wurde.
Ich komme zum Ende. - Kriterien - bei aller pädagogischer Begleitung, Förderung und Forderung - für die Durchlässigkeit nach oben sind auch Noten, gegeben von professionellen Pädagogen, Noten, die Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, fürchten wie der Teufel das Weihwasser.