Weil das so ist, lieber Kollege Eichelberg, sage ich ganz deutlich: Auch wenn ich nicht an die Durchschlagskraft des Antrages glaube, werde ich ihn voll unterstützen, weil ich das Ziel des Antrages für ausgesprochen wichtig halte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über den Zustand der Bahnhöfe in Schleswig-Holstein ist schon eine Menge gesagt worden. Wir müssten uns eventuell auch einmal darüber Gedanken machen, was in den letzten Jahren passiert ist. Es gibt - das muss man auch einmal sagen - durchaus eine Reihe von Renovierungen kleinerer Bahnhöfe, die mittlerweile ganz vernünftig aussehen. Wir haben aber einige Exemplare, die wirklich eine Katastrophe sind. Wenn ich mir den Bahnhof in Kiel oder die Entwicklung in Husum ansehe, dann ist das erschreckend.
Ich muss ehrlich sagen, ich glaube nicht mehr an Zufälle. Der Bahnhof in Kiel sollte im Jahr 1999 fertig sein. Damals liefen die Verhandlungen zur Ausschreibung der Strecke von Kiel nach Hamburg. Diese Strecke ist vom Land Schleswig-Holstein ausgeschrieben und an die NOB vergeben worden.
Die Deutsche Bahn AG hat verloren. Der Bahnhof Kiel wurde nicht, wie versprochen, 1999 fertig gestellt, sondern die Arbeiten wurden eingestellt. Es wurde erst einmal eine Denkpause von zwei Jahren eingelegt.
Der Bahnhof sollte jetzt fertig gestellt werden. Alles lief. Alles war in Arbeit. Nun laufen die Verhandlungen, die Ausschreibungen für die Westküstenstrecke. Schleswig-Holstein ist das Land Nummer eins bei der Ausschreibung von Bahnlinien. Alle Ausschreibungen haben bisher übrigens zu Verbilligungen geführt,
Was passiert, wenn die Ausschreibungen laufen? - Die DB AG stellt den Ausbau des Bahnhofs Kiel wieder ein und erklärt, der Unternehmer, der in Kiel baue, erfülle seine Pflichten nicht, sie müsse daher den Unternehmer wechseln. Ist das Zufall? - Ich glaube nicht mehr an Zufälle.
Ich glaube mittlerweile: Das, was hier läuft, ist eine massive Erpressungspolitik eines privaten Bahnunternehmens, der DB AG, das dem Bund gehört, gegenüber dem Land Schleswig-Holstein.
Wir haben diese Debatte im Rahmen der Koalitionsverhandlungen leider verloren. Das gebe ich zu. Es gab den Beschluss der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Grünen, nach dem eingebracht werden sollte, dass die Investitionen der Bahn nicht mehr an die DB AG, sondern an die Länder gehen, damit diese selber planen können.
Es ist uns leider nicht gelungen, uns bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin durchzusetzen - wahrscheinlich, weil auch von grüner Seite, von grünen Politikern in Berlin das Problem nicht so dramatisch gesehen worden ist wie von den Landespolitikern.
Ich kann nur sagen, dass wir alle aufgefordert sind, uns in unseren Parteien - das gilt ganz besonders für die Regierungsfraktionen - massiv gegenüber Berlin und dem neuen Verkehrsminister, Herrn Stolpe, dafür einzusetzen, dass die Vergabe der Investitionsmittel auf Bundesebene neu geregelt wird. Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen wie die DB AG, das mittlerweile nicht mehr Monopolist ist, sondern in Konkurrenz zu anderen privaten Bahnunternehmen steht und sich bei den Ländern um Aufträge bewirbt, allein über die Investitionen entscheidet und die Länder, die ihm nicht alle Aufträge geben, bestraft. Dieser Zustand muss aufhören.
(Lothar Hay [SPD]: Wir müssen dafür sor- gen, dass die Dänische Staatsbahn mehr Auf- träge bekommt! Die haben bessere Bahnhö- fe! - Lars Harms [SSW]: Das kriegen wir al- les geregelt!)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seien wir doch einmal ehrlich: Seit die Deutsche Bahn AG in viele Bereiche aufgeteilt ist und in jedem dieser Bereiche wirtschaftlich gearbeitet werden soll, haben wir ein Problem. Das Problem heißt Deutsche Bahn AG. Früher, als es bloß eine Bundesbahn gab, war alles einfach. Da die Bundesbahn alle Verkehre durchführte, war sie natürlich auch an einem vernünftigen Bahnhof interessiert. Jetzt ist alles anders. Die Bahnhöfe müssen sich rechnen und ihre Wirtschaftlichkeit beziffert sich nicht mehr nur nach der Frequentierung, sondern unter anderem auch nach Mieteinnahmen und der Frage, wer den Bahnhof anläuft. Das hat der Kollege Hentschel ganz richtig erkannt.
Dort, wo die Deutsche Bahn AG im Wettbewerb gegen andere Wettbewerber unterliegt, hat sie als Gesamtkonzern nur dann ein Interesse, den Bahnhof zu modernisieren, wenn die Einnahmen die hierfür notwendigen Aufwendungen in einem gewissen Zeitraum übersteigen. Das ist bei weitem nicht bei jedem Bahnhof der Fall.
Welcher kleine regionale Bahnhof in SchleswigHolstein hat schon vermietbare Flächen in 1-a-Lage? Die meisten Bahnhöfe verfügen im Vermietungsbereich nicht über das Potenzial, das notwendig wäre,
um aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus eine Renovierung zu rechtfertigen. Damit fällt ein wichtiger Finanzierungseckpfeiler weg.
Die zweite Begründung für eine Renovierung von Bahnhöfen wäre, dass ein anderer Geschäftsbereich der Deutschen Bahn AG von dieser Renovierung profitieren würde. Hierbei muss man zwischen dem Nahverkehr und dem Fernverkehr unterscheiden. Die Entwicklung der letzten Jahre im Bereich Fernverkehr macht deutlich, dass Schleswig-Holstein eher wenig attraktiv für die Deutsche Bahn AG ist. Manch ein Fernverkehr muss politisch erstritten werden. Das heißt aber auch, dass dieser politisch erstrittene Fernverkehr eher von geringem Umfang ist. Wenn nun das Aufkommen des Fernverkehrs eher gering ist oder der Fernverkehr sogar eingestellt wird, stellt sich für die Deutsche Bahn AG die Frage, ob in den betroffenen Regionen wirklich in Bahnhöfe investiert werden soll.
Der Bahnhof Husum ist ein typisches Beispiel hierfür. Seit Jahren wird der Fernverkehr an der Westküstenstrecke ausgedünnt, was dazu führt, dass die Deutsche Bahn AG seit Jahren ein immer geringer werdendes Interesse hat, den Bahnhof in Husum auf einen gewissen Mindeststandard zu bringen.
Hinzu kommt jetzt noch die Entwicklung im Regionalverkehr. Die Deutsche Bahn AG verliert Ausschreibung um Ausschreibung, weil sie der privaten Konkurrenz nicht gewachsen ist. Das ist im ersten Moment zu begrüßen und nicht zu hinterfragen, weil wir als öffentlicher Auftraggeber mehr Leistung bei geringerem Preis erhalten. In Bezug auf die Infrastruktur hat dies Auswirkungen. Die Deutsche Bahn AG hat natürlich nur noch ein eingeschränktes Interesse, die Infrastruktur und insbesondere die Bahnhöfe entsprechend zu modernisieren.
Nach der Ausschreibung der Westküstenstrecke droht die Deutsche Bahn AG, auch hier einen Auftrag im Nahverkehr zu verlieren. Wenn sich die Bahnhöfe auf diesen Strecken finanziell nicht ausreichend tragen, die eigenen Züge auf dieser Strecke nicht unterwegs sind - welchen Grund sollte die Deutsche Bahn AG dann noch haben, solche Bahnhöfe zu renovieren? Gerade Husum wird genau diese Überlegung treffen.
Es gibt zwar Gesetze und Verordnungen, die vorschreiben, dass auch die entlegensten Bahnhöfe renoviert werden müssen. Aber uns allen ist klar, dass der Konzern Deutsche Bahn AG seine Prioritäten setzt und nur das tut, was unbedingt notwendig ist.
Somit werden wir uns auch in den nächsten Jahren mit der unzulänglichen baulichen Unterhaltung der Bahnhöfe herumärgern müssen. Das Einzige, was wirklich hilft, ist die Herausnahme der Infrastruktur aus dem Konzern Deutsche Bahn AG.
Mit der Infrastruktur ist aber nicht nur die Schieneninfrastruktur, sondern sind auch die Bahnhöfe gemeint.
Würde man beides in einer unabhängigen Infrastrukturgesellschaft vereinen, hätte man die Chance, die Bahnhöfe in ganz Deutschland entsprechend den Notwendigkeiten zu renovieren. Solange wir keine Infrastrukturgesellschaft haben, werden wir mit der unzulänglichen baulichen Unterhaltung der Bahnhöfe leben müssen und sind auf Resolutionen - wie im vorliegenden Antrag - angewiesen.
Die Resolution sehen wir als kurzfristige Maßnahme, die wir selbstverständlich unterstützen, von der wir erwarten, dass sie weitergehende Denkprozesse vor allen Dingen in Berlin auslöst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe natürlich - um nicht zu sagen, ich bin sicher -, dass dieser Antrag Herrn Mehdorn zu denken geben wird
und kurzfristig der Umbau der schleswig-holsteinischen Bahnhöfe deutlich vorankommen wird. Ich bedanke mich auch für das Vertrauen des Kollegen Eichelberg und seiner Fraktion in die Bahnpolitik des Ministers. Ich bin sicher, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt wird durch das, was wir zumindest in anderen Bereichen unserer Bahnpolitik erreichen.
Sie können davon ausgehen - diejenigen, die mit mir reden, wissen das -, dass mir der Umbau der großen Bahnhöfe in Schleswig-Holstein ein einziges Ärgernis ist. Sie können sich vielleicht vorstellen, was meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium, in der Landesverkehrsservicegesellschaft an Gesprächen allein für den Bahnhof Kiel über Jahre hinweg geführt haben. Das geht auf keine Kuhhaut mehr, was wir alles versucht haben, um die Bahn dazu zu bringen, zumindest in ein geordnetes Planungsverfahren einzutreten, von der Abwicklung mal ganz zu schweigen. Es ist wirklich eine Katastrophe.
In Lübeck geht es endlich los. Aber wie lange hat das gedauert? Sie wissen, wie viele Gespräche dafür notwendig waren.
Insofern ist das alles nicht schön. So ein Antrag kann hilfreich sein. Wir werden ihn nutzen. Aber das Grundproblem - da haben einige meiner Vorredner Recht - werden wir damit nicht lösen. Das Grundproblem besteht schlicht darin, dass wir bei den kleinen Bahnhöfen, bei denen wir regional etwas machen können, eigentlich gut davor sind.